Epilepsie: Interpretation von MRT-Kopfbefunden

Die Interpretation von MRT-Kopfbefunden bei Epilepsie ist ein komplexes Thema, das eine sorgfältige Analyse von Anamnese, Klinik und apparativer Diagnostik erfordert. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder epileptische Anfall mit tonisch-klonischen Zuckungen einhergeht und nicht jedes Zucken ein epileptischer Anfall ist. Auch ein falsch interpretiertes EEG kann zur Fehldiagnose Epilepsie führen.

Die Herausforderung der korrekten Diagnose

Die Rate an Fehldiagnosen eines epileptischen Anfalls oder einer Epilepsie liegt laut Studienergebnissen zwischen 4,6 und 30 %. Dies liegt daran, dass fokale Anfälle mit einer Vielzahl von Symptomen einhergehen können und nicht immer als solche erkannt werden. Eine schnelle und korrekte Diagnostik ist jedoch essenziell, um im Falle einer neu diagnostizierten Epilepsie frühzeitig mit einer Medikamentengabe zu beginnen.

First Seizure Units für eine frühzeitige Diagnose

Um eine Epilepsie richtig zu diagnostizieren und dementsprechend zu therapieren, wird die Einführung von „First Seizure Units“ empfohlen. In diesen spezialisierten Einheiten wird nach einem erstmaligen Anfall in der Notaufnahme innerhalb der ersten 30 Minuten ein erstes Elektroenzephalogramm (EEG) abgeleitet. Im Falle einer unauffälligen Computertomografie (CT) wird noch am gleichen oder am nächsten Tag eine Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt.

Eine möglichst frühzeitige Diagnostik ist jedoch in jedem Fall wichtig. „Je früher ein EEG erfolgt, desto besser“, sagte Rosenow. Wenn möglich, sollte es spätestens am nächsten Morgen durchgeführt werden. Denn innerhalb der ersten 24 Stunden ist die Wahrscheinlichkeit, nach einem epileptischen Anfall tatsächlich epilepsietypische Potenziale (ETP) im EEG zu sehen, höher als danach. Eine Studie aus dem Jahr 2020 mit insgesamt 170 Teilnehmenden belegte sogar eine bessere diagnostische Sicherheit innerhalb von 16 Stunden nach einem nichtprovozierten epileptischen Anfall.

Die Rolle von EEG und MRT bei der Diagnose

ETPs sind nach erstmaligem Anfallsereignis insbesondere für die Frage entscheidend, ob eine Epilepsie diagnostiziert werden kann und ob Antiepileptika eingenommen werden sollten. Zeigen sich nämlich nach einem nicht provozierten Anfall EEG- oder MRT-Veränderungen, steigt die Wahrscheinlichkeit für einen erneuten Anfall auf über 60 %. Ohne Korrelat in den Untersuchungen liegt die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls nur bei 19-26 % und die Diagnose einer Epilepsie kann nicht gestellt werden. „Das EEG hat also einen hohen prädiktiven Wert. Die Abwesenheit von Spikes ist aber noch kein Beweis dafür, dass keine Epilepsie vorliegt“, erläuterte de Stefano.

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Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist aufgrund ihrer hohen Sensitivität und Spezifität die bildgebende Methode der Wahl in der Epilepsiediagnostik und ist essentiell in der prächirurgischen Epilepsiediagnostik. Sie ist ein für den Patienten nicht belastendes, ungefährliches Untersuchungsverfahren, für das es nur in seltenen Fällen Kontraindikationen gibt (u.a. Herzschrittmacher, magnetisierbare Metallclips und Knochenimplantate).

Biomarker für die Differenzierung zwischen epileptischen und nicht-epileptischen Anfällen

Aktuell gibt es keinen Biomarker zur Differenzierung zwischen einem epileptischen und einem nicht- epileptischen Anfall. Um einen solchen zu finden, führen Forschende eine Beobachtungsstudie durch, bei der Patientinnen und Patienten mit erstmaligem nichtprovozierten Anfall nach einem EEG ein optimiertes MRT-Protokoll erhalten, um potenzielle strukturelle epileptogene Läsionen aufzudecken und neue bildgebende Marker für eine Epileptogenität zu finden.

