Methadon, ein synthetisches Opioid, findet in der Medizin sowohl als Fertigarzneimittel als auch in Form von Rezepturen Anwendung. Während es primär für die Substitutionstherapie bei Opiatabhängigkeit bekannt ist, gewinnt es zunehmend an Bedeutung in der Schmerztherapie, insbesondere bei neuropathischen Schmerzen. Dieser Artikel beleuchtet die Dosierung von Methadon bei Nervenschmerzen, die verschiedenen Anwendungsformen, wichtige Hinweise zur Anwendung und die aktuelle Studienlage.
Methadon: Ein vielseitiges Opioid
Methadon ist ein vollsynthetisches Opioid-Analgetikum, das agonistisch am µ-Opioid-Rezeptor wirkt und somit schmerzlindernde Effekte erzielt. Es existiert in zwei Formen: Levomethadon (L-Methadon) und Dextromethadon (D-Methadon) sowie als Racemat (D,L-Methadon), einer Mischung aus beiden. Während L-Methadon vor allem für seine schmerzlindernde Wirkung bekannt ist, wird D-Methadon eine hustenblockende und möglicherweise auch eine Wirkungsverstärkung bei Chemotherapien zugeschrieben.
Zulassung und Anwendungsgebiete
In Deutschland sind Methadon-haltige Fertigarzneimittel ausschließlich zur Substitutionsbehandlung bei Opiat-/Opioidabhängigkeit bei Erwachsenen zugelassen. Die Anwendung in der Schmerz- und Tumortherapie stellt einen Off-Label-Use dar. Für starke Schmerzen sind in Deutschland laut Fachinformationen nur zwei Levomethadon-haltige Fertigarzneimittel zugelassen: L-Polamidon®, das Schmerzpatienten als Injektionslösung oder Tropfen zur Verfügung steht.
Rezepturhinweise und Individualrezepturen
Im Gegensatz zu Fertigarzneimitteln unterliegen Rezepturarzneimittel keiner Zulassungspflicht für Anwendungsgebiete. Hierbei standardisieren DAC/NRF Rezepturvorschriften, die Ärzte im NRF nachschlagen können. Einen Rezepturhinweis zu einer Lösung mit 10 mg/ml Methadonhydrochlorid zur Schmerztherapie hat das NRF/DAC im Juli 2017 aktualisiert. Diese Rezeptur würde trotz kontroverser Diskussion versuchsweise als Schmerzmittel etwa in der Palliativmedizin und Tumorbehandlung angewendet.
Dosierung von Methadon bei Nervenschmerzen
Die Dosierung von Methadon bei Nervenschmerzen ist individuell anzupassen und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Schmerzintensität, die Art der Schmerzen, das Vorliegen von Begleiterkrankungen und die individuelle Reaktion des Patienten auf das Medikament.
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Allgemeine Dosierungsempfehlungen
In der Schmerztherapie wird Methadon üblicherweise in niedrigeren Dosen eingesetzt als in der Substitutionstherapie. Selten werden hier Dosen von über 70 mg /d benötigt. üblicherweise empfehlen wir die Einnahme von Methadon zur Schmerztherapie verteilt auf fünf Einzelgaben pro Tag, beginnend nach dem Aufstehen und endend vor dem zu Bett gehen. Die mittlere Tagesdosis zur Schmerzlinderung beträgt zwischen 2,5 und 7,5 Milligramm.
Initialdosis und Titration
Patienten, die bisher noch keine Opioide erhalten haben, beginnen mit täglich 2 x 5 Tropfen und steigern täglich um 2 x 1 Tropfen, bis eine Dosis von 2 x 20 Tropfen erreicht wird. Treten unter der Einnahme von Methadon Beschwerden auf, ist die Tropfenanzahl entsprechend zu reduzieren, bis zu der Tropfenanzahl, bei der keine Beschwerden mehr auftreten. Diese Dosierung sollte 5 Tage so beibehalten werden, bis wieder eine Steigerung um 2 x 1 Tropfen erfolgt. Wenn 2 x 20 Tropfen gut vertragen werden, kann auch eine weitere Steigerung bis auf 2 x 35 Tropfen versucht werden.
Umstellung von anderen Opioiden
Bei der Umstellung von anderen Opioiden auf Methadon ist Vorsicht geboten, da Methadon eine lange und variable Halbwertszeit hat. Es ist ratsam, die Dosierung langsam zu titrieren und den Patienten engmaschig zu überwachen, um Überdosierungen oder Entzugserscheinungen zu vermeiden.
Anwendungshinweise
Methadon sollte unverdünnt, also pur eingenommen werden. Da Methadon über die Mundschleimhaut aufgenommen wird, ist es auch bei Schluckstörungen anwendbar. Wichtig ist, die Dosis niedrig dosiert zu starten und langsam zu erhöhen! Außerdem sollte D,L-Methadon als 1 %ige Lösung in einer Pipettenflasche verschrieben (20 Tropfen = 1 ml = 10 mg D,L-Methadon) und nicht im Kühlschrank gelagert werden.
