Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) Definition: Ein umfassender Überblick

Wenn plötzlich verschiedenste Neuronen des Gehirns synchron und unkontrolliert Impulse abgeben, herrscht sozusagen ein Gewitter im Gehirn. Die Erkrankung dahinter, also die Epilepsie, kann sehr beunruhigend für Patientinnen und Patienten und Angehörige sein. Die Ursachen dafür sind zahlreich und bis heute nicht abschließend erforscht. Im Folgenden werden wir helfen, die Definition der Erkrankung zu verstehen, Behandlungsmethoden kennenzulernen und über das Leben mit Epilepsie informieren.

Was ist Epilepsie?

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) definiert die Epilepsie konzeptuell als einen Zustand des Gehirns, welcher charakterisiert ist durch die Prädisposition, wiederholt nicht provozierte epileptische Anfälle zu generieren. Dieser etwas zirkulären Definition nach hat also jemand eine Epilepsie, welcher epileptische Anfälle erleidet. Um eine Epilepsie zu diagnostizieren, muss somit mindestens ein epileptischer Anfall vorliegen. Die ILAE definiert eine Anfallsform operational als eine nützliche Gruppierung von Anfallsmerkmalen zum Zweck der Kommunikation bei der klinischen Versorgung, Lehre und Forschung.

Unter dem Begriff Epilepsie lassen sich verschiedene Erkrankungen zusammenfassen, bei denen es durch pathologische Übererregbarkeit kortikaler Neuronen zu wiederholten epileptischen Anfallsereignissen kommt. Verschiedene Formen der Epilepsie werden basierend auf der klinischen Präsentation (Anfallssemiologie) und der zugrunde liegenden Ursache (Ätiologie) unterschieden. Diese Klassifikation hat wegen der prognostischen und therapeutischen Implikationen einen hohen klinischen Stellenwert.

Abgrenzung von einmaligen Krampfanfällen

Dringend abzugrenzen ist die Epilepsie von einmaligen Krampfanfällen (akut symptomatischen Anfällen) wie zum Beispiel Fieberkrämpfen. Auch ca. 10% der Erwachsenen erleben mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, während die Wahrscheinlichkeit ab dem 60. Lebensjahr immer weiter steigt. Man spricht dann aber noch nicht von Epilepsie.

Besondere Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass der epileptische Anfall ohne Provokation («unprovoziert») auftreten muss, denn unter entsprechenden Bedingungen kann in jedem Gehirn ein epileptischer Anfall ausgelöst werden (sogenannte «Gelegenheitsanfälle»). Potenzielle Provokationsfaktoren sind mannigfaltig, als typische Faktoren kommen z.B. Alkoholentzug, schwere Hypoglykämien, akute ZNS-Infektionen oder Intoxikationen in Betracht. Partieller Schlafentzug gilt als fazilitierender (mitverursachender) Faktor, kann aber nur in Ausnahmefällen als alleiniger Anfallsauslöser betrachtet werden.

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Wichtig ist, dass bei Anfällen mit eindeutigen Provokationsfaktoren keine antikonvulsive Behandlung eingeleitet wird, da nicht von einem erhöhten Wiederholungsrisiko und somit einer Epilepsiediagnose ausgegangen werden muss. Auch das Vorliegen einer zugrunde liegenden akuten Erkrankung des Zentralnervensystems führt nach einem erstmaligen Anfallsereignis also nicht automatisch zur Diagnose einer Epilepsie.

Diagnose von Epilepsie

Die Diagnose Epilepsie wird gestellt, wenn, unter Berücksichtigung der ärztlichen Befunde, des EEG, der Symptomatik des Krampfanfalls und weiterer Aspekte durch die Ärztinnen und Ärzte ein spezifisches Epilepsie-Syndrom diagnostiziert wird. Eine Epilepsie wird diagnostiziert nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen oder einem Anfall mit einem erhöhten Rezidivrisikio (z.B. interiktuale epilepsietypische Potenziale im EEG oder strukturelle zerebrale Läsion).

