Das Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom) ist ein Sammelbegriff für Beschwerden im Nacken-, Schulter- und Armbereich. Es umfasst alle Schmerzen und Probleme, die im Bereich der Halswirbelsäule auftreten oder von dort ausgehen. Ein HWS-Syndrom kann verschiedene Ursachen haben, darunter Verletzungen, Verschleißerscheinungen und in seltenen Fällen auch Komplikationen nach einem Schlaganfall oder nach HWS-Manipulationen. Dieser Artikel beleuchtet das HWS-Syndrom im Zusammenhang mit Schlaganfällen, seine Ursachen, Symptome und die verschiedenen Behandlungsansätze.
Ursachen des HWS-Syndroms
Die Ursachen für ein HWS-Syndrom sind vielfältig. Ein akutes HWS-Syndrom entsteht meist durch plötzliche Überbeanspruchung, wie sie beispielsweise bei Verkehrsunfällen (Schleudertrauma) oder ungewohnten Belastungen bei starker körperlicher Betätigung vorkommt. Dauern die Beschwerden länger als drei Monate an, spricht man von einem chronischen HWS-Syndrom.
Häufige Ursachen sind:
- Verletzungen: Frakturen oder ein Schleudertrauma durch ruckartige Bewegungen des Kopfes, wie sie oft bei Auffahrunfällen auftreten.
- Fehlhaltungen: Langes Verharren in der gleichen Position, insbesondere bei sitzenden Tätigkeiten und hoher Bildschirmnutzung, kann zu Verspannungen führen.
- Verschleißerscheinungen: Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, die mit dem Alter zunehmen.
- Blockaden der Halswirbelsäule: Schmerzen und Bewegungseinschränkungen durch verspannte Muskeln, die durch Fehlhaltungen, Unfälle oder Überlastung entstehen können.
- Weitere Ursachen: In seltenen Fällen können auch Vitamin-D-Mangel (Rachitis) oder Folgen einer fehlgeschlagenen Wirbelsäulen-OP ein HWS-Syndrom auslösen.
HWS-Syndrom und Schlaganfall
Ein Schlaganfall kann indirekt zu einem HWS-Syndrom führen, insbesondere wenn er zu einer einseitigen Schwäche oder Lähmung führt, die eine ungleichmäßige Belastung der Halswirbelsäule verursacht. Zudem gibt es seltene Fälle, in denen Manipulationen an der Halswirbelsäule, wie sie im Rahmen der manuellen Therapie durchgeführt werden, einen Schlaganfall auslösen können.
Schlaganfallrisiko nach HWS-Manipulation
Die manuelle Therapie wird zur Mobilisierung der Halswirbelsäule und zur Schmerzlinderung eingesetzt. Allerdings gibt es Bedenken hinsichtlich des Risikos einer Vertebralis-Dissektion, einer Verletzung der Arteria vertebralis, die zu einem Schlaganfall führen kann.
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Retrospektive Analysen von Behandlungsfehler-Prozessen zeigen, dass Schlaganfälle unabhängig von der Anzahl der durchgeführten Spinal-Manipulationen auftreten können. Auch die Art der Manipulation scheint keinen Einfluss auf das Schlaganfallrisiko zu haben. Allerdings ist Vorsicht geboten bei akut auftretenden, schweren Nacken- und/oder Kopfschmerzen, begleitet von neurologischen Symptomen, da dies ein Hinweis auf eine beginnende Vertebralis-Dissektion sein könnte.
Ein systematisches Review von Michael J. Haynes und Kollegen analysierte fünf klinische Studien zum Thema Schlaganfall und Manipulation. Die Studien wiesen jedoch methodische Schwächen auf, sodass keine verlässliche Aussage über eine Assoziation zwischen HWS-Manipulation und zervikaler Arteriendissektion getroffen werden konnte. Die Autoren empfehlen dennoch, Patienten über das seltene Risiko eines Schlaganfalls nach HWS-Manipulation aufzuklären, wobei betont werden sollte, dass solche Schlaganfälle auch bei anderen Nackenbewegungen auftreten können.
Expertenmeinungen und Risikominimierung
Lucy C. Thomas argumentiert, dass ein tatsächliches Schlaganfallrisiko nach Manipulation nur bei vorgeschädigten Gefäßen besteht. Vor einer HVLA-Technik (high velocity low amplitude) werden die umliegenden Wirbelsäulenabschnitte verriegelt, sodass nur ein leichter Impuls mit geringer Amplitude erforderlich ist, um eine Blockade zu lösen, ohne gesunde Arterien zu beschädigen.
Um das Risiko zu minimieren, sollte endgradige Rotation des Kopfes vermieden werden, da diese die Vertebralarterien stärker belastet. Eine vorangegangene Dopplersonografie der Vertebralarterien könnte hilfreich sein, ist aber in der Praxis schwer umzusetzen.
Symptome des HWS-Syndroms
Die Symptome eines HWS-Syndroms können vielfältig sein und variieren je nach Ursache und Schweregrad der Erkrankung.
