Katameniale Epilepsie: Symptome, Ursachen und Behandlung

In Deutschland leben schätzungsweise 400.000 Frauen mit Epilepsie, die oft lebenslang auf Medikamente angewiesen sind. Studien haben gezeigt, dass Sexualhormone die neuronale Erregbarkeit und damit das Auftreten epileptischer Anfälle beeinflussen können. Dabei scheinen Östrogene Anfälle zu fördern, während Progesterone und ihre Derivate eher anfallsmindernd wirken. Mit dem Einsetzen der Pubertät kommt es zu hormonellen Veränderungen, die zu einem allmählichen Anstieg der Östrogene im Blut führen.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederholte spontane epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle resultieren aus einer Funktionsstörung des Gehirns, bei der es zu einer abnormen und synchronisierten Erregungsausbreitung zentraler Neurone (Nervenzellen) kommt. Bei einem epileptischen Anfall kommt es zu plötzlichen und unkontrollierten Entladungen von Neuronen, die über das normale Aktivitätsniveau hinausgehen. Diese abnorme elektrische Aktivität breitet sich entweder lokal begrenzt (fokale Anfälle) oder über das gesamte Gehirn (generalisierte Anfälle) aus.

Ursachen von Epilepsie

Die Pathogenese der Epilepsie beruht auf einer Funktionsstörung des Gehirns, bei der es zu einer abnormen neuronalen Erregungsausbreitung kommt. Die Ursachen sind vielfältig und umfassen:

  • Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung: Im Gehirn besteht ein Gleichgewicht zwischen exzitatorischen (erregenden) Neurotransmittern (Botenstoffe), wie Glutamat, und inhibitorischen (hemmenden) Neurotransmittern, wie GABA (Gamma-Aminobuttersäure). Bei Epilepsie wird dieses Gleichgewicht gestört, wobei eine erhöhte Erregung oder eine verringerte Hemmung im Gehirn zu einer verstärkten neuronalen Aktivität führt.
  • Ionenkanal-Dysfunktion: Ionenkanäle, die die elektrische Aktivität der Nervenzellen regulieren, spielen eine entscheidende Rolle in der Entstehung von epileptischen Anfällen. Mutationen in Genen, die für diese Ionenkanäle kodieren, können zu einer Dysfunktion der Kanäle führen, was die neuronale Erregbarkeit erhöht.
  • Synaptische Plastizität und neuronale Netze: Bei der Epilepsie kommt es oft zu einer Veränderung der synaptischen Verbindungen zwischen Nervenzellen, was zu einer langfristigen Übererregbarkeit neuronaler Netze führt.

Auslöser von Anfällen

Epileptische Anfälle können durch eine Vielzahl von externen und internen Reizen (Triggern) ausgelöst werden. Dazu gehören:

  • Schlafstörungen
  • Flackerlicht (bei Patienten mit photosensitiver Epilepsie)
  • Fieber
  • Alkoholkonsum
  • Hormonelle Schwankungen (bei Frauen)
  • Medikamentenentzug (abrupter Abbruch bestimmter Medikamente)

Symptome von Epilepsie

Die Symptome einer Epilepsie können vielfältig sein und hängen von der Art des Anfalls ab. Einige häufige Symptome sind:

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  • Fokale Anfälle: Betreffen meist einzelne Körperteile. Die Symptome richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden beschrieben. Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster.
  • Generalisierte Anfälle: Betreffen den gesamten Körper. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen.
    • Absencen: Plötzliche Bewusstseinsstörung, bei der die Betroffenen ihre momentane Tätigkeit unterbrechen und ins Leere starren.
    • Myoklonische Anfälle: Muskelzuckungen ohne Bewusstseinsstörungen.
    • Tonisch-klonische Anfälle (Grand-mal-Anfälle): Initialer Schrei, gefolgt von Anspannung der Körpermuskulatur und anschließenden Zuckungen. Bewusstseinsverlust und Blaufärbung der Lippen sind typisch.
    • Atonische Anfälle: Verlust der Muskelkraft.

