Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die für Betroffene und ihre Angehörigen eine tiefgreifende Veränderung im Leben darstellt. Die Erkrankung kann sich durch vielfältige Symptome im Alltag bemerkbar machen. Weltweit sind etwa 2,9 Millionen Menschen von MS betroffen, wobei die Mehrheit der Diagnosen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren gestellt wird, mit einem Durchschnittsalter von 33 Jahren. MS ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen bei jungen Erwachsenen, wobei Frauen etwa dreimal häufiger betroffen sind als Männer. Obwohl MS hauptsächlich junge Erwachsene betrifft, können auch Kinder und ältere Menschen daran erkranken.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose (MS) ist laut Definition eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, bei der das Immunsystem die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark angreift und schädigt. Charakteristisch für MS ist die Zerstörung der Myelinscheide, einer schützenden Hülle um die Nervenfasern. MS ist nicht ansteckend, nicht zwangsläufig tödlich, kein Muskelschwund und keine psychische Erkrankung. Auch die häufig verbreiteten Vorurteile, dass MS in jedem Fall zu einem Leben im Rollstuhl führt, sind so nicht richtig.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genaue Ursache der Erkrankung ist nicht vollständig geklärt, jedoch spielen genetische Aspekte und Umweltfaktoren eine Rolle. MS entsteht durch eine fehlerhafte Immunreaktion, bei der das Immunsystem die Myelinscheiden der Nervenfasern im zentralen Nervensystem angreift und schädigt. Hier sind die Auslöser und Risiken, die Multiple Sklerose begünstigen im Überblick:
- Genetische Faktoren: Eine genetische Prädisposition spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Multipler Sklerose. Mehrere Gene, insbesondere solche, die das Immunsystem beeinflussen, sind mit einem erhöhten Risiko für MS verbunden. Familienmitglieder von Betroffenen haben daher ein höheres Risiko, selbst an MS zu erkranken. Von einer direkten Vererbung einer MS kann also nicht die Rede sein. Vererbt wird eher eine "Neigung", die Erkrankung möglicherweise zu bekommen, eine sogenannte Prädisposition.
- Umweltfaktoren: Die geografische Lage hat ebenfalls Einfluss auf das Risiko für MS. In Regionen, die weiter vom Äquator entfernt liegen, ist die Prävalenz von MS höher. Dies könnte mit niedrigeren Vitamin-D-Spiegeln durch geringere Sonneneinstrahlung zusammenhängen. Vitamin D spielt eine wichtige Rolle in der Immunregulation: Niedrige Vitamin-D-Spiegel sind mit einem höheren Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken, verbunden. Als potentielle Faktoren, die eine solche "Neigung" weiter verstärken können, werden zum Beispiel der Einfluss von Umweltfaktoren wie Infektionen im Kindesalter, aber auch andere Aspekte, wie Vitamin D und die Ernährung vermutet.
- Virale Infektionen: Das Epstein-Barr-Virus (EBV) steht in starkem Zusammenhang mit MS, da fast alle Betroffenen seropositiv (Nachweis von Antikörpern im Blut) für EBV sind. Das Virus könnte für die fehlerhafte Immunreaktion verantwortlich sein und somit einen Auslöser für Multiple Sklerose darstellen. Auch andere virale Infektionen könnten eine Rolle spielen, aber EBV zeigt den stärksten Zusammenhang mit MS.
- Rauchen: Rauchen ist ein weiterer signifikanter Risikofaktor. Raucherinnen und Raucher haben ein höheres Risiko, an MS zu erkranken. Außerdem kann Rauchen den Verlauf der Krankheit beschleunigen sowie die Progression der Erkrankung fördern.
Symptome von Multipler Sklerose
Es gibt eine Vielzahl von Anzeichen, die auf Multiple Sklerose hindeuten können. Welche Symptome bei Multipler Sklerose (MS) auftreten, kann je nach betroffenem Bereich des zentralen Nervensystems variieren. Multiple Sklerose ist bekannt für ihre vielfältigen und oft unvorhersehbaren Symptome, die sich im Laufe der Zeit ändern können und häufig in Schüben auftreten. Die Symptome hängen davon ab, welche Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark betroffen sind. MS-Symptome können an mehreren Stellen im Körper auftreten.
Häufig tritt eine Optikusneuritis auf, bei der es zu einer Entzündung des Sehnervs kommt. Besonders im Frühstadium der Erkrankung entzündet sich häufig der Sehnerv von MS-Erkrankten. Zu Beginn der MS-Erkrankung treten häufig motorische Störungen auf - wie Lähmungen und Sehstörungen mit Verschwommen- oder Nebelsehen als Ausdruck einer Entzündung der Sehnerven (Optikusneuritis).
