Hohe Entzündungswerte nach Schlaganfall: Ursachen und Therapieansätze

Ein Schlaganfall ist eine der Haupttodesursachen in entwickelten Ländern. Nach einem ersten Schlaganfall ist das Risiko für ein weiteres Ereignis über Jahre hin erhöht (hohe Schlaganfall­Rezidivrate). Daher ist es wichtig, die Ursachen für hohe Entzündungswerte nach einem Schlaganfall zu verstehen, um die Rezidivrate zu senken und die Behandlung zu verbessern.

Schlaganfall und Entzündung: Ein komplexer Zusammenhang

Ein Schlaganfall gilt nicht als klassische Entzündungskrankheit, löst aber eine heftige Immunreaktion im ganzen Körper aus. Eine ganze Menge spielt sich innerhalb des Gehirns ab. Jeder Gewebeverletzung verursacht eine Entzündung. Im Gehirn laufen Entzündungen aber etwas anders ab als im Rest des Körpers. Das liegt zum Beispiel daran, dass das Gehirn seine eigenen Immunzellen besitzt: Mikroglia. Die „Immunpolizei“ des Gehirns reagiert auf jegliche Veränderung der Gewebshomöostase. Durch Stress, zum Beispiel den Sauerstoffmangel bei einem Schlaganfall, werden die Zellen aktiviert. Die Aktivierung bewirkt, dass die Mikroglia sich verändern. Sie interagieren verstärkt mit anderen Zellen in ihrer Nachbarschaft und bauen Synapsen ab, die durch den Sauerstoffmangel beschädigt wurden. Außerdem produzieren sie bestimmte Zytokine und Chemokine, was ein lokales, inflammatorisches Milieu generiert. Davon werden weitere Entzündungszellen, zum Beispiel Neutrophile, Granulozyten, Makrophagen sowie T- und B-Zellen aus dem Blut angelockt. Eingewanderte Immunzellen, die das Gehirn unter anderen Umständen relativ rasch wieder verlassen, bleiben dort über Tage und Wochen hinweg, wodurch das Gewebe weiteren Schaden nimmt.

Ein weiteres Problem ist, dass die Neuroinflammation bestehen bleibt. Die Mikroglia eines Schlaganfallpatienten werden bis zu seinem Lebensende aktiviert sein. Auch die Konzentration an T- und B- Zellen im Gehirn bleibt dauerhaft erhöht. Zudem führt ein Schlaganfall nicht nur zu einer Entzündung innerhalb des Gehirns, sondern es kommt zu überraschend starken und langanhaltenden Veränderungen im peripheren Immunsystem, wie beispielsweise auf das Knochenmark, die Milz, den Darm und die Lymphknoten.

Die Rolle von Alarminen

Bereits wenige Stunden nach einem Schlaganfall kommt es zu einer sterilen Entzündung, die sich auch nach Wochen sowohl in Patienten als auch in Mäusen nachweisen lässt. Ein Grund hierfür sind sogenannte Alarmine. Alarmine sind verschiedenste Moleküle (Proteine, DNA, etc.), die von sterbenden Hirnzellen in die Blutzirkulation ausgeschüttet werden. Es gibt einen mechanistischen Zusammenhang zwischen Alarminen nach Schlaganfall und einem beschleunigten Fortschreiten der Arterienverkalkung.

Das Inflammasom

Forscher sind sich mittlerweile sicher, dass das Inflammasom auch bei der Neuroinflammation infolge von Schlaganfällen eine wichtige Rolle spielt. Das Inflammasom ist ein wichtiger Teil unseres angeborenen Immunsystems. Seine einzelnen Komponenten liegen im Inneren von praktisch allen Immunzellen bereit. Detektieren die Sensoren des Inflammasoms, das sind bestimmte Rezeptorproteine, Entzündungssignale, so setzt es sich der Multi-Proteinkomplex rasend schnell zusammen. Dazu muss zunächst eine Protease (Caspase-1) das Interleukin 1 (IL-1) zurechtschneiden. Das entzündungsfördernde Zytokin liegt in der Zelle in seiner inaktiven Form vor, damit das System nicht aus Versehen aktiviert werden kann. Es ist quasi der Gate Keeper. Kommt es tatsächlich zu einer Infektion oder Entzündung, bildet das Inflammasom außerdem Poren in der Zellmembran, sodass das fertige IL-1 rasch aus der Zelle ausgeschleust werden kann. Dadurch ist dieses Zytokin als einer der ersten Entzündungsbotenstoffe vor Ort und stößt viele weitere Entzündungsreaktionen an, zum Beispiel die Produktion von Interferonen.