Katameniale Epilepsie: Der Einfluss von Hormonen

Auch während des Menstruationszyklus kann die Anfallsfrequenz aufgrund hormoneller Veränderungen variieren. Dies wird als katameniale Epilepsie bezeichnet. Definitionsgemäß liegt eine katameniale Epilepsie vor, wenn sich die tägliche Anfallsfrequenz in einer bestimmten Zyklusphase in sechs aufeinanderfolgenden Monaten verdoppelt. So lassen sich beispielsweise in der Mitte des Zyklus (Tag 10 bis 13) aufgrund des Östrogenmaximums Anfallshäufungen nachweisen, ebenso wie am Zyklusende um die Monatsblutung (ab Tag 25) aufgrund des Progesteronabfalls.

Die Angaben über das Vorkommen einer katamenialen Epilepsie variieren stark und werden zwischen 10 und 78 % angegeben.

Die Rolle der Hormone im Menstruationszyklus

Während des weiblichen Zyklus spielen vor allem zwei Hormone eine entscheidende Rolle:

  • Östradiol (Östrogen): Wirkt bei vielen Frauen mit Epilepsie anfallsfördernd. Ein deutlicher Anstieg des Östradiol-Spiegels um den Eisprung herum (Zyklustag 12-16) kann daher zu vermehrten Anfällen führen.
  • Progesteron: Wirkt in der Regel anfallshemmend und wird vor allem in der zweiten Zyklushälfte (der sogenannten Gelbkörperphase) vermehrt gebildet.

Die klinische Erfahrung zeigt, dass tendenziell mehr Frauen unter der Anfallszunahme während der Regelblutung leiden als während des Eisprungs.

Diagnose der katamenialen Epilepsie

Ein sorgfältig geführter Anfallskalender, der gleichzeitig die Dokumentation der Monatsblutung mit einschließt, kann die Diagnosestellung erleichtern. Auch das Ausfüllen eines Zyklusblattes, in das sowohl der Menstruationszyklus als auch die Anfälle und jegliche Symptome eingetragen werden, kann hilfreich sein. Um den Eisprung genauer zu bestimmen, kann die Temperatur jeden Morgen direkt nach dem Aufwachen gemessen werden. Mit dem Eisprung geht eine Temperaturerhöhung einher.

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Behandlung der katamenialen Epilepsie

Therapeutisch lässt sich nur bedingt eingreifen. Die Behandlung dieser Form der Epilepsie kann eine Herausforderung darstellen, da sie möglicherweise nicht immer so gut auf herkömmliche Antiepileptika anspricht. Einige Ärzte empfehlen die Anpassung der Medikation entsprechend dem Menstruationszyklus, um den Anfallszyklus besser zu kontrollieren.

Hormonelle Therapien

  • Hormonelle Kontrazeptiva (Pille): Durch die Langzeiteinnahme eines hormonellen Kontrazeptivums (Pille) versucht man, den menstruellen Zyklus zu unterdrücken und die Anfallsfrequenz zu senken. Allerdings ist die Anwendung einer östrogenhaltigen Pille nicht in Kombination mit jedem Antiepileptikum möglich. Stark enzyminduzierende Antiepileptika bewirken eine verminderte Sicherheit der klassischen östrogenhaltigen Pille. Bei der rot und gelb gekennzeichneten Gruppe sollte eine mechanische Verhütung in Betracht gezogen werden.
  • Zusätzliche Gestagene: Die Anfälle lassen sich in ihrer Häufigkeit erheblich reduzieren, wenn zusätzlich Gestagene zur hormonellen Therapie eingenommen werden.
  • Clobazam: Während der kritischen Phase (Eisprung oder Blutung) kann ein zusätzliches ASM (Antiepileptikum) wie Clobazam vorübergehend eingenommen werden, um den Anfallsschutz zu erhöhen.

Alle genannten therapeutischen Möglichkeiten sollten betroffene Patientinnen mit dem behandelnden Neurologen und Gynäkologen absprechen, um ausreichend über Chancen und Risiken einer entsprechenden Behandlung aufgeklärt zu werden.

Wichtiger Hinweis zum Wirkstoff Lamotrigin

Die Anwendung einer östrogenhaltigen Pille senkt den Serumspiegel von Lamotrigin um bis zu 50 %. Sollte die Kombination Lamotrigin und Pille dennoch erwogen werden, ist eine engmaschige Kontrolle des Serumspiegels und gegebenenfalls eine Dosisanpassung durchzuführen.

