Halluzinationen bei Demenz: Therapieansätze

Demenzen gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen und stellen eine große Belastung für die Betroffenen und ihre Bezugspersonen dar. Besonders Verhaltenssymptome wie Psychose, Antriebsstörung oder aggressives Verhalten schränken die Lebensqualität erheblich ein. Bei bestimmten Demenzformen, wie der frontotemporalen Demenz, treten nichtkognitive Symptome oft schon früh im Krankheitsverlauf auf. Halluzinationen gehören zu den besonders belastenden Symptomen im Verlauf der Erkrankung. Menschen mit Demenz verlieren phasenweise den Bezug zur Realität. Sie sehen, hören, fühlen oder riechen Dinge, die für Außenstehende nicht vorhanden sind, für sie selbst jedoch völlig real erscheinen. Der Umgang damit verlangt Verständnis, Empathie und Wissen.

Was sind Halluzinationen?

Der Begriff Halluzination stammt vom lateinischen "alucinatio", was so viel wie "Träumerei" bedeutet. Halluzinationen sind Sinnestäuschungen, bei denen Betroffene Reize wahrnehmen, die objektiv nicht existieren. Korrigierende Hinweise von anderen helfen in der Regel nicht, die Wahrnehmung erscheint ihnen absolut glaubwürdig. Häufig berichten Betroffene von kleinen, sich bewegenden Objekten, hören Stimmen oder spüren Dinge auf ihrer Haut. Auch unangenehme Gerüche können Teil solcher Sinnestäuschungen sein.

Im Unterschied zu Halluzinationen sind Wahnvorstellungen Störungen des Denkens. Die Betroffenen sind fest überzeugt von etwas, das nicht der Realität entspricht - etwa, dass sie bestohlen, verfolgt oder vergiftet wurden. Auch hier wirken logische Erklärungen von außen oft machtlos.

Solche psychotischen Symptome können auch bei anderen Erkrankungen auftreten, z. B. Schizophrenie, Multiple Sklerose, Hirntumoren, Depressionen, durch Drogenkonsum, Schlafentzug oder Medikamente. Im Alter können Sinnesverluste, soziale Isolation oder bestimmte Medikamente Halluzinationen ebenfalls begünstigen.

Formen und Ursachen von Halluzinationen bei Demenz

Etwa ein Drittel aller Menschen mit Demenz erlebt im Krankheitsverlauf Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Diese können immer wieder auftreten. Besonders optische Halluzinationen sind typisch bei Lewy-Body-Demenz oder Parkinson-Demenz. Betroffene sehen mitunter Tiere oder verstorbene Angehörige, oft sehr eindrücklich beschrieben. Bei Alzheimer und Vaskulärer Demenz treten eher Wahnvorstellungen auf, etwa die Überzeugung, jemand habe etwas gestohlen oder ein Familienmitglied sei durch einen Doppelgänger ersetzt worden.

Lesen Sie auch: Halluzinationen und das Gehirn

Die Ursachen für solche Symptome sind vielfältig:

  • Schädigungen von Nervenzellen im Gehirn
  • Nachlassendes Gedächtnis
  • Abnehmender Realitätsbezug
  • Hör- und Seheinschränkungen
  • Veränderte Verarbeitung von Reizen (z. B. Schatten, Geräusche)

Ein Flüstern der Blätter kann dann als Tuscheln der Nachbarn erscheinen, ein Schatten im Raum wird als bedrohliches Tier wahrgenommen.

Umgang mit Halluzinationen: Was hilft und was nicht

Halluzinationen und Wahnvorstellungen lösen bei Betroffenen oft Angst, Unruhe oder Aggressionen aus. Für Angehörige oder Pflegende ist das häufig schwer auszuhalten. Versuche, Betroffene von der Realität zu überzeugen, führen meist zu noch größerer Verunsicherung und sollten vermieden werden.

Stattdessen gilt:

  • Die Wahrnehmung als subjektive Realität anerkennen
  • Ängste ernst nehmen und mit Respekt reagieren
  • Behutsam die Aufmerksamkeit umlenken - auf positive, beruhigende Themen
  • Eine ruhige, reizreduzierte Umgebung schaffen, um Stress zu minimieren

In manchen Fällen kann auch eine medikamentöse Behandlung notwendig sein.