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Ursachen für erhöhte Entzündungswerte nach Schlaganfall

Mehrere Faktoren können zu erhöhten Entzündungswerten nach einem Schlaganfall beitragen:

  • Atherosklerose: Frühere Studien zeigten auf, dass insbesondere eine Arterienverkalkung (Atherosklerose) in den großen Blutgefäßen deutlich mit dem Wiederauftreten eines Schlaganfalls (Rezidiv) assoziiert wird. Atherosklerose ist eine chronische Entzündung der Arterienwände, in dessen Verlauf es zur Bildung von atherosklerotischen Plaques (Gefäßverkalkungen) kommt. Der Mechanismus im Detail wurde in einer experimentellen Studie mit internationalen Kollaborationspartnern (Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Schweiz, Vereinigte Königreiche) aufgedeckt, potentielle Zugriffspunkte für zukünftige Therapieansätze wurden ebenfalls gefunden.

    Demnach kommt es nach einem Schlaganfall zu einem Zusammenwirken einer stressinduzierten Aktivierung des Knochenmarks und einer gleichzeitigen, massiven Ausschüttung von Alarminen aus dem Gehirn. Immunzellen des Knochenmarks (sogenannte Monozyten) werden mobilisiert; der Anstieg von immunologischen Botenstoffen (Chemokine) und Adhäsionsmolekülen auf den Gefäßwänden führt zu einer neuen Welle von Immunzellen, die in die Entzündungsherde der vorhandenen Plaques einwandern. Es konnte gezeigt werden, dass dies nicht nur zur Vergrößerung, sondern auch zu einem beschleunigten Fortschreiten der Arterienverkalkung (Verschlimmerung der atherosklerotischen Plaques) führt.

  • Immunreaktion: Ein Schlaganfall löst im Gehirn eine starke Immunreaktion aus: Mikroglia werden aktiviert und locken Immunzellen an. Dadurch wird das Hirngewebe noch stärker beschädigt. Die Entzündungsreaktion bleibt lebenslang bestehen - und zwar nicht nur im Gehirn. Durch einen Schlaganfall wird ein erneutes Gerinnsel wahrscheinlicher. Es gilt, die Vorgänge noch genauer zu verstehen, um gezielt eingreifen zu können.

  • Infektionen: Studien zeigen, dass neben weiblichem Geschlecht und höherem Lebensalter insbesondere Infektionen und Entzündungen den Krankheitsverlauf beeinflussen. Eine Schlaganfall-assoziierte Pneumonie (SAP) beeinflusst die Schlaganfall-Prognose. Infektionen darf man nie verschleppen! Schlaganfälle treten verstärkt zu bestimmten Infektzeiten auf - zum Beispiel häufiger während der Grippe-Zeit im Winterhalbjahr auf.

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    Auch eine Herzklappenentzündung (Endokarditis) kann einen Schlaganfall auslösen: Bakterien können durch einen Infekt, wie zum Beispiel einen Harnwegsinfekt, in den Körper gelangen. Wenn sie sich auf einer Herzklappe ansiedeln, können sie dort eine Entzündung verursachen. Hinzu kommt eine Beeinträchtigung des Blutflusses: An der Klappe bilden sich durch das mechanische Hindernis Thromben, die zunächst meist an der Herzklappe hängenbleiben. Sie können sich aber später lösen und durch den Körper wandern. Gelangen sie ins Gehirn, können sie dort ein Blutgefäß verstopfen und so einen Schlaganfall auslösen.

    Eine neue Studie zeigt: In den ersten drei Monaten nach einer Corona-Infektion besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Schlaganfälle. Forschende haben während der Corona-Pandemie ein Jahr lang Covid-19-Fälle beobachtet und fanden heraus: Das Schlaganfallrisiko ist nach einer Corona-Infektion deutlich erhöht. Schwelen Entzündungen im Körper, ist das Risiko, einen Schlaganfall zu bekommen, dreimal so hoch.

    Bei einer Infektion zeigen die Blutwerte zunächst meist nur, dass irgendeine Entzündung vorliegt, weil die Entzündungswerte steigen - nicht aber welche Art. Jedoch haben alle Entzündungen dieselben Grundmechanismen, durch die bei Infektionen Schlaganfälle ausgelöst werden können: Bei jeder Infektion im Körper springt neben dem Immunsystem auch das Gerinnungssystem an. Das bedeutet, das Blut wird dicker und somit der Blutfluss langsamer. Es werden vermehrt Gerinnungsfaktoren produziert, das Blut gerinnt schneller. Die kleinen Blutklümpchen wandern mit dem Blutfluss - manchmal auch in den Kopf. So kann es zu Schlaganfällen kommen.

