Migräne mit Lähmungserscheinungen: Ursachen, Formen und Behandlung

Migräne ist eine weit verbreitete neurologische Erkrankung, die durch anfallsartige, oft sehr starke Kopfschmerzen gekennzeichnet ist. Die Schmerzen werden meist als pulsierend, hämmernd oder bohrend beschrieben und betreffen häufig nur eine Kopfseite oder den Hinterkopf. Hinzu kommen oft Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit. In Deutschland ist Migräne die häufigste neurologische Erkrankung. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird eine genetische Veranlagung in Kombination mit verschiedenen Auslösern (Triggern) vermutet.

Was ist Migräne?

Per Definition ist Migräne eine nicht ansteckende Krankheit mit sehr starken Kopfschmerzen. Diese Schmerzen treten in Anfällen (Attacken) auf. Meist betreffen die Schmerzen nur eine Seite des Kopfes oder den Hinterkopf. Betroffene beschreiben sie als pulsierend, hämmernd oder bohrend. Bei körperlicher Anstrengung verstärken sie sich. Oft werden die Migränekopfschmerzen von weiteren Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen oder Sehstörungen begleitet.

Im Akutfall beeinträchtigen die Beschwerden die Betroffenen in ihrem Alltag erheblich, besonders bei schweren Migräne-Anfällen. Die Dauer einer einzelnen Attacke beträgt zwischen vier und 72 Stunden. Sie kann sich - ebenso wie die Intensität der Beschwerden - von Attacke zu Attacke unterscheiden. Auch die Häufigkeit der Migräne-Anfälle und die zeitlichen Abstände dazwischen können variieren.

Je nach dem Grad der Ausprägung ist die Migräne durchaus einschränkend. In manchen Fällen ist es sogar möglich, wegen Migräne einen Antrag auf Behinderung zu stellen. Das ist allerdings von der individuellen Stärke und Beeinträchtigung im Alltag durch die Migräne abhängig. Nicht bei allen Betroffenen stellt die Migräne eine Behinderung dar.

Manche Patientinnen und Patienten leiden unter Migräne, die nachts auftritt. Dann beeinträchtigt die Migräne zusätzlich den Schlaf und verursacht Müdigkeit am nächsten Tag. Ob die Migräne tagsüber oder nachts auftritt, ändert nichts an der Behandlung oder Prophylaxe.

Lesen Sie auch: Vergleichende Analyse: Migräne vs. Epilepsie

Migräne stellt nach dem Spannungskopfschmerz die zweithäufigste Form von Kopfschmerzen dar. Weltweit leiden jeden Tag knapp 16 Prozent aller Menschen unter Kopfschmerzen, und vor allem die Häufigkeit von Migräne scheint immer weiter zuzunehmen.

Ursachen der Migräne

Die genauen Ursachen der Migräne und die zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Man vermutet bei den Betroffenen eine genetische Veranlagung (Prädisposition) - nicht selten tritt Migräne familiär gehäuft auf. Auf Basis dieser genetischen Neigung scheint es im Zusammenspiel mit verschiedenen inneren oder äußeren Faktoren (Triggern) zu den Migräne-Attacken zu kommen.

Genetische Veranlagung

Migräne ist vererbbar - diese Art des Kopfschmerzes kann innerhalb einer Familie weitergegeben werden. Oft handelt es sich um ähnliche Formen der Migräne, aber nicht immer. Es kann also sein, dass die Migräne bei Kindern mit Übelkeit, Sehstörungen und Lichtempfindlichkeit einhergeht, die ebenfalls betroffenen Eltern oder Großeltern aber keine dieser zusätzlichen Symptome aufweisen.

Nach Expertenmeinung liegt Migräne eine polygenetische Veranlagung zugrunde: Veränderungen (Mutationen) in mehreren Genen erhöhen das Migränerisiko. Manche dieser Gene sind an der Regulierung der neurologischen Schaltungen im Gehirn beteiligt.

Andere Genveränderungen werden mit oxidativem Stress in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich um eine erhöhte Konzentration von aggressiven, zellschädigenden Sauerstoffverbindungen. Über welche biologischen Mechanismen diese Genmutationen genau eine Migräne begünstigen, ist bislang aber noch nicht geklärt.