Lesen Sie auch: Lewy-Körperchen-Demenz: Ein Überblick

Therapieansätze bei Halluzinationen und Psychosen bei Demenz

Bei der Langzeitpflege Demenzkranker stehen Psychosen mit im Zentrum der Behandlungsnotwendigkeiten. Typische Symptome sind starke Unruhe und Aufgewühltsein (Agitation), häufig führt die Gehirnerkrankung zu Wahnvorstellungen und Halluzinationen und in der Folge auch Aggressionen. Bei der Behandlung von Psychosen bei Demenzkranken ist generell der Umgang mit den Patienten wichtig - demente Menschen ängstigen sich häufig aufgrund der unbekannten (nicht erinnerten) Situation, ‚fremder‘ Menschen oder unvorhersehbarer Ereignisse. Stellt man sich diese rundum erschreckende Situation vor, in der nichts den Erinnerungen entspricht, kann man manche Angst und Aggression besser nachvollziehen.

Medikamentöse Therapie

Ganz ohne Medikamente geht es bei den Demenzpsychosen häufig aber doch nicht. Klassische sogenannte Antipsychotika (auch als Neuroleptika bekannt) sind allerdings oft mit Nebenwirkungen verknüpft, die gerade beim älteren Menschen nicht gut toleriert werden können. Manche der Neuroleptika sind beispielsweise auch auf der Priscus-Liste (Deutsche Seniorenliga) der altersunangemessenen Medikamente aufgeführt - zu den Nebenwirkungen im fortgeschrittenen Alter können Herzprobleme, starke Müdigkeit und Benommenheit gehören. Neuere Antipsychotika sind auch für Störungen des Stoffwechsels bekannt, die zu einem sogenannten Metabolischen Syndrom führen können: der Kombination aus Bluthochdruck, Übergewicht und erhöhter Werte von Blutzucker und Blutfetten. Daher wird mit diesen Medikamenten im Allgemeinen nur ergänzend zu Therapien mit Antidementiva und typischerweise möglichst niedrig dosiert und kurz behandelt.

Welche Medikamente stehen aber alternativ zu den Antipsychotika zur Verfügung, wenn es wirklich nicht ohne geht und diese nicht verträglich oder wirksam sind? Dazu ermittelte eine Forschergruppe die derzeitige Studienlage zu möglichen Alternativen zu Antipsychotika. Sie identifizierten 41 entsprechende Substanzen und bestimmten für diese die jeweilige Evidenzqualität - also wie vertrauenerweckend die jeweils vorliegenden Studienergebnisse waren und wie klar die Ergebnisse das jeweilige Medikament stützten. Anschließend führten sie eine Befragung von 55 Langzeitpflege-Ärzten durch. Darin ließen sie die Kliniker bewerten, wie wahrscheinlich sie jede dieser Substanzen als Ersatz für Antipsychotika einsetzen würden. Zusätzlich sollten die Ärzte Vorschläge für nicht medikamentöse Behandlungsansätze machen. Von den 55 befragten Ärzten beantworteten 36 (65 %) die Fragen.

Wie sah aber die wissenschaftliche Studienlage zu diesen Mitteln aus? Unterstützung hoher Qualität gab es lediglich zu Memantin sowie den Cholinesterase-Hemmern als Medikamente, die bei psychotischen Symptomen einer Demenzerkrankung nutzen können. Deutliche Warnung aus der Forschung gab es dagegen zum Antiepileptikum Valproat - dieses Medikament scheint nach aktueller Studienlage nicht bei Demenzpsychosen angeraten zu sein. Weitere Alternativen zu Antipsychotika konnten in den verschiedenen klinischen Studien demnach nicht ausreichend zur Behandlung von Psychosen bei Demenzerkrankten überzeugen oder sind bei älteren Menschen nicht empfehlenswert (z. B. nach der Priscus-Liste).