Zunächst stellen die Ärzte viele Fragen zu Lebensgewohnheiten und Anfallsgeschehen (Anamnese). Außerdem werden EEG und MRT angewendet, eventuell gefolgt von Laboruntersuchungen. Die genaue Dokumentation der Anfälle durch Angehörige ist hier entscheidend für eine genaue Diagnose und die fortlaufende Behandlung. Bewährt hat sich auch die Aufnahme eines Anfalls auf dem Smartphone durch Angehörige. Dieses Video kann dann den Ärztinnen und Ärzte vorgespielt werden. Eine möglichst genaue Dokumentation der Symptome erleichtert den Ärztinnen und Ärzte die Diagnose oft erheblich.

Klassifikation von Epilepsien

Insbesondere durch die großen Fortschritte in den Bereichen der Bildgebung und Genetik ist es heute oft möglich, die Ätiologie verschiedener Epilepsien genau zu fassen. Das hat zu einer Anpassung der Internationalen Klassifikation der Epilepsien durch die ILAE (Scheffer et al. 2017) geführt, in welcher sechs ätiologische Gruppen benannt werden, die bei der Klassifikation insbesondere fokaler Epilepsien zu berücksichtigen sind.

Die genetisch generalisierten Epilepsien umfassen die vier klassischen Syndrome der idiopathisch generalisierten Epilepsien, GGE ohne Syndromzuordnung und seltene GGE-Syndrome, zudem gibt es eine syndromale Überlappung mit einigen Entwicklungsbedingten und Epileptischen Enzephalopathien (EEE oder DEE für Developmental and Epileptic Encephalopathies (Hirsch et al.

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Die Klassifikationsgrafik ist zwar in Säulen angeordnet, sie ist aber nicht hierarchisch (d. h. Stufen können übersprungen werden), weswegen Pfeile bewusst weggelassen wurden. Die Anfallsklassifikation beginnt mit der Feststellung, ob die initialen Anfallsmanifestationen fokal oder generalisiert sind. Wenn der Beginn verpasst wurde oder nicht erkennbar war, hat der Anfall einen unbekannten Beginn.

Ob ein Anfall fokal (eigentlich «mit fokalem Beginn») oder primär generalisiert ist, hängt davon ab, ob die epileptische Aktivität zunächst nur einen Teil des Gehirns betrifft («fokal») oder von Beginn weg in beiden Hemisphären auftritt («primär generalisierte» Anfälle oder Absencen).

Fokale Epilepsien

Fokale Epilepsien beginnen in einem bestimmten Bereich des Gehirns. Bei fokalen Anfällen kann der Grad an Bewusstheit bzw. das bewusste oder nicht bewusste Erleben bei der Anfallsform berücksichtigt werden. Erhaltene Bewusstheit bedeutet, dass die Person sich über sich selbst und ihre Umgebung während des Anfalls bewusst ist, selbst wenn sie bewegungslos sein sollte. Ein bewusst erlebter fokaler Anfall (mit oder ohne nachfolgende Klassifikatoren) entspricht dem Begriff „einfach-partieller Anfall“, ein nicht bewusst erlebter fokaler Anfall dem früheren Begriff „komplex-partieller Anfall“. Sobald das Bewusstsein während irgendeines Teils des Anfalls beeinträchtigt ist, macht ihn das zu einem nicht bewusst erlebten fokalen Anfall.

Zusätzlich werden fokale Anfälle nach motorischen und nichtmotorischen Zeichen und Symptomen beim Anfallsbeginn unterteilt. Wenn beim Anfallsbeginn sowohl motorische als auch nichtmotorische Zeichen vorhanden sind, dominieren meist die motorischen Zeichen, es sei denn nichtmotorische (z. B. sensible bzw.

Sowohl bewusst erlebte als auch nicht bewusst erlebte fokale Anfälle können darüber hinaus optional mit einem der aufgeführten motorischen oder nichtmotorischen Symptome bei ihrem Beginn charakterisiert werden, die das erste prominente Zeichen oder Symptom des Anfalls darstellen, z. B. „nicht bewusst erlebter fokaler Anfall mit Automatismen“. Anfälle sollten nach dem ersten, prominenten motorischen oder nichtmotorischen Merkmal zu Beginn klassifiziert werden, außer bei einem fokalen Anfall, bei dem Innehalten die dominierende Eigenschaft ist.

