Multiple Sklerose und Corona-Impfung: Erfahrungen, Empfehlungen und Studien

Die COVID-19-Pandemie hat viele Fragen und Unsicherheiten aufgeworfen, insbesondere für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose (MS). Inwieweit sind MS-Patienten durch das Virus gefährdet? Können Impfungen sicher durchgeführt werden, und wie beeinflussen sie den Verlauf der MS? Dieser Artikel fasst die aktuellen Erkenntnisse und Empfehlungen zusammen, um MS-Betroffenen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten.

Erfahrungen von MS-Betroffenen mit COVID-19

Mitte März 2020, als die ersten Corona-Fälle in Deutschland bekannt wurden, erkrankte auch MS-Betroffene Lena an dem Virus. Lena, eine 23-jährige Frau mit schubförmiger MS, infizierte sich im März 2020 mit dem Coronavirus. Sie erfuhr abends Kopfschmerzen und nachts kaum Luft. Es fühlte sich an, als ob jemand auf ihrem Brustkorb säße. Das war wirklich schlimm. Sie konnte deshalb nicht schlafen und ging am nächsten Morgen zu ihrer Ärztin. Diese stellte außerdem fast 40 Grad Fieber fest und hörte ihre Lunge ab. Die Atemnot, erklärte ihr ihre Ärztin, könnte von Spannungskrämpfen in den Muskeln herrühren. Erst als sie sagte, dass sie gerade eine immunsupprimierende MS-Therapie erhalte, wurde der Abstrich gemacht. Fünf Tage später war alles wieder gut und es ging ihr wieder blendend: kein Fieber, keine Kopfschmerzen.

Obwohl sie sich Sorgen machte, dass sich die Infektion auf ihre MS auswirken könnte, trat kein Schub auf. Lena rät anderen Betroffenen, Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen.

Es gibt bisher keine klaren Belege, dass MS-Patientinnen und MS-Patienten ein generell höheres Risiko haben, an COVID-19 zu erkranken. Ein bisschen, denn ich begann ja einige Wochen vor dem Ausbruch mit einer immunsupprimierenden Therapie. Man war sich nicht sicher, wie sich das auf eine Corona-Infektion auswirken würde. Doch ich hatte keine große Angst und Mitte März waren auch noch nicht so viele Menschen an dem Virus erkrankt. Mitunter kam auch der Gedanke auf: „Ach, ich kriege das schon nicht.“ Allerdings achtete ich darauf, mir noch häufiger die Hände zu waschen. Auch aus dem Grund, weil ich an einer Tankstelle arbeite und viel Kundenkontakt habe. Man weiß ja nicht, wer vorher wo war. Da ist Händewaschen wirklich wichtig, auch bevor man einen Apfel nebenbei isst.

Als feststand: Es ist COVID-19. Ich machte mir große Vorwürfe, weil wir am Wochenende vorher bei meiner Familie und der Familie meines Freundes zum Essen waren. Deshalb mussten alle Kontaktpersonen in Quarantäne, wurden jedoch nicht getestet und zeigten auch keine Symptome. Nachdem ich am Sonntag das Corona-positive Testergebnis bekommen hatte, mussten alle ihre Arbeitgeber informieren. Ihr Freund fiel allerdings länger aus, weil er ja mit ihr zusammen wohnte. Sein Chef meinte: „Hoffentlich hast Du uns das nicht angeschleppt, sonst müssten wir die Firma dicht machen.“ Da dachte sie, „Oh nein, und alles nur, weil ich mich irgendwo bei irgendwem mit Corona angesteckt habe.“ Ich wusste ja auch nicht warum: Ich hatte weder wissentlich Kontakt zu einem Infizierten, noch war ich in einem Risikogebiet.

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Als sie erfuhr, dass es Corona war, ging es ihr zum Glück schon wieder einigermaßen gut. Sie hatte tatsächlich ein wenig Sorge, dass sie die Infektion auf ihre MS auswirken könnte, zum Beispiel, dass sie einen Schub bekäme oder wieder Symptome aufträten. Doch das ist, toi, toi, toi, noch nicht der Fall. Natürlich gibt es Fälle, die schwerer verlaufen, aber mein Beispiel zeigt: Es gibt auch Menschen, bei denen die Erkrankung leicht verläuft. Deshalb lautet ihr Rat: Ruhe bewahren und nicht direkt in Panik verfallen, dass es Corona sein könnte.

