Demenz bei jungen Menschen: Herausforderungen, Diagnose und Unterstützung

Demenzerkrankungen werden oft mit älteren Menschen in Verbindung gebracht, aber sie können auch junge Menschen betreffen. Obwohl Demenz bei Personen unter 65 Jahren selten ist, sind in Deutschland etwa 24.000 Menschen betroffen. Diese früh einsetzende Demenz bringt besondere Herausforderungen mit sich, die von der Diagnose bis zur Unterstützung reichen.

Die Realität junger Demenzpatienten

"Mein Mann wirkte immer öfter unkonzentriert. Als er schließlich sogar vergessen hat, mir zum Geburtstag zu gratulieren, habe ich ihn zum Psychiater geschickt. Der diagnostizierte eine Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium - mit 54 Jahren! Jetzt kann er nicht mehr arbeiten und unser ganzes Leben ist auf den Kopf gestellt." Diese Aussage verdeutlicht die unerwarteten und einschneidenden Folgen einer Demenzdiagnose im jungen Alter.

Diagnose: Eine oft lange Odyssee

Anders als bei älteren Menschen denken Ärzte bei jüngeren Patienten mit Gedächtnis- oder Konzentrationsproblemen oft nicht sofort an Demenz. Stattdessen werden häufig Depressionen oder Burnout als Ursache vermutet. Dies führt oft zu einer langen und frustrierenden Suche nach der richtigen Diagnose, die durchschnittlich zwei bis drei Jahre dauern kann. Im Vergleich zu älteren Menschen erhalten jüngere Betroffene ihre Diagnose jedoch oft in einem früheren Stadium der Erkrankung, da sich Probleme am Arbeitsplatz frühzeitig bemerkbar machen und nicht mit „Altersvergesslichkeit“ erklärt werden können.

Chancen einer frühzeitigen Diagnose

Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht es den Betroffenen, ihr Leben mit der Krankheit bewusst zu gestalten und selbstbestimmt Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Jüngere Demenzkranke können häufig auf größere Ressourcen zurückgreifen als ältere: Sie sind meist körperlich noch sehr fit und mit dem Einsatz moderner Technik vertraut, um beispielsweise Erinnerungshilfen des Smartphones für sich zu nutzen.

Öffentlichkeitswirksamkeit und Selbstvertretung

In den letzten Jahren sind immer mehr jüngere Menschen mit beginnender Demenz an die Öffentlichkeit getreten, um über ihre Erkrankung zu berichten und ihre Bedürfnisse zu äußern. Sie betonen, wie wichtig es für sie ist, sich weiterhin vielfältig einbringen zu können und Anerkennung für ihre Leistungen zu bekommen. Sie fordern auch Unterstützungsangebote, um ihr Leben trotz Einschränkungen möglichst normal weiterführen zu können. Vielerorts wurden bereits Gruppen von und für Menschen mit beginnender Demenz gegründet. Der Beirat „Leben mit Demenz“ berät den Vorstand der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Ähnliche Arbeitsgruppen gibt es auch auf europäischer und globaler Ebene (Dementia Alliance International).

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Finanzielle Herausforderungen durch den Berufsausstieg

Der vorzeitige Ausstieg aus dem Berufsleben führt oft zu erheblichen finanziellen Einbußen. Dies kann besonders schwierig sein, wenn finanzielle Verpflichtungen wie ein Kredit für ein Eigenheim bestehen. Der gesunde Partner muss dann oft die Hauptverantwortung für das Familieneinkommen übernehmen und kann seine Arbeitszeit nicht reduzieren, um für den erkrankten Partner da zu sein.

Veränderungen in der Familie

Der Verlust von Fähigkeiten durch die Demenz verändert allmählich die Rollen innerhalb der Familie. Angehörige erleben oft schmerzlich, wie der Betroffene Kompetenzen verliert. Es ist nicht einfach, die Verantwortung für Entscheidungen alleine zu tragen oder Entscheidungen gegen den Willen des Partners treffen zu müssen. Auch für die Betroffenen ist es schwierig zu akzeptieren, dass sie Aufgaben nicht mehr wie früher übernehmen können und zunehmend auf andere angewiesen sind. Erwartungshaltungen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb der Familie müssen neu definiert und geordnet werden. Dabei ist es wichtig, genau zu überlegen, welche Dinge der Erkrankte weiterhin oder auch neu übernehmen kann - auch wenn dafür vielleicht etwas mehr Zeit nötig ist als früher.