Ein möglicher Biomarker könnte eine veränderte funktionelle Konnektivität bei einer Epilepsie sein. Dabei handelt es sich um gemeinsame Signalveränderungen beispielsweise im EEG oder in der funktionellen MRT über einen gewissen Zeitraum. Man geht davon aus, dass Areale mit dem gleichen Muster funktionell miteinander verbunden sind.

Die Bedeutung der korrekten EEG-Interpretation

Für die Diagnostik im klinischen Alltag ist es jedoch wichtig, dass ein EEG korrekt interpretiert wird. Denn gerade eine Überinterpretation bestimmter Normvarianten kann zur Fehldiagnose einer Epilepsie führen. Zu diesen Normvarianten gehören beispielsweise sogenannte Wicket-Spikes. Diese ähneln ETPs bei einer Temporallappen-Epilepsie. Sie treten vor allem bei Schläfrigkeit oder leichtem Schlaf im mittleren Lebensalter mit einer Amplitude von 60-200 μV und einer Frequenz von 5-11 Hz auf. Im Gegensatz zu ETPs mit 0,11 s dauern Wicket-Spikes mit 0,66 s länger. Eine atypische Anfallssemiologie, ein Erkrankungsbeginn im mittleren Erwachsenenalter sowie lang anhaltende Anfälle sind verdächtig für nichtepileptische Anfälle. Ein epileptoform interpretiertes EEG sollte in einem solchen Fall noch einmal hinsichtlich Wicket-Spikes überprüft werden.

Differenzialdiagnose: PNEA erkennen

In der Notaufnahme sind PNEA eine sehr wichtige Differenzialdiagnose, obwohl sie in der Allgemeinbevölkerung sehr viel seltener vorkommen als eine Epilepsie. Verschiedene klinische Zeichen machen einen PNEA wahrscheinlich und sprechen eher gegen einen epileptischen Anfall. Zu den Zeichen, die mit guter Evidenz für einen PNEA sprechen, gehören unter anderem geschlossene Augen und eine lange Anfallsdauer. „Ein epileptischer Anfall ist meist nach etwa 90 Sekunden vorbei, während funktionelle/dissoziative Anfälle oft mehrere Minuten andauern“, so Reuber. Zudem würden Personen mit PNEA häufig die Augen zusammenkneifen, wenn die untersuchende Person versucht sie zu öffnen.

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Das Bewegungsmuster ist ebenfalls ein wichtiges Differenzierungszeichen: Beckenstöße, stark fluktuierende und asynchrone Bewegungen sprechen eher für PNEA. Bewegungen des Kopfes oder des gesamten Körpers von einer zur anderen Seite sind ebenfalls eher beim PNEA zu sehen.

Bildgebende Verfahren in der Epilepsiediagnostik

Neben EEG und bildgebenden Verfahren sind für die Diagnose eines epileptischen Anfalls auch die Klinik und eine genaue Anamnese entscheidend. Dafür sollte auch insbesondere nach vorherigen Ereignissen gefragt werden. Denn das größte Risiko für einen epileptischen Anfall birgt ein vorher stattgefundenes Ereignis: Nach 2 nicht- provozierten Anfällen steigt das Rückfallrisiko auf über 70 %. Gerade nichtkonvulsive Anfälle werden häufig übersehen: „Bei leichteren Anfallsformen, vor allem wenn keine motorischen Symptome auftreten, kommt es eher zu einer Unterdiagnose“, sagte Rosenow. Eine Panikattacke oder Verhaltensstörung seien in diesem Fall eine häufige Fehldiagnose. „Bei generalisierten motorischen Entäußerungen kommt es dagegen eher zu einer Überdiagnose“, so Rosenow. Die eigentlichen Diagnosen seien dann am ehesten psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA, auch funktionell/dissoziative Anfälle genannt) oder Synkopen.

MRT (Magnetresonanztomografie)

Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist aufgrund ihrer hohen Sensitivität und Spezifität die bildgebende Methode der Wahl in der Epilepsiediagnostik und ist essentiell in der prächirurgischen Epilepsiediagnostik. Sie ist ein für den Patienten nicht belastendes, ungefährliches Untersuchungsverfahren, für das es nur in seltenen Fällen Kontraindikationen gibt (u.a. Herzschrittmacher, magnetisierbare Metallclips und Knochenimplantate).

