Akupunktur bei Parkinson: Erfahrungen, Studien und Perspektiven

Die Parkinson-Krankheit, auch bekannt als Morbus Parkinson oder „Schüttellähmung“, ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem ältere Menschen betrifft. Weltweit sind etwa 4,1 Millionen Menschen über 60 Jahre betroffen, in Deutschland schätzt man die Zahl der Patienten auf 250.000 bis 280.000. Die Erkrankung ist durch einen Mangel des Nervenbotenstoffs Dopamin gekennzeichnet, der durch das Absterben von Nervenzellen verursacht wird. Die Symptome sind vielfältig und umfassen Tremor (Zittern), Rigor (Muskelsteifigkeit), Bradykinese (Bewegungsverlangsamung) und posturale Instabilität (Gleichgewichtsstörungen).

Die konventionelle Behandlung von Parkinson konzentriert sich auf die Linderung der Symptome, da eine Heilung derzeit nicht möglich ist. Medikamente wie Levodopa (L-Dopa) werden eingesetzt, um den Dopaminmangel auszugleichen. Allerdings können diese Medikamente Nebenwirkungen verursachen, was den Bedarf an begleitenden Maßnahmen zur Reduzierung der Medikation erhöht.

Akupunktur, eine zentrale Säule der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung in der Behandlung der Parkinson-Erkrankung gewonnen.

Akupunktur als ergänzende Therapie bei Parkinson

Akupunktur ist eine traditionelle chinesische Behandlungsmethode, bei der feine Nadeln in bestimmte Körperpunkte, die Akupunkturpunkte, gestochen werden. Ziel ist es, Störungen im Energiefluss zu beheben und Blockaden zu lösen. Die Akupunktur soll gegen viele Beschwerden helfen, teils heilend, teils lindernd. Sie kann Schmerzen mildern, die Muskelspannung regulieren, das Immun- und vegetative Nervensystem beeinflussen, die Hormonkreisläufe regulieren, die Durchblutung fördern und ausgleichend auf die Psyche wirken. All diese Aspekte spielen auch bei Parkinson eine Rolle, sowohl als Haupt- als auch als Nebenwirkungen der Erkrankung.

Studienlage zur Akupunktur bei Parkinson

Eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse von Lee S-H und Lim S. untersuchte die klinische Wirksamkeit von Akupunktur bei Morbus Parkinson. Die Wissenschaftler durchsuchten sieben Datenbanken und schlossen randomisierte Studien ein, in denen manuelle Akupunktur, Elektro- oder Schädelakupunktur in Begleitung oder im Vergleich mit einer konventionellen Behandlung, Placeboakupunktur oder keiner Behandlung bei Patienten mit der Diagnose Morbus Parkinson zur Anwendung kamen. Die am häufigsten genadelten Punkte in der Therapie der Parkinsonpatienten waren LR3, GB34 und vor allem GV20.

Lesen Sie auch: Junger Mensch, Parkinson, was nun?

Die Ergebnisse der gepoolten Datenanalyse zeigten, dass die Akupunkturbehandlung in Begleitung der konventionellen Therapie eine höhere Effektivität in der Linderung parkinsonspezifischer Symptome aufweist als keine oder aber eine alleinige Behandlung mit konventionellen Mitteln. Allerdings wiesen die Wissenschaftler darauf hin, dass die Heterogenität der inkludierten Studien hinsichtlich der Verwendung verschiedener Akupunkturpunkte sowie Erhebung mittels unterschiedlicher Mess-Skalen zu groß ist, um von einer belegten klinischen Evidenz von Akupunktur in der Parkinsonbehandlung zu sprechen. Zudem wurden alle der inkludierten Studien in asiatischen Staaten wie Korea und China durchgeführt, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die westliche Welt in Frage stellt.

