Die Alzheimer-Demenz ist eine unheilbare Krankheit, bei der die geistige Leistungsfähigkeit nachlässt und die Lebensqualität der Betroffenen sowie ihrer Angehörigen stark beeinträchtigt wird. Verschiedene Medikamente und Maßnahmen zielen darauf ab, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Zu den eingesetzten medikamentösen Behandlungen gehören Cholinesterasehemmer, Memantin und das pflanzliche Arzneimittel Ginkgo biloba. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Forschungslage zur Wirksamkeit von Ginkgo biloba bei Demenz, insbesondere im Hinblick auf die Alzheimer-Krankheit, und geht auf Nutzen, Risiken und Einschränkungen ein.
Was ist Ginkgo Biloba?
Ginkgo biloba ist ein pflanzliches Arzneimittel, das aus den Blättern des Ginkgo-Baums gewonnen wird. Die darin enthaltenen Extrakte sind rezeptfrei erhältlich und werden traditionell zur Verbesserung der Gedächtnisleistung und zur Behandlung von altersbedingten kognitiven Störungen eingesetzt. Der Extrakt enthält ein komplexes Gemisch von Flavonolen, Flavonglykosiden und Flavonen, denen verschiedene Wirkungsmechanismen zugeschrieben werden.
Studienlage zur Wirksamkeit von Ginkgo Biloba bei Alzheimer-Demenz
In zahlreichen systematischen Übersichtsarbeiten wurde untersucht, ob ginkgohaltige Präparate die Beschwerden von Menschen mit Alzheimer-Demenz lindern können. Die Teilnehmer der Studien erhielten entweder Ginkgo, ein Scheinpräparat (Placebo) oder ein anderes Medikament. In den Studien wurde in erster Linie ein bestimmtes Ginkgo-Präparat mit dem Extrakt EGb 761 untersucht. Die geprüften Dosierungen lagen zwischen 60 mg und 600 mg pro Tag. Die meisten Teilnehmer hatten eine leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz. Die Studien liefen über maximal ein Jahr.
Die Studien prüften, ob der Ginkgo-Extrakt die Gedächtnisleistung verbessert hatte und ob die Teilnehmenden alltägliche Aufgaben wie Einkaufen, Körperpflege oder Haushaltsarbeiten wieder besser erledigen konnten. Die Studien zeigten, dass sich bei den Teilnehmenden, die den Ginkgo-Extrakt in höherer Dosierung (240 mg pro Tag) einnahmen, die Gedächtnisleistung verbessern kann. Zudem konnten sie alltägliche Tätigkeiten wie Haushaltsarbeiten oder die eigene Körperpflege zumindest vorübergehend wieder etwas besser bewältigen. Diese Wirkungen zeigten sich jedoch von Studie zu Studie unterschiedlich stark. Daher lässt sich nicht eindeutig sagen, bei wie vielen Menschen Ginkgo tatsächlich wirkt und wie bedeutsam dieser Effekt ist. In der Dosierung von 120 mg pro Tag zeigte der Ginkgo-Extrakt keine eindeutige Wirkung auf die Alzheimer-Symptome.
Die Studien geben auch Hinweise, dass sich psychische Symptome lindern könnten. Die Anwendung des Mittels verringerte anscheinend auch die emotionale Belastung der Angehörigen.
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Nutzen von Ginkgo Biloba bei Alzheimer-Demenz
Patienten mit Alzheimer-Demenz können von ginkgohaltigen Präparaten profitieren, sofern sie diese in einer hohen Dosierung einnehmen. Für das Therapieziel "Aktivitäten des täglichen Lebens" ist das durch Studien belegt. Was kognitive Fähigkeiten, allgemeine psychopathologische Begleitsymptome sowie die Lebensqualität der betreuenden Angehörigen betrifft, gibt es zumindest Hinweise auf einen Nutzen. Allerdings gibt es auch Studien, in denen kein Nutzen durch Ginkgo nachweisbar war, so dass letztlich unklar bleibt, wie groß der Effekt ist. Zu diesem Ergebnis kommt der am 21. November veröffentlichte Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Insbesondere in zwei ukrainischen Studien fand das IQWiG Belege, dass Alzheimer-Patienten alltägliche Verrichtungen leichter fallen, wenn sie Ginkgo biloba in einer hohen Dosis von 240 mg pro Tag einnehmen. Auch auf ihr Erinnerungsvermögen und auf ihre psychische Verfassung könnten sich die Medikamente positiv auswirken. Zudem scheinen Angehörige weniger emotionalen Stress aushalten zu müssen. Allerdings gibt es hierfür keine Belege, sondern lediglich Hinweise. Wie groß all diese möglichen Effekte sind, bleibt offen. Das liegt vor allem daran, dass die Ergebnisse in einzelnen Studien sehr uneinheitlich ausfielen.