Kinder in der Familie

Oftmals leben noch minderjährige Kinder in den betroffenen Familien. Für sie ist es, je nach Alter, besonders schwierig zu verstehen und zu akzeptieren, was passiert, wenn ein Elternteil an Demenz erkrankt. Um sie zu unterstützen, ist es wichtig, offen mit der Krankheit umzugehen und ihre Fragen zu beantworten. Manche Kinder und Jugendliche reagieren mit Abwehr oder Berührungsängsten, andere gehen eher unbefangen mit der Krankheit um und wollen helfen. Kinder sollten vor krankheitsbedingten Verhaltensänderungen wie ungerechtfertigten Vorwürfen oder übergriffigem Verhalten des erkrankten Elternteils geschützt werden. Es spricht aber nichts dagegen, sie in einem gewissen Umfang in die neue Aufgabenverteilung innerhalb der Familie einzubeziehen. Das gibt ihnen das Gefühl, etwas zur Bewältigung der schwierigen Situation beitragen zu können. Es ist jedoch wichtig, eine Überforderung der Kinder zu vermeiden.

Medizinische Besonderheiten

Auch aus medizinischer Sicht gibt es bei Demenzen im jüngeren Lebensalter einige Besonderheiten: Der Anteil an seltenen Demenzkrankheiten ist in dieser Gruppe wesentlich größer als bei älteren Betroffenen. Während im hohen Alter die Alzheimer-Krankheit für bis zu zwei Drittel der Demenzen verantwortlich ist, spielt sie im jüngeren Alter nur bei etwa einem Drittel eine Rolle. An zweiter Stelle stehen die Frontotemporalen Degenerationen, dann durchblutungsbedingte Demenzen, die Lewy-Körper-Krankheit und eine Vielzahl seltener neurologischer Erkrankungen oder Infektionserkrankungen des Gehirns. Auch erbliche Formen von Demenzerkrankungen, bei denen veränderte Gene an die Nachkommen weitergegeben werden, spielen bei Demenzen im jüngeren Lebensalter eine wesentlich größere Rolle, obwohl es sich auch bei jüngeren Erkrankten in den meisten Fällen nicht um eine erbliche Form handelt.

Eine weitere Besonderheit ist, dass das Erscheinungsbild der Demenzerkrankungen bei jüngeren Menschen häufig untypisch ist. So treten beispielsweise bei der „frontalen Variante“ der Alzheimer-Krankheit zunächst Änderungen im Verhalten und im Umgang mit anderen Menschen auf, während das Gedächtnis nicht beeinträchtigt ist. Bei der sprachbetonten Variante stehen Wortfindungsstörungen und eine Verlangsamung des Sprechens im Vordergrund. Und eine dritte ungewöhnliche Variante verursacht Schwierigkeiten mit dem Sehen. Auch diese untypischen Symptome machen oft eine umfangreiche Diagnostik durch einen Spezialisten erforderlich.

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Mangelnde Unterstützungsangebote

Bisher gibt es nur sehr wenige Beratungs- und Unterstützungsangebote, die sich speziell an jüngere Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen richten. Jüngere Betroffene haben meist einen größeren Bewegungsbedarf und interessieren sich für andere Themen und Musikrichtungen als Menschen, die zwanzig bis dreißig Jahre älter sind als sie. Deshalb sind Projekte wie eine Tagespflegeeinrichtung für jüngere Demenzkranke, die gerade in Hamburg geplant wird, sehr zu begrüßen. Eine ausreichend große Zahl an Betroffenen findet sich für ein solches Angebot aber nur in Ballungsräumen.

Fallbeispiel: Ein 19-jähriger Patient

Ein besonders tragischer Fall ist der eines 19-jährigen Mannes aus China, bei dem vermutlich Alzheimer diagnostiziert wurde. Bereits mit 17 Jahren zeigten sich erste Symptome wie Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme. Mit 18 Jahren hatte er Schwierigkeiten beim Lesen und konnte sich nicht mehr daran erinnern, was er am Vortag getan hatte. Die Ärzte schlossen andere Ursachen und genetische Veränderungen aus. Dieser Fall unterstreicht, dass Alzheimer nicht ausschließlich eine Krankheit des Alters ist und mehr Forschung in diesem Bereich erforderlich ist.