  • Autoimmunerkrankungen und Vaskulitiden: Seltene Schlaganfallursachen sind verschiedenste entzündliche systemische wie auch auf das Zentralnervensystem (ZNS) fokussierte Erkrankungen. Die primäre Angiitis des zentralen Nervensystems (PACNS) ist eine Vaskulitis unbekannter Ursache, die isoliert die Arterien (und weniger häufig die Venen) des Gehirns, des Rückenmarks und der Leptomeningen betrifft. Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist in Europa die häufigste idiopathische Vaskulitis und tritt ab einem Alter von 50 Jahren mit zunehmender Häufigkeit auf. Als Großgefäßvaskulitis befällt die Riesenzellarteriitis insbesondere die Aorta und ihre direkten Abgänge.

Diagnostische Marker

In einer prospektive multizentrische Studie wurden folgende Parameter als Prädiktoren ausgewählt:

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  • Interleukin 6 (IL-6)
  • Interleukin 10 (IL-10)
  • Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha)
  • Lipopolysaccharid-bindendes-Protein (LBP)
  • monozytäre HLA-DR (mHLA-DR)-Expression

Die multivariable Analyse zeigte einen Zusammenhang zwischen einer kürzeren Überlebenszeit und Patienten mit SAP sowie hohen IL-6-Werten am ersten Tag nach Schlaganfall. Im Gesamtergebnis sind eine niedrige mHLA-DR-Expression, höhere IL-6-Werte und eine Schlaganfall-assoziierte Pneumonie am ersten Tag nach Schlaganfall mit einer schlechten Prognose und einer kürzeren Überlebenszeit drei Monaten nach dem Erstereignis verbunden.

Therapieansätze zur Reduktion von Entzündungswerten

Die Ergebnisse dieser Studie wecken die Hoffnung, dass eine Blockade der aufgedeckten immunologischen Checkpoints auch beim Menschen angewendet werden kann. Hierdurch ließe sich möglicherweise die hohe Rezidivrate nach atherosklerotischem Schlaganfall reduzieren.

Ein internationales Team von Wissenschaftlern schlägt auf Grundlage ihrer neuen Erkenntnisse eine neue Therapie vor: Die zellfreie DNA einfach durch entsprechende Medikamente (DNasen) abbauen. Die Studien wurden nun im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht und könnten, so sie sich im Menschen bestätigen, zu einer verbesserten Schlaganfall-Therapie führen.

Durch pharmakologische Hemmung der adrenergen Knochenmarksaktivierung bzw. der ausgeschütteten Alarmine konnte die Einwanderung entzündlicher Zellen in die Plaques vermindert werden.

Die Studienautoren schlussfolgern, dass eine gezielte Blockade von IL-1β oder die Hemmung entzündungsfördernder Immunzellen vielversprechende Strategien sein könnten, um das Risiko für Herzprobleme nach einem Schlaganfall zu reduzieren.

Immunmodulation als zukünftige Therapie

In einem sind sich die „Immunostroke“-Forscher einig: „Wir glauben, dass immunologische Mechanismen die Zukunft sind.“ Zum einen sei das Zeitfenster für die Intervention wesentlich länger. Zum anderen liegen der Entzündung Mechanismen zu Grunde, die für jeden Schlaganfallpatienten relevant sind.

Vielleicht kann man diese Zellen dann umpolen, sprich: Sie zu den Immunzellen machen, die man haben möchte. Durch genetische Manipulation oder bestimmte Wirkstoffe könnte man eine T-Zelle, die schädliche Zytokine produziert, vielleicht zu einer machen, die regenerationsfördernde Substanzen herstellt: etwa BDNF, einen Wachstumsfaktor für Nervenzellen oder antiinflammatorische Zytokine wie Interleukin 10 (IL-10) oder TGF-beta.

Weitere Therapieansätze

Die Behandlung der DIC fokussiert auf die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache. Die prophylaktische Gabe prohämostatischer oder antikoagulanter Mittel wird nicht empfohlen. Es sollte eine sorgfältige Überwachung auf Blutungs- und thrombotische Komplikationen erfolgen, um diese gegebenenfalls umgehend zu behandeln.

Entscheidend bei der Therapie der Riesenzellarteriitis ist die Vermeidung jeglicher Zeitverzögerung. Gemäß der ACR-Leitlinie von 2021 besteht die Initialtherapie in der hochdosierten oralen (40-60 mg Prednisolon/Tag) oder im Falle drohender neurologischer (Visus‑)Komplikationen intravenösen (500-1000 mg Methylprednisolon/Tag) GC-Therapie. Zugelassen ist hier der Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab (TCZ) in der wöchentlichen subkutanen Gabe von 162 mg. Ebenfalls wird Methotrexat als steroidsparende Therapie eingesetzt („off-label“).

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