Mehr als mein Gehirn: Eine Reise zum Ich-Inhalt

Warum schaffen es manche Menschen, ihre Ziele konsequent zu verfolgen, während andere früh aufgeben? Die Antwort liegt nicht nur in der Willenskraft, sondern auch in der Biologie. Longevity Spezialist Nils Behrens erklärt, wie der anteriore mid-cinguläre Cortex (aMCC) als Schaltzentrale für Motivation und Durchhaltevermögen wirkt.

Einleitung

Motivation ist oft der Schlüssel zum Erfolg, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich. Doch was treibt uns an, unsere Ziele zu erreichen, und warum fällt es manchen Menschen leichter als anderen? Die Neurowissenschaft hat in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen, wie unser Gehirn Motivation und Durchhaltevermögen steuert. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem anterioren mid-cingulären Cortex (aMCC), einem Hirnareal, das eine zentrale Rolle bei der Bewertung von Kosten und Nutzen spielt. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung des aMCC für Motivation, Durchhaltevermögen und Langlebigkeit und zeigt, wie wir dieses Hirnareal trainieren können, um unsere Ziele effektiver zu verfolgen.

Motivation als biologische Ressource

Oft wird Motivation als reine Charakterfrage betrachtet. Doch Studien zeigen: Der aMCC ist messbar aktiv, wenn wir vor schwierigen Aufgaben stehen. Er bewertet nicht nur die Anstrengung, sondern auch die Aussicht auf Belohnung. Wenn der Nutzen groß genug erscheint, gibt er dem Körper das Signal, trotz Müdigkeit oder Schmerzen durchzuhalten. Diese Fähigkeit ist tief mit Longevity verbunden. Denn gesunde Routinen - sei es tägliche Bewegung, ausgewogene Ernährung oder Stressmanagement - sind keine einmaligen Entscheidungen, sondern das Ergebnis wiederholter Selbstüberwindung. Ohne ein aktives Motivationszentrum im Gehirn wäre Nachhaltigkeit im Lebensstil kaum möglich.

Die neurobiologische Basis von Durchhaltevermögen

Bildgebende Verfahren wie fMRT zeigen, dass der aMCC stark reagiert, wenn wir bewusst Anstrengung akzeptieren. Besonders spannend: Menschen mit einer höheren Grundaktivität in diesem Hirnareal zeigen langfristig mehr Resilienz und bessere Leistungen - ob im Sport, im Beruf oder in kognitiven Tests. Für die Forschung zur gesunden Langlebigkeit ist das ein entscheidender Hinweis. Denn Durchhaltevermögen entscheidet nicht nur über kurzfristige Erfolge, sondern über Jahrzehnte hinweg über unsere Gesundheitsspanne. Wer regelmäßig trainiert, ausreichend schläft und seine Ernährung im Griff hat, senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Demenz erheblich.

Motivation trainieren - geht das?

Die gute Nachricht: Der aMCC ist plastisch, er lässt sich trainieren. Mentale und körperliche Übungen können die Aktivität und Vernetzung dieses Hirnareals stärken. Dazu zählen:

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  • Ausdauersport: Regelmäßiges Training verbessert nicht nur Herz und Muskeln, sondern auch die Fähigkeit, Unbehagen auszuhalten.
  • Achtsamkeit und Meditation: Studien zeigen, dass meditierende Personen eine stärkere Kontrolle über den aMCC entwickeln.
  • Kognitive Herausforderungen: Lernen, neue Sprachen oder Musikinstrumente aktivieren ebenfalls das Netzwerk rund um dieses Motivationszentrum.

All das wirkt wie ein Langzeit-Update für das Gehirn - und trägt damit direkt zur Longevity bei.

Motivation als Longevity-Biomarker

In der Medizin spricht man immer häufiger von Verhaltens-Biomarkern: messbaren Eigenschaften, die etwas über unsere Gesundheit vorhersagen. Der aMCC könnte sich als solcher Marker entpuppen. Wer es schafft, gesunde Routinen nicht nur zu beginnen, sondern auch langfristig zu halten, aktiviert dabei ständig dieses Hirnareal. Die Folge: Ein Leben, das nicht nur länger dauert, sondern auch mit mehr Lebensqualität verbunden ist. So wird Motivation selbst zu einer Ressource, die unsere Zellen schützt, Stress reduziert und Heilungsprozesse unterstützt.