Lesen Sie auch: Neurologische Expertise bei Migräne

Auslöser (Trigger)

Verschiedene Trigger können bei entsprechender genetischer Veranlagung eine Migräne-Attacke auslösen. Welche Faktoren im Einzelfall einen Anfall „triggern“, ist individuell verschieden. Einige Beispiele:

  • Stress: Ein häufiger Auslöser ist Stress im privaten oder beruflichen Umfeld.
  • Veränderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus: Betroffen sind oft Menschen, die im Schichtdienst arbeiten.
  • Reizüberflutung: Wenn das Gehirn zu viele Eindrücke gleichzeitig verarbeiten muss, entsteht ebenfalls Stress.
  • Wetter/Wetterwechsel: Es gibt kein bestimmtes „Migräne-Wetter“, das Attacken verursacht. Viele Betroffene reagieren empfindlich auf schwülwarme Gewitterluft, starken Sturm, Föhnwetter oder sehr helles Licht an einem wolkenlosen Tag. Bei manchen wiederum löst Kälte Migräne-Attacken aus. Warum das so ist, konnte man noch nicht klären.
  • Tyraminhaltige Lebensmittel: Bei einigen Produkten wie Bananen oder bestimmten Käsesorten hat man Tyramin im Verdacht. Das ist ein Abbauprodukt von Eiweißbausteinen (Aminosäuren), das unter anderem die Ausschüttung des Botenstoffes Noradrenalin anregt. Dieser wirkt stark gefäßverengend - auch lokal im Gehirn. Dies könnte der Grund für eine Migräne-Attacke nach dem Genuss von tyraminhaltigen Lebensmitteln sein. Achten Sie darauf, regelmäßig zu essen. Häufig setzen Migräne-Anfälle ein, wenn man zu wenig gegessen hat (Unterzuckerung).
  • Hormonelle Veränderungen: Geschlechtshormone haben einen starken Einfluss auf Migräne. So sind im Kindesalter Mädchen und Jungen noch etwa gleich häufig betroffen. Mit der Pubertät verschiebt sich das Verhältnis: Frauen leiden deutlich häufiger an Migräne als Männer. Vielfach steht die Migräne in Zusammenhang mit der Menstruation. So löst der Abfall des Östrogenspiegels vor der Regelblutung bei manchen Frauen eine Migräne-Attacke aus. Darüber hinaus können hormonelle Verhütungsmittel („Pille“) ebenfalls Migräne verursachen. Deshalb heißt diese Form auch „hormonelle Migräne“.

Formen der Migräne

Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) unterscheidet verschiedene Arten von Migräne. Dazu gehören:

  1. Migräne ohne Aura, mit drei Unterformen:

    • Rein menstruelle Migräne ohne Aura
    • Menstruationsassoziierte Migräne ohne Aura
    • Nicht-menstruelle Migräne ohne Aura
  2. Migräne mit Aura, mit verschiedenen Unterformen:

    • Migräne mit typischer Aura (Unterformen: Typische Aura mit Kopfschmerzen, typische Aura ohne Kopfschmerzen)
    • Migräne mit Hirnstammaura (früher: basiläre Migräne)
    • Hemiplegische Migräne
    • Retinale Migräne
    • Rein menstruelle Migräne mit Aura
    • Menstruationsassoziierte Migräne mit Aura
    • Nicht-menstruelle Migräne mit Aura
  3. Chronische Migräne

    Lesen Sie auch: Migräne als Risikofaktor für Demenz?

  4. Migränekomplikationen, zum Beispiel:

    • Status migraenosus
    • Migränöser Infarkt
    • Epileptischer Anfall, durch Aura getriggert
  5. Wahrscheinliche Migräne mit oder ohne Aura

  6. Episodische Syndrome, die mit einer Migräne einhergehen können, zum Beispiel:

    • Wiederkehrende Magen-Darm-Störungen (z. B. abdominelle Migräne)
    • Vestibuläre Migräne
  7. Stille Migräne

Die Hauptformen sind Migräne ohne Aura und Migräne mit Aura. Betroffene müssen nicht immer an der gleichen Form von Migräne leiden. Haben sie beispielsweise häufig Migräne-Attacken mit Aura, kann trotzdem einmal Migräne ohne die typischen Symptome einer Aura entstehen.

