Wenn die Zunge plötzlich taub wird oder sich anfühlt, als würde sie einschlafen, kann das viele Menschen beunruhigen. Dieses Taubheitsgefühl, auch Hypästhesie genannt, kann an verschiedenen Stellen der Zunge auftreten: an der Spitze, einseitig, beidseitig oder sogar die halbe Zunge betreffend. Obwohl solche Empfindungsstörungen durch Nervenschäden oder ernsthafte Erkrankungen verursacht sein können, sind die Ursachen meist harmlos. Begleitende Symptome können wichtige Hinweise liefern.
Harmlose Ursachen für Taubheitsgefühle in der Zunge
Oftmals sind die Ursachen für ein Taubheitsgefühl in der Zunge völlig harmlos. Bestimmte Lebensmittel können beispielsweise die Mundschleimhaut und die Zunge reizen. Dies führt zu einem Kribbeln oder Brennen, manchmal auch zu dem Gefühl einer tauben Zunge. Besonders der Verzehr von Ananas, die das Enzym Bromelain enthält, kann Zungenbrennen verursachen. Auch Kiwis, Kakis oder Zitrusfrüchte können eine ähnliche Wirkung haben oder ein pelziges Gefühl auslösen.
Ein Brennen oder Taubheitsgefühl auf der Zunge kann auch mit einem Mangel an Vitamin B9 (Folsäure) oder Vitamin B12 in Verbindung gebracht werden. Folsäure ist essentiell für die Bildung der roten Blutkörperchen, während Vitamin B12 für eine normale Funktion des Nervensystems benötigt wird.
Schwerwiegendere Ursachen
In seltenen Fällen kann ein Taubheitsgefühl in der Zunge auch auf schwerwiegendere Ursachen hindeuten:
- Schlaganfall: Ein Schlaganfall, der durch eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn entsteht, kann zu Taubheitsgefühlen führen. Die Symptome treten dabei immer plötzlich auf. Neben einer tauben Lippe kann es bei einem Schlaganfall und einer damit verbundenen Lähmung der Gesichtsmuskeln auch zu einer lahmen oder plötzlich tauben Zunge kommen.
- Multiple Sklerose (MS): Im Rahmen einer Multiplen Sklerose kann es zu Schädigungen bestimmter Bereiche des Gehirns kommen, die eine (vorübergehende) Taubheit der Zunge, aber beispielsweise auch Sehstörungen zur Folge haben können.
- Nacken-Zungen-Syndrom: Beim seltenen Nacken-Zungen-Syndrom verursacht eine rasche Drehbewegung des Kopfes einen starken, einseitigen Schmerz im Nacken, genauer gesagt im Bereich des Kopfgelenks oberhalb der Halswirbelsäule (HWS). Gleichzeitig kommt es zu einer Empfindungsstörung auf der zugehörigen Seite der Zunge.
- Burning-Mouth-Syndrom (Zungenbrennen): Das Burning-Mouth-Syndrom zeigt sich durch Empfindungsstörungen in der Mundhöhle, darunter Brennen, Kribbeln, stechende Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl. Auch die Zunge kann davon betroffen sein.
- Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Bei der sogenannten Craniomandibulären Dysfunktion (CMD) handelt es sich um eine Funktionsstörung des Kausystems.
- "Corona-Zunge": Als eines von vielen Symptomen bei mit dem Coronavirus infizierten Personen wurden auch Veränderungen der Zunge beobachtet. Diese werden als "Corona-Zunge" bezeichnet und können sich durch Schwellungen, Rötungen oder einen Belag auf der Zunge und im Mundraum bemerkbar machen.
Weitere mögliche Auslöser
- Verbrennungen: Ein unachtsamer Schluck aus einer heißen Teetasse oder ein Biss in eine ofenheiße Pizza kann die Zunge verbrennen und die Zungenspitze taub machen. Auch der Gaumen kann betroffen sein. Die Folge ist ein unangenehmes Gefühl im Mund, das jedoch im Falle einer leichten Verbrennung nach ein bis zwei Tagen von allein wieder vorübergeht.
