Das Delir stellt im klinischen Alltag eine erhebliche Herausforderung dar. Es handelt sich um ein akut auftretendes Syndrom organischen Ursprungs, das ein hohes Risiko für motorische und psychopathologische Langzeitkomplikationen birgt und hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem verursacht. Trotz seiner Häufigkeit und klinischen Relevanz sind die Pathophysiologie des Delirs und die Evidenzlage für therapeutische Optionen begrenzt. Dies gilt insbesondere für das Delir beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS), wo dopaminantagonistisch wirkende Neuroleptika kontraindiziert sind.
Definition und Symptomatik des Delirs
Das Delir wird im International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 10 (ICD-10) bzw. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders 5 (DSM-5) als akute und transiente Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsstörung mit begleitender Störung des Gedächtnisses, der Orientierung, der Sprache und der Auffassung beschrieben. Im DSM‑5 wird das Delir zusätzlich durch den fluktuierenden Verlauf definiert. Weitere Symptome können Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Halluzinationen, Illusionen, Wahnvorstellungen und psychomotorische Unruhe sein. Klinisch präsentiert sich das Delir in zwei Formen: der hyperaktiven und der hypoaktiven Form.
Epidemiologie des Delirs bei Parkinson-Patienten
Das IPS hat eine Prävalenz von 200 pro 100.000 Einwohner mit altersassoziiert zunehmender Inzidenz. 20-40 % der Patienten mit IPS entwickeln eine Parkinson-Demenz, wobei die Prävalenz bei einer Erkrankungsdauer von mehr als 10 Jahren auf bis zu 80 % ansteigt. Die Prävalenz einer psychotischen Symptomatik bei IPS-Patienten liegt zwischen 30-50 %. 90 % der Parkinson-Patienten mit Demenz weisen mindestens ein neuropsychiatrisches Symptom auf, wobei gehäuft eine Depression (58 %), eine Angststörung (49 %), eine Apathie (54 %) oder Halluzinationen (44 %) bestehen.
Ein Review aus dem Jahr 2018 gibt Delirprävalenzraten für ambulante IPS-Patienten von 4 %, für stationär behandelte IPS-Patienten zwischen 22 und 48 % und für IPS-Patienten nach operativem Eingriff mit 11-60 % an. Im Vergleich zu anderen im Krankenhaus behandelten Patienten haben IPS-Patienten während eines stationären Aufenthaltes ein 5‑fach erhöhtes Risiko, ein Delir zu erleiden. Nach tiefer Hirnstimulation liegt die Prävalenz bei 11-27 %, was unter der Häufigkeit nach anderen operativen Eingriffen liegt, wahrscheinlich aufgrund der speziellen Patientenkohorte. Die Parkinson-Erkrankung selbst ist als eigenständiger Risikofaktor für das Auftreten eines Delirs zu betrachten, wobei nichtmotorische Symptome wie kognitive Störungen, Schmerz und Schlafstörungen dazu beitragen.
Risikofaktoren für ein Delir
Grundsätzlich können prädisponierende und präzipitierende Risikofaktoren für das Delir unterschieden werden. Zu den prädisponierenden Faktoren gehören ein höheres Lebensalter (meist ≥65 Jahre) und kognitive Störungen. Als Auslöser kommen unter anderem Infekte, metabolische Störungen und Schmerzen in Betracht. Längere Behandlungen im Krankenhaus, insbesondere auf Intensivstation, operative Eingriffe und liegende Zugänge erhöhen das Risiko.
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Diagnose des Delirs bei Parkinson-Patienten
Die Diagnose eines Delirs bei IPS erfordert die Abgrenzung von IPS-immanenten Symptomen und der deliranten Symptomatik. Dies umfasst motorische Symptome wie die Hypokinese und nichtmotorische Symptome, die in den unterschiedlichen Stadien der Parkinson-Erkrankung bestehen können. Neuropsychiatrische Symptome wie Halluzinationen und Wahnstörungen, aber auch Apathie, Bewegungsunruhe, Insomnie und schlafassoziierte Verhaltensstörungen überschneiden sich mit den Symptomen eines Delirs. Verhaltensstörungen und Fluktuationen der Vigilanz treten in besonderem Maße bei der Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) auf. Zudem können Nebenwirkungen der Anti-Parkinson-Therapie zu Symptomüberschneidungen führen.
Die Detektion des Delirs ist eine multiprofessionelle Aufgabe. Während eines stationären Aufenthaltes sollte bei IPS-Patienten standardmäßig ein Delirscreening durchgeführt werden, z.B. mit der Nurse Delirium Screening Scale (Nu-Desc) bzw. der Delirium Observation Scale (DOS‑S). Zur Diagnose und Verlaufsbeurteilung empfiehlt sich die Confusion Assessment Method (CAM), die für den intensivmedizinischen Bereich (CAM-ICU) und den allgemein-stationären Bereich (z. B. 3D-CAM) validiert ist. Allerdings sind diese Skalen bislang nicht für IPS-Patienten validiert.