Die Aussagen zum Nutzen gelten nur für die Dosierung 240 mg täglich. Für niedrigere Dosierungen ist ein Nutzen nicht belegt. Mangels verlässlicher vergleichender Studien bleibt zudem unklar, wie Ginkgo biloba gegenüber anderen Alzheimer-Medikamenten abschneidet.
Risiken und Nebenwirkungen
Nebenwirkungen zeigten sich bei den Teilnehmenden, die Ginkgo-Präparate nahmen, nicht häufiger als bei denen, die ein Scheinmedikament erhielten. Dennoch brachen mehr Personen die Ginkgo-Einnahme wegen Nebenwirkungen ab als in der Vergleichsgruppe. Möglich sind beispielsweise Magenprobleme oder Kopfschmerzen.
Es ist nicht auszuschließen, dass Ginkgo-Präparate Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln haben können. So wird vermutet, dass Ginkgo die Wirkung gerinnungshemmender Medikamente verstärken kann - dazu gehören zum Beispiel ASS (Acetylsalicylsäure) und Warfarin.
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Ginkgo Biloba zur Prävention von Demenz?
Experten untersuchen, ob Gingko biloba auch eingesetzt werden kann, um Demenz vorzubeugen. In einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) wurde untersucht, ob Ginkgo biloba das Auftreten von Demenz verhindern kann. An der Studie nahmen Personen ab 75 Jahren teil. Die Ergebnisse zeigen, dass Ginkgo biloba bei Menschen ab 75 Jahren keinen Einfluss auf das spätere Auftreten von Demenz hat. Die Einnahme von Ginkgo biloba hatte keine schweren schädlichen Folgen für die Gesundheit.
Allerdings ist der Zeitraum, in dem die Teilnehmenden beobachtet wurden, möglicherweise zu kurz, um mögliche Auswirkungen von Ginkgo biloba festzustellen. In der Studie wurden Personen untersucht, die keine geistigen Einschränkungen hatten.
In der Studie wurde ebenfalls untersucht, ob die vorbeugende Einnahme von Ginkgo biloba der Gesundheit schaden kann. Man prüfte dabei vor allem, ob die tägliche Einnahme Gingko biloba zu schweren Blutungen führen kann. Allerdings kam es in beiden Gruppen gleich häufig zu Blutungen. In diese Untersuchungen wurden auch Männer und Frauen eingeschlossen, bei denen leichte geistige Einschränkungen vorlagen. Den größten Teil nahmen aber Teilnehmende ohne geistige Einschränkungen ein. In einem Zeitraum von sechs Jahren traten bei 9 von 100 Männern und Frauen schwere Blutungen auf - egal, ob sie Gingko biloba eingenommen hatten oder nicht.
Am Ende der Studie nahmen nur noch 60 Prozent der Teilnehmenden Ginkgo biloba oder das Scheinmedikament ein. Dadurch wird die Wirkung von Ginkgo biloba sowohl hinsichtlich Nutzen als auch Schaden möglicherweise geringfügig unterschätzt.
Aktuelle Forschungsergebnisse und Studien
Eine der bisher größten klinischen Studien zur Wirksamkeit von Ginkgo biloba-Extrakten ist die Ginkgo-Evaluation-of-Memory-(GEM-)Studie, eine randomisierte doppelblinde Studie, die zwischen 2000 und 2008 an mehreren akademischen Zentren in den USA durchgeführt wurde. Studienteilnehmer waren 3069 Senioren zwischen 72 und 96 Jahren (im Mittel 79,1 Jahre) mit normalen kognitiven Fähigkeiten oder leichten Beeinträchtigungen (Mild cognitive impairment, MCI). Sie erhielten zweimal täglich eine Tablette mit entweder 120 mg des Ginkgo-Spezialextraktes EGb761 oder Plazebo.
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Über eine mittlere Beobachtungszeit von 6,1 Jahren konnte keine Wirksamkeit von G. biloba in der Prävention oder Verzögerung von Demenz bei alten Menschen festgestellt werden. Auch die Auswertung des sekundären Endpunkts Prävention geistigen Abbaus lieferte ähnliche Ergebnisse: Weder die Veränderung der Gehirnfunktion insgesamt noch einzelne Teilbereiche wurden durch die Einnahme des Ginkgo-Extrakts beeinflusst. Die Ergebnisse zur Hirnleistung stimmen überein mit einer Metaanalyse der Cochrane Collaboration von 2009 zur Wirksamkeit von Ginkgo-Extrakt bei Demenz und nachlassender geistiger Leistungsfähigkeit, bei der in 35 klinischen Studien keine oder unzureichende Effekte von Ginkgo-Präparaten festgestellt wurden.