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Motorische Störungen sind bei der Multiplen Sklerose relativ oft zu beobachten. Viele Betroffene berichten zudem, dass sich ihre Arme oder Beine „pelzig“ anfühlen. Das Gehen fällt ihnen schwer, das Stehen wird anstrengend, weil „die Beine irgendwie nicht da sind“. Sind die Arme betroffen, wird oft das Greifen ungenau oder Gegenstände lassen sich nicht sicher festhalten. Durch die MS kann es zu Muskelschwäche und verlangsamten Bewegungsabläufen kommen. Man fühlt sich „schwach auf den Beinen“, stolpert öfter und hat das Gefühl, die Kontrolle über seinen Körper, Muskeln und Gelenke zu verlieren. Hinzu kommt, dass es bei einigen Erkrankten zu einer erhöhten Muskelspannung kommt, die manchmal auch mit einer Verkrampfung und Steifigkeit der Muskeln (Spastik) einhergeht. Das kann schmerzhaft sein und die Bewegungen zusätzlich stören. Spastische Lähmungserscheinungen betreffen vor allem die Beine.
Bei einer Multiplen Sklerose treten häufig Blasen- und Darmstörungen auf. Dabei werden die „Kommandos“ nicht mehr oder nur verlangsamt über die Nervenbahnen weitergeleitet. Blasenstörungen können sich als häufiger, nicht gut kontrollierbarer Harndrang (imperativer Harndrang), einer Blasenentleerungs-Störung bis hin zur Inkontinenz oder als kombinierte Schädigung zeigen. Verstopfungen können sehr schmerzhaft sein. Bestenfalls haben Sie einen guten Überblick über alle Stuhlgänge im Pflegealltag und bemerken so rechtzeitig, wenn etwas untypisch ist. In einem Stuhlprotokoll können Sie alle Stuhlgänge dokumentieren. Das Protokoll liefert unter anderem Hinweise auf Verdauungsprobleme oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Ungewollter Harnverhalt (Ischurie; Wasserlassen kaum bis nicht möglich). In diesen Fällen ist die Blase zwar voll, aber die betroffene Person kann sie nicht entleeren. Harn- oder Darmstörungen sind für viele betroffene Menschen besonders unangenehm.
Multiple Sklerose verursacht vor allem Schmerzen in den Armen und Beinen. Häufig kommen die Arm- oder Beinschmerzen morgens direkt nach dem Aufstehen. Daneben kommen oft Gefühlsstörungen der Haut ("Sensibilitäts-Störungen") vor, meist in Form von Kribbeln, (schmerzhaften) Missempfindungen oder einem Taubheitsgefühl.
Fatigue (ausgesprochen: fatieg) - das Phänomen der Erschöpfung - haben viele Menschen mit Multipler Sklerose. Betroffene fühlen sich matt. Schon die kleinsten Anstrengungen fallen ihnen schwer. Ausruhen oder Schlaf wirken nicht erholsam. Viele Betroffene fühlen sich zusätzlich schuldig, weil sie nicht leistungsfähig sind. elevida ist eine anerkannte digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) für Menschen mit MS und Fatigue. Das Online-Programm besteht aus verschiedenen Modulen, wie zum Beispiel Schlafmanagement oder Stressbewältigung. Ziel des Programms ist, Ihre Fatigue-Symptome zu lindern und Ihnen den Umgang mit ihnen zu erleichtern. Die Kosten übernimmt Ihre Krankenkasse. Voraussetzung hierfür ist ein Rezept, das Sie von Ihrem Arzt bekommen.
Weil die Gesichts- und Halsmuskulatur nicht mehr jene exakten Nervenimpulse erhält, die sie für ein reibungsloses Funktionieren benötigt, gehen meist auch Sprech- und Schluckstörungen (Dysphagie) mit einer MS einher.
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Eine Wesensveränderung ist bei MS durchaus möglich. Gerade bei langjährigen Verläufen treten psychiatrische Symptome häufig auf. Wobei sich die Medizin jedoch einig ist: Die psychischen Beschwerden müssen bei jedem MS-Patienten professionell erfasst und ganzheitlich beleuchtet werden.
Außerdem können unterschiedlichste Beschwerden wie Unsicherheit beim Gehen oder beim Greifen, Doppelbilder und "verwaschenes" Sprechen auftreten. Daneben können Beschwerden eine wichtige Rolle spielen, die oft nicht gut fassbar und sichtbar sind.
