Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Zentralnervensystems bei Katzen. Ein epileptischer Anfall kann für Katzenbesitzer ein erschreckendes Erlebnis sein, da er meist plötzlich und ohne Vorwarnung auftritt. Die Symptome können von heftigen Krämpfen über Schreien bis hin zu Schaumbildung vor dem Maul reichen, und die Katze kann unkontrolliert Harn oder Kot verlieren. Obwohl die meisten Anfälle nur wenige Sekunden dauern, ist die Situation für Tierhalter, die ihr Tier lieben, schwer zu ertragen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Epilepsie bei Katzen, einschließlich der verschiedenen Arten von Anfällen, möglichen Ursachen, Diagnoseverfahren, Behandlungsmöglichkeiten und Tipps, wie Sie Ihrem Liebling am besten helfen können.
Was ist Epilepsie bei Katzen?
Epilepsie bei Katzen ist eine neurologische Störung, die durch wiederkehrende, unkontrollierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, übermäßige elektrische Entladungen im Gehirn. Man unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von Epilepsie:
- Fokale oder Petit-Mal-Anfälle: Hierbei sind nur einzelne Gehirnregionen betroffen. Es kann zu kurzfristiger Abwesenheit, Orientierungslosigkeit oder unauffälligen motorischen Krämpfen kommen.
- Generalisierte oder Grand-Mal-Anfälle: Bei dieser Form ist das gesamte Gehirn betroffen. Es kommt zu tonisch-klonischen Krämpfen, oft verbunden mit Bewusstseinsverlust. Etwa 80 % der Anfälle bei Katzen sind generalisiert.
Neben diesen Haupttypen gibt es noch weitere Anzeichen, die auf eine epileptiforme Erkrankung hinweisen können, wie allgemeines Zittern, einfache Muskelzuckungen, Krämpfe einzelner Muskelgruppen, Schnappen nach imaginären Fliegen, starker Speichelfluss, Rennanfälle, Sehstörungen, glasiger Blick, Augenrollen und sogar Juckreiz. Manchmal findet man auch nur eine kleine Urinpfütze vor und vermutet Unsauberkeit, ohne an einen epileptischen Anfall zu denken. Da viele Katzen ihre Anfälle nachts oder direkt nach dem Aufwachen haben, findet man häufig Urin oder Kot auf ihrem Schlafplatz.
Ursachen von Epilepsie bei Katzen
Die Ursachen für Krampfanfälle bei Katzen können vielfältig sein. Es ist wichtig zu unterscheiden, ob die Ursache direkt im Zentralnervensystem liegt oder außerhalb davon.
Intrakranielle Ursachen
Intrakranielle Ursachen sind Erkrankungen des Gehirns selbst, die zu Anfällen führen können:
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- FIP (Feline infektiöse Peritonitis): An erster Stelle der zugrunde liegenden Erkrankungen steht FIP, eine durch Viren verursachte Entzündung des Gehirns.
- Hirnentzündungen: Andere Auslöser einer Hirnentzündung können wandernde Wurmlarven, Toxoplasmose und verschiedene Bakterien sein.
- Hirntumore: Krampfanfälle bei Katzen können leider auch durch Hirntumore ausgelöst werden.
- Schädel-Hirn-Traumata: Auch länger zurückliegende Schädel-Hirn-Traumata können eine Ursache sein.
- Feline Hippocampus-Nekrose: Hierbei sterben Gehirnzellen ab.
- Missbildungen des Gehirns: Bei Jungtieren können Missbildungen des Gehirns vorliegen.
- Immunvermittelte Enzephalitiden: Bei jungen, ausgewachsenen Tieren können Gehirn-Entzündungen auftreten, die durch Überreaktionen des Immunsystems entstehen.
- Blutungen und Hirninfarkte: Bei älteren Tieren können Blutungen und Hirninfarkte Anfälle verursachen.
- Angeborene Stoffwechselstörungen: Seltene, angeborene Stoffwechselstörungen der Gehirnzellen können zur Degeneration von Neuronen führen.
Extrakranielle Ursachen
Extrakranielle Ursachen sind Erkrankungen außerhalb des Gehirns, die indirekt Anfälle auslösen können:
- Elektrolytverschiebungen: Störungen im Elektrolythaushalt können Anfälle verursachen.
- Unterzuckerung: Ein niedriger Blutzuckerspiegel kann ebenfalls Anfälle auslösen.
- Sauerstoffmangel: Sauerstoffmangel im Gehirn kann zu Anfällen führen. Bei Herzerkrankungen kann es vorkommen, dass das Gehirn zeitweise nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.