Das „Longevity-Mindset“ sitzt im Gehirn

Langlebigkeit hängt nicht allein von Genen oder Umweltfaktoren ab. Sie ist auch eine Frage des Gehirns - und speziell der Fähigkeit, langfristige Ziele konsequent zu verfolgen. Der aMCC ist dabei eine Art inneres Navigationssystem, das uns immer wieder neu ausrichtet: weg von kurzfristigen Belohnungen, hin zu den Handlungen, die auf Dauer unser Leben verlängern. Wer also glaubt, dass Durchhaltevermögen nur eine Tugend ist, unterschätzt die Biologie.

Brain Fog: Was bei Nebel im Gehirn hilft

Vergesslichkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Probleme beim Strukturieren von Handlungen: Wenn das Gehirn wie in Wolken liegt, kann das den Alltag schwer beeinträchtigen. Es ist mühsam, sich zu konzentrieren. Man ringt nach Begriffen oder Namen. Dinge, die gerade noch im Bewusstsein waren, fallen einem plötzlich nicht mehr ein. „Verpeilt“, „neben der Spur“ oder „durch den Wind“ sagt der Volksmund dazu. Meist sind es eher harmlose Faktoren, die für solche Probleme sorgen: zu wenig Schlaf, zu viel Stress oder der Abend gestern, der ein wenig länger wurde. Schafft man es, das Schlafdefizit auszugleiche oder zur Ruhe zu kommen, dann funktioniert auch das Denken wieder wie es soll.

Allerdings gibt es auch Menschen, bei denen solche Zustände keine vorübergehende Sache sind. Stattdessen halten sie Wochen, Monate oder sogar Jahre an. Dafür hat sich der Begriff „Brain Fog“ etabliert. Er beschreibt keine exakte medizinische Diagnose, sondern eine Reihe von Symptomen, die durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden können und es den Betroffenen schwer machen, strukturiert zu denken und zu arbeiten. Durch die Covid-Welle ist das Thema verstärkt ins Blickfeld gerückt - denn Brain Fog kann eines der Symptome von Long Covid sein.

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Was ist Brain Fog?

„Brain Fog“ bedeutet auf Deutsch „Nebel im Gehirn“. Darunter werden vor allem folgende Symptome zusammengefasst:

  • Verwirrtheit
  • Vergesslichkeit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Müdigkeit
  • Antriebslosigkeit
  • Wortfindungsstörungen
  • langsames Denken
  • Orientierungsprobleme
  • Stimmungsschwankungen
  • Kopfschmerzen

Insgesamt macht es der Nebel im Gehirn den Betroffenen schwer, ihre Arbeit und ihren Alltag zu bewältigen. Der Begriff „Brain Fog“ wird in der Regel dann verwendet, wenn die Beschwerden nicht nur kurzfristig und vorübergehend auftauchen, sondern wenn sich daraus ein verfestigter Zustand entwickelt.

Ursachen von Brain Fog

Die unter dem Begriff „Brain Fog“ zusammengefassten Beschwerden können durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden. Einige davon sind eher leicht behebbar, etwa Flüssigkeitsmangel, zu wenig Schlaf, Bewegungsmangel oder schlechte Ernährung. Ein Übermaß an Stress kann ebenfalls für Nebel im Gehirn sorgen. Und auch Veränderungen infolge von Schwangerschaft oder Wechseljahren, können den Zustand begünstigen. Außerdem ist „Brain Fog“ als Symptom diverser Krankheiten und als Nebenwirkung von Therapien dokumentiert. Das gilt zum Beispiel für Diabetes, ADHS, Long Covid und das Posturale Tachykardiesyndrom, also Herzrasen und Schwindel beim Aufstehen. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen können mit „Brain Fog“ einhergehen.

