Grippeimpfung und Alzheimer: Aktuelle Studien und Erkenntnisse

Die Suche nach wirksamen Strategien zur Prävention und Behandlung der Alzheimer-Krankheit ist ein zentrales Anliegen der medizinischen Forschung. Jüngste Studien deuten darauf hin, dass Standardimpfungen, insbesondere die Grippeimpfung, eine unerwartete Rolle bei der Reduzierung des Demenzrisikos spielen könnten. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu diesem Thema.

Immuntherapie gegen Alzheimer: Ein Hoffnungsschimmer

Die Aussichten auf eine Immuntherapie gegen die Alzheimer-Krankheit haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Eine Studie der Universität Zürich, die im Vorjahr aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen wurde, zeigte in der Nachbeobachtung der Patienten ermutigende Ergebnisse. Die Gedächtnisleistung der ersten Patienten, die einen therapeutischen Impfstoff erhalten hatten, verschlechterte sich binnen eines Jahres kaum.

Der Abbruch der AN1792-Studie und seine Folgen

Die internationale Phase-IIa-Studie AN1792 (QS-21) musste vorzeitig abgebrochen werden, nachdem 15 von 375 Versuchsteilnehmern Symptome einer aseptischen Meningoenzephalitis zeigten. Trotz dieses Rückschlags konnten die Züricher Patienten mit Glukokortikoiden erfolgreich behandelt werden, und auch in anderen Behandlungszentren erholten sich die Patienten ohne bleibende Schäden.

Erkenntnisse aus der Züricher Studie

Eine detaillierte Auswertung der Züricher Patientendaten ergab, dass Patienten, die eine anhaltende Bildung von Antikörpern gegen die Impfsubstanz Ab42 zeigten (Responder), im Vergleich zu Non-Respondern einen signifikant geringeren Verlust kognitiver Funktionen aufwiesen. Der Verlust kognitiver Funktionen wurde primär anhand der Mini-Mental-State-Examination (MMSE) gemessen. Auch die Beurteilung der Pfleger ergab einen signifikanten Vorteil für die Responder-Gruppe. Sie war wesentlich besser in der Lage, tägliche Aktivitäten auszuführen.

Bedeutung der Ergebnisse

Die Stabilisierung der Responder unterscheidet sich deutlich vom natürlichen Verlauf der Alzheimer-Krankheit in diesem Stadium. Diese Ergebnisse liefern einen ersten erfolgreichen klinischen Nachweis für eine zentrale Bedeutung des b-Amyloids als Ursache des kognitiven Verfalls und der Demenz bei Alzheimer-Patienten. Trotzdem warnen die Forscher vor verfrühten Hoffnungen, da die Ergebnisse aufgrund der kleinen Anzahl von Versuchsteilnehmern noch nicht besonders aussagekräftig sind und in größeren Studien bestätigt werden müssen.

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Standardimpfungen und Demenzrisiko: Neue Perspektiven

Studien in der Vergangenheit haben gezeigt, dass Standardimpfungen bei Erwachsenen auch vor Alzheimer-Demenz schützen können. Zuletzt wurde dies anhand einer Herpes-Zoster-Impfung untersucht.

Infektionen als mögliche Demenz-Treiber

Infektionen könnten nach derzeitigen Erkenntnissen eine gewisse Rolle bei der Entstehung von Alzheimer-Erkrankungen spielen. Verschiedene bakterielle und virale Infektionen können zu entzündlichen Prozessen im Gehirn und zum Untergang von Nervenzellen führen. Auch scheinen solche Infektionen die Ablagerung von Beta-Amyloid und Tau zu fördern.

Studie: Weniger Alzheimer-Neuerkrankungen bei Geimpften

Eine Studie aus dem Jahr 2023 untersuchte den Zusammenhang zwischen Impfungen und Demenz-Prävention anhand einer großen Datenmenge. Die Auswertung ergab, dass Menschen, die eine Impfung gegen Gürtelrose, Tetanus-Diphtherie-Pertussis oder Pneumokokken erhalten hatten, im Vergleich zu den jeweils nicht Geimpften signifikant seltener eine Alzheimer-Erkrankung entwickelten.

