Die Grippesaison steht vor der Tür, und für Menschen mit Vorerkrankungen, insbesondere nach einem Schlaganfall, ist es wichtig, die potenziellen Risiken und Präventionsmaßnahmen zu verstehen. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Grippe, Schlaganfall und den Vorteilen einer Grippeimpfung, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und Empfehlungen von Experten.
Grippe als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Viren, die erkältungsähnliche Symptome auslösen, können auch das Herz angreifen. Studien haben gezeigt, dass das Risiko für einen Herzinfarkt innerhalb der ersten sieben Tage nach der Diagnose einer Grippe um das Sechsfache steigt. Chronisch Kranke und ältere Menschen haben ein höheres Risiko, einen schweren oder tödlichen Grippeverlauf zu erleiden. Grippeviren können im schlimmsten Fall der Auslöser für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Diese Viren beeinflussen zum einen die Blutgerinnung, sie machen ähnlich wie auch Coronaviren das Blut - vereinfacht gesagt - dicker. Zum anderen sorgen sie dafür, dass sogenannte Plaques, also Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, instabil werden und leichter aufreißen können, wodurch das Risiko für einen Herzinfarkt ansteigt. Alle viralen Infektionen, insbesondere Atemwegsinfektionen, haben diesen instabilisierenden Effekt auf die Gefäßablagerungen.
Schlaganfallrisiko nach Infektionen
Viele Infektionskrankheiten erhöhen das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen des Gefäßsystems wie für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Laut einer Metaanalyse ist das Risiko, an einem ischämischen Schlaganfall zu erkranken, also einem Gefäßverschluss im Gehirn, einen Monat nach akuten Infektionen um mehr als das Doppelte erhöht. In den ersten drei Tagen nach einer Infektion ist es besonders hoch, danach sinkt das Risiko langsam wieder ab. Infektionen können das Blutgerinnungssystem aktivieren und so das Risiko für Thrombosen und Embolien erhöhen. Das Schlaganfallrisiko ist vor allem nach akuten Infektionen der Atem- und der Harnwege erhöht. Unter Umständen besteht sogar wochenlang ein erhöhtes Risiko für einen Hirninfarkt. Infektionen und andere Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Rauchen wirken zusammen und erhöhen das Schlaganfallrisiko. In selteneren Fällen können aber auch bei jungen Menschen ohne Risikofaktoren Schlaganfälle nach einer Infektion auftreten.
Eine Metastudie von US-Forschern kam zu dem Ergebnis, dass Virusinfektionen wie Grippe oder auch Corona das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits kurz nach der Ansteckung drastisch erhöhen können. In den ersten vier Wochen nach einer Grippe ist das Risiko für einen Schlaganfall um das Fünffache erhöht, die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts steigt auf das Vierfache. Nach einer SARS-CoV-2-Infektion ist das Risiko eines Herzinfarkts um das 3,1-Fache und das eines Schlaganfalls um das 2,9-Fache erhöht - ebenfalls in den vier Wochen nach der Ansteckung. Die meisten Herzinfarkte und Schlaganfälle ereignen sich in den Monaten Dezember, Januar und Februar, wenn die meisten Viren im Umlauf sind. Auch andere Viren wie HIV, Hepatitis C oder Gürtelrose erhöhen das Risiko.
Die natürliche Reaktion des Immunsystems auf Virusinfektionen, bei der Moleküle freigesetzt werden, die Entzündungen auslösen sowie die Blutgerinnung fördern, ist eine Ursache dafür. Sowohl Entzündungen als auch Blutgerinnsel können die Herzfunktion beeinträchtigen.
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Die Bedeutung der Grippeimpfung
Die Ständige Impfkommission (StiKo) empfiehlt die Grippeimpfung für Menschen ab dem 60. Lebensjahr. Auch Schwangere, medizinisches Personal und Betreuerinnen und Betreuer von Risikogruppen sollten sich impfen lassen. Die Grippeimpfung ist für Herzkranke ein Muss. Um einen optimalen Schutz aufzubauen, sollten sich Herzkranke bereits zu Beginn der Grippesaison, im Oktober oder November, impfen lassen. Es dauert etwa zwei Wochen, bis die vollständige Immunantwort aufgebaut ist. Die Grippeimpfung muss jedes Jahr aufgefrischt werden, da in jeder Saison unterschiedliche Virenstämme kursieren. Es wird empfohlen, sich sowohl gegen Grippe als auch gegen Corona impfen zu lassen.