In dieser kleinen Befragungsstudie mit US-amerikanischen Demenzpflege-Ärzten fanden sich demnach eine Vielzahl von Medikamenten als Ersatz für Antipsychotika im Gebrauch, für die es nur geringe oder keine Unterstützung aus der aktuellen klinischen Forschung gibt. Die verschiedenen Medikamente sind natürlich für ihre jeweils eigentlichen Behandlungsziele durchaus sinnvoll. Beispielsweise nutzen Antidepressiva selbstverständlich bei Depressionen, die bei einer Demenz nicht selten als Begleiterkrankung auftreten. Auch können demente Menschen starke Ängste entwickeln. Angstlöser sind daher nicht immer abwegig und könnten so auch gegen manche der scheinbar psychotischen Symptome helfen. Auch leiden demente Menschen manchmal unter Schmerzen - ein klassischer Auslöser für Unruhe, Gereiztheit und Aggressionen. Wenn also unklar ist, ob eine echte Demenzpsychose oder aber anderweitig behandelbare Auslöser für psychotische Symptome vorliegen, kann eines der alternativ genannten Medikamente durchaus Klarheit und Symptombesserung bringen. Grundlegend darf aber die Medikamentenwahl und deren Begründung hinterfragt werden - nicht jede Behandlung basiert auf klaren Studienempfehlungen.

Lesen Sie auch: Leitlinien zur Behandlung von Parkinson-Halluzinationen

Antipsychotika, Antidepressiva und andere Psychopharmaka können therapeutisch eingesetzt werden, mangelnde Evidenz aus kontrollierten Studien und Nebenwirkungen schränken den Einsatz teilweise ein. Nichtpharmakologische Interventionen sollten daher immer auch zum Einsatz kommen.

Der Nutzen von Antipsychotika bei nichtkognitiven Symptomen der AD wurde in mehreren klinischen Studien nachgewiesen. Dabei sollten dem Alter der Patienten entsprechend eher atypische Antipsychotika eingesetzt werden, da sie ein günstigeres Nebenwirkungsprofil besitzen. Es muss jedoch betont werden, dass viele therapeutisch wichtige Fragen noch ungeklärt sind und weiterer Studien bedürfen. Außerdem ist zu beachten, dass neuropsychiatrische Symptome oft ein Ausdruck eines Anpassungsversuchs des Patienten sind und daher zuerst angemessene verhaltenstherapeutische Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die antidementive Behandlung an sich führt bei manchen Patienten bereits zu einer Besserung nichtkognitiver Symptome. Das teils ungünstige Nebenwirkungsprofil der verfügbaren Antipsychotika führt außerdem dazu, dass sie Ihre Wirkung nicht voll entfalten können und mit großer Vorsicht und nur nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden sollten. Beispielsweise wurden in der prospektiven CATIE-AD(Clinical antipsychotic trials of intervention effectiveness-Alzheimer‘s disease)-Studie 421 ambulante Patienten mit AD und Psychose, Aggression oder Agitation randomisiert mit Olanzapin, Quetiapin, Risperidon in gerontopsychiatrisch üblicher Dosierung oder Placebo behandelt und über 36 Monate beobachtet. Dabei zeigte sich kein Wirksamkeitsunterschied zwischen den Antipsychotika und Placebo. Die Einnahme von Placebo wurde bevorzugt aufgrund mangelnder Wirksamkeit beendet, die Behandlung mit Antipsychotika hingegen zumeist wegen Nebenwirkungen.

Im Gegensatz zur antidementiven Therapie mit Cholinesterasehemmern und Memantin sollte die Behandlung von Verhaltensänderungen mit Antipsychotika nicht kontinuierlich, sondern je nach Bedarf erfolgen. Nichtkognitive Symptome ändern sich im Krankheitsverlauf und die Therapie sollte daher alle paar Wochen überprüft, angepasst oder beendet werden, je nach Symptomverlauf. Die medikamentöse Therapie nichtkognitiver Symptome sollte erst erwogen werden, nachdem verhaltenstherapeutische Interventionen ohne Erfolg blieben und die Symptome wesentlich zur Belastung des Patienten und seiner Angehörigen beitragen. Arzneimittel mit ungünstigem Nebenwirkungsprofil sollten vermieden werden. Eine anfängliche Sedierung beispielsweise kann therapeutisch gewünscht sein, jedoch im Verlauf zu Stürzen und Frakturen führen. Vor allem anticholinerge, hypotensive und extrapyramidale Effekte sollten vermieden werden. Die medikamentöse Behandlung sollte auf einem ausreichend hohen Dosisniveau erfolgen. Bei der Therapie nichtkognitiver Symptome ist jedoch darauf zu achten, dass Patienten mit Demenz oft bereits bei einer relativ niedrigen Dosis Nebenwirkungen zeigen. Außerdem sollte die Aufdosierung eher langsam erfolgen.