Ein Zusammenhang mit Migräne oder vergangenen Gehirnerschütterungen scheint ebenfalls zu existieren. Außerdem tritt der Zustand als Nebenwirkung von Chemotherapien gegen Krebs und anderen medikamentösen Therapien auf. Und auch im Zusammenhang mit langen Krankenhausaufenthalten wurde „Brain Fog“ beobachtet. Es muss weiter dazu geforscht werden, was die Schwierigkeiten im Gehirn genau auslöst. Es gibt Hinweise darauf, dass „Brain Fog“ in manchen Fällen durch Entzündungen im Gehirn ausgelöst werden könnte. Andere Forschungsergebnisse deuten auf eine fehlerhafte Regulierung des Blutflusses im Hirn der Betroffenen. Und auch ein Mangel an Serotonin, einem wichtigem Botenstoff, der eine Fülle von Funktionen im Gehirn beeinflusst, könnte eine Rolle spielen.

Brain Fog und Corona

Menschen, die dauerhaft oder über längere Zeit unter den Folgen einer Infektion mit dem Corona-Virus leiden, klagen oft über „Brain Fog“. Betroffene sind nicht nur häufig körperlich schnell erschöpft, auch konzentriertes Denken fällt ihnen schwer. Eine wissenschaftliche Hypothese besagt, dass sich die Entzündungsreaktion bei diesen Menschen auch nach der scheinbaren Genesung von Covid noch im Darm fortsetzt. Das wiederum könnte für eine verminderte Produktion von Serotonin sorgen, die Konsequenzen für die Arbeit des Gehirns hat. Ein ähnlicher Mechanismus wurde im Rahmen der Studie auch bei anderen Virusinfektionen beobachtet. Allerdings ist hier noch weitere Forschung nötig.

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Was kann man gegen Brain Fog tun?

Die gezielte Behandlung von „Brain Fog“ als Folge von Krankheiten oder medizinischen Therapien ist in vielen Fällen deshalb problematisch, weil die Wissenschaft noch nicht die genauen Mechanismen verstanden hat, die für die Probleme im Gehirn sorgen. Neben Long Covid gilt das auch für „Brain Fog“ in Folge von Chemotherapien, der bei manchen Menschen noch Monate oder Jahre nach der Behandlung anhalten kann. Für Symptome in den Wechseljahren könnten nach momentanem Forschungsstand Veränderungen im Gehirn verantwortlich sein, die aber in wesentlichen Teilen reversibel sein sollen. Auch kurz vor und nach der Geburt haben viele Frauen das Gefühl, sich schlecht konzentrieren zu können oder Dinge zu vergessen.

Tatsächlich sind bei Schwangeren permanente Veränderungen des Gehirns als Vorbereitung auf die Zeit als Mutter dokumentiert. Allerdings legen Studien nahe, dass die selbst wahrgenommenen Probleme oft mit der Lebenssituation von Frauen kurz vor oder nach einer Geburt zu tun haben könnten - also zum Beispiel mit Schlafmangel und vielen zusätzlichen Aufgaben, die es im Kopf zu behalten gilt. Das Gehirn funktioniert nicht schlechter als vorher. In solchen Fällen erleichtern Notizen den Alltag.

Selbsthilfe gegen Brain Fog

Punktgenaue Behandlungen gegen „Brain Fog“ existieren in solchen Fällen leider nicht, hilfreich kann es aber schon sein, gesünder zu schlafen, sich mehr zu bewegen oder Stress abzubauen. Auch eine gute Ernährung sorgt dafür, dass das Gehirn optimal mit Nährstoffen versorgt wird. Achten sollte man hier auf Kohlenhydrate aus Vollkorn, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (etwa aus Nüssen, Avocados oder Lachs), Eiweiß (vor allem aus mageren Milchprodukten, Eiern, Fisch, Hülsenfrüchten und Nüssen), Gemüse und Obst sowie mindestens anderthalb Liter Wasser oder ungesüßten Tee pro Tag.