- Zahnärztliche Behandlungen: Treten Taubheitsgefühle nach einer zahnärztlichen Behandlung auf, befürchten manche Menschen, dass dabei ein Nerv verletzt wurde. Tatsächlich können Schäden am fünften Hirnnerv, dem Nervus trigeminus, zu solchen Beschwerden führen. In der Regel ist die Erklärung jedoch harmloser: Vor größeren zahnärztlichen Eingriffen im Unterkiefer, beispielsweise dem Entfernen der Weisheitszähne oder einer Wurzelkanalbehandlung, werden Nerven in dem entsprechenden Bereich mithilfe einer Injektion lokal betäubt. Es kann vorkommen, dass dabei nicht nur das Gewebe um die Zähne herum durch das Betäubungsmittel taub wird, sondern zusätzlich die Zunge. Man kann auch sagen, die Zunge schläft ein. Zudem kann die normalerweise nach einer Weisheitszahn-OP auftretende Schwellung auf die Nerven im Kiefer drücken und so zu einer - meist einseitig - tauben Zunge führen.
- Medikamente: Auch einige Medikamente können als Nebenwirkung Missempfindungen im Mund auslösen. So beispielsweise Lidocain, welches als örtlich betäubendes Mittel zur Schmerzlinderung bei einer Mundschleimhautentzündung eingesetzt wird. Ein beeinträchtigtes Geschmacksempfinden und eine taube Zunge sind dabei nicht ungewöhnlich.
Migräne und Aura
Eine Migräne lässt sich meist in drei bis vier Phasen einteilen. Verschiedene Anzeichen - die so genannten Vorboten - kündigen eine Migräneattacke an. Ihnen folgt bei ca. 10 bis 15% der Patienten eine so genannte Aura, bevor die eigentliche Kopfschmerzphase erreicht wird. Man unterscheidet zwei Formen der Migräne: Die klassische Migräne mit einer Aura und eine Migräne ohne Aura. Migräne-Formen ohne Aura beginnen häufig langsamer als die Migräne mit Aura, sie dauern länger an und beeinträchtigen die Patienten mehr als eine Migräne mit Aura. Viele Patienten berichten über Anzeichen, die schon einen Tag zuvor die nächste Migräneattacke ankündigen können. Dem Schmerz gehen dann Hochstimmungen oder das Gefühl einer besonderen Leistungsfähigkeit voraus. Andere leiden unter einer vermehrten Gereiztheit oder unter depressiven Verstimmungen.
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Was ist eine Aura?
Als Aura werden Zeichen bezeichnet, die dem Kopfschmerz direkt vorausgehen. Die Aura besteht häufig aus Sehstörungen, die sehr unterschiedlich sein können. Manche Patienten sehen Lichtblitze oder Farben - am häufigsten flimmernde Zickzack-Linien, die in der Mitte des Sehens beginnen und sich langsam über das Gesichtsfeld ausbreiten. Bei anderen Patienten kommt es zu blinden Flecken im Sehfeld, die sich langsam ausbreiten. Manche Patienten berichten über Schwäche, Taubheit oder ein Kribbeln im Gesicht, an der Hand oder an den Beinen einer Seite. Es kann auch zu Störungen beim Sprechen kommen.
Aura-Anzeichen entwickeln sich meist über einen Zeitraum von 5 bis 10 Minuten (max. 20 Min.) und halten typischerweise etwa 15 bis 30 Minuten (max. 60 Min.) an. Meistens setzt der Kopfschmerz erst nach dem Ende der Aura ein. Manchmal überlappen sich Aura und Kopfschmerz jedoch. Teilweise kommt es auch nur zu einer Aura ohne nachfolgenden Schmerz. Der meist mittlere bis starke Kopfschmerz wird als pulsierend, pochend oder stechend empfunden. Er beginnt in der Regel auf einer Seite und breitet sich auf Stirn, Schläfe und Augenbereich aus. Er kann sich später auf die andere Kopfseite ausdehnen. Etwa jeder fünfte Patient hat Kopfschmerzen auf beiden Seiten. Die Schmerzen treten nicht immer auf der gleichen Seite auf, vielmehr kann die Schmerzseite von Attacke zu Attacke wechseln. Eine Migräneattacke dauert zwischen 4 bis 72 Stunden an.
