Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON): Eine umfassende Betrachtung

Die Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON), auch Lebersche Optikusatrophie genannt, ist eine seltene, erblich bedingte Erkrankung der Netzhaut, die zu einer erheblichen Einschränkung des Sehvermögens führt. Der Begriff "hereditär" weist auf die erbliche Natur der Erkrankung hin, während "Neuropathie" auf eine Schädigung des Sehnervs (Nervus opticus) hindeutet. Die Erkrankung ist nach dem Augenarzt Theodor Karl Gustav Leber (1840-1917) benannt, der auch die Lebersche Congenitale Amaurose (LCA) beschrieb.

Ursachen und Pathophysiologie

Im Zentrum jeder menschlichen Zelle befinden sich Mitochondrien, die für die Energieproduktion verantwortlich sind. Die äusserste Schicht der Netzhaut, die dem Licht zugewandt ist, besteht aus Ganglienzellen. Die Fortsätze dieser Zellen bündeln sich und bilden den Sehnerv. Bei LHON beeinträchtigt ein Gendefekt in den Mitochondrien die Energieversorgung eines Grossteils der Ganglienzellen. Dies führt zu einer vermehrten Bildung freier Radikale, die den Zellstoffwechsel zusätzlich belasten.

Symptome und Verlauf

LHON manifestiert sich typischerweise zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr mit folgenden Symptomen:

  • Störung des Farbensehens (insbesondere für Rot-Grün)
  • Herabgesetzte Sehschärfe
  • Ausfälle in der Mitte des Gesichtsfelds (Skotome)
  • Licht- und Blendungsempfindlichkeit

Die Erkrankung beginnt meist auf einem Auge und greift innerhalb von etwa neun Monaten auf das andere Auge über. Der Beginn der LHON verläuft schmerzfrei, und die anfänglich kleinen Gesichtsfeldausfälle werden oft vom Gehirn kompensiert, sodass die Betroffenen die Veränderungen nicht sofort bemerken. Die Sehschärfe nimmt über einen Zeitraum von typischerweise zwei Jahren kontinuierlich ab.

Verlauf und Schweregrad der LHON sind individuell unterschiedlich. Daher sollte die Anpassung von Hilfsmitteln und Arbeitstechniken für Sehbehinderte nicht allein auf der Diagnose basieren, sondern auf dem aktuellen Sehvermögen (Sehschärfe und Gesichtsfeld) und den individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz.

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Diagnose

Die Diagnose der LHON basiert auf der klinischen Untersuchung, der Familienanamnese und genetischen Tests. Durch eine augenärztliche Untersuchung können die typischen Veränderungen des Sehnervs festgestellt werden. Gentests können die spezifischen Mutationen in der mitochondrialen DNA identifizieren, die LHON verursachen.

Behandlung

Da LHON eine genetisch bedingte Erkrankung ist, zielt eine ursächliche Behandlung auf eine Gentherapie ab. Seit Oktober 2015 ist der Wirkstoff Idebenon zur Behandlung von LHON zugelassen. Idebenon ist ein synthetisches Chinon, das als Elektronenträger in den Mitochondrien fungiert und die Energieproduktion verbessern soll. Es wirkt als Antioxidans und reduziert die schädlichen Auswirkungen freier Radikale.

Weitere neurologische Erkrankungen im Überblick

Neben der Leberschen Hereditären Optikus-Neuropathie gibt es eine Vielzahl weiterer neurologischer Erkrankungen, die das Nervensystem beeinträchtigen können. Einige davon sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden:

Friedreich-Ataxie

Die Friedreich-Ataxie ist eine fortschreitende, autosomal-rezessiv vererbte neurologische Erkrankung, die durch eine Degeneration des Rückenmarks und des Kleinhirns gekennzeichnet ist. Typische Symptome sind Gleichgewichtsprobleme, Muskelabbau, Sprachstörungen und Herzprobleme. Die Friedreich-Ataxie betrifft nicht nur das Rückenmark, sondern mehrere Körpersysteme und gilt daher als Multisystemerkrankung. Auch das Herz kann betroffen sein (Kardiomyopathie, Rhythmusstörungen). Viele Betroffene zeigen zudem Wirbelsäulenverkrümmungen oder Hohlfüße.

