Kratom: Wirkung auf das Gehirn, Studienlage und Risiken

Kratom, gewonnen aus den Blättern des südostasiatischen Kratombaums (Mitragyna speciosa), erfreut sich zunehmender Beliebtheit als vermeintliches pflanzliches Heilmittel. Es wird in verschiedenen Formen angeboten, darunter Pulver, Kapseln und Tee, und online als Mittel zur Linderung von Schmerzen, Angstzuständen, Depressionen und anderen Beschwerden vermarktet. Doch was bewirkt Kratom tatsächlich im Gehirn, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es dazu und welche Risiken sind mit dem Konsum verbunden?

Was ist Kratom?

Der tropische Baum Mitragyna speciosa, der zwischen 4 und 16 Meter hoch werden kann, wurde im 19. Jahrhundert erstmals von dem holländischen Botaniker Pieter Willem Korthals beschrieben. Er gab der Gattung den wissenschaftlichen Namen Mitragyna, weil ihn die Blätter der Pflanze an eine Mitra erinnert haben sollen. Eine Mitra ist die Kopfbedeckung von Bischöfen. Die Pflanze ist in Südostasien auf den Philippinen und Neuguinea beheimatet, wird aber inzwischen auch an anderen Orten kultiviert. In Thailand wird der Baum auch Kratom genannt. Daneben finden sich auch die Bezeichnungen Krathom, Kakuam, Ithang oder Thom (Thailand), Biak-Biak oder Ketum (Malaysia) und Mambog (Philippinen).

Die Blätter des Kratombaums enthalten psychoaktive Substanzen, vor allem die Alkaloide Mitragynin und 7-Hydroxymitragynin. Alkaloide sind natürlich vorkommende organische Verbindungen, zu denen auch Nikotin und Koffein gehören. Diese Stoffe wirken auf bestimmte Rezeptoren im Gehirn, die auch von Opioiden beeinflusst werden. Daher wird Kratom als atypisches Opioid bezeichnet.

Wie wirkt Kratom im Gehirn?

Die hauptsächlichen Wirkstoffe Mitragynin und 7-Hydroxymitragynin binden an Opioidrezeptoren im Körper, was zu einer analgetischen (schmerzlindernden), stimulierenden oder sedierenden Wirkung führen kann, abhängig von der Dosis. In niedrigen Dosen wirkt Kratom anregend, was zu mehr Energie und Wachsamkeit führt. In höheren Dosen wirkt es hingegen beruhigend und schmerzlindernd, was oft zur Schmerzlinderung oder Entspannung genutzt wird.

Zurina Hassan, eine außerordentliche Professorin am Zentrum für Wirkstoffforschung (CDR) der Universiti Sains Malaysia, hat sich intensiv mit den Wirkungen von Mitragynin (Kratom) auseinandergesetzt und wichtige Daten in Bezug auf die Missbrauchstendenz und die negativen kognitiven Effekte erhoben.

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Studienlage zur Wirkung von Kratom auf das Gehirn

Die Forschung zur Wirkung von Kratom auf das Gehirn ist noch begrenzt. Viele Erkenntnisse stammen aus Tierstudien und Fallberichten. Humanstudien sind rar und oft von geringer Qualität. Dennoch gibt es einige Hinweise auf mögliche Effekte:

  • Neurologische Effekte: Fallberichte beschreiben neurologische Effekte wie Schwindel, Krampfanfälle, Schläfrigkeit, Verwirrtheit oder Halluzinationen nach dem Konsum von Kratom.
  • Abhängigkeit und Entzug: Dauerhafter Konsum von Kratom kann eine körperliche Abhängigkeit nach sich ziehen, die bei Abstinenz mit Entzugserscheinungen verbunden ist. Diese Entzugswirkung ist auf die opiumähnliche Wirkung zurückzuführen.
  • Kognitive Effekte: Zurina Hassan hat in ihren Forschungen negative kognitive Effekte von Mitragynin festgestellt.

Risiken und Nebenwirkungen von Kratom

Der Konsum von Kratom ist nicht risikofrei. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist darauf hin, dass der Kratom-Konsum gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge haben kann. Zu den berichteten Nebenwirkungen zählen:

  • Neurologische Symptome: Schwindel, Krampfanfälle, Schläfrigkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen
  • Kardiovaskuläre Effekte: Herzklopfen oder Herzrasen
  • Atemstörungen
  • Leber- und Nierenschädigungen: Fallberichte beschreiben Schädigungen der Leber und Nieren bis hin zu (mehrfachem) Organversagen.
  • Gastrointestinale Probleme: Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung
  • Psychische Effekte: Angstzustände, Depressionen, psychotische Symptome
  • Abhängigkeit und Entzugserscheinungen
  • Todesfälle: Es gibt Berichte über Todesfälle im Zusammenhang mit Kratomkonsum, die vermutlich auf Überdosierungen oder Mischkonsum zurückzuführen sind. In Hamburg wurde ein Todesfall dokumentiert, der ausschließlich durch Kratom hervorgerufen wurde.

Rechtliche Situation in Deutschland

Kratom untersteht in Deutschland derzeit nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Allerdings gibt es generell keine Sicherheit über die in den Produkten enthaltenen Substanzen. Einer Studie zufolge werden Kratomzubereitungen, die im Internet vertrieben werden, teilweise mit anderen synthetischen Wirkstoffen verschnitten. Diese Wirkstoffe können eine stärkere Wirkung erzielen. Dadurch gehen Konsumentinnen und Konsumenten ein unkalkulierbares Risiko ein, insbesondere wenn noch weitere Drogen oder Medikamente eingenommen werden.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt "vor der Anwendung von Kratom zu medizinischen Zwecken", da Sicherheit und Wirksamkeit der Substanz nicht überprüft wurden und Kratom-Präparate daher nicht als Arzneimittel zugelassen sind. Die Gemeinsame Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen beschäftigt sich mit kratomhaltigen Produkten.

Da ein regelmäßiger Verzehr in der EU von Mai 1997 nicht nachgewiesen werden kann, handelt es sich um ein neuartiges Lebensmittel und das Pflanzenpulver müsste zunächst eine Sicherheitsprüfung durch die EU durchlaufen, bevor es als Lebensmittelzutat zugelassen werden könnte. Ein entsprechender Antrag ist bisher nicht erfolgt. Deswegen (unzulässige neuartige Zutat) gab es im Europäischen Schnellwarnsystem RASFF alleine von September bis Oktober 2024 sieben Warnmeldungen dazu.

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Fazit und Empfehlungen

Die Wirkung von Kratom auf das Gehirn ist komplex und noch nicht vollständig verstanden. Während einige Konsumenten von positiven Effekten wie Schmerzlinderung und Stimmungsaufhellung berichten, gibt es auch erhebliche Risiken und Nebenwirkungen, insbesondere bei regelmäßigem oder hochdosiertem Konsum.

Angesichts der unklaren wissenschaftlichen Datenlage und der dokumentierten gesundheitlichen Risiken warnt das BfArM vor der Verwendung von Kratom zu medizinischen Zwecken. Verbraucher sollten sich der potenziellen Gefahren bewusst sein und auf den Konsum von Kratom verzichten.

Wichtige Hinweise:

  • Die Informationen in diesem Artikel dienen nur zu Informationszwecken und ersetzen keine professionelle medizinische Beratung.
  • Wenn Sie Kratom konsumieren oder erwägen, dies zu tun, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker über die Risiken und Wechselwirkungen.
  • Bei gesundheitlichen Problemen nach dem Konsum von Kratom suchen Sie umgehend ärztliche Hilfe auf.

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