Diagnose von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose ist oft schwer zu diagnostizieren, da sie eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome aufweist, die in Schüben auftreten und sich plötzlich verbessern und verschlechtern können. Trotzdem haben Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, durch eine Kombination aus klinischer Untersuchung, Magnetresonanztomographie (MRT) und Lumbalpunktion die Diagnose Multiple Sklerose zu stellen. Einen MS-Selbsttest gibt es nicht und einen Multiple Sklerose-Test online zu suchen, wird Betroffene nicht weiterbringen. Da es keine Einzel-Diagnose gibt, mit der sich Multiple Sklerose sicher feststellen lässt, haben Experten eine Reihe von Kriterien festgelegt, deren Auftreten die Diagnose MS zumindest nahelegen. MS-Diagnose bei Kindern: Bei der MS-Diagnostik im Kindesalter orientieren sich Ärzte an denselben Kriterien wie bei erwachsenen Patienten.
Bei der Diagnostik von Multipler Sklerose können Ärztinnen und Ärzte in mehreren Schritten vorgehen:
- Klinische Untersuchung: Zunächst erfolgt eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung. Hierbei werden neurologische Funktionen wie Reflexe, Koordination, Gleichgewicht, Sehkraft und Sensibilität getestet, um Anzeichen von Schüben und neurologischen Ausfällen zu erkennen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT ist ein zentrales Diagnoseinstrument bei MS. Sie ermöglicht die Darstellung von Entzündungsherden und Schädigungen im Gehirn und Rückenmark, die typisch für MS sind. Durch die Verwendung von Kontrastmitteln können aktive Entzündungen sichtbar gemacht werden. Dabei handelt es sich um Arzneimittel, die den Kontrast zwischen Blutgefäßen und Gewebe verstärken. Sie können gesunde Blutgefäße nicht verlassen und gelangen normalerweise nicht ins Gewebe. An aktiven Entzündungsstellen werden Blutgefäße aber durchlässig, damit Abwehrzellen die Entzündung bekämpfen können. An diesen Stellen kann Kontrastmittel ins Gewebe gelangen und auf den MRT-Bildern dort gesehen werden.
- Lumbalpunktion (Liquoruntersuchung): Bei einer Lumbalpunktion wird Nervenwasser (Liquor) aus dem Rückenmark entnommen und auf bestimmte Marker untersucht, die bei MS häufig vorkommen, wie oligoklonale Banden. Diese Marker deuten auf eine entzündliche Krankheitsaktivität im zentralen Nervensystem hin. Eine kleine Menge des sogenannten Nervenwassers (Liquor) wird mithilfe einer Nadel aus dem Wirbelkanal entnommen (Lumbalpunktion).
- Oligoklonale Banden: Oligoklonale Banden sind sogenannte Immunglobuline, das heißt: Antikörper. Sie liefern Hinweise auf entzündliche Prozesse im Körper. Bei rund 95 Prozent aller MS-Patienten liegen sie vor. Weil sie aufgrund ihrer Größe die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können, befinden sie sich nur in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) und nicht im Blut. Dies spricht für eine Entzündung, die ihren Ausgangspunkt im Gehirn hat. Allerdings liegen die oligoklonalen Banden erst im späteren Verlauf einer MS-Erkrankung vor, selten schon zu Anfang.
- Visuell evozierte Potenziale (VEP): Dieser Test misst die elektrische Aktivität im Gehirn als Reaktion auf visuelle Reize. Verzögerungen in diesen Reaktionen können auf eine Schädigung der Sehnerven durch MS hinweisen.
- Blutuntersuchungen: Bluttests werden durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome wie MS verursachen können.
Wie die Teile eines Mosaiks ermöglichen die verschiedenen Untersuchungsergebnisse die Diagnose. Es gibt keinen einzelnen Befund oder Untersuchungstechnik, die alleine die MS sichert. So kann beispielsweise auch bei "typischen" MRT-Veränderungen eine andere Erkrankung zugrunde liegen. Je mehr Teile vorliegen und zusammenpassen, desto sicherer wird das Bild, sprich die Diagnosesicherheit. Zur Orientierung gibt es international anerkannte Diagnosekriterien (die McDonald-Kriterien), die eine Diagnosestellung unterstützen.
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Dennoch kann es manchmal Wochen, Monate, zuweilen sogar Jahre dauern, bis die Diagnose eindeutig feststeht. Sollten Sie selbst die Diagnose "MS" erhalten haben, sprechen Sie mit Ihrem Arzt offen über Ihre Zweifel und Ängste. Sagen Sie ihm, ob Sie eine zusätzliche Meinung hören wollen. Das wird sicher nicht in jedem Fall notwendig sein, aber unter Umständen hilft es Ihnen, besser einordnen zu können, ob es sich um eine klinisch eindeutige MS oder zunächst nur um einen MS-Verdacht handelt.