Die Erkrankung wird durch eine Veränderung in einem bestimmten Gen ausgelöst, das 1996 entdeckt wurde. Nur wenn ein Kind von beiden Eltern ein defektes Gen erbt, bricht die Krankheit aus. Etwa jeder hundertste Mensch ist Träger. Meist beginnen Symptome in der Pubertät mit Gleichgewichtsstörungen und häufigem Stolpern. Der Verlauf ist sehr individuell. Einige benötigen früh Gehhilfen, andere bleiben lange mobil. Die kognitiven Fähigkeiten bleiben in der Regel erhalten.

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Eine genetische Blutuntersuchung klärt, ob jemand Anlageträger ist. Heilbar ist die Krankheit bisher nicht. Seit 2024 ist das Medikament Omaveloxolon für Betroffene ab 16 Jahre verfügbar. Ergänzend wirken regelmäßige Therapien wie Physio-, Ergo- und Logopädie symptomlindernd. Regelmäßige Facharzttermine (Neurologie, Kardiologie, Orthopädie) sind zentral. Schreibhilfen und Mobilitätsunterstützung können helfen.

Häufigkeit und Behandlung

Die Häufigkeit der Friedreich-Ataxie beträgt etwa 1 zu 50.000. Es handelt sich um die häufigste vererbbare Ataxie (Störung der Bewegungskoordination). Etwa 3 bis 4 von 100.000 Einwohnern in Deutschland sind betroffen, weltweit sind es ca. Die Friedreich-Ataxie ist bislang nicht heilbar. Seit 2024 ist das Medikament Omaveloxolon für Betroffene ab 16 Jahren zugelassen.

Schwindel

Schwindel ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Leitsymptom verschiedener Erkrankungen unterschiedlicher Ursachen. Die Ursachen können im Innenohr, Hirnstamm oder Kleinhirn liegen, aber auch psychische Ursachen haben. Internistische Ursachen sind bei reinem Drehschwindel unwahrscheinlich und werden meist überschätzt; bei Schwankschwindel ist an eine orthostatische Dysregulation oder Nebenwirkungen von Medikamenten wie Antihypertensiva oder Antikonvulsiva zu denken.

Die Lebenszeitprävalenz von Dreh- und Schwankschwindel liegt bei etwa 30 % und auch in der Notfallsituation ist Schwindel ein sehr häufiges Symptom. Trotz der hohen klinischen Relevanz besteht für das Leitsymptom Schwindel weiterhin eine Unter- und Fehlversorgung. Dies gilt sowohl für die Diagnose (lange Latenz bis zur Diagnosestellung mit zu vielen und meist unnötigen apparativen Untersuchungen) als auch für die Therapie (Einsatz zu vieler, meist unwirksamer, oft rein symptomatischer Medikamente).

Häufige Schwindelsyndrome

In einer Spezialambulanz für Schwindel wurden folgende relative Häufigkeiten einzelner Diagnosen festgestellt:

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  1. Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV) (17,1 %)
  2. Phobischer Schwankschwindel (15 %)
  3. Zentrale vestibuläre Schwindelsyndrome (12,3 %)
  4. Vestibuläre Migräne (11,4 %)
  5. Morbus Menière (10,1 %)
  6. Neuritis vestibularis (8,3 %)

Zusammen machen diese sechs Erkrankungen etwa 70 % aller Schwindelsyndrome aus.

Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)

Der BPPV entsteht in den meisten Fällen durch eine sogenannte Canalolithiasis. Diese wird durch vom Utriculus abgesprengte Otokonien (Calcitkristalle) ausgelöst, die sich frei im Bogengang bewegen. Leitsymptom sind Sekunden dauernde, zum Teil heftige Drehschwindelattacken, die durch Kopf- oder Körperlageänderung gegenüber der Schwerkraft (Umdrehen oder Aufrichten im Bett, Hinlegen oder Bücken) ausgelöst werden. Der BPPV kann von der Kindheit bis zum Senium auftreten; die jährliche Inzidenz nimmt mit dem Lebensalter zu. In 95 % der Fälle bleibt die Ätiologie unklar.