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Die Bezeichnung eines fokalen Anfalls kann auf die Erwähnung der Bewusstheit verzichten, wenn dies nicht relevant oder unbekannt ist, wodurch der Anfall direkt nach motorischen oder nichtmotorischen Charakteristika klassifiziert wird. Die Klassifizierung eines individuellen Anfalls kann auf jeder Stufe aufhören: ein „fokal beginnender“ oder „generalisiert beginnender“ Anfall ohne weitere Ausführungen oder ein „fokaler sensibler/sensorischer Anfall“, „fokaler motorischer Anfall“, „fokaler tonischer Anfall“ oder ein „fokaler Automatismusanfall“ usw.

Im Falle von fokalen Anfällen ohne Bewusstseinsalteration können die Patienten oft selbst über den Beginn der Symptomatik berichten, da das Bewusstsein, die mnestischen Funktionen und die Handlungsfähigkeit in der Regel erhalten sind. Die Anfallssemiologie kann dann wichtige Rückschlüsse auf den Anfallsursprung erlauben. Bei fokalen Anfällen mit Bewusstseinsalteration («komplex-fokal») basiert die Anfallsanamnese meist auf einer Fremdanamnese oder Videoaufnahmen. Eine sekundäre Generalisierung kann teilweise sehr rasch eintreten und die fokale Einleitung kann unbemerkt verlaufen.

Ursachen fokaler Epilepsien

  • Genetisch: Hier wird eine genetische Ursache als Auslöser der Erkrankung vermutet.
  • Strukturell: Die Erkrankung ist in diesem Fall als Folge einer bekannten Ursache, wie einem Schlaganfall oder einer Kopfverletzung.
  • Infektiös: Wird durch eine infektiöse Erkrankung des Gehirns (hervorgerufen durch Viren oder Bakterien) verursacht.
  • Metabolisch: Sie geht aus Veränderungen im Stoffwechsel (Metabolismus) hervor.
  • Immunologisch: Heute erkennt man die immunologischen Epilepsien an einer chronischen Entzündung des Gehirns.

Generalisierte Epilepsien

Generalisierte Epilepsien betreffen von Anfang an beide Gehirnhälften. Typische Merkmale der primär generalisierten Epilepsien sind kurze Abwesenheiten (z.B. «Absencen im Kindesalter») und primär generalisierte tonisch klonische Anfälle ohne einleitende fokale Symptomatik.

Genetisch generalisierte Epilepsien

Die genetisch generalisierten Epilepsien umfassen die vier klassischen Syndrome der idiopathisch generalisierten Epilepsien, GGE ohne Syndromzuordnung und seltene GGE-Syndrome, zudem gibt es eine syndromale Überlappung mit einigen Entwicklungsbedingten und Epileptischen Enzephalopathien (EEE oder DEE für Developmental and Epileptic Encephalopathies (Hirsch et al.

Epilepsie mit unbekannter Ursache

Alle epileptischen Anfälle haben gemeinsam, dass sie von Zeit zu Zeit auftreten, meist ohne erkennbaren Anlass. Bei unsicherer Klassifikation gilt die Epilepsie vorerst als «Epilepsie unbekannter Zuordnung». In diesen Fällen können Zusatzuntersuchungen helfen, die Epilepsie einzuordnen: Ein Anfallsereignis oder ein streng lokalisierter epileptischer Fokus im EEG oder der Nachweis einer solitären Hirnmetastase im MRI sind zum Beispiel Faktoren, die für einen fokalen Ursprung der Anfälle sprechen. Primär generalisierte Epilepsien zeigen typischerweise (aber nicht immer) bilateral generalisierte interiktuale Entladungen im EEG.

Anfallsformen

Die Symptome einer Epilepsie sind ebenso vielseitig wie die verschiedenen Anfallsformen. Insgesamt gibt es mehr als 30 bekannte Formen der Epilepsie. Jede/r Betroffene hat in der Regel nur eine Epilepsieform mit ein bis drei verschiedenen Anfallsformen.

Epileptische Anfälle sind relativ kurz andauernde, plötzliche Änderungen des Bewusstseins, Denkens, Verhaltens, Gedächtnisses, Fühlens, Empfindens oder der Anspannung der Muskulatur. Grund dafür ist eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn in Form vermehrter und einander gegenseitig aufschaukelnder elektrischer Entladungen.