Depressionen sind bei Menschen mit Demenz nicht immer eindeutig zu diagnostizieren, es gibt aber klare Hinweise, dass Depressionen bei Demenzerkrankungen häufig sind und mit einer schlechteren Lebensqualität, einem höheren Grad der Behinderung und einer kürzeren Lebenserwartung assoziiert sind. Antidepressiva werden häufig auch bei Demenz verordnet. Eine kürzlich publizierte Cochrane-Metaanalyse fand zehn Placebo-kontrollierte Studien mit insgesamt etwa 1500 Teilnehmern, die durchschnittlich über einen Zeitraum von zwölf Wochen behandelt worden waren. In den älteren Studien kamen eher herkömmliche Antidepressiva wie Trizyklika zum Einsatz, während in neueren Prüfungen modernere Substanzen wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt wurden. In dieser Literaturübersicht gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Verum und Placebo, obwohl die Qualität der vorliegenden Evidenz meist hoch war. Trotz dieses negativen Ergebnisses ergab die Metaanalyse Evidenz niedrigerer Qualität, dass etwas mehr Patienten in der Verum-Gruppe remittierten als in der Placebo-Gruppe (40 vs. 21,7 %). Behandlungsabbrüche und Nebenwirkungen waren in der Antidepressiva-Gruppe häufiger. Zusammengefasst gibt es also Hinweise auf die Wirksamkeit von Antidepressiva bei Demenz, die Evidenz ist allerdings weiterhin unsicher.

Nicht-medikamentöse Interventionen

Um mit herausforderndem Verhalten umzugehen, können Angehörige teils versuchen, Situationen zu identifizieren und somit zu vermeiden, in denen Unruhe auftritt oder die Betroffenen aggressiv reagieren. Je nach Situation kann es hilfreich sein, konfliktreiche Gesprächsthemen zu vermeiden und Gesprächsinhalte auf angenehmere Themen umzulenken, bevor wegen derselben unangenehmen Inhalte Streit entsteht. Es hat wenig Sinn, Menschen mit fortgeschrittener Demenz von ihren festen Überzeugungen abbringen zu wollen, da die Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei Demenz eingeschränkt ist. Für Angehörige kann es hilfreich sein, sich immer wieder zu sagen, dass herausfordernde Verhaltensweisen Symptom der Erkrankung und Reaktion des Betroffenen auf normale Alltagssituationen sind, die mit eingeschränkten geistigen Fähigkeiten bewältigt werden müssen. Man kann sich als pflegende Person vorstellen, wie man sich selbst fühlen würde, wenn die Umwelt normale Alltagsfunktion erwartet, obwohl die eigenen Fähigkeiten es nicht mehr zulassen. Aggressivität lässt sich unter Umständen vermindern, wenn man beruhigende Musik abspielt, etwas vorliest oder den Betroffenen zum Tanzen oder Spazierengehen ermuntern kann. Die Aktivitäten müssen dabei nicht außergewöhnlich oder aufwendig sein. Manchmal reicht ein Sitzplatz am Fenster, damit der oder die Betroffene dem Geschehen auf der Straße zusehen kann. Ergo- oder Physiotherapie können dazu beitragen, noch erhaltene geistige und körperliche Fähigkeiten zu stärken und von schwierigen Verhaltensweisen abzulenken. Aktivitäten in der Gruppe eignen sich besonders gut, um die Gefühlswelt zu verbessern und für positive Erlebnisse zu sorgen.

Neben Medikamenten können kognitive Verhaltenstherapie, Bewegungstherapie oder Musiktherapie helfen, depressive Symptome zu lindern.