Die Erhebung der Fremdanamnese der Bezugspersonen spielt eine wichtige Rolle. Bei akut aufgetretener deliranter Symptomatik sollte nach potenziellen Auslösern bzw. Ursachen gesucht werden. Diagnostische Untersuchungen umfassen laborchemische Untersuchungen, um Elektrolytverschiebungen, Exsikkose, Organinsuffizienzen und eine Infektion auszuschließen. Die aktuelle Medikamentenliste sollte kritisch evaluiert und prodelirogene Medikamente, insbesondere Anticholinergika, wenn möglich abgesetzt werden. Die zerebrale Bildgebung ist häufig nicht wegweisend, kann jedoch zum Ausschluss vaskulärer Prozesse sinnvoll sein.
Prävention des Delirs
Die Prävention eines Delirs bei Patienten mit erhöhtem Delirrisiko durch nichtmedikamentöse Verfahren ist gut untersucht. Die Prävention umfasst Reorientierungsmaßnahmen, die Einhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus, die Benutzung von Hilfsmitteln, die frühzeitige Mobilisierung, die ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, eine ruhige Umgebung sowie die Vermeidung von Kathetern und Zugängen. Nicht zuletzt spielt die interdisziplinäre Schulung des Krankenhauspersonals und eine Einbeziehung der Angehörigen eine entscheidende Rolle. Ein Beispiel hierfür ist das Hospital Elder Life Program (HELP), welches überwiegend in den USA zur Anwendung kommt, aber auch vereinzelt in europäischen und deutschen Krankenhäusern umgesetzt wird. Ein speziell entwickeltes Programm zur Delirprävention von IPS-Patienten existiert bislang nicht.
Präventive medikamentöse Maßnahmen werden aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse und einer kritischen Wirkungs-Nebenwirkungs-Ratio bislang nicht empfohlen. Insbesondere die nichtmedikamentösen Interventionen spielen bei delirgefährdeten Patienten oder bei Patienten, bei denen bereits ein manifestes Delir besteht, eine entscheidende Rolle. Neben den nichtmedikamentösen Interventionen wird eine Einbeziehung der Angehörigen empfohlen, um eine effektive Kommunikation und (Re‑)Orientierung der Patienten zu fördern. Auch eine stationäre Mitaufnahme der Lebenspartner oder enger Bezugspersonen stellt eine Option dar. Angepasste Stationsabläufe mit direkter Bezugspflege und milieutherapeutische Maßnahmen zur Orientierung am Tag und in der Nacht wirken sich positiv auf Patienten mit Delir aus.
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Therapie des Delirs bei Parkinson-Patienten
Medikamentöse Therapieoptionen umfassen die Behandlung potenziell ein Delir verursachender Faktoren, wie akute Infektionen, Schmerzen oder metabolische Störungen. Die bestehende medikamentöse Therapie sollte kritisch evaluiert werden, um prodelirogene Medikamente zu identifizieren und nach Möglichkeit abzusetzen. Hierbei sollte zunächst die Medikation mit der geringsten Effektivität für die Verbesserung der Parkinson-Symptomatik und der höchsten prodelirogenen Symptomatik abgesetzt werden. Häufig resultiert dies in einer Levodopamonotherapie. Zu beachten ist jedoch, dass nach abruptem Absetzen von Amantadin, Dopaminagonisten und Anticholinergika Entzugssymptome auftreten können. Akute Verwirrtheitszustände können auch Resultat einer (unabsichtlichen) Überdosierung der bestehenden dopaminergen Medikation sein.
Besonders beim hypoaktiven Delir setzt die Reduzierung der dopaminergen Medikation eine sehr sorgfältige Verlaufskontrolle voraus, da Akinese und Antriebsarmut zunehmen können. Nach Ausschluss anderweitig behandelbarer Ursachen kann, falls notwendig, eine symptomatische medikamentöse Behandlung des Delirs erfolgen. Hierbei sollte zunächst evaluiert werden, welches Symptom führend ist und den Patienten hauptsächlich belastet. Je nach Ausprägung des Delirs können wahnhafte Denkinhalte, Halluzinationen, Angst, psychomotorische Unruhe und Insomnie bzw. eine Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus im Vordergrund stehen.
Neuroleptika werden häufig zur Delirbehandlung eingesetzt. Die gängigen Antipsychotika Haloperidol, Risperidon, Olanzapin und Aripiprazol sollten jedoch bei IPS-Patienten aufgrund ihrer antidopaminergen Eigenschaften nicht angewandt werden. Clozapin wird effektiv bei Halluzinationen im Rahmen eines IPS eingesetzt. Allerdings birgt es aufgrund seines anticholinergen Effekts auch das Risiko einer Zunahme der Verwirrtheit und von Orientierungsstörungen bei deliranten IPS-Patienten. Quetiapin stellt eine weitere therapeutische Option dar, ohne dass ein Agranulozytosescreening wie bei Clozapin erfolgen muss. Allerdings besteht für die Wirksamkeit von Quetiapin auf psychotische Symptome bei IPS eine unzureichende Evidenzlage und es fehlen Studien zur Wirksamkeit beim Delir im Rahmen des IPS. Sowohl bei Clozapin als auch bei Quetiapin sollte die Dosierung bei Patienten mit IPS und Delir deutlich niedriger gewählt werden als bei anderen psychotischen Syndromen.
