Formulierungshilfen für die Dokumentation in der Demenzbetreuung: Beispiele und Richtlinien

Die Dokumentation von Betreuungsleistungen, insbesondere bei Menschen mit Demenz, ist ein wesentlicher Bestandteil professioneller Pflege. Sie dient der Qualitätssicherung, der Nachvollziehbarkeit der Betreuung und dem Informationsaustausch im interdisziplinären Team. Dieser Artikel bietet Formulierungshilfen und Beispiele, um die tägliche Arbeit von Betreuungskräften zu erleichtern und eine angemessene Dokumentation sicherzustellen.

Einleitung

Die Betreuung von Menschen mit Demenz stellt besondere Anforderungen an die Betreuungskräfte. Eine sorgfältige Dokumentation ist unerlässlich, um den individuellen Bedürfnissen der Betreuten gerecht zu werden und die Qualität der Betreuung sicherzustellen. Die Dokumentation dient als Grundlage für die Planung und Anpassung der Betreuungsangebote und ermöglicht es allen Beteiligten, sich ein umfassendes Bild vom Zustand und Verhalten des Betreuten zu machen.

Grundlagen der Dokumentation

Warum dokumentieren?

  • Qualitätssicherung: Die Dokumentation ermöglicht die Überprüfung und Verbesserung der Betreuungsqualität.
  • Nachvollziehbarkeit: Sie dient als Nachweis der erbrachten Leistungen und ermöglicht die Rekonstruktion des Betreuungsverlaufs.
  • Informationsaustausch: Die Dokumentation dient als Kommunikationsmittel zwischen Betreuungskräften, Pflegepersonal, Ärzten und Angehörigen.
  • Rechtliche Absicherung: Sie dient als rechtlicher Nachweis der erbrachten Leistungen im Falle von Haftungsfragen.

Was muss dokumentiert werden?

Grundsätzlich sollte alles dokumentiert werden, was für die Betreuung relevant ist. Dazu gehören:

  • Art und Umfang der Betreuungsleistung: Welche Aktivitäten wurden durchgeführt? Wie lange haben sie gedauert?
  • Reaktionen und Verhalten des Betreuten: Wie hat der Betreute auf die Betreuung reagiert? Gab es besondere Vorkommnisse?
  • Besondere Beobachtungen: Veränderungen im Verhalten, Fortschritte oder Rückschritte, besondere Bedürfnisse oder Wünsche.
  • Abgelehnte Betreuung: Wenn ein Betreuter eine Betreuungsleistung ablehnt, sollte dies ebenfalls dokumentiert werden.

Wann muss dokumentiert werden?

Die Dokumentation sollte zeitnah erfolgen, idealerweise direkt nach der Betreuungsleistung oder am Ende des Arbeitstages. Dies stellt sicher, dass alle relevanten Informationen erfasst werden und keine wichtigen Details vergessen werden.

Wie muss dokumentiert werden?

Die Dokumentation sollte wahrheitsgemäß, individuell, präzise, kurz, leicht verständlich, dokumentenecht, einheitlich und nachvollziehbar sein.

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  • Wahrheitsgemäß: Die Dokumentation muss den Tatsachen entsprechen. Falsche Angaben sind strafbar.
  • Individuell: Die Dokumentation muss auf den einzelnen Betreuten bezogen sein. Standardsätze sollten vermieden werden.
  • Präzise: Die Dokumentation sollte genaue Formulierungen verwenden und messbare Daten genau angeben. Zitate sollten in Anführungszeichen gesetzt werden.
  • Kurz: Die Dokumentation sollte sich auf das Wesentliche beschränken. In der Regel reichen 3-4 Sätze aus.
  • Leicht verständlich: Die Dokumentation sollte in deutlicher Schrift, kurzen Sätzen und gutem Deutsch verfasst sein.
  • Dokumentenecht: Die Dokumentation muss mit Stiften erfolgen, die nicht radierbar sind. Korrekturen müssen mit Handzeichen und Datum versehen werden.
  • Einheitlich: Bestimmte Maßnahmen sollten immer auf dem gleichen Formular dokumentiert werden.
  • Nachvollziehbar: Die Dokumentation muss mit einem eindeutig erkennbaren Handzeichen versehen sein. Es muss eine Handzeichenliste für alle Mitarbeiter geben.