DECIDE-Projekt zur Reduktion von Psychopharmaka

Gerade wenn Demenzerkrankte Gefahr laufen, sich oder andere aufgrund ihrer Erkrankung zu verletzen oder der Leidensdruck der Betroffenen besonders hoch ist, können Antipsychotika helfen. Leider zeigen Studien, dass Beruhigungsmittel in Pflegeheimen zu häufig eingesetzt und vor allem nicht mehr abgesetzt werden. Dabei haben sie je nach Dosis unangenehme Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen, Schwindel und Müdigkeit. Außerdem erhöhen sie die Sturzgefahr und das Schlaganfallrisiko, verschlechtern die kognitive Leistungsfähigkeit und verringern insgesamt die Lebensqualität.

Um die Verschreibungshäufigkeit von dämpfenden Psychopharmaka bei dementiell erkrankten Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften in Bayern nachhaltig zu reduzieren, wurde das DECIDE-Projekt ins Leben gerufen. DECIDE steht für Reduktion sedierender Psychopharmaka bei Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern mit fortgeschrittener Demenz. Das Projekt wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert und 2023 abgeschlossen.

Das Projekt richtete sich an alle, die mit Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner mit Demenz zu tun haben: Angehörige, Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Amtsrichterinnen und -richter, Apothekerinnen und Apotheker. Die Aufklärung stand im Vordergrund. Und man wollte die Angst vor dem so genannten De-prescribing - dem schrittweisen Reduzieren bis hin zum Absetzen der Medikamente - nehmen. Denn es gibt Studien, die zeigen, dass das in vielen Fällen ohne Nebenwirkungen möglich ist. Wichtig ist, Antipsychotika nicht zu verteufeln.

Im Rahmen des Projekts wurden 50 zufällig ausgewählte Pflegeheime in Bayern und zehn Demenz-WGs besucht. Dort wurden die Medikationspläne angeschaut und für einzelne Fälle auf Basis der Pflegeberichte der letzten drei bis vier Monate Empfehlungen gegeben - zum Beispiel, ob und wie man eine Dosis reduzieren oder ein Medikament absetzen könnte. Die letztendliche Entscheidung lag natürlich immer bei der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt. Außerdem wurde bei den Besuchen eine Fortbildung für das Pflegepersonal angeboten, die immer sehr großen Anklang fand.

Die Ergebnisse des DECIDE-Projekts zeigten, dass 50 Prozent der rund 2.000 Menschen mit Demenz in den teilnehmenden Pflegeheimen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften sedierende Psychopharmaka erhielten - also Medikamente wie Antipsychotika, Benzodiazepine oder Z-Substanzen. Gut ein Viertel dieser Menschen wurde mit einer Kombination aus zwei, drei oder sogar vier sedierenden Psychopharmaka behandelt. In etwa 40 Prozent der Fälle wurde eine Reduktion oder ein Ausschleichen der fest angesetzten sedierenden Medikation empfohlen - zumeist, weil über längere Zeit keine Verhaltenssymptome dokumentiert waren, seltener aufgrund des Verdachts auf Nebenwirkungen.

Es wird empfohlen, bei Menschen mit Demenz regelmäßig zu prüfen, ob ein Absetzen möglich ist - vor allem, wenn die Betroffenen über einen längeren Zeitraum keine auffälligen Verhaltenssymptome mehr gezeigt haben. In solchen Fällen kann man die Dosis schrittweise, zum Beispiel in 25-Prozent-Schritten, reduzieren - idealerweise mit maximal ein bis zwei Reduktionsschritten pro Woche. Aber sollten die Symptome tatsächlich wieder auftreten und mit nicht-medikamentösen Verfahren nicht zu lindern sein, dann können Antipsychotika in möglichst niedriger Dosierung auch wieder angesetzt werden. Wichtig ist, den Prozess engmaschig zu begleiten und individuell zu entscheiden.

Angehörige spielen eine ganz zentrale Rolle. Menschen mit fortgeschrittener Demenz können oft weder selbst entscheiden, ob sie ein Medikament nehmen möchten, noch äußern, ob sie unter Nebenwirkungen leiden. Angehörige sind daher wichtige Ansprechpartner im Austausch mit dem Pflegeheim und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich gut informieren und gegebenenfalls fachlichen Rat einholen - zum Beispiel bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Zudem wird Angehörigen empfohlen, den aktuellen Medikamentenplan zu kennen und im Gespräch mit dem Pflegeheim oder der behandelnden Ärztin bzw. dem Arzt ruhig nachzufragen, wenn ihnen etwas auffällt oder sie unsicher sind.