Motorische Anfälle

  • Tonisch-klonische Anfälle: Bei diesen Anfällen stürzen die Betroffenen und werden bewusstlos. In der tonischen Phase verkrampft der ganze Körper und wird steif und in der klonischen Phase kommen dann Zuckungen dazu. Weitere typische Symptome sind bläuliche Hautverfärbungen, Einnässen, Speichelaustritt und Bissverletzungen an der Zunge.
  • Atonische Anfälle: Bei atonischen Anfällen und epileptischen Spasmen wird das Bewusstsein üblicherweise nicht spezifiziert.

Nichtmotorische Anfälle

  • Absencen: Eine sehr milde Form des generalisierten Anfalls ist die sog. Absence, die oft als "Verträumtheit" oder "Aussetzer" verkannt wird. Dabei setzt das Bewusstsein kurz aus und die Betroffenen halten in ihrer momentanen Tätigkeit inne. Manchmal zucken die Augenlider leicht. Stürze und ausgeprägte Krämpfe kommen nicht vor. Absencen sind bei Kindern und Jugendlichen besonders häufig.
  • Kognitive Anfälle: Kognitive Anfälle implizieren eine Beeinträchtigung der Sprache oder anderer kognitiver Bereiche oder positive Symptome wie Déjà vu, Halluzinationen, Illusionen oder Wahrnehmungsstörungen.
  • Emotionale Anfälle: Emotionale Anfälle umfassen Angst, Furcht, Freude, andere Emotionen oder das Auftreten von scheinbar affektivem Verhalten ohne subjektiv erlebte Emotionen.

Fokal zu bilateral tonisch-klonisch

Außerdem gibt es noch eine weitere spezielle Anfallsform: fokal zu bilateral tonisch-klonisch. Das sind Anfälle, die fokal (in einer Gehirnhälfte) beginnen, die sich dann aber zu einem tonisch-klonischen Anfall (siehe oben bei den generalisiert beginnenden Anfällen, früher Grand-Mal-Anfall) in beiden Gehirnhälften (= bilateral) weiterentwickeln.

Die Anfallsform „fokal zu bilateral tonisch-klonisch“ ist eine spezielle Anfallsform und entspricht der 1981er-Bezeichung „partieller Beginn mit sekundärer Generalisierung“. Fokal zu bilateral tonisch-klonisch reflektiert das Ausbreitungsmuster eines Anfalls und weniger eine eigene Anfallsform, aber es ist eine so häufige und wichtige Anfallspräsentation, dass eine separate Kategorie beibehalten wurde.

Behandlung von Epilepsie

Glücklicherweise können Patienten und Patientinnen mit Epilepsie heute mehr denn je auf eine gute medizinische Versorgung zurückgreifen. Die Behandlungsmöglichkeiten mit Anfallssuppressiva, die bei Epilepsie infrage kommen, sind vielseitig und ermöglichen eine individuelle Abstimmung auf das Krankheitsbild. Ungefähr zwei Drittel aller Patientinnen und Patienten können durch die medikamentöse Behandlung anfallsfrei werden, wobei die Prognose je nach Form der Epilepsie variiert. Die Epilepsie ist zwar nicht heilbar, jedoch kann sie gut kontrolliert werden. Auch die Lebenserwartung ist häufig kaum kürzer als die von Menschen ohne Epilepsie.

Oberstes Ziel der Therapie ist Anfallsfreiheit oder zumindest eine gute Anfallskontrolle. Am häufigsten werden zu Behandlungen von Epilepsien Medikamente eingesetzt, sogenannte Anfallssuppressiva. Es stehen zahlreiche verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung.

Medikamente, die bevorzugt bei Epilepsien mit generalisierten epileptischen Anfällen eingesetzt werden können, sind zum Beispiel Valproinsäure, Topiramat und, als neuere Option, auch Perampanel. Zur Behandlung fokaler Epilepsien haben neben den oben erwähnten Levetiracetam und Lamotrigin Oxcarbazepin und Lacosamid die älteren Interaktions- und nebenwirkungsträchtigen Substanzen Phenytoin und Phenobarbital in der Initialtherapie weitgehend ersetzt.