Impfempfehlungen für MS-Patienten

Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) rät in Übereinstimmung mit ihrem Ärztlichen Beirat MS-Erkrankten, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Die COVID-19-Impfung ist ein wichtiger Schutz, der schwere Verläufe der Krankheit verhindern kann. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Grippe und die Corona Impfung unter anderem allen Menschen mit chronisch neurologischen Erkrankungen - wozu auch die Multiple Sklerose zählt.

Zeitpunkt der Impfung

Vor Beginn einer MS-Therapie sollte immer der Impfstatus kontrolliert und ggf. fehlende Impfungen nachgeholt werden. Zeitlich sollten die Impfungen ca. zwei bis vier Wochen vor Beginn einer langfristigen Immuntherapie abgeschlossen sein, wenn die MS-Therapie entsprechend verschiebbar ist. Je nach Krankheitsaktivität kann individuell eine frühere Einleitung der MS-Therapie erwogen werden. Ein Herauszögern des Beginns einer MS-Therapie aufgrund einer (anstehenden) Covid-19-Impfung oder aktuell der Boosterung ist je nach Wirkstoff der MS-Therapie, der Schwere der MS-Erkrankung bzw. der MS-Krankheitsaktivität und der individuellen Risikoabschätzung einer Infektion mit SARS-CoV-2 abzuwägen. Während der Immuntherapie können immunsupprimierende oder immunmodulierende Therapien weitergeführt werden. Für die bestmögliche Impfwirksamkeit sollte der Zeitpunkt der Impfung mit einer möglichst geringen Immunsuppression gewählt werden. D.h., dass der Impfzeitpunkt zum Beispiel in die Mitte der Verabreichungsintervalle der immunsupprimierenden oder immunmodulierenden Medikation gelegt werden sollte. Ein Schub sollte, mit und ohne hochdosierte Schubtherapie, mindestens sechs Wochen zurückliegen bevor eine Impfung gegen Covid-19 erfolgt. Dies gilt auch, wenn in einer MRT-Kontrolle, auch ohne neue Symptome, Kontrastmittel aufnehmende Herde nachgewiesen wurden.

Einfluss von MS-Therapien auf die Impfantwort

Moderne MS-Therapien haben ein mehr oder weniger „selektives“ immunsuppressives Potential und können daher die Bildung von Antikörpern in unterschiedlichem Ausmaß beeinflussen. Es liegen aktuell erste Daten zu Impfantworten auf die Corona-Impfung unter den verschiedenen Immuntherapien vor. Allerdings lässt die Datenbasis derzeit nur eine erste Abschätzung weniger hochaktiver Therapien zu. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann dennoch der Impferfolg, aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit anderen Impfstoffen (z.B. der Grippeimpfstoffe), auf die Corona-Impfstoffe übertragen werden. Sollte die Impfantwort als möglicherweise vermindert eingeschätzt werden, kann eine Antikörperbestimmung nach der vollständig durchgeführten Impfung erfolgen. Deren Aussagekraft ist allerdings vorsichtig zu interpretieren, da auch milde Covid-19-Verläufe bei Personen ohne entsprechende Antikörpertiter berichtet wurden.

Nachfolgend sind alle den Verlauf beeinflussenden MS-Therapien mit den bereits vorliegenden Erfahrungen und Erkenntnissen in Bezug auf Impfungen aufgeführt:

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  • Alemtuzumab (Lemtrada): In den ersten sechs Monaten nach einem Therapiezyklus der Therapie erfolgen noch abgeschwächte Impfantworten, von daher sollte der Abstand mindestens sechs Monate betragen.
  • Azathioprin (Imurek): Abgeschwächte Immunantworten in Abhängigkeit von der Dosierung.
  • B-Zell depletierende Therapien (Ocrelizumab/Ocrevus, Ofatumumab/Kesimpta, Rituximab/Mabthera u.a. (off-Label), Ublituximab/Briumvi usw.: Erste Antikörperbestimmungen nach erfolgter Corona-Schutzimpfung bei MS-Erkrankten, die mit B-Zell depletierenden Therapien behandelt wurden, zeigen, dass nach Impfungen mit dem BioNTech-Impfstoff, geimpft vier bis sechs Monate nach der letzten Infusion, nur ein 20-prozentiges Ansprechen bezüglich des Impftiters erfolgt (Achiron A.). Wieweit der weitere Schutzmechanismus einer Impfung, die T-Lymphozyten vermittelte, ausreichend zelluläre Immunität besteht, wird aus Berichten verschiedener Forschungslabore als überraschend gut eingeschätzt. Inzwischen liegen aus zwei Studien Daten zur Impfantwort unter Ocrelizumab vor, die zeigen, dass ein Teil der Behandelten keine ausreichenden Antikörper gegen das Spike Protein bilden, aber die zelluläre Abwehr der unbehandelten Vergleichsgruppe weitgehend entspricht. (Apostolidis et al/Brill et al). Für die neue Variante Omikron soll die zelluläre Abwehr ganz besonders wichtig sein. Eine erste Studie (Faissner S.) für MS-Erkrankte unter Ofatumumab zeigt, dass die Impfung im ersten Jahr der Therapie noch zu Impfantworten führt. Auffrischungsimpfungen der Corona-Schutzimpfung erhöhen die Antikörpertiter(Ziemssen T.). Empfohlen werden kann eine Impfung am besten vier Monate nach der letzten Infusion. Sollten keine ausreichenden Titer festgestellt werden, werden weitere Impfungen empfohlen.
  • Cladribin (Mavenclad): Bisherige Daten zeigen ein Impfansprechen auf den Corona-Impfstoff von BioNTech, ca. drei bis vier Monate nach der letzten Tabletteneinnahme (Achiron A.). Die Impfung erfolgt am günstigsten dann, wenn sich die Lymphozytenzahl weitgehend normalisiert hat, in der Regel drei Monate nach der letzten Tablettengabe. Erste Berichte an kleinen Patientenkollektiven haben Impferfolge bereits ein bis zwei Wochen nach letzter Tabletteneinnahme gezeigt - dies bedarf noch der Bestätigung durch andere Gruppen.
  • Cortison-Therapie: Die übliche Schubtherapie beeinflusst Impfantworten. Impfungen sollten frühestens zwei Wochen, besser vier Wochen nach einer Hochdosistherapie erfolgen.
  • Dimethylfumarat (Tecfidera) und Diroximelfumarat (Vumerity): Keine Hinweise auf verminderten Impfschutz.
  • Glatirameracetat: (Copaxone 20 und 40, Clift): Impfreaktion gegen Grippe etwas geringer, aber ausreichend; gegen Corona ähnlich erwartet.
  • Immunglobuline: Immunglobuline sind körpereigene Immunfaktoren und enthalten viele Antikörper. Sie bieten daher einen gewissen Schutz gegen verschiedene Virusinfekte. Es ist aktuell bereits anzunehmen, dass die in Deutschland verwendeten Immunglobuline schon relevante Antikörper gegen SARS-CoV-2 enthalten. Im Allgemeinen dürften diese Antikörper jedoch niedrigtitrig sein und den Impferfolg nicht verschleiern. Weiterhin werden bereits aus dem Blutplasma von Covid-19 genesenden SARS-CoV-2-Antikörper gewonnen und therapeutisch eingesetzt.
  • Interferon-beta (Avonex, Betaferon, Extavia, Plegridy, Rebif 22 und 44): Impfungen gegen Grippeviren zeigten eine gegenüber nicht Interferon-beta Behandelten vergleichbare Impfantwort. Bezüglich der Covid-19-Impfungen gibt es vereinzelt Hinweise, dass eine Therapie mit Interferon-Präparaten keinen Einfluss auf die Impfantwort hat. Ein Therapiebeginn mit Interferonen-Präparaten sollte nicht aufgrund einer noch ausstehenden Covid-19-Impfung verschoben werden. Während der Therapie ist, wenn möglich, die Impfung zeitlich jeweils an einem anderen Tag als die Interferon-Applikation zu legen.
  • Mitoxantron (Novantron, Ralenova): Aufgrund des Wirkungsmechanismus ist während der Therapiezyklen eine verminderte Impfantwort zu erwarten, die auch nach Beendigung des letzten Zyklus, der langfristige Blutbildveränderungen mit sich bringt. Es sollte mindestens ein Abstand von sechs Monaten nach der letzten Gabe zur Durchführung einer Corona-Schutzimpfung eingehalten werden.
  • Natalizumab (Tysabri): Impfantworten gegen Grippeviren waren etwas vermindert, aber ausreichend. Bzgl. der Covid-19-Impfungen gibt es vereinzelt Hinweise, dass eine Therapie mit Natalizumab keinen Einfluss auf die Impfantwort hat, sodass die regelmäßigen Infusionen mit der Corona-Schutzimpfung auch zeitnah einhergehen können.
  • Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor Modulatoren (Fingolimod/Gilenya, Ozanimod/Zeposia, Siponimod/Mayzent und Ponesimod/Ponvory): Unter der Therapie mit Fingolimod ist ein reduzierter Impferfolg zu berücksichtigen. Erste Antikörperbestimmungen nach erfolgter Corona-Schutzimpfung bei MS-Erkrankten, die mit Fingolimod behandelt werden, zeigen, dass nach Impfungen mit dem BioNTech-Impfstoff nur selten Antikörperentwicklung nachweisbar war (Achiron A.). Bei den Neuen Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor Modulatoren (Siponimod, Ozanimod, Ponesimod) kommt es in den meisten Studien zu einem guten Impferfolg.. Man sollte sich hier vergegenwärtigen, dass die Patienten hiermit maximal 17 Monate behandelt sind und keine Langzeit-Beeinflussung des Immunsystems vorliegt. Eine Unterbrechung einer Therapie mit Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulatoren zur Durchführung der Corona-Schutzimpfung ist aufgrund der bekannten, ungünstigen „Rebound-Effekte“ aus unserer Sicht nicht zu empfehlen.
  • Autologe Knochenmarkstransplantation (sog. Stammzelltherapie): Es sind mindestens sechs Monate Abstand zwischen Stammzelltransplantation und Impfung zu empfehlen, um eine ausreichende Impfantwort zu erreichen.
  • Teriflunomide (Aubagio): Unter Aubagio kann der Impferfolg bei üblichen Impfungen reduziert sein, wird aber im Allgemeinen als ausreichend angesehen.