Ursachen

Die häufigsten Ursachen sind:

  • Schädel-Hirn-Traumen
  • Zustand nach Neuritis vestibularis
  • Längere Bettlägerigkeit
  • Zusammenhang mit Morbus Menière und vestibulärer Migräne
  • Osteopenie, Osteoporose und/oder erniedrigte Vitamin-D-Serumkonzentrationen
Formen

Anatomisch lassen sich drei Formen unterscheiden:

  1. BPPV des posterioren Bogengangs (pc-BPPV)
  2. BPPV des horizontalen Bogengangs (hc-BPPV)
  3. BPPV des anterioren Bogengangs (ac-BPPV)
Behandlung

Die Behandlung des BPPV erfolgt in der Regel mit Befreiungsmanövern, wie dem Epley-Manöver oder dem Sémont-Manöver. Bei starker Übelkeit können Antivertiginosa verabreicht werden. Die meisten Patienten können die Befreiungsmanöver nach Anleitung auch selbst zu Hause durchführen.

Neuritis vestibularis

Die Neuritis vestibularis (auch Neuropathia vestibularis genannt) entsteht wahrscheinlich durch Reaktivierung einer latenten Virusinfektion des Vestibularganglions mit Herpes-simplex-Virus Typ I, die zu einem inkompletten einseitigen, rein vestibulären Labyrinthausfall führt. Hauptsymptome sind ein akut einsetzender, über viele Tage anhaltender heftiger Drehschwindel mit Scheinbewegungen der Umgebung (Oszillopsien) und Übelkeit, ein horizontal rotierender Spontannystagmus zur nichtbetroffenen Seite sowie eine Gangabweichung und Fallneigung zur betroffenen Seite.

Therapie

Bei schwerer Übelkeit und Brechreiz können innerhalb der ersten Tage zur symptomatischen Therapie Antivertiginosa verabreicht werden. Eine prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Studie zeigte, dass eine Monotherapie mit Methylprednisolon zu einer signifikanten Verbesserung der Erholung der peripheren vestibulären Funktion führte. Die Wirksamkeit einer Physiotherapie mit dynamischen Übungen zur Gleichgewichtsregulation und Blickstabilisation zur Verbesserung der zentralen vestibulo-spinalen Kompensation ist belegt.

Bilaterale Vestibulopathie (BVP)

Leitsymptome der BVP sind bewegungsabhängiger Schwankschwindel mit Gang- und Standunsicherheit, verstärkt in Dunkelheit und auf unebenem Grund (vestibulospinale Funktionsstörungen), sowie Wackeln der Umwelt (Oszillopsien) und unscharfes Sehen beim Gehen sowie bei Kopfbewegungen (Funktionsstörung des vestibulo-okulären Reflexes). Die betroffenen Patienten sind im Sitzen und Liegen typischerweise beschwerdefrei. Es kommt außerdem zu Störungen des räumlichen Gedächtnisses und der Navigation mit einer umschriebenen Hippocampusatrophie.

Multiple Myelom (MM)

Das Multiple Myelom (MM) ist eine hämatologische Neoplasie, die durch eine monoklonale Vermehrung von Plasmazellen im Knochenmark charakterisiert ist. Das klinische Bild der Patientinnen und Patienten (Pat.) reicht von einer asymptomatischen Erkrankung bis hin zu akuten Verläufen mit hämatopoetischer Insuffizienz, renaler Funktionseinschränkung und/oder ausgeprägter Osteodestruktion. Vorstufe des MM ist die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS).

Symptome

Die Symptome des MM sind vielgestaltig und oftmals unspezifisch. Bis zu 25% der Pat. sind bei Diagnosestellung beschwerdefrei. Häufige Krankheitszeichen bei Diagnose der Erkrankung sind:

  • Knochenschmerzen, zumeist im Bereich des Stammskeletts, verursacht durch lokalisierte oder generalisierte Knochendestruktion
  • Fatigue, oftmals durch Anämie mitbedingt
  • Hyperkalzämie-assoziierte Symptome
  • Infektneigung, auch durch einen begleitenden sekundären Antikörpermangel
  • schäumender Urin und Nierenfunktionsverschlechterung als Zeichen einer Bence-Jones-Proteinurie oder Albuminurie.