Methadon in der Krebstherapie: Schmerzlinderung und mögliche antitumorale Effekte
Die DGHO unterscheidet in einer aktuellen Stellungnahme zum Einsatz von Methadon bei Krebspatienten klar zwischen Schmerztherapie und Krebstherapie. Die gute schmerzlindernde Wirkung des Mittels ist vielfach nachgewiesen. Methadon ist ein starkes Schmerzmedikament aus der Gruppe der Opioide - natürliche, aus Opium gewonnene oder synthetisch hergestellte Arzneimittel mit schmerzlindernden, dämpfenden und beruhigenden Eigenschaften. Sie binden sich an körpereigene Opioid-Bindungsstellen, sogenannte Rezeptoren, auf Nerven- und anderen Körperzellen.
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Mögliche antitumorale Wirkung
Weil auch Krebszellen Bindungsstellen für Opioide tragen, wird seit längerem über eine mögliche antitumorale Wirkung von Methadon spekuliert. Der Wirkstoff wurde in einer Studie mit 27 Patienten getestet, die an einem Gliom, einem bösartigen Hirntumor, erkrankt waren. Die meisten Patienten erhielten zusätzlich Chemotherapie. Nur neun der 27 Patienten hatten zum Zeitpunkt der Datenauswertung einen Rückfall erlebt. Nach Einschätzung der DGHO bleibe es aufgrund des Studiendesigns allerdings unklar, ob dies tatsächlich der Wirkung von Methadon zuzuschreiben ist oder auf die anderen Behandlungen bzw. günstige Begleitumstände zurückgeht.
Studienlage und Evidenz
Obwohl es inzwischen viele positive Fallbeispiele gibt, ist es schwierig, die Beobachtungen auf andere Patienten zu übertragen. Die einzige klinische Studie zu Gliomen und D,L-Methadon konnte bei 27 Patienten zeigen, dass Methadon ohne erhebliche Nebenwirkungen zur Therapie bei Gliomen, einer bestimmten Art von Hirntumoren, eingesetzt werden kann. In dieser kleinen Patientengruppe war das rezidivfreie Überleben mit Methadon und Chemotherapie prozentual höher als im Vergleich zur historischen Kontrolle (Onken J / Anticancer Res 2017).
Wichtige Hinweise zur Anwendung von Methadon
Bei der Anwendung von Methadon sind einige wichtige Punkte zu beachten, um die Sicherheit des Patienten zu gewährleisten und unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden.
Kontraindikationen
Methadon darf nicht eingenommen werden bei:
- gleichzeitiger Einnahme von Monoaminooxidase-Hemmern (MAO-Hemmern)
- Patienten mit Atemdepression
- während eines akuten Asthmaanfalls
- angeborenem oder erworbenem Long-QT-Syndrom (Abweichung in der elektrischen Erregungsleitung des Herzens)
Bei verminderter Schilddrüsenfunktion, Colitis ulcerosa (entzündliche Erkrankung des Magen-Darm-Trakts), Prostataerkrankungen, zu niedrigem Blutdruck, Krampfleiden und Gallenwegserkrankungen sollte der Wirkstoff nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt eingesetzt werden.
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Wechselwirkungen
Andere Medikamente, die auch auf das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) wirken, können die Wirkungen und Nebenwirkungen von Methadon verstärken. Dazu gehören unter anderem Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Medikamente gegen Depressionen und Antipsychotika. Dies gilt insbesondere in Kombination mit Alkohol.
Bestimmte Antidepressiva aus der Gruppe der MAO-Hemmer (Selegelin, Moclobemid) rufen in Kombination mit Methadon starke Erregungs- oder depressive Zustände hervor, die lebensbedrohlich sein können.
Methadon und viele andere Wirkstoffe werden vom Körper über den gleichen Abbauweg aus dem Körper eliminiert. Bei gleichzeitiger Anwendung kann es daher zu einer gegenseitigen Beeinflussung von Wirkung und Nebenwirkungen kommen.
Da Methadon Einfluss auf das QT-Intervall im Herzen nimmt sollte eine Kombination mit anderen Wirkstoffen, welche ebenfalls das QT-Intervall verlängern können, unterbleiben beziehungsweise durch eine engmaschige ärztliche Kontrolle begleitet werden.
Nebenwirkungen
Häufige Nebenwirkungen von Methadon sind:
- Suchtentwicklung
- Verstopfung
- Sedierung
- Atembeschwerden
- Niedriger Blutdruck
- Toleranzentwicklung
- Schwitzen
- Verkleinerung der Pupillen
- Juckreiz
- Probleme beim Wasserlassen
Eine seltene Nebenwirkung ist die Verlängerung der sogenanntne QT-Zeit (ein Abschnitt im EKG), wobei Herzrhythmusstörungen auftreten können. Diese Nebenwirkung ist bei Methadon ausgeprägter als bei Levomethadon.
Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen
Methadon beeinträchtigt das Reaktionsvermögen. Während der Behandlung mit dem Wirkstoff sollte deshalb auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr und das Bedienen von schweren Maschinen verzichtet werden. Dies gilt insbesondere in Kombination mit Alkohol.
Schwangerschaft und Stillzeit
Methadon wirkt nicht teratogen, allerdings sind nach der Geburt Entzugserscheinungen beim Säugling möglich. Die Entbindung erfolgt daher vorzugsweise in einer Klinik mit Neonatologie. Der Wirkstoff tritt in geringen Mengen in die Muttermilch über. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Mutter unter Methadon-Therapie ihre Kinder stillen. Auch in dieser Situation werden Mutter und Kind optimalerweise engmaschig ärztlich betreut.
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