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Typische Symptome sind:
- Nackenschmerzen: Schmerzen und schmerzhaftes Ziehen im Nackenbereich, oft durch Verspannungen verursacht.
- Schulterschmerzen: Ausstrahlung der Schmerzen in die Schultern und Arme.
- Verspannte Muskulatur: Verhärtung der Nacken- und Schultermuskulatur.
- Bewegungseinschränkungen: Eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, oft begleitet von einem "steifen Nacken".
- Kopfschmerzen: Insbesondere bei Blockaden der Halswirbelsäule.
- Neurologische Symptome: Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Schwäche in Händen und Armen, insbesondere in Daumen und Zeigefinger.
- Schwindel: In einigen Fällen kann es auch zu Schwindelgefühlen kommen.
Diagnose des HWS-Syndroms
Die Diagnose eines HWS-Syndroms umfasst in der Regel eine gründliche klinische und neurologische Untersuchung. Dabei werden die Beweglichkeit der Halswirbelsäule geprüft, die Muskelspannung beurteilt und neurologische Tests durchgeführt, um Nervenwurzel- oder Halsmarkschädigungen auszuschließen.
Zusätzliche diagnostische Maßnahmen können sein:
- Elektromyographie (EMG): Zur Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln und zur Beurteilung von Nervenschädigungen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Zur Darstellung von Weichteilen, Bandscheiben und Nervenstrukturen, um mögliche Veränderungen der Halswirbelsäule auszuschließen.
Behandlung des HWS-Syndroms
Die Behandlung des HWS-Syndroms richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Beschwerden. In den meisten Fällen kommen konservative Therapien zum Einsatz, die darauf abzielen, Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit wiederherzustellen und die Muskulatur zu stärken.
Konservative Behandlungsmethoden
- Manuelle Therapie: Zur Mobilisierung der Halswirbelsäule und Lösung von Blockaden.
- Physiotherapie: Übungen zur Kräftigung der Nackenmuskulatur, Verbesserung der Haltung und Förderung der Beweglichkeit. Geeignete Übungen sind isometrische Übungen, sanfte Dehnübungen und Halteübungen wie der Unterarmstütz. Auch Spazierengehen, Rückenschwimmen und Rudern am Kabelzug können helfen, die Nackenmuskulatur zu trainieren und zu lockern.
- Wärmebehandlung: Zur Entspannung der Muskulatur und Schmerzlinderung.
- Schmerzmittel und Muskelrelaxanzien: Zur kurzfristigen Linderung von Schmerzen und Verspannungen.
- Halskrause (Cervicalstütze): Kurzfristige Ruhigstellung und Entlastung der Halswirbelsäule, insbesondere bei akuten Beschwerden oder nach Verletzungen. Es gibt weiche, elastische Halskrausen zur Stabilisierung und Schmerzlinderung sowie festere Kunststoffmanschetten zur Immobilisierung in der Notfallmedizin.
- Injektionstherapie: Bei eingeklemmten Nerven oder Bandscheibenvorfällen können Spritzen im Rahmen der Schmerztherapie eingesetzt werden (minimal-invasive Injektionstherapie).
Operative Behandlung
Eine Operation ist nur selten erforderlich, beispielsweise nach einem Unfall mit schweren Verletzungen oder bei einem Bandscheibenvorfall mit neurologischen Ausfällen. Ziel der Operation ist es, den Spinalkanal zu erweitern und das Rückenmark zu entlasten.
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Es gibt verschiedene operative Verfahren:
- Erweiterung des Spinalkanals von vorn: Entfernung der Bandscheiben oder ganzer Wirbelkörper und Überbrückung der Defekte durch Wirbelkörperersatz.
- Erweiterung von hinten: Wegnahme der Wirbelbögen und Stabilisierung mit Fixateur interne oder Laminoplastie (Aufklappen der Wirbelbögen).
Die Wahl des Verfahrens hängt von der Lokalisation und dem Ausmaß der Einengung ab. Bei kurzstreckigen Stenosen und kyphotischer Fehlstellung ist die Operation von vorn sinnvoll, bei langstreckigen Stenosen die Operation von hinten.
Selbsthilfe und Prävention
Neben den professionellen Behandlungen können Betroffene auch selbst aktiv werden, um die Beschwerden zu lindern und das HWS-Syndrom zu verhindern.
Empfehlungen zur Selbsthilfe und Prävention:
- Ergonomischer Arbeitsplatz: Achten Sie auf eine gute Haltung und vermeiden Sie langes Verharren in der gleichen Position.
- Regelmäßige Bewegung: Integrieren Sie regelmäßige Bewegungspausen in Ihren Alltag und treiben Sie Sportarten, die die Nackenmuskulatur stärken und lockern (z.B. Rückenschwimmen, Rudern).
- Stressabbau: Vermeiden Sie Stress und sorgen Sie für ausreichend Entspannung.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Verzichten Sie auf Nikotin, vermeiden Sie Übergewicht und achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung.
- Vorsicht bei HWS-Manipulationen: Informieren Sie sich gründlich über die Risiken und suchen Sie einen erfahrenen Therapeuten auf.
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