Formulierungshilfen und Beispiele

Allgemeine Formulierungen

  • Beobachtungen:
    • "Frau/Herr X. wirkte…"
    • "Frau/Herr X. schien…"
    • "Ich hatte den Eindruck, dass…"
    • "Auf mich wirkte es so, als ob…"
    • "Ich konnte beobachten, dass…"
    • "Ich meine, feststellen zu können, dass…"
    • "Es scheint so als ob…"
    • "Es war auffallend, dass…"
    • "Es hatte den Anschein, als ob…"
    • "…war ungewöhnlich, weil…"
    • "Ich konnte feststellen, dass…"
    • "Ungewöhnlich/auffällig war…, weil…"
    • "Besonders fand ich heute, dass…"
    • "Sinneseindrücke schildern, wie „ich hörte, ich roch, ich konnte erkennen…"
  • Wörtliche Rede: "Frau/Herr X. sagte: …"

Beispiele für die Dokumentation von Betreuungsleistungen

  • Handmassage: "Durch die Durchführung einer Handmassage öffnete sich die kontraktierte Hand von Frau K. merklich."
  • Singen: "Bei dem Vorsingen eines Liedes beobachtete Frau L. die Betreuungskraft aufmerksam."
  • Fotoalbum: "Bei dem Betrachten seines persönlichen Fotoalbums stiegen Herrn J. Tränen in die Augen. Die Betreuungskraft hielt seine Hand und Herr J. beruhigte sich."
  • Snoezelen: "Bei der Betreuung mit Elementen aus dem Snoezelwagen entspannte sich die Muskulatur von Herrn Ö."
  • Vorlesen: "Auf die Frage, ob sie eine Geschichte hören wolle, schüttelte Frau N. energisch den Kopf. Die Frage, ob die Betreuungskraft bleiben solle, bejahte sie."
  • Igelballmassage: "Die Massage mit dem Igelball schien Frau M. zu gefallen."
  • Märchen: "Auf die Frage, ob Sie ein Märchen hören wolle, antwortete Herr C. mit einem deutlichen “Ja”."
  • Bildband: "Während des Betrachtens des Bildbandes über ihren Heimatort zeigte Frau S. Freude und erzählte von ihrer Kindheit."
  • Volkslieder: "Während des Vorsingens mehrerer Volkslieder unterbrach Frau J. kurzzeitig ihre Schreie."
  • Zuhören: "Herr Müller redete die ganze Zeit. Die Betreuungskraft hörte aktiv zu und ging auf seine Erzählungen ein."
  • Gedächtnistraining:
    • "Frau F. war im Gedächtnistraining überfordert. Die Übungen konnte sie nicht mehr bewältigen."
    • "Herr T. hatte Schwierigkeiten, sich an die Namen der Familienmitglieder zu erinnern."
    • "Bei einem Mitsprechgedicht lachte Frau Z. herzlich."
    • "Zu dem Gedächtnistraining brachte Frau M. einen Zettel mit Wörtern mit. Auf dem Zettel standen weitere Lösungen für das Anagramm aus der letzten Stunde. Die waren ihr danach noch eingefallen. Frau M. freute sich sehr, als sie die Lösungen präsentieren konnte."
    • "Herr J. beteiligte sich aktiv am Gedächtnistraining und konnte viele Fragen beantworten."
    • "“Das hat viel Spaß gemacht”, sagte Frau C. am Ende des Gedächtnistrainings."
    • "Frau B. löste im Gedächtnistraining die meisten Übungen sehr schnell. Am Ende des Gedächtnistraining wurde sie freundlich gebeten die anderen auch mal zu Wort kommen zu lassen, gleichzeitig wurde sie für ihre Kompetenzen gelobt."
  • Ablehnung von Betreuung: "Frau Maier lehnte den Besuch in der Einzelbetreuung ab und bat darum, in Ruhe gelassen zu werden."
  • Übergriffiges Verhalten: „Herr K. wirkte während des Ballspiels aufgebracht. Als er einen Ball nicht fangen konnte, schien er sich sehr zu ärgern und packte daraufhin Frau B. am Arm."
  • Fortschritte: "Frau B. erkannte beim Spaziergang im Park die Blaumeisen und Amseln."