Epilepsie und Fruchtbarkeit

Bei Frauen mit Epilepsie treten Störungen der Fruchtbarkeit häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Ca. 15 - 20 % der Epilepsie-Patientinnen weisen Störungen des Menstruationszyklus wie Zwischenblutungen, Ausbleiben der Regelblutung oder Zyklen ohne Eisprung auf. Gehäuft treten diese Phänomene auf, wenn die Epilepsie den Schläfenlappen betrifft. Auch Antiepileptika, wie zum Beispiel die Valproinsäure, können durch einen Abfall des Östradiolspiegels Zyklusunregelmäßigkeiten bedingen.

Empfängnisverhütung bei Epilepsie

Das Thema der Empfängnisverhütung spielt bei Frauen mit Epilepsie eine besondere Rolle, da die Auswahl der Verhütungsmethode stets in Abhängigkeit von Wechselwirkungen mit den eingenommenen Antiepileptika getroffen werden sollte.

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Epilepsie und Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft sollte bei Frauen mit Epilepsie in besonderer Weise vorbereitet und betreut werden. Die Häufigkeit epileptischer Anfälle ändert sich bei der Hälfte der betroffenen Frauen in der Schwangerschaft nicht. Bei 25 % der Frauen nimmt sie zu, bei 25 % verringert sie sich.

Fehlbildungsrisiko

Bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft sollte mit dem betreuenden Neurologen Rücksprache über ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko bedingt durch die antiepileptische Medikation genommen werden. Die verschiedenen Antiepileptika unterscheiden sich in Hinsicht auf das Fehlbildungsrisiko für das Ungeborene erheblich. Als günstige Wirkstoffe haben sich Lamotrigin und Levetiracetam erwiesen, während z.B. Valproinsäure und Topiramat eher eine hohe Fehlbildungsrate aufweisen. Generell sollte eine Monotherapie in möglichst niedriger Dosierung angestrebt und Kombinationstherapien vermieden werden. Prophylaktisch wird die Einnahme von 5 mg Folsäure empfohlen.

Lamotrigin in der Schwangerschaft

Bei Lamotrigin ist zu beachten, dass eine engmaschige Kontrolle des Serumspiegels im Verlauf der Schwangerschaft erforderlich ist, um das Absinken des Wirkspiegels frühzeitig zu erfassen und entsprechend durch Dosisanpassungen entgegenzuwirken. Dosisanpassungen sind unter Therapie mit Lamotrigin ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel zu erwarten.

Epilepsie und Menopause

Die Menopause markiert die letzte Menstruation, auf die keine weitere Regelblutung mehr folgt. Als Perimenopause wird die Lebensphase ein bis zwei Jahre vor und nach der Menopause bezeichnet. In diesem Lebensabschnitt endet die Fruchtbarkeit der Frau aufgrund der nachlassenden Funktion der Eierstöcke. Das durchschnittliche Lebensalter bei Erreichen der Menopause beträgt 51 Jahre. Bei Frauen mit Epilepsie ist dieser Zeitpunkt häufig deutlich vorverlegt, im Mittel sind die Frauen 40 Jahre alt.

In der Perimenopause gerät das zyklische Gleichgewicht des anfallssteigernden Östrogens und des anfallsmindernden Progesterons durcheinander. Zwar reifen in dieser Phase weiterhin östrogenproduzierende Follikel heran, durch ein gehäuftes Ausbleiben des Eisprungs wird jedoch weniger Progesteron freigesetzt. Somit kommt es zu einem „Östrogenüberschuss“, welcher in dieser Lebensphase eine Zunahme der Anfallsaktivität bedingen kann. Bei etwa 15 % der Epilepsie-Patientinnen manifestiert sich die Epilepsie in der Perimenopause.

Hormonersatztherapie in der Menopause

Zu beachten ist, dass die (post)menopausale Substitution von Östrogen bei Frauen mit Epilepsie durchaus zu einer Zunahme der Anfallsfrequenz führen kann.

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