Studien zur COVID-19-Impfung bei MS

Mehr als 3.000 MS-Erkrankte beteiligen sich bereits an der Beobachtungsstudie von DMSG und MS-Register. Um allen MS-Betroffenen in Deutschland auch Daten zur Verträglichkeit der verschiedenen Impfstoffe, insbesondere im Hinblick auf den Verlauf der MS zur Verfügung stellen zu können, hat die DMSG in Zusammenarbeit mit dem MS-Register (MS Forschungs- und Projektentwicklungs-gGmbH (MSFP) eine Beobachtungsstudie gestartet, in der die Erfahrungen von geimpften MS-Erkrankten analysiert werden. Hierzu wurde in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eine offizielle Anwendungsbeobachtungsstudie zu den verfügbaren SARS-CoV-2-Impfstoffen bei MS-Erkrankten aufgesetzt.

Ziele der Studie

Die zur Impfung zugelassenen Impfstoffe gegen Corona-Viren auf mRNA- oder Vektorbasis sind neu entwickelt worden. In den Zulassungs-Studien waren Probanden mit Autoimmunerkrankungen, zu denen auch Multiple Sklerose gehört, ausgeschlossen. Demzufolge liegen bislang keine bzw. für die Zeit nach der Zulassung nur sehr wenig belastbare Daten vor hinsichtlich der Wirkung bei dieser Personengruppe. Das Ziel dieses Forschungsprojektes besteht darin, unmittelbare Impfreaktionen nach einer COVID-Impfung zu erfassen und auf Zusammenhänge mit den soziodemografischen und klinischen Merkmalen von Menschen mit Multipler Sklerose zu überprüfen. Außerdem sollen mögliche Zusammenhänge zwischen Impfreaktionen und aktueller Immuntherapie sowie zwischen der Impfung und der MS-Schubrate bzw.