Therapie von Halluzinationen bei Parkinson-Krankheit
Halluzinationen, Wahn oder Psychose sind bedeutsame dosislimitierende Komplikationen im Rahmen der Arzneimitteltherapie des Morbus Parkinson. Vor allem optische Halluzinationen sind häufig. Wichtigster Auslöser gilt die medikamentöse Parkinson-Therapie, Demenz als einer der Risikofaktoren. Bei den meist älteren Patienten mit behandlungsbedürftiger Psychose sollten zunächst potenziell auslösende Faktoren wie metabolische Probleme oder Infekte ausgeschlossen werden. Nach Absetzen anticholinerger Parkinson-Mittel oder Antidepressiva empfiehlt es sich, die Medikation nötigenfalls bis auf Levodopa zu reduzieren. Wenn diese Maßnahmen versagen und eine antipsychotische Therapie erforderlich wird, kommen wegen der Gefahr einer verschlechterten Motorik nur Neuroleptika in Frage, die möglichst wenig extrapyramidalmotorische Störwirkungen auslösen. Die beste Evidenz besteht für das auch in Leitlinien vorrangig empfohlene "atypische" Neuroleptikum Clozapin. Niedrigdosiertes Clozapin, anfangs 6,25 mg und auf maximal 50 mg pro Tag erhöht, verbessert gegenüber Scheinmedikament den klinischen Gesamteindruck und verringert die Positivsymptomatik, während sich motorische Funktion und - trotz anticholinerger Eigenschaften von Clozapin - auch die Kognition nicht verschlechtern. In der Praxis wird in dieser Indikation daher gerne auf das "atypische" Neuroleptikum Quetiapin ausgewichen. Andere "atypische" Neuroleptika sollten in dieser Indikation nicht eingenommen werden: In drei von Eli Lilly gesponserten randomisierten, doppelblinden Studien verschlechtert das "atypische" Neuroleptikum Olanzapin signifikant die Motorik, hat aber keinen günstigen Einfluss auf Halluzinationen bzw.
Medikamentöse Therapie bei älteren Parkinson-Patienten
Mit zunehmender Erkrankungsdauer sind schwerwiegende Beeinträchtigungen durch Nebenwirkungen der Parkinson-Medikation und durch die Erkrankung selbst zu erwarten, zum Beispiel Tagesmüdigkeit, Zwangsstörung, Verwirrtheit oder vorwiegend optische Halluzinationen. Wirkungsfluktuationen werden zunehmend unkontrollierbar. Orthostatische Hypotonie sowie Desorientiertheit, Verkennungen und visuelle Halluzinationen treten nicht mehr nur bei hohen Medikamentendosierungen auf.
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Die Aminosäure Levodopa wird aufgrund ihrer raschen Metabolisierung nur kombiniert mit einem Decarboxylase-Inhibitor (Benserazid oder Carbidopa) eingesetzt. Diese Kombinationen haben die günstigste Wirkung-Nebenwirkung-Relation unabhängig vom Alter. Weil nach circa fünf Jahren Levodopa-induzierte Dyskinesien auftreten können, versucht man, bei jüngeren Patientinnen und Patienten zunächst mit weniger wirksamen Präparaten zu beginnen. Für geriatrische Patientinnen und Patienten nimmt man dieses Risiko in Kauf.
Catechol-O-Methyl-Transferase(COMT)-Inhibitoren werden mit Levodopa kombiniert, um die Wirkung von Levodopa zu verlängern. Die gängigen COMT-Inhibitoren Entacapon und Opicapon penetrieren kaum ins Zentralnervensystem (ZNS). Sie verursachen kaum ZNS-Nebenwirkungen, die über die Nebenwirkungen erhöhter Plasmaspiegel von Levodopa hinausgehen. Dies erlaubt ihren Einsatz bei alten Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Krankheit. Die häufigste Nebenwirkung sind Dyskinesien durch die erhöhten Levodopa-Plasmaspiegel.
Insbesondere aufgrund des Risikos von Psychosen und orthostatischer Dysregulation verbieten sich Amantadin, MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin und insbesondere Safinamid) und die Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol, Piribedil und Rotigotin) zumeist beim geriatrischen Patientinnen und Patienten. Das Ausmaß der Nebenwirkungen durch Dopaminagonisten und MAO-B-Inhibitoren im Alter > 80 Jahre ist nicht ausreichend untersucht.
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