- Organerkrankungen: Lebererkrankungen und Gefäßmissbildungen der Leber (portosystemischer Shunt) können zu einer Überflutung des Gehirns mit körpereigenen Giftstoffen (Ammoniak) führen. Abweichungen des Blutspiegels von Körpersalzen wie Kalzium und Kalium, die sich bei Nieren- oder Nebennierenerkrankungen sowie bei Erkrankungen der Nebenschilddrüse einstellen, können ebenfalls Krampfanfälle verursachen.
- Vergiftungen: Vergiftungen durch Frostschutzmittel, Wurm-, Floh-, Zecken- und Milbenmittel, Mäusegift, Insektizide, Philodendron oder Buchsbaum können ebenfalls als Ursache in Frage kommen. Auch Medikamente mit dem Wirkstoff Permethrin, die gegen Ektoparasiten eingesetzt werden, dürfen bei Katzen nicht angewendet werden, da sie Vergiftungen auslösen können.
- Stress: Schreck, Schock und andauernder Stress können besonders bei Katzen Auslöser von epileptischen Anfällen sein.
- Schwermetallbelastungen: Häufige Impfungen, die Aluminium und Quecksilber enthalten, können das Auftreten von Krampfanfällen begünstigen.
- Futter: Bestimmte Inhaltsstoffe im Futter, wie Getreide (Gluten, Glutamate, Aspartate) und Zucker, können ebenfalls Anfälle auslösen.
Idiopathische Epilepsie
Wenn alle Ursachen für eine sekundäre oder reaktive Epilepsie ausgeschlossen wurden, spricht man von einer "primären" oder "idiopathischen" Epilepsie. Hier geht man von einer Schädigung einzelner Nervenzellen aus, die nicht auf die normalen Signale zur Eindämmung der elektrischen Aktivität reagieren oder selbstständig elektrische Impulse auslösen und verbreiten.
Diagnose von Epilepsie bei Katzen
Die Diagnose von Epilepsie bei Katzen ist oft ein Ausschlussverfahren. Da es keinen spezifischen Test gibt, um Epilepsie zu beweisen, müssen andere mögliche Ursachen für die Anfälle Schritt für Schritt ausgeschlossen werden.
Anamnese
Ein intensives Gespräch mit dem Tierarzt ist entscheidend. Dabei werden folgende Punkte geklärt:
- Wie stellen sich die epileptischen Anfälle klinisch dar?
- In welchen Abständen treten sie auf?
- Wie lange dauern sie?
- Gibt es auslösende Faktoren in der Vergangenheit oder Gegenwart?
- Handelt es sich überhaupt um einen epileptischen Anfall und nicht um eine Störung des Gleichgewichts, der Herztätigkeit oder eine andere Erkrankung?
Klinische Untersuchung
Liegt der auslösende Faktor für die Epilepsie im Gehirn selbst, ist häufig auch die Funktion anderer Systeme des Nervensystems geschädigt.
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Blutuntersuchung
Eine Blutuntersuchung kann wichtige Hinweise auf Organschäden und andere Störungen des Körperstoffwechsels liefern. Neben den Standardtests muss die Funktion der Leber (Ammoniaktest) aus einer Blutprobe umgehend nach Entnahme überprüft werden.
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) können helfen, Veränderungen im Gehirn wie Verletzungen, Tumore oder andere strukturelle Anomalien zu erkennen.
Liquoruntersuchung
Eine Nervenwasseruntersuchung kann durchgeführt werden, um Entzündungen im Bereich von Hirn und Rückenmark festzustellen.
Was tun bei einem epileptischen Anfall?
Es ist wichtig, ruhig zu bleiben, auch wenn der Anblick Ihrer krampfenden Katze schockierend ist. Vermeiden Sie es, sich selbst in Gefahr zu bringen, da die Katze während des Anfalls keine Kontrolle über ihre Zähne und Krallen hat.
- Ruhe bewahren: Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und Panik zu vermeiden.
- Sicherheit gewährleisten: Sorgen Sie dafür, dass sich die Katze in einer sicheren Umgebung befindet, fern von Treppen, scharfen Gegenständen oder anderen potenziellen Gefahrenquellen.
- Äußere Reize reduzieren: Schalten Sie helle Lichter aus und reduzieren Sie laute Geräusche, um die Umgebung so beruhigend wie möglich zu gestalten.
- Abstand halten: Berühren Sie die Katze während des Anfalls nicht, es sei denn, es besteht die Gefahr, dass sie sich verletzt.