Ärztliche Behandlung von Brain Fog

Der „Brain Fog“ ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Oberbegriff für eine Reihe von Symptomen, die von unterschiedlichen Erkrankungen verursacht sein können. Deshalb werden Ärztin oder Arzt versuchen, die Ursache zu finden und zu behandeln, falls dies möglich ist. Zur Behandlung von Diabetes oder ADHS zum Beispiel gibt es Medikamente. Depressionen oder Angstzustände können mit Psychotherapien oder Antidepressiva behandelt werden. Solange das keine Linderung bringt, können Betroffene versuchen, sich mit den Symptomen zu arrangieren, um ihr Leben bestmöglich weiterzuführen. Pausen geben im Alltag dem Gehirn die Möglichkeit, sich zu erholen.

Zentrum für Denken, Fühlen, Handeln: Das Gehirn

Das Gehirn ist die Schaltzentrale und das Denkorgan unseres Körpers. Es besteht aus Milliarden von Nervenzellen und ist ein komplexes, hochempfindliches System. Unser Gehirn sorgt für die Koordination und das reibungslose Funktionieren aller Organe und Gewebe. Auch Sinneseindrücke, Emotionen und Gefühle werden hier verarbeitet. Noch bis ins hohe Alter können Nervenverbindungen neu verknüpft werden, was auch als Neuroplastizität bezeichnet wird. Aufgrund seiner Komplexität ist das Gehirn jedoch immer noch nicht vollständig erforscht.

Aufbau und Funktionen des Gehirns

Das Gehirn, medizinisch „Encephalon“, ist etwa 1,5 bis 2 Kilogramm schwer und liegt innerhalb des Schädels. Es besteht aus unzähligen Nervenzellen sowie vielen Furchen und Spalten. Unser Gehirn steuert dabei alles im Körper - von Bewegungen über Emotionen bis hin zu Gedanken. Und das macht sich bemerkbar: Rund 20 Prozent der täglichen Energiezufuhr beansprucht das Gehirn für sich.

Unser Gehirn benötigt ständig Sauerstoff und neben weiteren Nährstoffen vor allem Glukose, da sie die bevorzugte Energiequelle ist. Jede Gehirnhälfte wird durch drei Arterien und ihre Blutgefäße versorgt. Die Gehirnaktivität entsteht aus elektrischen Impulsen von Nervenzellen. Die Signale werden über die Nervenbahnen blitzschnell weitergeleitet. Dabei leisten die verschiedenen Gehirnareale regelrechtes Teamwork für Körper und Geist.

Die großen Bereiche des Gehirns und ihre Aufgaben

Der Aufbau des Gehirns ist sehr komplex und jeder Bestandteil übernimmt vielfältige Aufgaben. Deswegen geben wir hier einen vereinfacht dargestellten Überblick:

  • Großhirn (Cortex): Das Großhirn ist zuständig für das Lernen, Denken, Erinnern und Planen. Außerdem steuert es bewusste Bewegungen und Sinneseindrücke.
  • Kleinhirn (Cerebellum): Das Kleinhirn ist zuständig für die Koordination, das Gleichgewicht und die Feinmotorik.
  • Hirnstamm: Der Hirnstamm steuert überlebenswichtige Funktionen wie die Atmung, den Herzschlag und den Kreislauf sowie Reflexe und den Schlaf.
  • Hirnhäute: Unser Gehirn ist durch schützende Häute und Flüssigkeit (Liquor) umgeben, die auch als Hirnhäute oder Meningen bezeichnet werden.

Schutzmechanismen des Gehirns

Neben den Hirnhäuten wird das Gehirn auch durch den knöchernen Schädel geschützt. Zusätzlich gewährt die Blut-Hirn-Schranke Schutz, indem sie nur bestimmte Moleküle durchlässt und eine Barrierefunktion zwischen dem Blut und dem zentralen Nervensystem übernimmt. Außerdem gibt es eine Filterfunktion zwischen Blut und Gehirn für Glukose, Blutsalze, Elektrolyte, Hormone und Schadstoffe. Auch Krankheitserreger und bestimmte Medikamente werden dadurch herausgefiltert.