Eine weitere, ähnlich große 5-Jahres-Studie (GuidAge-Studie) läuft zurzeit in Frankreich, diese untersucht ebenfalls die Wirkung von Ginkgo in der Prävention der Alzheimer-Demenz.
Ginkgo Biloba bei leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI)
Eine aktuelle retrospektive Kohortenstudie aus dem deutschen Versorgungsalltag zeigt, dass die Verschreibung von Extrakten aus Ginkgo biloba das Fortschreiten einer Demenz verlangsamen kann. In der Erhebung wurden Daten von 4765 Patienten mit leichter oder mittelschwerer Demenz analysiert. Frühere Studien haben bereits die neuroprotektiven Eigenschaften des spezifischen Ginkgo-Extrakts EGb 761 von Dr. Willmar Schwabe nachgewiesen. Die aktuelle Untersuchung hatte zum Ziel, den Einfluss von Ginkgo auf das Fortschreiten der Demenz in einem realen Umfeld anhand von Patientendaten niedergelassener Ärzte zu untersuchen.
Die Analyse ergab, dass das Fortschreiten der Demenz in der Ginkgo-Gruppe bei 12,7 Prozent lag, während es in der Vergleichsgruppe ohne Ginkgo bei 22,1 Prozent lag. Damit war das Fortschreiten in der Ginkgo-Gruppe langsamer, und der Unterschied zwischen den Gruppen war statistisch signifikant. Eine Cox-Regression ergab eine Hazard Ratio von 0,50, was bedeutet, dass das Risiko des Fortschreitens der Demenz in der Ginkgo-Verschreibungsgruppe um die Hälfte verringert wurde.
Eine prospektive Real-World-Studie mit 64 Patienten mit Amyloid-PET-positiver MCI zeigte, dass eine Monotherapie mit Ginkgo biloba (240 mg täglich) über zwölf Monate die Kognition stabilisierte und die Alzheimer-Progression verringerte. Parallel zur klinischen Stabilisierung verringerte sich der Blutspiegel des oligomeren Amyloid-β-Markers MDS-Oaβ.
EGb 761: Ein spezifischer Ginkgo-biloba-Extrakt
Der Ginkgo-biloba-Spezialextrakt EGb761® (Tebonin®) könnte kognitive Leistungseinbußen auch jenseits der Alzheimer-Krankheit und bereits in prädemenziellen Stadien lindern. EGb 761 ist ein standardisierter Trockenextrakt aus Ginkgo-Blättern, dessen Wirksamkeit in zahlreichen klinischen Studien belegt wurde. Systematische Übersichtsarbeiten bestätigten, dass der spezifische Extrakt in der Behandlung von leichter bis mittelschwerer Demenz hinsichtlich kognitiver Funktionen, Aktivitäten des täglichen Lebens und dem allgemeinen Zustand einem Placebo überlegen ist.
Erstattung in Deutschland
In Deutschland sind Medikamente mit Ginkgo biloba-Extrakt rezeptfrei erhältlich. Für die Kostenübernahme durch private und gesetzliche Krankenkassen ist jedoch eine ärztliche Verschreibung erforderlich. Diese Verschreibung ist an die Diagnose einer Demenzerkrankung gebunden, und nach 12 Wochen muss eine erneute Bewertung des Behandlungserfolgs erfolgen, um die weitere Erstattung zu gewährleisten.
Einschränkungen der Studien und zukünftige Forschung
Die Heterogenität der Ergebnisse in verschiedenen Studien deutet darauf hin, dass die Studienpopulationen sehr unterschiedlich sind. Alter und Geschlecht, aber auch Schweregrad der Erkrankung und psychopathologische Begleitsymptome der Patienten waren von Studie zu Studie sehr unterschiedlich. Das IQWiG hält weitere klinische Vergleiche für notwendig und vermutet, dass die Heterogenität der Ergebnisse auf die Unterschiede in den Studienpopulationen zurückzuführen ist. Zukünftig sind dennoch weitere Studien wünschenswert, die noch offene Fragen klären können. Dazu gehören unter anderem Studien, die einen Vergleich mit anderen Behandlungsalternativen anstellen oder die Patientengruppen eingrenzen, die tatsächlich von Ginkgo biloba profitieren könnten. Solche Studien sollten nach Möglichkeit aber in einem Versorgungskontext durchgeführt werden, der dem westlichen Standard entspricht.
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