Als grundsätzliches Therapieprinzip gilt, dass eine Monotherapie aufgrund der besseren Verträglichkeit gegenüber einer Polypharmakotherapie bevorzugt werden sollte. Falls sich die Anfälle unter ausdosierter Monotherapie nicht kontrollieren lassen, so kann ein weiteres Medikament als Add-on eingesetzt werden. Es scheint pragmatisch sinnvoll, bei der Polymedikation Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen zu kombinieren, die idealerweise ein nicht überlappendes Nebenwirkungsprofil besitzen. Letztlich gibt es keine Daten, welche die Superiorität eines «rationalen Therapieansatzes» untermauern, und die medikamentöse Einstellung erfolgt zum grossen Teil nach empirischen Algorithmen. Eine Epilepsie wird schlussendlich als Therapie-refraktär bezeichnet, wenn die Anfälle trotz zweier, ausreichend dosierter Medikamente persistieren.

Wichtige Hinweise zur medikamentösen Therapie

  • Besondere Vorsicht bei der Wahl der antiepileptischen Therapie ist bei Frauen im gebärfähigen Alter geboten. Valproinsäure ist bei Frauen im gebärfähigen Alter sogar streng kontraindiziert.
  • Während Lamotrigin durch eine sehr gute Verträglichkeit charakterisiert ist (abgesehen von den seltenen, jedoch teilweise ausgeprägten kutanen, allergischen Reaktionen), führt Levetiracetam etwas häufiger zu neuropsychiatrischen Nebenwirkungen und Verhaltensauffälligkeiten (u.a. Depression, Ängste, Reizbarkeit), welche die Compliance der Patienten einschränken können.

Neuere Medikamente

  • Als Weiterentwicklung von Levetiracetam wurde 2016 Brivaracetam auf dem Schweizer Markt eingeführt. Aufgrund der höheren Affinität zu den SV2A-Rezeptoren besteht im Vergleich zu Levetiracetam eine möglicherweise höhere antikonvulsive Wirksamkeit bei günstigerem Nebenwirkungsprofil, wobei bislang wenige Studien zum direkten Vergleich verfügbar sind. Brivaracetam ist bisher lediglich als Add-on und nur für Epilepsien mit fokalen Anfällen zugelassen.
  • Im November letzten Jahres wurde mit Cenobamat ein weiteres Medikament zur Add-on-Therapie bei fokalen Epilepsien am amerikanischen Markt zugelassen.
  • Eine weitere neuere Substanz, deren Rolle in der Epilepsiebehandlung kontrovers diskutiert wird, ist Cannabidiol (CBD). CBD zeigte bei bestimmten, ansonsten schwer einstellbaren Epilepsiesyndromen (z.B. Dravet- oder Lennox-Gastaut-Syndrom) eine gewisse Wirksamkeit, wobei die Interaktion mit Clobazam in der Anfallsreduktion allenfalls eine wichtige Rolle spielen könnte. Kommerziell erhältliches Cannabidiol-Öl ist im Vergleich zu den Dosierungen in den Studien sehr viel tiefer dosiert und es kann daher bei «Selbstmedikation» mit CBD-haltigen Tropfen nicht von einer signifikanten antikonvulsiven Wirkung ausgegangen werden.

Pharmakogenetik

Ein vielversprechender, sich rasch entwickelnder Bereich ist die Pharmakogenetik. Trotz vergleichbarer demografischer und epileptischer Charakteristika sprechen Patienten häufig sehr disparat und individuell auf die antikonvulsive Behandlung an. Dabei spielt möglicherweise der genetische Hintergrund eine wichtige Rolle. Auch der teilweise interindividuell sehr verschiedenen Ausprägung der Nebenwirkungen könnte eine genetische Variabilität zugrunde liegen. Aktuelle Forschungsansätze zielen darauf ab, basierend auf Genomsequenzierung bzw.

Was tun bei einem epileptischen Anfall?

