Klavierspielen gegen Demenz: Studienlage und Erkenntnisse

Die Auswirkungen von Musik auf das Gehirn sind vielfältig und werden zunehmend im Kontext der Demenzforschung untersucht. Während im fortgeschrittenen Krankheitsstadium oft die Fähigkeit zur klaren verbalen Kommunikation schwindet, bleibt die Musik häufig bis zuletzt erhalten. Dies äußert sich darin, dass Menschen mit Demenz Melodien summen oder sich musikalisch beteiligen können. Studien deuten darauf hin, dass Musizieren, insbesondere das Spielen von Instrumenten wie dem Klavier, eine positive Wirkung auf die kognitiven Fähigkeiten und die Vorbeugung von Demenz haben kann.

Musik als Brücke in vergessene Welten

Gerontopsychiater Oliver Peters von der Klinik für Psychiatrie in Frankfurt (Oder) begleitet wissenschaftlich das Projekt "Resonare" an der Komischen Oper in Berlin. Dort wird versucht, Menschen mit Demenz durch Musik eine Brücke zu ihrer eigenen, vergessenen Welt zu bauen. Peters erklärt, dass dies auf zwei Gründe zurückzuführen ist: Zum einen sind alte Lieder "hochüberlernt" und wurden immer wieder gespielt oder gesungen. Zum anderen spricht Musik die Emotionen an, die oft noch erreichbar sind.

Musik als Prävention und Gehirntraining

Eine aktuelle Studie aus dem International Journal of Geriatric Psychiatry unter der Leitung von Anne Corbett von der University of Exeter untersuchte die Gehirnleistungen von über 1100 älteren Briten im Zusammenhang mit ihrer musikalischen Aktivität. Die Ergebnisse zeigten, dass Personen, die ein Instrument spielten, ein besseres Gedächtnis und eine höhere Fähigkeit zur Lösung komplexer Aufgaben aufwiesen als Personen ohne musikalische Erfahrung. Instrumente wie Akkordeon und Klavier, die das gleichzeitige Spielen von zwei Stimmen erfordern, schienen dabei stärker zu wirken als Blas- oder Streichinstrumente. Das bloße Hören von Musik zeigte hingegen keine positiven Effekte.

Psychologe Stefan Kölsch von der Universität Bergen betont, dass Musizieren ein umfassendes Gehirntraining darstellt, das Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und soziale Interaktion vereint. Es sei jedoch methodisch schwierig, den schützenden Effekt des Musizierens endgültig zu beweisen. Soziale Faktoren, wie der höhere Bildungsstand und die intellektuell anregenden Berufe von Kindern aus wohlhabenderen Familien, könnten die Ergebnisse beeinflussen.

Die britische Studie zeigte jedoch, dass der Gedächtnisschutz über diese zufälligen Zusammenhänge hinausgeht. Menschen, die bis ins hohe Alter musizierten, profitierten besonders stark. Anne Corbett vermutet, dass auch ein späterer Beginn des Musizierens "sehr vorteilhaft" sein könnte, allein schon wegen des Notenlesens.

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Die PROTECT-Studie: Klavierspielen im Fokus

Eine weitere Studie konzentrierte sich auf die ältere Bevölkerung im Rahmen des PROTECT-Projekts, einer Kohortenstudie zur Identifizierung von Risikofaktoren für Demenz. Das Team um Gaia Vetere von der University of Exeter untersuchte 1107 Freiwillige ohne Demenz-Diagnose. Die musikalischen Erfahrungen der Probanden wurden mithilfe des Edinburgh Lifetime Musical Experience Questionnaire (ELMEQ) erfasst, der die Kategorien "Spielen eines Instruments", "Singen", "Musik hören" und "musikalische Fähigkeiten" abdeckt.

Die Auswertung ergab einen deutlichen Zusammenhang zwischen Musikalität und Kognition. Insbesondere das Spielen eines Musikinstruments, vor allem des Klaviers, war mit besseren Ergebnissen in Tests des Arbeitsgedächtnisses und der Exekutivfunktionen verbunden. Regelmäßiges Singen ging ebenfalls mit besseren Exekutivfunktionen einher, und gute allgemeine musikalische Fähigkeiten korrelierten mit einem besseren Arbeitsgedächtnis.

Die Autoren der Studie folgern, dass lebenslange musikalische Aktivität die kognitive Reserve stärken könnte. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse möglicherweise nicht repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung sind, da unmusikalische Personen in der Stichprobe unterrepräsentiert waren.

Musiktherapie als nicht-medikamentöse Maßnahme

Musik etabliert sich zunehmend als nicht-medikamentöse Maßnahme bei Demenz. Die World Federation of Music Therapy (WFMT) definiert Musiktherapie als "die professionelle Nutzung von Musik und ihren Elementen zur gezielten Intervention in medizinischen, pädagogischen und alltäglichen Kontexten". Sie kann selbst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien eingesetzt werden, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Ein Cochrane-Review untersuchte die Ergebnisse von 30 Studien mit 1720 an Demenz erkrankten Menschen, die mindestens fünf Sitzungen Musiktherapie erhalten hatten. Die Therapien enthielten meist aktive Elemente wie das Spielen von Instrumenten, kombiniert mit rezeptiven Komponenten wie dem Hören von live dargebotener Musik.

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Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Musiktherapie im Vergleich zur üblichen Versorgung depressive Symptome verbessern und möglicherweise auch allgemeine Verhaltensprobleme reduzieren kann. Ob sich die Musiktherapie auf Unruhe, Aggression, emotionales Wohlbefinden oder Kognition auswirkt, ist unklar. Im Vergleich zu anderen Aktivitäten wie Malen verbessert Musiktherapie möglicherweise das Sozialverhalten und verringert möglicherweise Ängste.

Weitere Forschung und laufende Studien

Eine Studie unter der Leitung des Neurologen und Musikwissenschaftlers Eckart Altenmüller in Hannover untersucht die Auswirkungen von Klavierunterricht auf Denken, Lebensqualität und Hirnplastizität bei Senioren. Die Teilnehmer erhalten ein Jahr lang entweder kostenlosen Klavierunterricht oder eine theoretische Ausbildung zur Musikgeschichte. Im Studienverlauf werden umfangreiche Tests durchgeführt und mögliche Veränderungen der Hirnstruktur mit bildgebenden Verfahren wie MRT untersucht.

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