Krankheiten des Gehirns

Verschiedene innere und äußere Einflüsse wie Verletzungen, Stöße, genetisch veranlagte Krankheiten oder Entzündungen im Körper können das Gehirn trotz der Schutzmechanismen schädigen. Einige Beispiele sind:

  • Hirnhautentzündung (Meningitis): Viren oder Bakterien können eine Entzündung der Hirn- oder Rückenmarkshäute auslösen.
  • Gehirnerschütterung: Die Gehirnerschütterung ist die leichteste Form einer Schädel-Hirn-Verletzung.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Bei einem Schädel-Hirn-Trauma treten teilweise ähnliche Symptome wie bei einer Gehirnerschütterung auf.
  • Schädelprellung: Die Schädelprellung ist eine schwerere Verletzung mit Schädigung der Gehirnsubstanz, bei der bleibende Schäden möglich sind.
  • Epidurales Hämatom: Als epidurales Hämatom wird eine Blutung zwischen der harten Hirnhaut und dem Schädelknochen durch einen Gefäßriss beschrieben.
  • Subdurale Hämatome: Ein Bluterguss im Subduralraum zwischen der weichen und der mittleren Hirnhaut entsteht meist durch eine stärkere Hirnprellung.
  • Hirnblutung (Subarachnoidalblutung): Eine Hirnblutung stellt immer einen Notfall dar, da Lebensgefahr besteht.
  • Epileptischer Krampfanfall: Bei einem epileptischen Krampfanfall vor dem 25. Lebensjahr kann die Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung liegen.
  • Multiple Sklerose (MS): Multiple Sklerose ist eine nicht heilbare, chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems.
  • Tumore: Es gibt gutartige und bösartige Hirntumore, die in jedem Lebensalter auftreten können.
  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall tritt durch eine Blockade oder das Platzen eines Blutgefäßes im Gehirn auf, was zu einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung führt.
  • Demenz: Demenz ist eine nicht heilbare Durchblutungsstörung im Gehirn, die durch verschiedene Erkrankungen verursacht werden kann.

Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis

Das Gedächtnis ist eine wichtige Funktion des Gehirns und verfügt über eine Speicherkapazität von mehreren Milliarden Gigabyte. Wenn Dinge mit mehreren Sinnen wahrgenommen werden, können wir sie uns besser einprägen. Die Informationen werden dabei oft mit Bildern oder Geschichten verknüpft.

  • Kurzzeitgedächtnis: Das Kurzzeitgedächtnis hat nur eine begrenzte Speicherkapazität und behält Informationen nur für wenige Sekunden.
  • Langzeitgedächtnis: Das Langzeitgedächtnis kann unbegrenzt und dauerhaft Informationen aufnehmen. Es speichert alle erlebten Ereignisse und gelernten Informationen.

Das Gehirn auf Trab bringen

Mit zunehmendem Alter schrumpft die Hirnsubstanz, und die Denkleistung nimmt ab. Die Weitergabe von Signalen zwischen Nervenzellen wird langsamer, und die Gehirnblutversorgung nimmt ab. Durch gezielte Denkarbeit soll das Gehirn weiterhin gefordert und gewohnte Denkmuster durchbrochen werden. Doch auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle:

  • Lebensstil: Ausreichend Schlaf, ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung sind die Grundlage für einen gesunden Lebensstil.
  • Online-Tests und analoge Medien: Online gibt es viele Gehirn-Trainingsprogramme, die Merkfähigkeit, Konzentration und logisches Denken fördern.
  • Neues lernen: Aktivitäten wie Musizieren, Tanzen oder das Erlernen einer neuen Fremdsprache fordern das Gehirn auf besondere Weise heraus.
  • Soziales Leben: Auch intensive soziale Kontakte wirken sich positiv auf das Gehirn aus.
  • Nahrungsergänzungsmittel: Sogenannte Nootropika, die in natürlicher oder synthetischer Form erhältlich sind, gelten als eine Art „Gehirndoping“.