Typischerweise treten bei einer Migräne neben den Kopfschmerzen, fast immer Appetitlosigkeit sowie in vielen Fällen Übelkeit (80%) Erbrechen (40 bis 50%), Lichtempfindlichkeit (60%), Lärmempfindlichkeit (50%) bzw. Empfindlichkeiten gegen Gerüche (10%) auf. Am Ende der Kopfschmerzphase ändert sich der pulsierende Charakter oft zu einem gleichbleibenden Schmerz. Es folgt häufig eine Schlafphase, mit der die Migräneattacke abklingt. Bestimmte innere und äußere Faktoren können eine Migräne begünstigen („triggern“), sind jedoch nicht ursächlich dafür verantwortlich. Die Bandbreite dieser individuellen Migräne-Auslöser reicht von unregelmäßigem Schlaf, über Hormonveränderungen, bis hin zu bestimmten Nahrungsmitteln oder Alkohol und Wettereinflüssen.
Migräne mit Hirnstammaura
Die Migräne mit Hirnstammaura ist eine sehr seltene Form der Migräne mit Aura. Sobald Patienten an einer Aura leiden, kommt es generell zu neurologischen Ausfällen oder Reizungen, die von den kortikalen (die Großhirnrinde betreffenden) Arealen im Gehirn ausgehen. Im Gegensatz dazu treten die Durchblutungsstörungen bei dieser Unterform im Hirnstamm auf. Daher betreffen die Beschwerden auch die Bereiche, die im Hirnstamm gesteuert werden, zum Beispiel die Motorik.
Folgende, beidseitig auftretende Symptome sind bei der Migräne mit Hirnstammaura möglich:
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- Sprachstörung
- Schwindel (vestibuläre Migräne)
- Tinnitus (Ohrgeräusche)
- Hörminderung
- Doppeltsehen
- beidseitige Sehstörung
- Ataxie (Koordinationsstörung)
- Störung des Bewusstseins
- auf beiden Seiten gleichzeitig auftretendes Taubheitsgefühl (simultane bilaterale Parästhesie) zum Beispiel der Arme
Die Taubheitsgefühle breiten sich häufig allmählich in die Arme oder Beine aus, sodass Patienten beispielsweise nicht mehr in der Lage sind, zu laufen oder zu stehen. Kopfschmerzen stehen bei einer Migräne mit Hirnstammaura nicht im Mittelpunkt - viele Betroffene entwickeln auch gar keine. Für die Patienten ist eine Migräne mit Hirnstammaura belastend: Viele berichten, dass sie nach einer Attacke müde und erschöpft sind und manchmal noch tagelang wackelige Beine haben. Noch dazu sind die Symptome beängstigend, da sie Parallelen zu einem Schlaganfall aufweisen.
Ursachen: Das passiert bei einer Migräne mit Hirnstammaura im Körper
Die ursprünglich für Migräne mit Hirnstammaura verwendeten Begriffe Basilarismigräne oder basiläre Migräne sind auf eine anatomische Struktur zurückzuführen: Die sogenannte Arteria basilaris ist eine Schlagader, die den Hirnstamm mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Bei einer Migräne mit Hirnstammaura liegen funktionelle Störungen im Bereich dieser Arterie vor beziehungsweise kommt es zu Durchblutungsstörungen im Hirnstamm. Daher wurde der Begriff Basilarismigräne mittlerweile durch die medizinisch korrekte Bezeichnung ersetzt. Neben dem Hirnstamm, der unter anderem Atmung, Herzschlag, Sehen, Hören und Tasten reguliert, versorgt die Arteria basilaris auch das Hinterhirn.
Besonderheit der Migräne mit Hirnstammaura: Das Bickerstaff-Syndrom
Das Bickerstaff-Syndrom ist auch bekannt unter dem Locked-In-Syndrom, welches den Zustand der Betroffenen schon ziemlich gut beschreibt: Sie fühlen sich im eigenen Körper gefangen, können sich nicht bewegen oder sprechen, sind aber bei vollem Bewusstsein. In sehr seltenen Fällen ist es möglich, dass Patienten mit einer Migräne mit Hirnstammaura dieses Syndrom entwickeln. Menschen, die bereits ein Bickerstaff-Syndrom erlebt haben, beschreiben den Beginn als normale Migräne-Attacke. Kopfschmerzen, Übelkeit oder Lichtempfindlichkeit gehen der Gefangenschaft im eigenen Körper voraus.
