Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die durch Entzündungen, Demyelinisierung und Degeneration der Axone gekennzeichnet ist. Betroffen sind in Deutschland etwa 100 von 100.000 Einwohnern. Obwohl spezielle Diätformen für MS-Patienten empfohlen werden, gibt es keine wissenschaftlich fundierte MS-Diät. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Inhaltsstoffe des grünen Tees, insbesondere Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG), eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf haben könnten.
Multiple Sklerose: Eine komplexe Erkrankung
Die Multiple Sklerose ist eine komplexe, multifaktorielle Erkrankung mit bislang unbekannter Ätiologie. Diskutierte Ursachen sind genetische Veranlagungen und Umwelteinflüsse. Virusinfektionen in der Kindheit werden als mögliche Auslöser in Betracht gezogen, bei denen sich fehlerhafte, gegen körpereigene Strukturen gerichtete Antikörper entwickeln. Frauen erkranken bis zum 50. Lebensjahr häufiger an MS als Männer, was auf hormonelle Einflüsse hindeuten könnte.
Die Erkrankung verläuft in den meisten Fällen schubförmig-remittierend, wobei sich neurologische Ausfälle im Zeitraum von einigen Tagen bis einigen Wochen deutlich verschlechtern oder neue Symptome hinzukommen. Nach etwa 10 Jahren geht die schubförmige MS bei vielen Patienten allmählich in eine sekundär progrediente MS über, bei der die Symptome immer mehr zunehmen. Da bei der Erkrankung Entzündungen im gesamten Zentralnervensystem auftreten können, sind je nach Lokalisation und Größe der Entzündungsherde verschiedenartige Symptome und Symptomkombinationen möglich.
Die Rolle von Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG)
EGCG ist ein Naturstoff aus der Gruppe der Flavonoide, der in großen Mengen in grünem Tee vorkommt. Flavonoide machen etwa 30 bis 34 % des Trockengewichts von Grüntee aus. EGCG besitzt antioxidative Eigenschaften und kann freie Radikale im Körper abfangen. Es wird vermutet, dass EGCG eine neue Therapieoption für Patienten mit Multipler Sklerose darstellen könnte.
Studienlage zu EGCG und MS
Verschiedene Studien untersuchen die Wirkung von grünem Tee bei Multipler Sklerose. Die Charité - Universitätsmedizin Berlin führt klinische Studien zu EGCG durch, um die Substanz als Therapie der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose (MS) zu entwickeln. Nach aktuellen Forschungsergebnissen ist die Substanz Epigallocatechin-Gallat im Gegensatz zu anderen Medikamenten nicht nur entzündungshemmend, sondern schützt zusätzlich noch die Nervenzellen. Möglicherweise kann Epigallocatechin-Gallat die Zahl der Schübe senken und verhindern, dass Nervenzellen erkranken und absterben. Damit hofft die Ärztegruppe, das Fortschreiten der Krankheit aufhalten oder zumindest verlangsamen zu können.
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Die Ergebnisse dieser Studien sind vielversprechend. EGCG greift in das Wachstum aktivierter Immunzellen, der sogenannten T-Lymphozyten, ein und hemmt die Expansion dieser Zellen. Gleichzeitig kann EGCG die Nervenzellen vor verschiedenen schädlichen Substanzen schützen, die das Immunsystem freisetzt.
Wirkmechanismen von EGCG
- Immunmodulation: EGCG kann das fehlgeleitete Immunsystem drosseln. Studien zeigen, dass EGCG auf das Immunsystem wirkt, indem es entzündliche Prozesse hemmt und pro-inflammatorische T-Zellen und Zytokine reduziert.
- Neuroprotektion: EGCG kann die Nervenzellen vor schädlichen Einflüssen des Immunsystems schützen. Es zeigt eine neuroprotektive Wirkung und bewahrt Nervenzellen vor dem Untergang.
Ergebnisse einer Bachelorarbeit zu EGCG und Autoimmunerkrankungen
Eine Bachelorarbeit hat Studien zu Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG) und seiner Wirkung auf Autoimmunerkrankungen am Beispiel der MS und der Rheumatoiden Arthritis (RA) kritisch betrachtet. Die Studien zeigen, dass EGCG auf das Immunsystem wirkt. Entzündliche Prozesse werden gehemmt, indem pro-inflammatorische T-Zellen und Zytokine reduziert werden. Der Schweregrad einer RA sowie einer experimentellen autoimmune Enzephalomyelitis (EAE), welche als Ersatz für die MS beim Menschen dient, wurde insgesamt gemildert.
Weitere Forschung und klinische Studien
Die Berliner Wissenschaftler planen weitere Studien, um zu untersuchen, ob eine Behandlung mit EGCG bei Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose wirksam und sicher ist. Diese Studien sollen klären, ob EGCG eine neue Therapieoption für MS-Patienten darstellen könnte.
Die Charité Berlin führt eine klinische Studie zu EGCG durch, bei der Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose getestet werden, die seit wenigstens sechs Monaten mit Copaxone therapiert werden. Im Rahmen der Studie werden die Teilnehmer monatlich kontrolliert und alle drei Monate neurologisch untersucht, inklusive Blutabnahme, Konzentrations- und Bewegungstests. Halbjährlich finden kernspintomographische Untersuchungen des Gehirns statt.
Ernährungsempfehlungen für MS-Patienten
Obwohl es keine spezifische MS-Diät gibt, können bestimmte Ernährungsempfehlungen helfen, das Entzündungsgeschehen zu beeinflussen. Dazu gehört die Modifizierung des Fettsäurespektrums der aufgenommenen Fette durch Bevorzugung oder Meidung bestimmter Nahrungsmittel.
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Empfehlenswerte Ernährungsweisen
- Mediterrane Kost: Diese Ernährungsweise basiert auf Gemüse, pflanzlichen Ölen (vor allem Olivenöl) und Fisch. Sie ist reich an Vitaminen und Antioxidantien, die das Entzündungsgeschehen beeinflussen können.
- Vegetarische Ernährung: Durch den Verzicht auf Fleisch und Wurstwaren wird die Arachidonsäure-Aufnahme reduziert. Bei der Auswahl von Ölen sollte auf die Qualität und das Fettsäurespektrum geachtet werden.
Nahrungsergänzungsmittel
Einige Wirkstoffe können sich möglicherweise positiv auf die Entzündungs- und Immunprozesse auswirken. Dazu gehören:
- Grüntee-Extrakt (EGCG)
- Omega-3-Fettsäuren
- Vitamine (C, E, D)
- Selen
- Zink
Wichtiger Hinweis zur Selbstmedikation
Es wird dringend von einer unkontrollierten Selbstmedikation mit frei verkäuflichen Grüner-Tee-Extrakten abgeraten. Zu den im Handel oder über das Internet beziehbaren Präparaten liegen keine gesicherten Erkenntnisse bzgl. ihrer Unbedenklichkeit vor. Es gibt keine Daten zu einer möglichen Dosis-Wirkungs-Beziehung, das Nebenwirkungsprofil ist weitgehend unbekannt und die möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind unklar.
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