Magnesium und Krämpfe: Ein Mythos unter der Lupe

Muskelkrämpfe sind ein weit verbreitetes Phänomen, das viele Menschen quält. Sie treten plötzlich auf, oft nachts oder während des Sports, und verursachen stechende Schmerzen. Die Ursachen sind vielfältig, von Überlastung und Flüssigkeitsmangel bis hin zu Elektrolytstörungen oder Medikamenteneinnahme. Doch was wirklich hilft und wie man vorbeugen kann, ist oft von Mythen umgeben. Besonders hartnäckig hält sich der Glaube an die Wirksamkeit von Magnesium gegen Krämpfe. Dieser Artikel beleuchtet den Mythos Magnesium und Krämpfe und zeigt, was wissenschaftlich belegt ist und welche Alternativen es gibt.

Was sind Muskelkrämpfe?

Ein Muskelkrampf ist eine unwillkürliche, plötzliche und meist sehr schmerzhafte Kontraktion eines Muskels. Die Muskelfasern ziehen sich extrem zusammen und verharren Sekunden bis Minuten in dieser Situation. Besonders häufig treten Muskelkrämpfe beim bzw. nach dem Sport oder nachts auf. Dabei ist die untere Extremität stärker betroffen, insbesondere die Wade, der Fuß und der Oberschenkel.

Ursachen von Muskelkrämpfen

Die Ursachen für Muskelkrämpfe sind vielfältig. Zu den häufigsten gehören:

  • Überlastung: Eine ungewohnte oder übermäßige Belastung der Muskulatur kann zu Krämpfen führen.
  • Flüssigkeitsmangel: Wer zu wenig trinkt, riskiert eine Dehydration, die Muskelkrämpfe begünstigen kann.
  • Elektrolytstörungen: Ein Ungleichgewicht von Mineralstoffen wie Natrium, Kalium, Kalzium und Magnesium kann die Reizweiterleitung in Nerven und Muskeln beeinträchtigen und Krämpfe auslösen.
  • Medikamente: Einige Medikamente, wie Diuretika, Statine, Betarezeptorenblocker und Kalziumantagonisten, können als Nebenwirkung Muskelkrämpfe verursachen.
  • Erkrankungen: Bestimmte Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, Nervenschäden und Schilddrüsenunterfunktion können ebenfalls Muskelkrämpfe auslösen.
  • Weitere Faktoren: Hoher Alkoholkonsum, Unterversorgung mit Kohlenhydraten, Fehlstellungen des Bewegungsapparates, Schwangerschaft und hohes Alter können ebenfalls eine Rolle spielen.

Der Mythos Magnesium

Magnesium gilt als Klassiker gegen Krämpfe. Das Mineral ist tatsächlich für die Muskelfunktion unverzichtbar. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Reizweiterleitung in Nerven und Muskeln und sorgt dafür, dass Muskeln sich nach einer Anspannung wieder entspannen können. Ein Magnesiummangel kann zu Muskelzuckungen, Nervosität, Erschöpfung und Muskelkrämpfen führen. Kein Wunder, dass viele bei Krämpfen sofort zu Tabletten greifen.

Doch die wissenschaftliche Bilanz fällt ernüchternd aus. Große Studien zeigen: Für die meisten Erwachsenen bringt Magnesium als Nahrungsergänzung kaum einen Vorteil - weder zur Vorbeugung noch zur schnellen Linderung bei Krämpfen. Vor allem bei nächtlichen Krämpfen oder sportlicher Überlastung wirkt Magnesium nicht besser als ein Placebo. Bei älteren Menschen ohne Magnesiummangel gibt es bisher keine wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit gegen Krämpfe.

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Der Auslöser des Magnesium-Hypes bei Muskelkrämpfen war vor allem ein Fachartikel aus dem Jahr 1983. Damals berichteten Forscher im Journal "Physiology of Sports Medicine" von einer Tennisspielerin, die beim intensiven Training im Freien immer Krämpfe bekam und unter Magnesiummangel litt. Mit Dosen von 500 Milligramm Magnesium pro Tag verschwanden ihre Krämpfe wieder.