Man sollte auf jeden Fall Erste Hilfe leisten. Patientinnen und Patienten sollten zudem immer einen Notfallausweis bei sich tragen. In bestimmten Fällen kann es sein, dass Ärztinnen und Ärzte eine Notfallmedikation verordnen. Ist dies der Fall, wird sie, zusätzlich zur Dauermedikation, im Notfallausweis vermerkt.

Erste Hilfe Maßnahmen

  • Betroffene Person auf den Boden legen, um einem Sturz vorzubeugen.
  • Alle Gegenstände entfernen, die zu Verletzungen oder Gefahren führen könnten.
  • Seltsame Körperhaltungen und freie Zuckungen ermöglichen und möglichst Platz dafür schaffen, falls noch nicht geschehen, sonst drohen Verletzungen. Die Muskelspannung bei Krampfanfällen ist so hoch, dass beim Festhalten oder bei Versuchen Körperteile (z.B. Arme, Beine oder Finger) zu bewegen Knochenbrüche und andere Verletzungen sehr wahrscheinlich sind.
  • Auf die Uhr schauen und Notfallmedikamente erst nach der ärztlich angegebenen Zeit geben, weil sie erhebliche Nebenwirkungen haben. Normalerweise enden epileptische Anfälle von allein während 2 bis höchstens 3 Minuten. Notfallmedikamente sind dafür da, einen Status epilepticus bzw. eine Anfallsserie zu beenden.
  • Dauer und Begleiterscheinungen des Anfalls beobachten. Auf die Augen achten: Sind sie geschlossen, offen, starr oder verdreht?
  • 112) rufen - auch, wenn schon ein Notfallmedikament gegeben wurde! Das gilt auch, wenn ein 2.
  • Auf einen Anfall folgt in der Regel eine kurze Schlaf- bzw. Erholungsphase. Unbedingt dabeibleiben, bis die betroffene Person wieder vollständig orientiert ist. Dies ist durch einfache Fragen, wie z.B. "Wie heißt du? Wo bist du?
  • Wenn möglich den Anfall dokumentieren: Wann ist er passiert? Wie lange hat er gedauert? Wie ist er abgelaufen? Waren die Augen offen, geschlossen, starr oder verdreht?

Was man vermeiden sollte

  • Nicht festhalten, keinen Beißkeil oder ähnliches zwischen die Zähne und Verletzungen verhindern.
  • Zungenbisse passieren wenn dann gleich zu Beginn eines Anfalls. Es ist schädlich und sinnlos zu versuchen, sie während des Anfalls zu verhindern.
  • Es ist sinnlos und eventuell schädlich zu versuchen einen Anfall zu beeinflussen oder zu beenden, z.B. durch kaltes Wasser oder Schütteln.

Leben mit Epilepsie

Die Auswirkungen auf den Alltag sind meist wesentlich geringer als man auf den ersten Blick denken mag. So sehen die Anfälle zwar teils furchteinflößend aus und verunsichern auch die Betroffenen selbst, die sich oft nicht mehr an das Geschehen erinnern können. Gefährlich sind epileptische Anfälle aber nur selten. Es droht meistens keine direkte Gefahr für Hirnschädigungen. Phänomene wie SUDEP sind ebenfalls selten und können durch eine ausreichende Aufklärung und Vorbeugung meistens auch verhindert werden.

Die Diagnose Epilepsie bedeutet also nicht automatisch, dass Betroffene kein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben führen können. Meist ist jedoch eine lebenslange Einnahme von Anfallssuppressiva zur besseren Anfallskontrolle und/oder zum Erreichen der Anfallsfreiheit notwendig. Doch auch unter diesen Umständen ist ein langes, glückliches und selbstbestimmtes Leben häufig möglich und die Prognose oft gut.

Risikomanagement im Alltag

Epileptische Anfälle können zu Verletzungen und sogar zum Tod führen. Außerdem besteht ein gewisses Risiko, bei einem Status epilepticus oder durch SUDEP (siehe unten) zu versterben oder Langzeitschäden davon zu tragen.

Um diese Risiken zu senken, ist es wichtig, sich umfassend zu informieren und mit den behandelnden Ärzten offen zu kommunizieren.