Antidementiva

Zur Informationsübertragung und -verarbeitung benötigt das Gehirn bestimmte Eiweißstoffe, welche zur Kommunikation der Nervenzellen untereinander dienen. Ein Mangel dieser Botenstoffe im Gehirn, speziell an Acetylcholin, scheint u.a. die Krankheitszeichen der Alzheimer-Demenz zu verursachen. Die medikamentöse Therapie erfolgt daher in der Regel mit so genannten (Acetyl)Cholinesterasehemmer (z.B. Galantamin, Rivastigmin und Donepezil), die wissenschaftlich besonders gut untersucht sind. Die Cholinesterasehemmer blockieren ein Enzym, das für den Abbau des Acetylcholins zuständig ist - die so genannte Cholinesterase. Die Folge ist, dass im Gehirn die Konzentration des Botenstoffes Acetylcholin ansteigt. Galantamin übt neben der Enzym-Hemmung auch einen Effekt auf so genannte nikotinische Rezeptoren aus und fördert damit die Bindung von Acetylcholin an die Nervenzellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich durch den Einsatz eines Cholinesterasehemmers die Gesamtsymptome wie Gedächtnisstörungen, Störungen der Informationsverarbeitung, der Alltagsfertigkeiten und Verhaltensstörungen vorübergehend nicht weiter verschlechtern bzw. sogar teilweise verbessern. Die Pflege der Patienten wird dadurch erheblich erleichtert. Der Gedächtnisabbau kann mit diesen Wirkstoffen gegenüber einer Nichtbehandlung etwa 1 bis 2 Jahre verzögert werden. Einen anderen Weg hinsichtlich des Wirkmechanismus beschreiten so genannte Glutamat-Antagonisten (z.B. Memantine). Diese Substanzen blockieren die Glutamat-Empfangsstellen an den Synapsen (Verbindung zwischen zwei Nervenstellen) und hemmen so die Erregungsweiterleitung an den Nervenzellen, die durch Glutamat reguliert werden. Oft werden Präparate wie Vitamin A, C, E und Gingko Biloba in der Behandlung von Alzheimer-Patienten eingesetzt. Um zu beurteilen, ob die Medikamente wirken, führt der Facharzt zwei bis drei Monate nach Beginn der Therapie eine erste Kontrolluntersuchung durch. Da die Hirnleistungsfähigkeit der Betroffenen auch ohne medikamentöse Therapie schwanken kann, wird ein Präparat aber mindestens drei Monate gegeben und dann erst über Erfolg oder Fehlschlagen der Therapie geurteilt.

Neue Therapieansätze

Die medikamentöse Behandlung von Demenzerkrankungen wie Alzheimer entwickelt sich stetig weiter. Neben den bereits erhältlichen Antikörpern werden weitere Wirkstoffe erforscht, zum Beispiel Blarcamesin, der die natürlichen Reinigungsmechanismen der Nervenzellen aktivieren soll.

Ein neuer Ansatz sind Antikörper-Medikamente, die direkt an einer der möglichen Krankheitsursache ansetzen. Antikörper-Medikamente richten sich gegen eine mögliche Ursache der Alzheimer-Krankheit: schädliche Proteinablagerungen im Gehirn, sogenannte Amyloid-Plaques. Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) war das erste in der EU zugelassene Antikörper-Medikament zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit, kurz darauf wurde auch Kisunla (Wirkstoff: Donanemab) zugelassen. Beide sind seit Herbst 2025 in Deutschland erhältlich.

Leqembi und Kisunla richten sich ausschließlich an Menschen im frühen Alzheimer-Stadium, also bei leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) oder beginnender Demenz. Vor Beginn der Behandlung sind ein Gentest sowie der Nachweis von Amyloid-Ablagerungen (Liquoruntersuchung oder PET-Scan) erforderlich. Die Behandlung erfolgt in spezialisierten Zentren. Leqembi wird alle zwei Wochen als Infusion verabreicht, Kisunla alle vier Wochen.

tags: #Halluzinationen #bei #Demenz #Therapieansätze