Allerdings ist ein Magnesiummangel als Ursache für einen Muskelkrampf eher selten. Eine Banane z. B. enthält etwa 100-150 mg Magnesium und 100 g Cashew-Nüsse etwa 250 mg. Im Gegenteil kann die Einnahme von Magnesium sogar zu Magenproblemen und Durchfall führen. Darüber hinaus wäre die Menge an Magnesium, die ein Mensch bei Krämpfen zu sich nehmen müsste, derart hoch, dass statt eines positiven Effekts eher die Nebenwirkung Durchfall eintreten würde.

Nur wer tatsächlich einen Mangel hat, etwa durch bestimmte Krankheiten oder Medikamente, profitiert von einer gezielten Magnesium-Zufuhr. Für alle anderen reicht eine ausgewogene Ernährung mit Nüssen, Vollkornprodukten und grünem Gemüse meist völlig aus.

Was hilft wirklich bei Muskelkrämpfen?

Im Akutfall zählt vor allem eins: Dehnen. Wer den verkrampften Muskel vorsichtig streckt und sanft massiert, löst die Blockade meist am schnellsten. Ist die schmerzhafte Muskelkontraktion jedoch erst einmal eingetreten, hilft es, den entsprechenden Körperteil zu dehnen, bei einem Wadenkrampf etwa den Fuß nach oben zu ziehen. Auch Wärme kann helfen, die Muskeln zu entspannen.

Zur Vorbeugung bewährt sich ein ganzheitlicher Ansatz:

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  • Ausreichend trinken: Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, besonders bei sportlicher Aktivität und hohen Temperaturen.
  • Ausgewogen essen: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten versorgt den Körper mit allen wichtigen Nährstoffen.
  • Regelmäßig bewegen: Regelmäßige Bewegung hält die Muskeln fit und beugt Krämpfen vor.
  • Dehnübungen: Spezielle Dehnübungen, besonders abends, können die Krampfneigung senken. Regelmäßige abendliche Dehnübungen von Fuß-, Unterschenkel- und Oberschenkelmuskulatur sind als Basisprophylaxe hilfreich.
  • Alkohol und Koffein in Maßen genießen: Alkohol und Koffein fördern den Verlust wichtiger Elektrolyte.

Gurkenwasser als Geheimtipp

Gurkenwasser, der Sud von eingelegten Gurken, hat sich unter Ausdauersportlern als Geheimtipp herumgesprochen. Ein kräftiger Schluck, und oft lässt der Krampf überraschend rasch nach.

Forschende wollten wissen, was dahintersteckt - und stießen auf eine spannende Entdeckung. Ein berühmtes Experiment zeigte: Nach dem Genuss von Gurkenwasser entspannte sich die verkrampfte Muskulatur deutlich schneller als bei anderen Getränken, nämlich durchschnittlich innerhalb von 85 Sekunden. Die Kontrollgruppe bekam als Placebo destilliertes Wasser und beim Gurkenwasser verkürzte sich die Krampfdauer um knapp die Hälfte.

Das Überraschende: Im Blut veränderte sich so schnell nichts. Die Inhaltsstoffe hatten keine Zeit, bis zum Muskel zu gelangen. Die Theorie: Es ist der intensive Geschmack, der im Rachen einen Reflex auslöst. Ein Signal wandert blitzschnell über das Nervensystem und bremst die überaktiven Nerven, die den Krampf verursachen. Das funktioniert wie ein Not-Aus-Schalter. Der Effekt ist also weniger ein Nachfüllen von Mineralstoffen, sondern ein raffinierter Trick des Nervensystems. Sicher weiß man aber noch nicht, wie dieser Effekt zustande kommt.