Migräne ohne Aura

Die Migräne ohne Aura ist die häufigste Form von Migräne. Typisch sind anfallsartig auftretende, einseitige, pulsierende Kopfschmerzen von mittlerer bis starker Intensität. Sie verstärken sich durch körperliche Routineaktivitäten (z. B. Gehen, Treppensteigen) und halten vier (bei Kindern und Jugendlichen zwei) bis 72 Stunden an. Begleitet werden sie von Übelkeit und/oder Licht- und Lärmempfindlichkeit.

Migräne ohne Aura bei menstruierenden Frauen

Bei manchen Frauen treten Migräne-Attacken im Zusammenhang mit der Menstruation auf. Das erlaubt die Unterscheidung von Unterformen der Erkrankung. Bei allen Formen sind die oben genannten Kriterien der „Migräne ohne Aura“ erfüllt, aber zusätzlich gilt:

  • Rein menstruelle Migräne ohne Aura: Die Migräne-Attacken treten ausschließlich zwei Tage vor bis drei Tage nach dem Einsetzen der Regelblutung auf, und zwar in mindestens zwei von drei Menstruationszyklen. Der restliche Zyklus ist stets migränefrei.
  • Menstruationsassoziierte Migräne ohne Aura: Auch hier treten die Migräne-Attacken in mindestens zwei von drei Zyklen im Zeitfenster zwei Tage vor bis zwei Tage nach Menstruationsbeginn auf - zusätzlich kann die Migräne aber auch zu einem anderen Zeitpunkt im Zyklus auftreten.

Migräne-Attacken, die während der Menstruation auftreten, sind im Allgemeinen von längerer Dauer und von stärkerer Übelkeit begleitet als Attacken ohne zeitlichen Bezug zur Regelblutung.

Bei menstruierenden Frauen mit Migräne-Attacken, welche die Kriterien der „Migräne ohne Aura“ erfüllen, aber weder die Kriterien der rein menstruellen noch der menstruationsassoziierten Migräne ohne Aura, spricht man auch von nicht-menstrueller Migräne ohne Aura. Experten und Expertinnen sind sich noch nicht einig darüber, ob es sich bei „rein menstrueller Migräne ohne Aura“, „menstruationsassoziierter Migräne ohne Aura“ und „nicht-menstrueller Migräne ohne Aura“ tatsächlich um separate Migräneformen handelt oder nicht.

Migräne mit Aura

Die Migräne mit Aura ist seltener als die Migräne ohne Aura. Die Aura bezeichnet neurologische Symptome, die der Kopfschmerzphase vorausgehen oder zusammen mit dieser auftreten können.

Die Symptome der Aura setzen schleichend ein und zeigen sich auf einer Kopfseite. Sie können Lichtblitze, Flimmern, Sehen von gezackten Linien, Gesichtsfeldausfall, Sprachstörungen, Missempfindungen, unvollständige Lähmungen und Schwindel umfassen. Sie sind vorübergehend und verursachen keine bleibenden Schäden.

Ein CT oder MRT kann helfen, eine Migräne mit Aura von einem Schlaganfall zu unterscheiden. Motorische Symptome und Netzhautsymptome fehlen dagegen.

Symptome der Hirnstammaura können sein:

  • Sprechstörung (Dysarthrie)
  • Schwindel (keine Benommenheit!)
  • Ohrgeräusche (Tinnitus)
  • Hörminderung
  • Doppelbilder (kein Verschwommensehen!)
  • Störung der Bewegungskoordination (Ataxie)
  • Bewusstseinsstörung

Die Migräne mit Hirnstammaura wurde früher basiläre Migräne, Basilarismigräne, Migräne vom Basilaristyp oder Basilararterienmigräne genannt. Hintergrund war die Annahme, dass hier die Basilararterie (eine wichtige Hirnarterie) an der Entstehung der Attacken beteiligt ist. Das gilt mittlerweile aber als unwahrscheinlich, weshalb man heute den Begriff „Migräne mit Hirnstammaura“ bevorzugt.

Hemiplegische Migräne

Ebenfalls eine Form von „Migräne mit Aura“ ist die hemiplegische Migräne (auch „komplizierte Migräne“ genannt). Charakteristisch ist hier eine motorische Schwäche. Zusätzlich treten Symptome im Bereich des Sehens, der Sensibilität und/oder der Sprache bzw. des Sprechens auf.