Das macht der Arzt: Diagnose der Migräne mit Hirnstammaura
Für die Diagnosestellung wird von der International Headache Society (IHS) als Kriterium angegeben, dass mindestens zwei der oben genannten Symptome auftreten, sie wieder vollständig verschwinden und keine motorische Schwäche (zum Beispiel Lähmung der Arme oder Beine) vorkommt - erst dann kann von einer Migräne mit Hirnstammaura ausgegangen werden. Taubheitsgefühle zählen zu den sensiblen Störungen und fallen somit nicht unter motorische Symptome.
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Ein intensives Arztgespräch, bei dem die Patienten ihre Symptome genau schildern, steht am Anfang der Diagnosestellung. Hilfreich ist es, sich schon vorher Gedanken zu machen und diese am besten schriftlich festzuhalten. Dazu empfiehlt sich das Ausfüllen eines Migränetagebuchs über einige Zeit. Gut zu wissen: Trotz der Vorgaben ist die Diagnose einer Migräne mit Hirnstammaura eine Herausforderung.
Therapie der Migräne mit Hirnstammaura unterscheidet sich von anderen Migräneformen
Migräne ist eine vielschichte Erkrankung, die noch nicht vollständig verstanden ist. Deswegen ist eine Behandlung, die sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt, die beste Option. Dazu gehört zunächst, persönliche Auslöser zu erkennen und, wenn möglich, zu vermeiden. Weiterhin können Schmerzmittel (Analgetika) die Kopfschmerzen lindern.
Triptane, Schmerzmittel, die speziell zur Behandlung von Migräne entwickelt wurden, sind bei der Migräne mit Hirnstammaura allerdings nicht empfohlen. Der Grund: Die Medikamente bewirken eine Verengung der Arterien im Gehirn. Da nach derzeitigem Wissensstand eine eingeschränkte Blutzufuhr die Ursache für eine Migräne mit Hirnstammaura ist, wird befürchtet, dass eine zusätzliche Verengung durch Arzneimittel die Beschwerden noch mehr verstärkt.
Ein weiterer wichtiger Baustein der Therapie einer Migräne mit Hirnstammaura sind prophylaktische Maßnahmen. Diese haben sich besonders bewährt:
- regelmäßiger Ausdauersport
- Erlernen von Stressbewältigungs- und Entspannungstechniken
- Biofeedback (gezieltes Entspannen von Muskeln)
In einer Ergotherapie kannst du zudem lernen, wie du mit den Beschwerden am besten umgehst. Du musst Migräne-Schmerzen nicht einfach aushalten.
Abgrenzung zur Trigeminusneuralgie
Im fortgeschrittenen Stadium der "CMD" kann es zu Sensibilitätsstörungen im Gesicht kommen. Typischerweise treten diese Sensibilitätsstörungen einseitig auf, können aber auch beidseitig auftreten! Sie werden vom Patienten beschrieben, als prickelndes Gefühl, oder als Ziehen, oder als spinnenwebenartiges Gefühl. Auch eine Taubheit in einem größeren Gesichtsbereich (ohne operativen Voreingriff) wird relativ häufig beschrieben. Die Störungen reichen bis in die Kinn- oder Nasenspitze oder in die Lippen. Die Patienten sind in der Regel sehr beunruhigt weil es keine vernünftige Erklärung für diese Beschwerden gibt. Eine häufige und fast immer unzutreffende Verlegenheitsdiagnose lautet: Atypische Trigeminusneuralgie! Die typische Trigeinsuneuralgie ist nämlich durch folgende Charakteristika gekennzeichnet: 1. Triggerzone. 2. im Zusammenhang mit einer Arteriosklerose. 3. Erkrankung typischerweise jenseits des 60.LJ.
Was tun bei Taubheitsgefühlen in der Zunge?
Da für eine taube Zunge viele verschiedene Ursachen infrage kommen, sollte zunächst nach dem Grund für die Sensibilitätsstörung gesucht werden. Was im Einzelfall gegen die Taubheit getan werden kann, richtet sich nach deren Auslöser. Wird ärztlicher Rat rund um die taube Zunge benötigt, dann sind die Hausarztpraxis oder gegebenenfalls eine zahnärztliche Praxis die richtige Adresse.
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