Vergessen und Erinnern: Strategien zur Gedächtnisverbesserung

Jeder vergisst mal etwas. Warum hat sich die Evolution so etwas einfallen lassen? Der Grund: Ohne einen Mechanismus zum Vergessen könnten wir unnötige Informationen nicht ausfiltern. Um das Gedächtnis zu verbessern, raten die meisten Ärzte zu ein paar grundlegenden Änderungen im Lebensstil. Vor allem genügend Schlaf sei entscheidend. Im Schlaf festige das Gehirn neu Gelerntes und speichere es als Langzeiterinnerung, so Michael Hasselmo, Neurowissenschaftler an der Boston University. Wer trotzdem Schwierigkeiten hat, kann selbst etwas tun. Verschiedene wissenschaftlich fundierte Strategien können das Erinnerungsvermögen verbessern. Welche dieser Strategien passt, richtet sich nach dem individuellen Ziel.

Bedeutung zumessen

„Wenn man etwas neu lernt, verknüpft das Gehirn diese Informationen mit bereits vorhandenem Wissen“, sagt Charan Ranganath. Darum sei es am einfachsten, sich etwas zu merken, indem man ihm eine Bedeutung zumisst. Bedeutung heißt in diesem Fall: Die Informationen passen zu vorhandenem Vorwissen, sie ergeben in einem bestimmten Kontext Sinn oder sie haben eine persönliche Verbindung zur betroffenen Person. Studien zeigen zum Beispiel, dass Menschen neue Vokabeln leichter lernen, wenn sie sie in ihren eigenen Worten ausdrücken. Wenn etwas keine direkte Bedeutung hat - etwa eine Liste mit Zahlen oder Daten - kann es helfen, eine künstliche Bedeutung zu schaffen. Darum geht es bei Mnemotechniken: Das Verwenden von Abkürzungen, Reimen, Alliterationen oder Liedern.

Spaced Repetition

Beim Büffeln für eine Prüfung hilft Studien zufolge eine Verteilung des Stoffs auf mehrere Sitzungen in zeitlichem Abstand. Die Technik heißt Spaced Repetition („verteilte Wiederholung“). Viele Eltern und Kinder werden sie vom Lernen mit Karteikarten aus der Schule kennen. Dabei wiederholt man Vokabeln oder andere Inhalte in strategischen Intervallen. Die Wiederholungen werden in immer größeren Zeitabständen durchgeführt. Spaced Repetition funktioniere, weil man neue Informationen zuerst im Kurzzeitgedächtnis speichert, erklärt Ranganath. Ein weiterer Vorteil von Spaced Repetition: Es erleichtert später das Abrufen der Informationen.

Retrieval Practice

Ein anderer Weg, sich etwas richtig einzuprägen, ist die Selbstabfrage: „Strengen Sie sich dabei richtig an!“, empfiehlt Ranganath. Statt den Lernstoff einfach zu wiederholen, sollte man sich selbst Fragen zum Stoff stellen und diese ohne Hilfsmittel beantworten. Dieser Prozess heißt Retrieval Practice. Er hilft, das Gelernte zu festigen, wie Studien zeigen. Wer Probleme hat, sich Namen zu merken, könnte sogar einfach mal Namen raten, bevor er den richtigen Namen einer Person überhaupt erfährt.

Produktionseffekt

Studien zeigen, dass lautes Lesen oder sogar das Singen von Wörtern dabei hilft, das Erinnern zu verbessern. Dieses Phänomen nennt man „Produktionseffekt“. Der Vorteil könnte in diesem Fall daran liegen, dass das laute Sprechen mehr Sinneskanäle aktiviert als das stille Lesen. Allerdings, warnt der Wissenschaftler, sei der „Produktionseffekt“ für langfristige Erinnerungen möglicherweise nicht so wirksam. Hier seien andere Methoden besser geeignet, etwa Mnemotechniken oder das aktive Abrufen von Wissen. Außerdem zeigt eine Studie aus dem Januar 2024, dass lautes Lesen zwar das Gedächtnis verbessert, nicht aber das Verständnis.