Die motorische Schwäche bei einer hemiplegischen Migräne-Attacke bildet sich meist vor Ablauf von 72 Stunden vollständig zurück. Manchmal kann sie aber auch wochenlang bestehen bleiben. Der Begriff „Hemiplegie“ bezeichnet eigentlich die vollständige Lähmung einer Körperhälfte. Bei den meisten Attacken einer hemiplegischen Migräne tritt aber keine solche Lähmung, sondern nur eine motorische Schwäche auf.

Unterformen

Eine sporadische hemiplegische Migräne (SHM) liegt bei Patientinnen und Patienten vor, bei denen kein Verwandter ersten oder zweiten Grades (z. B. Mutter, Kind, Großvater, Bruder) ebenfalls unter dieser Migräneform leidet.

Wenn dagegen mindestens zwei Verwandte ersten oder zweiten Grades Migräne-Auren mit motorischer Schwäche aufweisen, diagnostizieren Ärzte eine familiäre hemiplegische Migräne (FHM). Migräne mit Fieber ist eine seltene Form der FMH-Attacke. Normalerweise tritt Fieber bei Migräne nicht unbedingt auf. Selten treten während einer FHM-Attacke noch andere Symptome als die bekannten auf: Bewusstseinsstörungen (bis hin zum Koma), Verwirrung und eine erhöhte Zellzahl in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquorpleozytose). Zudem kommt es in etwa der Hälfte aller Familien mit FHM unabhängig von den Migräne-Attacken zu einer chronischen progressiven zerebellären Ataxie (chronische fortschreitende Störung der Bewegungskoordination), deren Ursache im Kleinhirn liegt.

Retinale Migräne

Die retinale Migräne (Netzhautmigräne) ist selten. Sie ist gekennzeichnet durch wiederholte Anfälle von einseitigen Sehstörungen wie Flimmern vor den Augen, Gesichtsfeldausfall (Skotom) oder - ganz selten - vorübergehender Blindheit. Zusätzlich ist bei dieser Migräne der Augen mindestens eines der folgenden drei Kriterien erfüllt:

  • Die Symptome entwickeln sich allmählich über fünf oder mehr Minuten hinweg.
  • Sie halten fünf Minuten bis eine Stunde lang an.
  • Begleitend oder innerhalb von 60 Minuten treten auch Migränekopfschmerzen auf.

Die retinale Migräne ist nicht zwangsläufig mit Migränekopfschmerzen verbunden - es können auch nur die beschriebenen Sehstörungen auftreten.

Keine Migräne: Ophthalmoplegische Migräne

Wenn es um eine Augenmigräne geht, fällt auch oft der Begriff „ophthalmoplegische Migräne“ (Ophthalmoplegie bedeutet Augenmuskellähmung). Dieser alte Name steht für eine Erkrankung, die von der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft inzwischen nicht mehr als Migräneform eingestuft, sondern zur Gruppe der Neuropathien und Gesichtsschmerzen gezählt wird. Sie trägt heute den Namen „rezidivierende schmerzhafte ophthalmoplegische Neuropathie“.

Bei den Betroffenen kommt es wiederholt zu Lähmungen an einem oder mehreren für Augenmuskelbewegungen zuständigen Hirnnerven (am häufigsten am 3. Hirnnerv) mit einseitigen Kopfschmerzen. Einigen Untersuchungsdaten zufolge können die Kopfschmerzen auch bis zu 14 Tage vor der Augenmuskel-Lähmung auftreten.

Chronische Migräne

Wer an mindestens 15 Tagen pro Monat, und das über mehr als drei Monate hinweg, an Kopfschmerzen* leidet, die an mindestens acht Tagen die Kriterien von Migränekopfschmerzen erfüllen, ist von chronischer Migräne betroffen. Sie kann sich aus einer Migräne ohne Aura und/oder einer Migräne mit Aura entwickeln.

Gemeint sind hier migräneartige und spannungstypartige Kopfschmerzen, aber nicht sekundäre Kopfschmerzen - also nicht solche, die auf eine andere Erkrankung oder äußere Einflüsse zurückzuführen sind (z. B. Kopfverletzung, Infektion).