Gurkenwasser bleibt eine interessante Option - vor allem für Sportler, die schnelle Hilfe suchen. Aber Vorsicht: Zu viel davon kann wegen des hohen Salzgehalts ungesund werden, besonders bei Bluthochdruck. Wer schwitzt, sollte neben der Flüssigkeit zuallererst Natrium (Salz) ausgleichen. Wird dieser Mineralstoff vernachlässigt, kann die Muskulatur schnell verkrampfen und der gesamte Wasserhaushalt ins Ungleichgewicht geraten. Unter allen Elektrolyten geht Natrium beim Sport mit großem Abstand am meisten verloren, gefolgt von Kalium und Calcium. Achte bei hoher körperlicher Belastung, neben der Flüssigkeitsaufnahme, auf die ausreichende Zufuhr von Salz, zum Beispiel über ein geeignetes Sportgetränk, Energiegels oder Salztabletten.

Sportmythen im Check

Neben dem Mythos Magnesium gibt es noch weitere Sportmythen, die sich hartnäckig halten:

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  • "Bei Muskelkater hilft Dehnen": Falsch! Sportmediziner raten bei einem starken Muskelkater eher, sich auszuruhen und zu schonen. Mit Dehnen wird man den Muskelkater leider nicht los.
  • "Je mehr Training, desto besser": Falsch! Zu viel Sport kann schädlich für den Körper sein. Erholungspausen sind nötig, damit sich Nervenzellen, Sehnen, Bänder, Knochen und Muskeln ausreichend erholen können.
  • "Sport direkt nach dem Essen ist ungesund": Wahr! Wer mit vollem Magen zum Beispiel Joggen geht, muss damit rechnen, Seitenstechen zu bekommen.
  • "Nach dem Training unbedingt einen Proteinshake trinken": Für Hobbysporttreibende gehört dieser Ratschlag ebenfalls zu den Sportmythen. Eine Proteinaufnahme durch eine ausgewogene und gesunde Ernährung ist auf jeden Fall zu bevorzugen.
  • "Man braucht tierisches Eiweiß, um Muskeln aufzubauen": Falsch! Ebenso vollwertig ist es jedoch, pflanzliche Eiweißquellen zu kombinieren, etwa Bohnen mit Mais, Linsen mit Reis oder Haferflocken mit einem Sojadrink.
  • "Während oder nach dem Joggen braucht man isotonische Sportgetränke": In normalen Trainingseinheiten sind mit Kohlehydraten und Mineralstoffen angereicherte Sportgetränke überflüssig. Wichtiger ist es, vor dem Sport genügend Wasser zu trinken.
  • "Sport hemmt das Wachstum von Kindern und Jugendlichen": Falsch! Wissenschaftliche Daten zeigen, dass Sport das Wachstum weder einschränkt noch steigert.
  • "Vor oder nach dem Sport ausgiebig dehnen": Dieser Rat ist tatsächlich ein Sportmythos. Wer sich vor und nach dem Sport dehnt, kann dadurch auch nicht das Verletzungsrisiko oder Muskelschmerzen verringern.
  • "Joggen schädigt die Gelenke und führt zu Arthrose": Im Gegenteil: Für gesunde Gelenke ist Joggen förderlich, da es die Produktion der Gelenkschmiere ankurbelt.
  • "Radfahren macht impotent": Die Aussage „Radfahren macht impotent“ gehört ebenso in die Welt der Sportmythen. Bislang gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür.
  • "Nur Untrainierte schwitzen viel": Auch dieses Gerücht ist falsch. Denn es verhält sich genau umgekehrt: Erst durch regelmäßiges Training kommt der Körper ins Schwitzen.
  • "Die Fettverbrennung beginnt erst nach 30 Minuten": Der Körper verbrennt ständig sowohl Fette als auch Kohlenhydrate, um die Organe und Muskeln mit Energie zu versorgen. Bewegung erhöht sofort den Energieverbrauch.
  • "Musik erhöht die Leistung beim Training": Das Hören von Musik führt tatsächlich zu besseren Leistungen, gesteigerter Motivation, effizienterer Sauerstoffverwertung und einem geringeren Anstrengungsgefühl.
  • "Sport kann bei Depressionen und Angststörungen helfen": In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass körperliche Aktivität antidepressive und angstlösende Effekte erzeugt.

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