Schlafverbesserung durch Akupunktur

Viele Parkinsonpatienten leiden an schwer behandelbaren neuropsychiatrischen Symptomen. Wissenschaftler um Anxin Zhang von der Universität für Chinesische Medizin in Guangzhou untersuchten, ob Akupunktur hier eine Therapieoption bieten könnte. Sie durchforsteten verschiedene Datenbanken nach randomisierten kontrollierten Studien und fanden heraus, dass Akupunktur, verglichen mit einer ausschließlich medikamentösen Therapie oder einer Scheinbehandlung, die Schlafqualität signifikant verbesserte. Auch in der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (UPDRS), der Epworth Sleepiness Scale (ESS) und im Parkinson’s Disease Questionnaire-39 (PDQ-39) schnitten Patienten, die mit der Nadeltechnik behandelt worden waren, nachweislich besser ab. Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass Akupunktur neben dem Schlaf auch psychische Störungen, auffälliges Verhalten sowie den Gesamtzustand des Patienten günstig beeinflussen kann.

Ablauf einer Akupunktur-Behandlung

Im Anschluss an die Anamnese wählt der Akupunkteur die Punkte aus und entscheidet, wie oft die Therapie durchgeführt werden soll - meist ein bis zwei Serien von je zehn bis zwölf Behandlungen in jeweils ein bis zwei Sitzungen wöchentlich. Mit dem Ziel einer größtmöglichen Entspannung während der Behandlung findet diese dann im Liegen statt. Verwendet werden sterile Einmalnadeln, nur selten wiederverwertbare Gold-, Silber- oder Stahlnadeln. Die Nadeln sind 0,2 bis 0,4 Millimeter dick, ein bis zehn Zentimeter lang und haben einen speziellen Schliff, so dass der Einstich schmerzarm bis schmerzfrei erfolgt. Wie tief die Nadel in den Akupunkturpunkt eingestochen wird, hängt von der anatomischen Beschaffenheit des Punktes ab. Manchmal stimuliert der Akupunkteur die Punkte zusätzlich, indem er die Nadel dreht oder unter leichten Strom setzt. Über diese Faktoren, die Zahl der Nadeln und die Verweildauer der Nadeln in der Haut, lässt sich letztlich die Stärke der Behandlung regeln. Zwischen zehn und zwanzig Nadeln werden meist je nach körperlicher und seelischer Verfassung des Patienten gesetzt. Sie verbleiben zehn bis dreißig Minuten in der Haut. Nach dem Einstich stellen sich unterschiedliche Empfindungen ein, die den korrekten Sitz der Nadeln anzeigen. Typisch sind dumpfer Druck, Kribbeln, leichtes Taubheits- oder Schweregefühl sowie Wärme oder Kälte am Einstichpunkt. All dies fasst man unter dem Begriff „De-Qi-Gefühl“ zusammen. Weiterhin beobachtet man gelegentlich eine Art elektrisches Kribbeln, Leitbahnphänomen genannt, das sich entlang der Meridiane ausbreitet.

Implantat-Ohr-Akupunktur als spezielle Form der Akupunktur

Eine spezielle Form der Akupunktur ist die Implantat-Ohr-Akupunktur (I-O-A). Hierbei werden kleine Nadeln aus medizinischem Rein-Titan an Ohr-Akupunktur-Punkte gesetzt und implantiert. In China ist diese Methode schon seit über 1500 Jahren bekannt. Chinesische Ärzte setzten bei chronischen Schmerzpatienten sowie bei schwer heilbaren neurologischen Erkrankungen resorbierbare Kollagenfasern aus Darmsaiten an vordefinierte Ohr-Akupunkturpunkte. Die Ohrakupunktur wurde in den 1950er Jahren in Frankreich entwickelt und kam verschiedentlich bei Parkinsonkranken zum Einsatz.

Erfahrungen mit Implantat-Ohr-Akupunktur bei Parkinson

Dr. Rolf Wlasak und Dr. Stefan Lobner führten Langzeitbeobachtungen zur Implantat-Akupunktur bei Patienten mit Morbus Parkinson durch. Sie konnten beobachten, dass sich Parkinson-Symptome wie Tremor, Muskelsteifigkeit und Bewegungsverlangsamung verringerten. Bei Patienten mit RLS wurden Schlafstörungen und unruhige Beine deutlich gelindert. Die Ärzte stellten fest, dass sich nach der Behandlung die Lebensqualität vieler Patienten steigerte. Sie betonten, dass Parkinson und RLS zwar unheilbar sind, aber ihre nicht-medikamentöse Methode oft die Symptome lindert, den Bedarf an Medikamenten reduziert und dadurch mehr Lebensqualität schafft.