Migräne mit Aura: Das Alice-im-Wunderland-Syndrom

Menschen, die von Migräne mit Aura betroffen sind, können während der Attacken an diversen Seh-, Gefühls- und Sprachstörungen leiden. Manche entwickeln gar das Alice-im-Wunderland-Syndrom, welches durch eine verzerrte Wahrnehmung geprägt ist. Bei den Wahrnehmungsstörungen erscheinen den Betroffenen beispielsweise der eigene Körper ganz klein und der umgebende Raum riesengroß. Auch Halluzinationen und Orientierungsverlust können auftreten. Der Name des Syndroms leitet sich von dem gleichnamigen Kinderbuch ab, in dem das Mädchen Alice unter anderem abwechselnd schrumpft und wieder wächst. Wahrscheinlich liegen dem Syndrom organische oder funktionelle Veränderungen in einem bestimmten Bereich des Gehirns zugrunde, dem Temporallappen. Das ist aber noch nicht endgültig erforscht.

Migräne und Schlaganfallrisiko

Migräne-Patienten, bei denen dem Kopfschmerz eine Aura vorausgeht, haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Dabei können die Symptome einer Migräne mit Aura denen bei einem Schlaganfall ähneln. Betroffene und auch Angehörige sollten bei Attacken besonders aufmerksam sein. „Bemerken Patienten im Rahmen einer Aura neue neurologische Symptome oder treten Aura-Beschwerden wie Empfindungs-, Seh- oder Sprachstörungen zum gleichen Zeitpunkt wie Kopf- und Gesichtsschmerzen auf, sollte unbedingt auch an einen Schlaganfall gedacht werden“, betont Prof. Gereon Nelles vom Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN).

Eine Aura umfasst neurologische Symptome, die im typischen Fall für die Dauer von ca. 30 Minuten dem eigentlichen Migräne-Schmerz vorausgehen. Sie sind durch eine allmähliche Zunahme und ein langsames Abklingen im Anschluss gekennzeichnet. Aura-Symptome bilden sich in der Regel vollständig - meist innerhalb von einer Stunde - zurück. Am häufigsten handelt es sich um Sehstörungen, die einseitig links oder rechts im Gesichtsfeld auftreten. Etwas seltener treten Auren in Form von Gefühlsstörungen an Armen oder Beinen auf.

„Typisch für einen Schlaganfall sind im Gegensatz zur Migräne-Aura abrupt einsetzende Beschwerden, wie Taubheit, Schwäche oder Lähmungserscheinungen sowie eine plötzliche Sprachstörung und/oder Gleichgewichtsstörungen“, ergänzt der Experte.

Einem Verdacht auf einen Schlaganfall können auch medizinische Laien mit einem einfachen Test nachgehen. Innerhalb kürzester Zeit lassen sich die wichtigsten dieser Anzeichen mit dem sogenannten FAST-Test überprüfen, der aus dem englisch-sprachigen Raum stammt:

  • F steht für Face (Gesicht): Man sollte die Person bitten zu lächeln. Wenn das Gesicht einseitig verzogen ist, deutet das auf eine halbseitige Lähmung hin.
  • A steht für Arms (Arme): Dabei bittet man die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, sie sinken wieder herunter oder drehen sich.
  • S steht für Speech: Ist der Betroffene nicht in der Lage, einen einfachen Satz nachzusprechen oder klingt seine Stimme dabei verwaschen, ist das ein Zeichen für Sprachstörungen.

Diagnose

Die Diagnose von Migräne basiert in erster Linie auf der Anamnese (Krankengeschichte) und der Beschreibung der Symptome durch den Patienten. Bildgebende Verfahren wie CT oder MRT können eingesetzt werden, um andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen, insbesondere bei atypischen Symptomen oder neurologischen Ausfällen.

Behandlung

Die Behandlung von Migräne zielt darauf ab, die Häufigkeit und Intensität der Attacken zu reduzieren und die Symptome im Akutfall zu lindern.

Akutbehandlung

  • Leichte bis mittelschwere Attacken: Periphere Analgetika (Schmerzmittel) und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) können helfen, die Schmerzen zu lindern. Die Wirksamkeit kann durch die zusätzliche Gabe von Prokinetika (Mittel zur Förderung der Magen-Darm-Bewegung) und Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen) verbessert werden.
  • Schwere Attacken: Triptane sind spezifische Antimigränemittel, die in der Regel gut wirksam sind. Sie sollten jedoch erst nach Abklingen der Aura eingenommen werden. Bei Übelkeit und Erbrechen können subkutane oder intranasale Darreichungsformen (Sumatriptan subkutan, Nasenspray, Zolmitriptan Nasenspray) sinnvoll sein.
  • Notfallbehandlung: In der Notfallsituation oder beim Versagen einer oralen Medikation stehen Sumatriptan in einer subkutanen Darreichungsform und Lysin-Acetylsalicylsäure (LAS) zur intravenösen Gabe zur Verfügung. Als weitere Alternative kann auf intravenöse Valproinsäure zurückgegriffen werden.