  • Kinder mit Epilepsie brauchen genau wie andere Kinder auch Freiräume und Zeiten, in denen sie unbeobachtet sein können. Überbehütung und übersteigerte Sicherheitsmaßnahmen können die Entwicklung beeinträchtigen.
  • Erwachsene haben ein Recht darauf, selbstbestimmt mit dem durch Epilepsie erhöhten Risiko umzugehen, solange sie nur sich selbst gefährden. Wer die Risiken einschätzen und verstehen kann, kann sich ggf. in einigen Situationen für mehr Lebensqualität und weniger Sicherheit entscheiden, auch wenn Ihnen das Sorgen bereitet.
  • Als Mensch mit Epilepsie sollten Sie sich aus mehreren Quellen informieren, welche Risiken in welchem Umfang tatsächlich bestehen, um weder übervorsichtig Ihre Lebensqualität zu sehr einzuschränken, noch fahrlässig Ihre Gesundheit und Ihr Leben aufs Spiel zu setzen.

Spezifische Risiken und Vorsichtsmaßnahmen

  • Autofahren: Beim Autofahren mit Epilepsie geht es nicht nur um Ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die Sicherheit anderer Menschen.
  • Elternschaft: Als Elternteil mit Epilepsie können Anfälle Ihre Kinder gefährden, vor allem wenn diese noch sehr klein sind, z.B. bei einem Sturz mit dem Kind auf dem Arm. Deshalb können Sie eine sog. Elternassistenz beantragen.
  • Baden und Rauchen: Epileptische Anfälle können sogar in der Badewanne zum Ertrinken führen. Beim Rauchen besteht bei einem Anfall Brandgefahr.
  • Wohnung: Scharfe Kanten und Gegenstände in der Wohnung sichern bzw.
  • Anfallskalender: Einen Anfallskalender verwenden, um ggf. vorhandene Anfallsauslöser zu erkennen und die Behandlung zu verbessern.

SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy)

SUDEP ist die Abkürzung für "sudden unexpected death in epilepsy". Übersetzt heißt das "plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie". Wie auch beim sog. plötzlichen Kindstod können Menschen mit Epilepsie plötzlich und unerwartet versterben. Meistens werden Betroffene morgens tot im Bett gefunden. Die Todesursache lässt sich oft nicht klären. Das passiert zwar nur sehr selten, aber bei Menschen mit Epilepsie häufiger als bei Menschen ohne Epilepsie. Bei tonisch-klonischen Anfällen (Grand-mal-Anfällen) ist das Risiko besonders hoch, besonders wenn diese im Schlaf kommen.

Wahrscheinlich lässt sich SUDEP oft verhindern, wenn Betroffene nach einem tonisch-klonischen Anfall nicht allein bleiben. Anwesende können den Menschen nach dem Anfall ansprechen, berühren, rütteln, umdrehen und in die stabile Seitenlage bringen. Bei Atemaussetzern und Herzstillstand können sie einen Notruf absetzen und Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen.

Hilfsmittel und Unterstützung

Es gibt verschiedene Hilfsmittel und Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Epilepsie:

  • Epilepsie-Überwachungsgeräte: Bei einem erkannten Anfall löst das Gerät einen Alarm aus, z.B. bei den Eltern, beim Partner, anderen Angehörigen oder in einer Notrufzentrale. So ist eine sichere Betreuung möglich. Der Anfall wird zudem aufgezeichnet und mit Dauer und Stärke dokumentiert. Epilepsie-Überwachungsgeräte können ärztlich verordnet und von der gesetzlichen Krankenversicherung als Hilfsmittel übernommen werden.
  • Sturzmelder: Sturzmelder können bei Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Sturz helfen. Dieses zweistufige System verhindert Fehlalarme. Voraussetzung dafür ist, dass Patienten über ein Hausnotrufgerät verfügen, damit ein Alarm an Angehörige oder an eine Notrufzentrale abgesetzt werden kann.
  • Epilepsiehunde: Warnhunde haben die Fähigkeit, einen kommenden Anfall zu spüren und warnen dann den Betroffenen, sodass dieser Zeit hat, sich z.B. vor Verletzungen zu schützen. Anzeigehunde lernen, einen tatsächlichen Anfall zu erkennen und dann in vorher geübter Art und Weise zu helfen, z.B.

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