Lebendimpfstoff gegen Herpes Zoster verringert Demenzrisiko

Eine aktuelle Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert wurde, wertete Gesundheitsdaten von über fünf Millionen Menschen aus. Sie wollten herausfinden, ob eine Herpes-Zoster-Lebendimpfung (Zostavax®) über einen Nachbeobachtungszeitraum von fünf bis acht Jahren zu einem Rückgang neuer Demenzdiagnosen führte. Die Autoren fanden heraus, dass bei geimpften Personen weniger neue Demenzdiagnosen gestellt wurden. Konkret schätzten sie, dass das Risiko, an Demenz zu erkranken, bei den Geimpften um etwa ein Fünftel geringer war.

Mögliche Schutzmechanismen der Impfung

Ob und wie genau die Gürtelrose-Impfung das Demenzrisiko senkt, ist noch nicht genau geklärt. Die Studienautoren schlugen drei mögliche Mechanismen vor:

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  1. Verringerter Opioidgebrauch
  2. Weniger Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus
  3. Immunmodulation

Grippeimpfung und Demenz: Eine Verbindung?

Eine Studie im Fachjournal „Vaccine“ deutet darauf hin, dass regelmäßige Grippeimpfungen das Demenzrisiko senken könnten. Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie leiten aus Laborergebnissen auch eine mögliche molekulare Erklärung für diesen Zusammenhang her.

Ergebnisse einer Studie mit US-Veteranen

In die Studie flossen Daten von über 120.000 US-Veteranen im Alter von durchschnittlich 75,5 Jahren ein. Die Auswertung des Impfstatus ergab, dass Personen, die sich regelmäßig gegen Grippe impfen ließen, ein geringeres Risiko hatten, an Demenz zu erkranken. Dieser Effekt kam jedoch nur dann zum Tragen, wenn insgesamt mehr als sechs Grippeimpfungen innerhalb des Beobachtungszeitraums verabreicht wurden. Statistisch gesehen konnte dadurch das Demenzrisiko signifikant um 12 Prozent gesenkt werden.

Mögliche molekulare Erklärung

Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zeigen Laborstudien am Tiermodell, dass Impfungen zu einem Anstieg der Aktivität der sogenannten Mikroglia, den „Immunzellen des Gehirns“ führen. Sie erkennen krankheitsauslösende Stoffe und Abfallprodukte und bauen diese ab. Die erhöhte Mikroglia-Aktivität nach der Impfung führt dazu, dass Beta-Amyloid vermehrt abgebaut wird.

Einschränkungen und weitere Forschung

Die Experten betonen, dass aus den aktuellen Studiendaten kein ursächlicher Beweis abgeleitet werden kann, da die Studie retrospektiv durchgeführt wurde und somit lediglich einen Zusammenhang zeigt. Es bedarf weiterer prospektiver Studien, um den Zusammenhang eindeutig zu klären.

Grippeimpfung und Demenzrisiko bei Risikogruppen

Aktuelle Forschungsdaten zeigen, dass eine Grippeimpfung das Risiko für Demenz bei Menschen mit hohem Erkrankungsrisiko senken kann. Eine systematische Übersichtsarbeit über 8 Kohortenstudien mit 10 Millionen Studienteilnehmern ergab, dass eine Grippeimpfung bei Hochrisikogruppen mit einem reduzierten Risiko für Demenz verbunden war. In der Gesamtbevölkerung wurde dieser Zusammenhang nicht bestätigt.

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Influenza-Impfung bei Demenz- und Parkinson-Patienten

Eine Studie aus Deutschland untersuchte die Influenza-Impfquoten bei Patienten mit Demenz und Parkinson-Krankheit. Die Ergebnisse zeigten, dass die Impfquoten bei Patienten mit Demenz und Parkinson-Krankheit höher waren als bei Patienten ohne diese Erkrankungen. Bereinigt um den Einfluss der genannten Kontrollvariablen, verringerte das Vorliegen von Demenz sogar die Chance auf eine Impfung, während bei Personen mit Parkinson-Krankheit eine erhöhte Chance auf eine Impfung bestand.

Schlussfolgerungen und Implikationen

Die Studie zeigte, dass die Impfquoten in Deutschland im Allgemeinen unter den angestrebten Werten liegen. Im Vergleich zu Personen ohne Demenz ist die bereinigte Chance auf eine Impfung bei Patienten mit Demenz, die in Privathaushalten leben, geringer, was nicht den Empfehlungen, dass Demenzpatienten zusätzlich geimpft werden sollten, entspricht. Die zu niedrige Influenza-Impfquote bei Patienten mit Demenz und Parkinson-Krankheit in Privathaushalten erhöht deren Risiko für eine Infektion und einen schweren Krankheitsverlauf.

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