Prophylaxe

Eine Migräneprophylaxe ist sinnvoll, wenn die Attacken häufig auftreten, die Lebensqualität stark beeinträchtigen oder die Akutmedikation nicht ausreichend wirksam ist. Ziel ist es, die Anzahl der Migräneattacken, die Anzahl der Migränetage und die Intensität jeder Migräneattacke zu senken.

  • Medikamentöse Prophylaxe: Zu den Medikamenten der ersten Wahl gehören Betablocker (Metoprolol oder Propanolol), Kalziumantagonisten (Flunarizin) und Antikonvulsiva (Topiramat; stark eingeschränkt und off label Valproinsäure).
  • Nicht-medikamentöse Prophylaxe: Regelmäßige sportliche Aktivität, eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr, Entspannungsübungen und das Vermeiden von Triggern können ebenfalls dazu beitragen, die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken zu reduzieren.

Hemiplegische Migräne: Besonderheiten in der Behandlung

Bei der hemiplegischen Migräne und Migräne mit Hirnstammaura/vom Basilaristyp galten Triptane und DHE aufgrund eines möglichen, erhöhten Risikos ischämischer Komplikationen als kontraindiziert. In einzelnen retrospektiven Fallauswertungen würde dies jedoch widerlegt werden. Statistisch gesehen betrüge die Rate ischämischer Ereignisse bei HM trotzdem bis zu 23% und es gäbe "keine Substanzen mit klarer Evidenz für den akuten Einsatz bei Migräne mit Hirnstammaura und hemiplegischer Migräne" (Prof. Evers S.). Off Label und im Studiensetting kommt auch Valproinsäure zum Einsatz.

Eine prophylaktische Behandlung mit Propanolol kann weitere Episoden reduzieren.

Selbsthilfemaßnahmen

Zusätzlich zu den ärztlichen Behandlungen können Betroffene selbst einiges tun, um die Migräne zu lindern und die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.

  • Migränetagebuch: Führen Sie ein Tagebuch, um Triggerfaktoren zu identifizieren und den Verlauf der Migräne zu dokumentieren.
  • Regelmäßiger Tagesablauf: Achten Sie auf einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus und regelmäßige Mahlzeiten.
  • Stressmanagement: Erlernen Sie Entspannungstechniken wie Yoga, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung.
  • Ausdauersport: Regelmäßiger Ausdauersport kann die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken reduzieren.
  • Kopfschmerzkalender: Leiden Sie häufig unter Kopfschmerzen ist es ratsam einen Kopfschmerzkalender zu führen. Dort können Sie Kopfschmerzattacken und Begleiterscheinungen eintragen, die Schwere der Schmerzen skalieren und eine Angabe über eingenommene Medikamente machen. Der Kalender hilft Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin dabei, Häufigkeit, Dauer und Verlauf des Kopfschmerzes besser zu überblicken und in Verbindung mit einem Gespräch zu Ihren Lebensgewohnheiten zu einer Diagnose zu kommen. Mittlerweile gibt es zahlreiche kostenfreie Kopfschmerz-Apps, die das Eintragen und Führen Ihres Kopfschmerzkalenders vereinfachen.

Migräne bei Kindern

Kinder können genauso von Migräne und Kopfschmerzen betroffen sein, wie es bei Erwachsenen der Fall ist. Auslöser sind meist Lärm, schlechte Luft, grelles Licht oder Hitze. Aber auch zu wenig Schlaf, körperliche Überanstrengung wie beim Sport oder in der Schule sowie eine ungünstige Körperhaltung können Kinder anfälliger machen. Weiterhin sind Lebensmittelunverträglichkeiten oder Belastungen mit Stress, Ängsten oder Sorgen ein möglicher Grund für die Migräneattacke.

tags: #Migräne #mit #Lähmungserscheinungen #Ursachen