Diagnose im jungen Alter: Was bedeutet das?

Die Diagnose Demenz ist für jeden Betroffenen ein Schock. Für Jüngere, die mitten im Leben stehen, ist die Diagnose jedoch oft noch belastender als für ältere Erkrankte. Sie müssen sich nicht nur mit einer unheilbaren, fortschreitenden Krankheit, sondern auch mit den damit verbundenen Veränderungen auseinandersetzen.

Zu den besonderen Herausforderungen gehören:

  • Die Akzeptanz der Diagnose: Demenzerkrankungen sind für Jüngere schwerer zu akzeptieren. Sie schämen sich, wollen es nicht wahrhaben und glauben, es müsse eine Heilung geben.
  • Der Verlust des „alten Lebens“: Die eigenen Finanzen regeln, Kinder oder Eltern zu betreuen, Verantwortung im Beruf übernehmen - das bisherige Leben aufgeben zu müssen, ist im jüngeren Lebensalter nur sehr schwierig zu bewältigen.
  • Die Auswirkungen auf die Familie: Familien von jungen Erkrankten müssen akzeptieren, dass sich mit der Diagnose die gesamte Lebenssituation verändert. Besonders hart für Partnerinnen und Partner ist der schleichende Verlust von Gemeinsamkeiten, von Erinnerungen, von der Möglichkeit, gemeinsame Sorgen zu teilen. Zwar ist der Mensch noch da, doch das alte Gegenüber geht verloren.
  • Stigmatisierung im Alltag: Menschen mit Demenz erkennt man nicht auf den ersten Blick. Problematisch ist auch, dass die meisten Pflege- und Betreuungsangebote nicht auf die Bedürfnisse von jüngeren Menschen mit Demenz ausgerichtet sind. Gerade wenn das Zusammenleben im gewohnten Zuhause nicht mehr möglich ist, sind sie oft gezwungen in Pflegeheime umzuziehen, in denen alles auf ältere Seniorinnen und Senioren ausgerichtet ist. Das beginnt bei der Gestaltung und Ausstattung der Räume über den Tagesablauf bis hin zum Angebot an sozialen und sportlichen Aktivitäten. Hinzu kommt, dass den Jüngeren in den herkömmlichen Einrichtungen der wichtige Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt.

Umgang mit Demenz im Alltag: Tipps für Angehörige

Angehörige von Demenzkranken stehen vor großen Herausforderungen. Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren, um Missverständnisse zu vermeiden und ein besseres Verständnis für die Betroffenen zu entwickeln. Der Selbstwert der Erkrankten wird oft angegriffen, daher ist es wichtig, ihnen so viel Selbstständigkeit und Autonomie wie möglich zu lassen.

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Konkrete Tipps für den Alltag:

  • Beteiligung: Beziehen Sie die Erkrankten in Gespräche, die Familie und den Haushalt ein.
  • Routinen: Schaffen Sie vertraute Abläufe und Tagesstrukturen.
  • Ruhe: Vermeiden Sie Hektik und Hintergrundgeräusche.
  • Aktivitäten: Fördern Sie Aktivitäten, die Spaß machen, wie Bewegung, Spiele oder Haushaltsarbeiten.
  • Musik: Nutzen Sie die Lieblingsmusik der Betroffenen, um Erinnerungen zu wecken und Gespräche anzuregen.

Unterstützung und Anlaufstellen

Es gibt verschiedene Anlaufstellen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen:

  • Alzheimer-Gesellschaften: Bieten Beratung und Unterstützung.
  • Sozialpsychiatrischer Dienst: Anlaufstelle des Gesundheitsamtes.
  • Pflegestützpunkte und Pflegekassen: Vermitteln ehrenamtliche Helfer und Betreuungsangebote.
  • Therapeutische Begleitung: Systemische Familientherapie kann hilfreich sein.
  • Jugendamt: Bietet familienunterstützende Angebote wie Familienhelfer.
  • Selbsthilfegruppen: Ermöglichen den Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen.

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