Teilnahme an der Studie

An der Beobachtungsstudie können volljährige MS-Erkrankte teilnehmen, die mit einem oder mehreren der in Deutschland zugelassenen SARS-CoV-2-Impfstoff(e) geimpft worden sind. Dabei ist es unerheblich, ob sie zum Zeitpunkt der Studienteilnahme die erste Impfung oder bereits die erste Folgeimpfung (= 2. Impfung) erhalten haben. Zur Erfassung Ihrer Daten werden Sie gebeten, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Dieser Fragebogen ist ausschließlich über die Internetseite des MS-Registers (MS Forschungs- und Projektentwicklungs-gGmbH (MSFP) verfügbar.

Dokumentation

Erfasst werden Basisdaten wie Alter (Geburtsmonat und-jahr), Geschlecht, Zeitpunkt der Erstsymptome, MS-Verlaufsform, Behinderungsgrad, aktuelle und vergangene Immuntherapien, begleitende sonstige Autoimmunerkrankungen und Datum des letzten MS-Schubs. Des Weiteren werden Daten im Zusammenhang mit der COVID-Impfung erfragt, wie das Datum der ersten, zweiten (dritten) Impfung, Verträglichkeit, Zunahme oder Neuauftreten von MS-Symptomen, (Veränderungen in der) Behinderung, Schubaktivität, jeweils Abfrage nach drei, sechs und 18 Monaten nach der Impfung.

Bedeutung der Studienergebnisse

„Bisher liegen keine umfassenden Studien-Ergebnisse über die SARS-CAV2-Impfungen bei Multiple Sklerose-Erkrankten vor. Für die individuelle Beratung unserer Patienten sind wir auf entsprechende Daten angewiesen. Um einen höchstmöglichen Schutz für unsere MS-Patienten vor und nach einer Impfung gegen Covid-19 zu ermöglichen, bitten wir Sie, sich an der Online-Befragung zu beteiligen“, betont Prof. Dr. med. Uwe Zettl, Universitätsmedizin Rostock, Mitglied der wissenschaftlichen Begleitgruppe des MS-Registers und Mitglied im Ärztlichen Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.

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Die von Ihnen angegebenen Daten werden ohne Personenbezug mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), welches in Deutschland als Bundesoberbehörde für die Zulassung und Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen zuständig ist, geteilt. Die DMSG wird kontinuierlich auf www.dmsg.de und in der Verbandszeitschrift aktiv! über den Verlauf der Studie informieren. Eine erste Zwischenauswertung ist Ende 2021 zu erwarten, eine zweite Anfang 2022. Auch in wissenschaftlichen Konferenzen und Fachjournalen werden wir in regelmäßigen Abständen über den Fortschritt der Studie und auch die Ergebnisse berichten.

Impfbereitschaft von MS-Erkrankten

Das Team des MS-Registers unter dem Dach der MS Forschungs- und Projektentwicklungs-gGmbH (MSFP) des DMSG-Bundesverbandes hat den Patienten-Fragebogen zum Umgang MS-Erkrankter mit der Pandemie aktualisiert. Ziel der aktualisierten Umfrage ist es, ergänzende Erkenntnisse über die Einstellung von MS-Erkrankten bezüglich einer Impfung gegen das Corona-Virus zu gewinnen. Nach der Auswertung von über 900 Teilnehmer-Daten an der Beobachtungsstudie zur Corona-Schutzimpfung analysiert die MSFP, dass beinahe 90 Prozent aller MS-Erkrankten sich impfen lassen wollen.

Auswirkungen der Impfung auf MS-Schübe

Es gibt in Studien keine Hinweise darauf, dass eine Impfung gegen SARS-CoV-2 bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) die Zahl der Schübe erhöht. Das krankheitsbezogene Kompetenz­netz Multiple Sklerose (KKNMS) hat darauf hingewiesen, dass der Nutzen einer COVID-19-Impfung bei weitem größer ist als ein möglicher Schaden durch Nebenwirkungen der Impfung - und das gilt auch oder gerade für Men­schen mit chronischen Erkrankungen wie der MS.

Eine Studie aus Israel zur COVID-19-Impfung von über 500 Patienten mit MS habe zum Beispiel ergeben, dass im Zusammenhang mit der 1. Impfung mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer 2,1 % der geimpften Personen mit MS einen Schub erlitten, nach der 2. Impfung wurden bei 1,6 % der Kohorte MS-Schübe dokumentiert (Multiple Sclerosis Journal, 2021; DOI: 10.1177/135245852110034). Dieser Prozentsatz entspreche genau dem Anteil an MS-Patienten mit Schüben im Vergleichszeitraum der Jahre 2017 - 2020, also vor Verfügbarkeit der COVID-19-Impfung. „Die Zahlen machen demnach einen kausalen Zusammenhang unwahrscheinlich“, so das KKNMS.