Beispiele für die Dokumentation des Wohlbefindens

Um das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz systematisch zu erfassen, kann das Modell der Bradford Dementia Group verwendet werden. Dieses Modell basiert auf der Beobachtung von Indikatoren für Wohlbefinden und Unwohlsein.

Indikatoren für Wohlbefinden:

  • Entspannung: Der Betreute wirkt entspannt und ruhig.
  • Freude: Der Betreute zeigt Freude oder Lächeln.
  • Interesse: Der Betreute zeigt Interesse an seiner Umgebung oder an Aktivitäten.
  • Kontakt: Der Betreute sucht Kontakt zu anderen Menschen.
  • Angemessene Emotionen: Der Betreute zeigt Emotionen, die der Situation angemessen sind (z.B. Trauer bei einem traurigen Ereignis).

Indikatoren für Unwohlsein:

  • Unruhe: Der Betreute wirkt unruhig und nervös.
  • Angst: Der Betreute zeigt Anzeichen von Angst oder Furcht.
  • Aggression: Der Betreute zeigt aggressives Verhalten.
  • Rückzug: Der Betreute zieht sich zurück und vermeidet Kontakte.
  • Verwirrtheit: Der Betreute wirkt verwirrt und desorientiert.

Beispiel:

"Frau Müller wirkte während des Singens entspannt und lächelte. Sie sang die Lieder textsicher mit und suchte Blickkontakt zu den anderen Teilnehmern. Insgesamt machte sie einen zufriedenen Eindruck."

Wochenplan vs. Nachweis der Betreuungsleistungen

Es ist sinnvoll, die Dokumentation in zwei Teile zu gliedern:

  • Wochenplan: Hier werden die geplanten Aktivitäten für die Woche festgehalten.
  • Nachweis der Betreuungsleistungen: Hier wird dokumentiert, welche Aktivitäten tatsächlich durchgeführt wurden und wie der Betreute darauf reagiert hat.

Beispiel:

  • Wochenplan: "Montag, 10:00 Uhr: Gedächtnistraining mit Frau Müller, Herrn Schmidt und Frau Lehmann."
  • Nachweis der Betreuungsleistung: "Montag, 10:00 Uhr: Gedächtnistraining mit Frau Müller, Herrn Schmidt und Frau Lehmann durchgeführt. Frau Müller war überfordert und konnte die Übungen nicht bewältigen. Herr Schmidt und Frau Lehmann beteiligten sich aktiv und hatten Spaß an den Übungen."

Umgang mit Desorientierung und Verwirrtheit

Es ist wichtig, zwischen Desorientierung und Verwirrtheit zu unterscheiden. Desorientierung ist eine Folge der verminderten Gedächtnis- und Intelligenzleistung bei Demenz, während Verwirrtheit eine Bewusstseinsstörung in Folge von Mangelzuständen oder Vergiftungserscheinungen des Körpers ist.

Bei der Dokumentation von Desorientierung und Verwirrtheit sollte darauf geachtet werden, die Symptome genau zu beschreiben und keine vorschnellen Diagnosen zu stellen.

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Beispiel:

  • Falsch: "Herr Meier ist verwirrt."
  • Richtig: "Herr Meier findet sein Zimmer nicht und erkennt sein Spiegelbild nicht."

Vermeidung von Diagnosen durch Pflegekräfte

Pflegekräfte sollten keine Diagnosen stellen, sondern ihre Beobachtungen und Eindrücke beschreiben. Die Diagnosestellung ist Aufgabe von Ärzten.

Beispiel:

  • Falsch: "Frau Schmidt ist depressiv."
  • Richtig: "Frau Schmidt wirkt traurig und zieht sich zurück. Sie hat wenig Appetit und klagt über Schlafstörungen."

Zusammenarbeit im Team

Die Dokumentation dient als Grundlage für die Zusammenarbeit im Team. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten die Dokumentation lesen und sich über den Zustand und die Bedürfnisse des Betreuten informieren.

Rechtliche Aspekte

Die Dokumentation ist eine rechtliche Verpflichtung. Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie ein Qualitätsmanagement durchzuführen und bei Qualitätsprüfungen mitzuwirken. Betreuungsberichte tragen zur Qualitätssicherung bei.

Hilfsmittel für die Dokumentation

Es gibt verschiedene Hilfsmittel, die die Dokumentation erleichtern können, wie z.B. Formulierungshilfen, Vorlagen und Softwareprogramme.

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