Lesen Sie auch: Post-Zoster-Neuralgie: Ein Überblick

In einer prospektiven und konsekutiven Verlaufsbeobachtung untersuchten die Ärzte 79 Patienten über einen Zeitraum von 6 Monaten nach der Implantation per Interview. 79 Patienten erhielten im Schnitt 11,2 Nadeln (Range 3 - 37). 4 Wochen nach der Implantation berichteten 51% der Patienten von einer signifikanten Verbesserung zum Ausgangsbefund. 8 Wochen nach der Implantation war diese Zahl auf 62 % der Patienten angestiegen. In der Endpunktauswertung ergab sich 24 Wochen nach der Implantat-Ohr-Akupunktur (I-O-A) das folgende Ergebnis: Alle vier Endpunkte (Tremor, Rigor, Bewegungsverlangsamung und Schmerzen) wurden von den Patienten nach über 6 Monaten als Verbesserung zum Ausgangsbefund bewertet. In allen Subanalysen zeigte sich eine Verbesserung der jeweiligen Befunde von über 60%. Bei der Untersuchung der Nebenendpunkte konnte eine Reduzierung der Medikamente in 21% aller Patienten erreicht werden. Bei 7 von 11 Patienten war eine Obstipation (Verstopfung) rückläufig.

Die Untersuchung schlussfolgerte: Aufgrund der hohen Anzahl der bisher behandelten Parkinson-Patienten und der Langzeiterfahrung mit dieser Methode könne Implantat-Akupunktur grundsätzlich bei Morbus Parkinson empfohlen werden. Durch die signifikante Reduzierung der typischen Parkinson-Symptome (wie z. B. Tremor, Muskelsteifigkeit, Bewegungsverlangsamung) stellte sich über die Zeit bei vielen Patienten eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität ein.

Die Zeise-Süss-Methode

Vor zehn Jahren hat die deutsche Ärztin Dorothea Zeise-Süss eine neue Stelle in der Schädelakupunktur nach Yamamoto entdeckt, die seither ihren Namen trägt: den Zeise-Süss- oder kurz ZS-Punkt. Beim Zeise-Süss-Punkt ging es zunächst gar nicht um Parkinson, sondern darum, Hormonstörungen bei Frauen nach der Schwangerschaft zu behandeln. In einer Studie konnte Zeise-Süss nachweisen, dass die Methode hilft, das weibliche Hormon Prolactin zu senken. Da die Akupunktur des ZS-Punkts die gleiche Wirkung hat, wie das Medikament Bromocriptin, wurde sie auch bei Parkinson eingesetzt. Im Ergebnis ging es den Patienten nach der Akupunktur deutlich besser und der Prolactinspiegel sank sogar etwas weiter als bei medikamentöser Behandlung, berichtet die Ärztin.

Weitere Aspekte und Empfehlungen

Für die korrekte Durchführung und Vergleichbarkeit müssen bestimmte Richtlinien bei der Anwendung der Implantat-Ohr-Akupunktur (I-O-A) beachtet werden. Im Sinne einer ganzheitlichen Beratung und Aufklärung der Patienten sollten auch zusätzliche Maßnahmen erwähnt werden, wie z.B. Entgiftung des Körpers von Schadstoffen oder Verbesserung der Gehirndurchblutung. Sicherlich dürfen diese Maßnahmen nicht überbewertet werden, weil sie nicht kausal für die Entstehungsgeschichte des Morbus Parkinson verantwortlich zu machen sind. Evtl. können sie aber die Folgeerscheinungen durch die Grunderkrankung lindern.

Die intensive Zuwendung zu den Patienten während dieser Verlaufskontrolle ergab zudem die Beobachtung, dass sehr häufig seelische Verletzungen und Traumata für die Auslösung eines Morbus Parkinson verantwortlich sein können.

Lesen Sie auch: Epilepsie-Operation: Ein Überblick

tags: #akupunktur #bei #parkinson #erfahrungen