Eine weitere Impfstudie aus Italien belege diese Beobachtung. 2 Monate nach der COVID-19-Impfung von 324 Personen mit MS mit den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna wurde bei 2,2 % der Kohorte ein MS-Schub dokumentiert, 2 Monate vor der Impfung erlitten 1,9 % der Kohorte einen MS-Schub (Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 2021; DOI: 10.1136/jnnp-2021-327200). „Auch diese Daten belegen, dass die Impfung nicht zur Veränderungen der Krankheitsaktivität führt und nicht als kausal für das Auftreten von MS Schüben angesehen werden kann“, hieß es aus dem Kompetenz­netz.

Antikörperbildung nach Impfung

Auch nach drei oder vier COVID-19-Impfungen bilden Menschen mit MS, die mit Anti-CD20-Therapien behandelt werden, weniger Antikörper gegen SARS-CoV-2 als gesunde Impflinge. Dennoch entwickelte jeder fünfte Betroffene, der nach zwei Impfungen keine Antikörper im Blut hatte, diese doch noch nach einer dritten Impfung. Interessanterweise verbesserte sich auch die Funktionalität der vorhandenen SARS-CoV-2-Antikörper nach einer dritten oder vierten Impfung - die Antikörper banden stärker an das Virus und neutralisierten neuere SARS-CoV-2-Varianten besser. Unsere Studie zeigt, dass anti-CD20-behandelte MS-Patient:innen von Boosterimpfungen profitieren, besonders auch im Hinblick auf neue Virusvarianten. Die Ergebnisse unterstützen damit die Leitlinien-Empfehlungen für zusätzliche Auffrischungsimpfungen bei dieser Personengruppe.

COVID-19-Impfung und MS-Immuntherapie

Covid-19 Impfung bei laufender Immuntherapie ist ungefährlich. Ein zeitlicher Abstand zur letzten Ocrevus-Behandlung ist wünschenswert, jedoch kein Muss, so Prof. Mathias Mäurer auf MS-Docblog.

Dritte Corona-Impfung bei Multipler Sklerose?

Prof. Mathias Mäurer beruhigt in diesem Video-Interview Menschen mit Multipler Sklerose. Eine Auffrischungsimpfung ist zwar grundsätzlich gut, doch MS-Betroffene sind individuell auf der sicheren Seite, wenn sie zwei Mal Mehr. Für Menschen mit MS, die mit Immuntherapeutika behandelt werden, die die Impfantwort beeinträchtigen - was zum jetzigen Zeitpunkt insbesondere für Ocrelizumab und S1P-Modulatoren mit Daten gezeigt werden konnte - und solchen mit negativem anti-S-Antikörpertest kann sechs Monate nach der zweiten Impfung eine dritte Impfung gegen COVID-19 mit einem mRNA-Impfstoff erwogen werden. Auch wenn für die dritte Impfung von Risikogruppen noch keine Empfehlung der STIKO vorliegt und damit spezifische medizin-rechtliche Fragen noch offen sind, so lässt sich die Empfehlung aufgrund der derzeitig verfügbaren Evidenz im Rahmen der ärztlichen Fürsorgepflicht rechtfertigen. Zudem konnte gezeigt werden, dass bei organtransplantierten, PatientInnen unter Hämodialyse und immunsuppressiv-behandelten PatientInnen durch eine dritte Impfung die Rate der Antikörper-positiven PatientInnnen von 40% (nach der zweiten Dosis) auf 60% (nach der dritten Dosis) gesteigert werden konnte (9, 10).

Empfehlungen für die Corona-Saison 2023/24

Auch wenn die Gefahr nachgelassen hat: Manche Menschen mit MS tragen nach wie vor ein erhöhtes Corona-Risiko. Wer sich wann am besten impfen lassen sollte und was zu tun ist, wenn dennoch eine Corona-Infektion auftritt - Mehr … Ja, MS-Betroffene sollten sich weiter gegen Corona impfen lassen. Einmal im Jahr, möglichst im Herbst.

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