Eine Studie aus Spanien legt nahe, dass die Grippeimpfung nicht nur vor einer saisonalen Influenza schützt, sondern zugleich das Schlaganfallrisiko senkt. Der biochemische Pathomechanismus eines Schlaganfalls infolge einer grippeähnlichen Erkrankung ist wahrscheinlich mit einer durch die Infektion ausgelösten systemischen Entzündung zu erklären, die das Aufbrechen der Atherom-Plaques fördert und das Risiko atherothrombotischer Gefäßereignisse erhöht. Somit könnte ein Impfstoff, der vor der Grippe schützt, auch protektiv auf die Entstehung eines Schlaganfalls wirken.
Kanadische Forschende werteten über neun Jahre die Daten von mehr als 4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern der Provinz Alberta aus und fanden heraus, dass die Gruppe der Influenza-Geimpften seltener einen Schlaganfall erlitt als die der Ungeimpften. Dieser Effekt war auch dann noch feststellbar, wenn man Patientinnen und Patienten mit ähnlichen Risikoprofilen verglich. Männer und Frauen profitierten etwa gleich von dem schützenden Effekt der Impfung. Gleiches gilt für Menschen mit unterschiedlichen Risiken oder Vorerkrankungen. Bei allen sank nach der Influenza-Impfung das Risiko für Schlaganfälle unterschiedlicher Art, also für Gefäßverschlüsse ebenso wie für Hirnblutungen.
Studienergebnisse zur Wirksamkeit der Grippeimpfung
Spanische Wissenschaftler analysierten in einer verschachtelten Fall-Kontroll-Studie die Auswirkungen der Grippeimpfung auf das individuelle Risiko eines ersten ischämischen Schlaganfalls. Die Ergebnisse zeigten, dass geimpfte Probanden ein um 12 Prozent geringeres Risiko hatten, einen Schlaganfall zu erleiden. Ein ähnlich stark verringertes Risiko wurde unabhängig der untersuchten Genese (kardioembolisch, nicht-kardioembolisch), in allen analysierten Untergruppen (Männer, Frauen, Personen unter und über 65 Jahren sowie Personen mit mittlerem und hohem vaskulärem Risiko) sowie vor, während und nach der korrespondierenden Grippewelle beobachtet. Der Risikoschutz war bereits 15 Tage nach der Immunisierung feststellbar und hielt über die gesamte Influenzasaison bis zum folgenden Jahr an.
Nebenwirkungen und Vorsichtsmaßnahmen
Durch die Impfung wird das Immunsystem angeregt, daher kann es unmittelbar danach zu einer Impfreaktion kommen. Dazu zählen zum Beispiel Rötungen, sowie Schwellungen oder Schmerzen an der Einstichstelle. Als leichte Nebenwirkung kann es wenige Tage nach der Impfung auch zu Beschwerden wie Fieber, Frösteln oder Schwitzen, Müdigkeit, Kopf- oder Muskelschmerzen kommen. In der Regel klingen diese Beschwerden nach kurzer Zeit wieder ab. Laut Robert-Koch-Institut sind die saisonalen Influenza-Impfstoffe in der Regel gut verträglich. Zu schwerwiegenden Impfreaktionen und Nebenwirkungen käme es nur in sehr seltenen Fällen. Es gibt keine speziellen Nebenwirkungen, die gehäuft bei Herzkranken auftreten. Wer sich am Tag des Impftermins körperlich geschwächt oder sogar krank fühlt, Fieber hat oder unter einer akuten Infektion leidet, sollte den Termin lieber verschieben.
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Telemedizinische Schlaganfall-Versorgung
Die Telemedizin spielt eine immer größere Rolle in der Schlaganfall-Versorgung. In Deutschland gibt es mittlerweile 23 telemedizinische Netzwerke für die Schlaganfall-Versorgung, in denen über 200 Kliniken vernetzt sind. Die Telemedizin soll insbesondere ländlich gelegenen Kliniken ohne neurologische Expertise ermöglichen, sich mit Experten in Schlaganfall-Zentren zu beraten. So können zum Beispiel zeitraubende Verlegungen vermieden werden, die zu schweren Behinderungen der Patienten führen könnten.
Prävention und Risikofaktoren
Personen mit Gefäßrisikofaktoren sowie Patienten, die schon einmal einen Schlaganfall hatten, sollten sich jährlich gegen die Influenzagrippe impfen lassen. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, die erwähnten Risikofaktoren für einen Schlaganfall möglichst zu senken. Mit ausreichender, regelmäßiger Bewegung und einer gesunden Ernährung kann einem Schlaganfall gezielt vorgebeugt werden.
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