- Zeit notieren: Notieren Sie den Beginn und das Ende des Anfalls. Diese Information ist für den Tierarzt sehr nützlich. Ein Anfall, der länger als 5 Minuten dauert, ist besorgniserregend und erfordert einen tierärztlichen Notdienst.
- Video aufnehmen: Wenn möglich, filmen Sie den Anfall, um dem Tierarzt wertvolle Informationen über den Verlauf und die Art des Anfalls zu liefern.
Behandlung von Epilepsie bei Katzen
Die Behandlung von Epilepsie bei Katzen zielt darauf ab, die Häufigkeit und Schwere der Anfälle zu reduzieren und die Lebensqualität der Katze zu verbessern.
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Behandlung der Grunderkrankung
Bei sekundären Epilepsien muss die auslösende Grunderkrankung beseitigt werden. Wird beispielsweise ein Hirntumor entfernt, tritt die Epilepsie danach in der Regel nicht mehr auf.
Medikamentöse Therapie
Bei primärer Epilepsie müssen Medikamente die elektrische Aktivität im Gehirn dämpfen. Diese müssen lebenslang eingenommen werden und dürfen nicht eigenständig abgesetzt werden. Ziel der antiepileptischen Therapie ist es, dass die Katze nicht häufiger als einmal im Monat einen Anfall bekommt. Rund 75 % der Tiere sprechen gut auf ein antiepileptisches Medikament an und können ein relativ uneingeschränktes, normales Leben führen.
Häufig verwendete Medikamente sind:
- Phenobarbital: Dies ist eines der am häufigsten verschriebenen Medikamente zur Behandlung von Epilepsie bei Katzen. Es wirkt, indem es die Aktivität bestimmter Teile des Gehirns dämpft.
- Kaliumbromid: Oft in Kombination mit Phenobarbital verwendet, kann es besonders bei Katzen wirksam sein, die nicht gut auf Phenobarbital allein ansprechen.
- Levetiracetam (Keppra): Ein neueres Antiepileptikum, das bei einigen Katzen wirksam sein kann und weniger Nebenwirkungen hat als andere Medikamente.
- Diazepam (Valium): Dies wird oft als Notfallmedikament bei schweren Anfällen oder Anfallsserien eingesetzt.
Ernährung
Eine naturnahe und ausgewogene Fütterung mit Fleisch oder Reinfleischdosen ohne synthetische Zusätze ist empfehlenswert. Verzichten Sie auf Futter, das Getreide (Reis, Weizen, Mais) oder stärkehaltige Gemüsesorten (Kartoffeln, Erbsen) enthält, da die enthaltene Stärke zu Zucker umgebaut wird.
Umweltanpassung
Vermeiden Sie parfümierte Kerzen, Parfums oder Raumsprays in den Räumen, in denen sich die Katze aufhält. Ebenso sollten verschiedene Reiniger und Lösungsmittel (z. B. Reiniger mit Kiefernöl, Petroleum für Lampen, Campher, Eukalyptus, Borax, Polyurethanschaum oder -kleber) nicht verwendet werden. Sorgen Sie für eine ruhige, stressfreie Umgebung und vermeiden Sie plötzliche Veränderungen in der Umgebung oder im Tagesablauf der Katze.
Alternative Therapien
Einige Tierhalter berichten von Erfolgen mit Akupunktur, Homöopathie oder Kräutertherapie, obwohl wissenschaftliche Daten zu ihrer Wirksamkeit fehlen.
Leben mit einer Katze mit Epilepsie
Das Leben mit einer Katze mit Epilepsie erfordert Geduld, Engagement und eine gute Zusammenarbeit mit dem Tierarzt. Hier sind einige Tipps, die Ihnen und Ihrer Katze helfen können:
- Medikamente: Verabreichen Sie die Medikamente genau nach Anweisung des Tierarztes und setzen Sie sie niemals eigenmächtig ab.
- Regelmäßige Kontrollen: Planen Sie regelmäßige Besuche beim Tierarzt, um die Wirksamkeit der Medikamente zu überwachen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
- Stress vermeiden: Minimieren Sie Stressfaktoren in der Umgebung der Katze.
- Routinen: Halten Sie Routinen ein, um der Katze Sicherheit zu geben.
- Dokumentation: Führen Sie ein Anfallstagebuch, um Anfälle zu dokumentieren und Muster zu erkennen.
- Unterstützung: Suchen Sie Unterstützung bei anderen Katzenbesitzern mit Epilepsie-Erfahrung.