Sinneseindrücke einbeziehen

Zusätzlich zum lauten Lesen kann es hilfreich sein, auch die anderen Sinne einzubeziehen. So bleiben lebendige Erinnerungen an ein Erlebnis erhalten. Wer sich beim Lernen auf Sinneseindrücke konzentriert, aktiviert mehr Gehirnareale und verteilt die Erinnerungen weiter.

Gedächtnispalast (Loci-Methode)

Der Gedächtnispalast, auch Loci-Routen-Methode genannt, ist eine alte Mnemotechnik. Studien zeigen, dass sie das Behalten und Abrufen von Informationen verbessern kann. So funktioniert sie: Zunächst stellt man sich einen vertrauten Ort vor, zum Beispiel das eigene Zuhause. Während man in Gedanken durch die Räume geht, verknüpft man jede Information mit einem bestimmten Ort. Der Gedächtnispalast funktioniert, weil er neue Informationen mit bereits fest verankerten Bildern verknüpft, erläutert Hasselmo.

Was soll in Erinnerung bleiben?

Viele Menschen wollen sich weniger an Fakten und Details erinnern, sondern an wichtige Ereignisse in ihrem Leben. In solchen Fällen empfiehlt Ranganath daher, sich vorab zu überlegen, was von einem wichtigen Erlebnis in Erinnerung bleiben soll.

Rosalía und die Repräsentation von Emotionen im Gehirn

Rosalía, die für ihre musikalische Vielseitigkeit und ihren innovativen Ansatz bekannt ist, veröffentlichte 2022 das Album „MOTOMAMI“, das 16 Songs, doppelt so viele Genres und ein Versprechen auf die Zukunft des Pop enthielt. Nach drei Jahren folgte ein Video und eine neue Single. Schnelle Streicher, ein bisschen Barock, ein bisschen Wagner, dazu ein druckvoller Chor: „Seine Angst ist meine Angst / Seine Wut ist meine Wut / Seine Liebe ist meine Liebe / Sein Blut ist mein Blut“. Rosalía singt in ihrer neuen Single „Berghain“ deutsche Oper.

„Die Flamme dringt in mein Gehirn ein / Wie ein Blei-Teddybär / Ich bewahre viele Dinge in meinem Herzen auf / Deshalb ist mein Herz so schwer“, schraubt Rosalía ihre Stimme in sakrale Höhen. Auf ihrem vierten Album „Lux“, das am 7. November erscheint, will Rosalía in dreizehn Sprachen singen, Latein, Ukrainisch und so weiter. Die erste Single „Berghain“ ist eine kleine Sensation. Denn welch schönere Darstellung für Liebesschmerz könnte es geben, als ein Sinfonieorchester, das die Sängerin im Video Schritt für Schritt durch den Tag verfolgt, beim Bügeln, in den Linienbus, und dazu in maximal klagendem d-Moll die Stimmung verdüstert.

Symbolik und Referenzen

Wo andere Popstars Anspielungen auf die Genitalgröße ihres Verlobten verstecken, verweist Rosalía mit der Zeile „Ich bin nur ein Zuckerwürfel / Ich weiß, dass die Hitze mich schmelzen lässt“, die sie auf Spanisch singt, auf den Film „Drei Farben: Blau“ von Krzysztof Kieślowski, spielt dazu im Musikvideo mit katholischer Symbolik, später erscheinen ihr zutrauliche Tiere wie bei Schneewittchen. Eines der Tiere, ein Rotkehlchen, singt plötzlich mit der Stimme von Björk, die isländische Sängerin haucht der Bridge etwas Spirituelles ein. Für das letzte Drittel kommt Pop-Avantgardist Yves Tumor dazu, die Bilder werden schwärzer, die Streicher kreischen in beunruhigenden Höhen. Die wiederholte, verzerrte Zeile „I’ll fuck you ’til you love me“ unterstreicht den düsteren Charakter der besungenen Beziehung. Vor lauter Unglück wird Rosalía im Video schließlich herzkrank, der Puls und der Takt werden langsamer. Und dann, als letzter Dreh, eine Befreiung: Rosalía verwandelt sich in eine Taube und fliegt davon.

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