Hierzu werden spezielle, für die Fragestellungen der Epilepsiediagnostik optimierte, T1 und T2 gewichtete Sequenzen in coronarer und axiale Schnittführung angewandt. Hierbei werden die coronaren Schnitte mit einer sehr dünnnen Schichtdicke lückenlos orthogonal zur Längsachse des Hippokampus geschichtet, um so alle Regionen, insbesondere im Bereich des Temporallappens des Gehirns zuverlässig darzustellen. Zusätzlich wird ein dreidimensionale Volumenaquisitation durchgeführt. Die genannten Sequenzen werden durch Inversion Recovery Sequenzen ergänzt, um insbesondere cortikale Veränderungen zu erkennen. Ziel der Bildgebung ist es, auch kleinste, diskrete epileptogene Läsionen MR-tomographisch nachzuweisen. Zu den häufigsten Pathologien, die mit einer chronischen Temporallappenepilepsie vergesellschaftet, sind gehören: Hippokampussklerose, kortikale Malformationen, gliotische Veränderungen, niedrigmaligne Tumoren und vaskuläre Fehlbildungen. Ergänzend zur qualitativen Untersuchung der Hippokampi sind wir in der Lage, das Volumen der genannten Struktur quantitativ zu bestimmen (Hippokampusvolumetrie). Hierbei können bereits diskrete Volumenminderungen in den beschriebenen Strukturen festgestellt werden.

Spektroskopie

Die Protonen MR-Spektroskopie ist ebenfalls ein nicht-invasives kernspintomografisches Verfahren, mit dem metabolische Veränderungen im Bereich des epileptogenen Herdes erfasst werden können. Hierbei werden unter anderem die Signale von N-Acetylaspartat (NAA), Creatin und Phosphocreatin (Cr) und Cholin (Cho) gemessen. Pathologische Metabolitveränderungen können mit diesem Verfahren bereits festgestellt werden, wenn die MRT- Bildgebung noch unauffällig ist. Relevante Bedeutung hat die Methodik in der prächirurgischen Epilepsiediagnostik und dient hier in besonderem Maße zur Lateralisation von MRT negativen Temporallappenepilepsien.

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SPECT und PET des Gehirns

SPECT und PET sind zwei nuklearmedizinische Verfahren, um bestimmte Körperfunktionen mit Hilfe radioaktiver Stoffe abzubilden. Im Gegensatz zur Computertomografie (CT) und Kernspintomografie (MRT) werden Körperfunktionen abgebildet und nicht der anatomische Aufbau des untersuchten Organs. Bei beiden Verfahren (SPECT und PET) wird ein sehr schwach radioaktiver Stoff („Radiopharmakon“) appliziert. Nach einer Wartezeit wird mit einer speziellen Kamera eine Aufnahme angefertigt. Auf diese Weise erhält man Schnittbilder, die wie eine Landkarte bestimmte Funktionen des Gehirns abbilden. Die Untersuchungen sind mit einer sehr geringen Strahlenbelastung verbunden.

SPECT bedeutet „single photon emission computed tomography“ (Einzelphotonenemissionscomputertomografie). Die häufigste Untersuchung ist die Darstellung des Blutflusses im Gehirn im anfallsfreien Intervall. Anfallsherde verraten sich häufig durch eine verminderte Durchblutung. Wesentlich aufwändiger ist die Darstellung der Durchblutung im epileptischen Anfall. In dieser Untersuchung zeigen sich die Anfallsherde durch eine erhöhte Durchblutung.

PET bedeutet "positron emission tomography" (Positronenemissions-tomografie). Die häufigste Untersuchung ist die Darstellung des Zuckerstoffwechsel des Gehirns. Anfallsherde lassen sich durch eine verminderte Zuckeraufnahme erkennen. Im Vergleich zur SPECT der Gehirndurchblutung ist die Auflösung etwa doppelt so gut und damit die Erkennbarkeit von Herden zwischen den Anfällen besser.