Diagnose

Die Diagnose des MM erfolgt durch Untersuchungen des Blutes, des Knochenmarks, ggf. extramedullärer Herde und mittels Bildgebung.

Diagnostik bei Verdacht auf Multiples Myelom

Bei Verdacht auf das Vorliegen eines MM, werden folgende Untersuchungen empfohlen:

  • Anamnese und körperliche Untersuchung
  • Blutbild
  • Laboruntersuchungen (Elektrolyte, Nierenretentionsparameter, Gesamteiweiss, Serumprotein-Elektrophorese, Immunfixations-Elektrophorese, Immunglobuline, freie Kappa- und Lambda-Leichtketten, 24 h-Sammelurin, LDH, GPT, NT pro-BNP und Troponin bei V.a. kardiale Amyloidose, beta2-Mikroglobulin, zirkulierende Plasmazellen im peripheren Blut)
  • Bildgebende Diagnostik (Low-Dose-Ganzkörper-Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Positronenemissionstomographie)
  • Knochenmarkpunktion (Aspirat, Zytologie, Zytogenetik mittels Fluoreszenz in-situ Hybridisierung (FISH), Molekulargenetik)

Polyneuropathie

Wie die immer feiner werdenden Verästelungen eines Baumes entspringen unsere Nerven aus dem Rückenmark. Über diese Nerven stellt das Gehirn Kontakt zu den Muskeln, der Haut und allen inneren Organen her. Über sie laufen somit alle wichtigen Befehle aus der „Schaltzentrale“ zu den ausführenden Organen. Werden diese Nerven beschädigt oder zerstört, ist dieser Informationsfluss empfindlich gestört.

Es gibt sehr viele verschiedene Gründe für eine Polyneuropathie. Davon sind einige ursächlich, andere symptomatisch behandelbar. So können neben einem (eventuell noch nicht erkannten) Diabetes mellitus und Alkoholkonsum auch bestimmte Medikamente, Stoffwechselerkrankungen oder ein Vitaminmangel die Nerven schädigen. Auch Entzündungen oder längere Aufenthalte auf einer Intensivstation können eine Polyneuropathie hervorrufen.

Symptome

Bei einer Polyneuropathie können verschiedene Symptome auftreten:

  1. Wahrnehmungsstörungen: Bei Beteiligung von sensiblen Nerven kommt es zu Wahrnehmungsstörungen in Armen und Beinen. Dabei treten kribbelnde, stechende oder elektrisierende Missempfindungen oder ein Hitze- oder Kältegefühl auf. Auch ein Schwellungsgefühl oder Gefühl der Eingeschnürtheit kommt vor. Da die längsten Nervenfasern meist am stärksten leiden, sind die Füße (Zehen) häufig als Erstes betroffen. Sind die sensiblen Nerven bereits stark geschädigt, treten Ausfallerscheinungen, wie Koordinationsschwierigkeiten beim Laufen, auf. Ein nachlassendes Temperatur- und Schmerzempfinden erhöht das Risiko für Verletzungen.
  2. Schwächegefühl oder Muskelschwund: Sind motorische Nerven betroffen, können Muskelkrämpfe und Muskelzuckungen, im Verlauf aber auch Lähmungen, auftreten.
  3. Schäden an vegetativen Nerven: Hier ist die Steuerung der Organe gestört.

Diagnostik

Am Anfang führen unsere Fachleute immer ein ausführliches Gespräch mit Ihnen oder Ihren Angehörigen. Dabei erfragen wir die genaue Art und Entwicklungsgeschichte Ihrer Beschwerden. Wir finden heraus, wann und in welchem Zusammenhang diese begonnen haben und wie sie sich auswirken. Hinzu kommen spezielle technische Untersuchungen, wie die Elektroneurografie (Messung der Nervenleitung) und die Elektromyografie (Analyse der Muskelaktivität zur frühen Erkennung von Schädigungen). Ausgiebige Laboruntersuchungen einschließlich einer Untersuchung des Nervenwassers und je nach Einzelfall unterschiedliche bildgebende Verfahren (zum Beispiel Magnetresonanztomografie oder Ultraschall) werden durchgeführt. In bestimmten Fällen ist auch eine Entnahme von Gewebeproben der Haut, von Muskeln oder Nerven wichtig.

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