Elektroenzephalogramm (EEG)

Das Elektroenzephalogramm (EEG) ist als neurodiagnostisches Verfahren der Goldstandard, wenn es um die Bestätigung der Diagnose einer Epilepsie geht. Mit dem Verfahren wird die elektrische Hirnaktivität über Oberflächenelektroden, die auf der Kopfhaut platziert werden, kontinuierlich gemessen. Dadurch ist eine zeitlich sehr genaue Aufzeichnung der Hirnwellen und die Erkennung krankhafter Veränderungen der Hirnströme in Echtzeit möglich. In der Erstdiagnostik ermöglicht das EEG die Klassifikation von Anfallstypen und die Lokalisation des epileptischen Fokus, während es in der Verlaufskontrolle zur Dokumentation des Therapieerfolgs dient.

Computertomographie (CT)

Die Computertomographie (CT) hat vor dem Hintergrund der physikalischen Rahmenbedingungen (Nutzung von Röntgenstrahlen, die besonders knöcherne Substanz gut darstellen) für die Diagnostik der Epilepsie zwar gewisse Limitationen, nimmt aber eine wichtige Rolle in spezifischen klinischen Situationen ein. Als schnell verfügbares Verfahren eignet sie sich für die Notfalldiagnostik beim Status epilepticus (andauernder Anfall oder Serie von Anfällen ohne Erholungsphase) oder bei erstmaligen Anfällen. Dabei steht im Vordergrund, lebensbedrohliche Ursachen wie Blutungen oder raumfordernde Prozesse auszuschließen.

Fallbeispiel

Ein 48-jähriger Mann erleidet seinen ersten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall, er erinnert keine fokale Einleitung. Im zeitnah durchgeführten Kopf-MRT findet sich eine 2 cm große Struktur im Bereich von Amygdala und Hippocampus rechts, sie nimmt kein Kontrastmittel auf. Es handelt sich am ehesten um ein Gangliogliom; dies ein gutartiger Tumor, den der Patient wahrscheinlich schon seit vielen Jahren oder Jahrzehnten hat. Unter ausführlicher Erhebung der Anfallsanamnese berichtet der Patient, dass seit seinem 30. Lebensjahr, d.h. seit mehr als 15 Jahren, mehrfach pro Monat Episoden von 10-15 sec. Dauer mit einem Gefühl von Druck und Wärme in der Magengegend auftreten würden. Mitunter „wandere“ dieses Gefühl auch nach oben bis in den Hals. Während dieser Episoden ist der Patient wach, bewusstseinsklar und voll reagibel. Diese stereotypen Episoden mit Wärme und Druck im Magen entsprechen eindeutig epileptischen Auren, per Definition sind dies einfach-fokale sensorische Anfälle. Diese Anfallssemiologie passt gut zu einem Anfallsursprung in mesio-temporalen Strukturen. Wir begannen eine antiepileptische Therapie mit Zonisamid, 300 mg täglich in Einmalgabe. Unter dieser Therapie reduzierte sich die Frequenz der Auren auf einmal monatlich.

Was tun bei einem ersten Anfall?

Der erste epileptische Anfall ist für Betroffene und Augenzeugen oft ein prägendes Ereignis. Da Betroffene häufig bewusstseinsgestört sind und nichts über den Verlauf ihres Anfalles sagen können, ist es notwendig, einen Augenzeugen zur Untersuchung mitzubringen, falls es diesen gibt. Es wird dann zunächst die Frage geklärt, ob ein epileptischer Anfall aufgetreten ist und ob eine Epilepsie vorliegt.

Die Entscheidung darüber, ob eine Epilepsie vorliegt oder nicht, stützt sich ganz überwiegend auf die Beschreibung des Anfallsereignisses. Zusätzlich sind apparative Untersuchungen notwendig wie z. B. ein EEG oder eine Kernspintomographie (MRT) des Kopfes.

Differenzialdiagnosen

Am häufigsten wird eine Ohnmacht (Synkope) mit Epilepsie verwechselt. Hierbei handelt es sich um eine momentane Minderdurchblutung des Gehirns, die zu einem Bewusstseinsverlust und zu einem Zusammensacken führt. Der Schlaganfall kann insbesondere dann, wenn er nur sehr kurz verläuft und sich vollständig zurückbildet, zur Verwechslung mit einem epileptischen Anfall führen. Auch bei der Migräne kommt es zu Auren. Diese können bestehen aus Flimmern vor den Augen oder dunklen Flecken. Bei manchen Schlafstörungen kommt es zusätzlich zu plötzlichen Anfällen mit Verlust der Körperspannung und Hinfallen, sog. kataplektischen Anfällen.

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