Wichtig ist, dass Sie sich an den Arzt Ihres Vertrauens wenden, falls Sie neue Beschwerden verspüren oder, wenn die ersten Symptome erneut auftreten.
Verlaufsformen von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose kann in verschiedenen Verlaufsformen auftreten, die sich in ihrer Krankheitsaktivität unterscheiden:
- Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Dieser Subtyp ist der häufigste und ist gekennzeichnet durch klar definierte Schübe mit neurologischen Symptomen, gefolgt von vollständigen oder teilweisen Remissionen. Zu Krankheitsbeginn überwiegt der schubförmige Verlaufstyp mit einer Häufigkeit von bis zu 90%; nach anfänglich schubförmigem Verlauf gehen nach 10 bis 15 Jahren etwa 30 bis 40% in einen sekundär-chronisch progredienten Verlauf über; nach mehr als 20 Jahren beträgt die Häufigkeit dieser Verlaufsform sogar bis zu 90% (nach: Schmidt/Hoffmann: Multiple Sklerose, 2011). In insgesamt drei Viertel aller Fälle tritt die MS in Schüben auf. Zu Beginn der Krankheit ist das bei 85 Prozent so und die Betroffenen haben durchschnittlich alle zwei bis drei Jahre einen Schub.
- Sekundär progrediente MS (SPMS): Beginnt oft als RRMS und entwickelt sich später in eine Phase stetiger Verschlechterung der neurologischen Funktion ohne klare Schübe. Bei etwa 15 Prozent der Betroffenen geht die schubförmige MS später in eine sekundär (= an zweiter Stelle) progrediente Multiple Sklerose über. Die Symptome zwischen den Schüben bilden sich nicht mehr zurück oder verstärken sich über die Zeit.
- Primär progrediente MS (PPMS): Etwa 10 bis 15 Prozent der Betroffenen haben diesen Subtyp, der von Anfang an eine kontinuierliche Verschlechterung der neurologischen Funktion zeigt, ohne erkennbare Schübe. Etwa 10% der Patienten haben von Beginn an einen primär-chronisch progredienten Verlauf, d.h. von Beginn an eine langsame Verschlechterung ohne klare Schübe. 15 Prozent der Betroffenen haben zu Beginn der Erkrankung keine Schübe, bei ihnen fällt die MS durch eine langsame Zunahme der Beschwerden auf.
- Klinisch isoliertes Syndrom (CIS): Ein erstes Ereignis mit neurologischen Symptomen, das mindestens 24 Stunden anhält und auf eine Entzündung oder Demyelinisierung im zentralen Nervensystem hinweist, aber nicht immer zu MS führt.
Der Verlauf einer MS kann von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. Deshalb ist es nicht möglich, eine genaue Voraussage des individuellen Verlaufes zu treffen. Dennoch muss betont werden, dass die MS nicht zwangsläufig schwer verlaufen muss. Im Gegenteil, gerade zu Beginn der Erkrankung kann es zu einer weitgehenden Abheilung der entzündlichen Herde und damit zur Rückbildung der auftretenden Krankheitszeichen kommen. Nur in wenigen Fällen (unter 5%) führt die Krankheit innerhalb weniger Jahre zu schwerer Behinderung. Aus Verlaufsbeobachtungen kann abgeleitet werden, dass die Wahrscheinlichkeit auch weiterhin einen relativ gutartigen Verlauf zu haben, höher ist, wenn nach 5 oder 10 Jahren das Krankheitsbild stabil ist. Allerdings ist dies aufgrund der Unberechenbarkeit des Krankheitsverlaufs keine sichere "Faustregel" und spricht auch z.B. nicht gegen eine Therapie nach längerem Verlauf.
Therapie von Multipler Sklerose
Die Behandlung von Multiple Sklerose umfasst krankheitsmodifizierende Therapien (disease-modifying therapies, kurz DMTs), die das Fortschreiten verlangsamen, und symptomatische Behandlungen zur Verbesserung der Lebensqualität. Obwohl die Multiple Sklerose bis heute nicht ursächlich heilbar ist, gibt es Behandlungsmöglichkeiten, die zum Ziel haben:
- die akute Entzündungs-Reaktion eines Schubes zu hemmen (Schubtherapie)
- das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten
- die beschwerdefreie/-arme Zeit zu verlängern (verlaufsmodifizierende Therapie)
- die MS-Symptome zu lindern und möglichen Komplikationen vorzubeugen (Symptomatische Therapie)
Vor allem die letzten beiden Therapiebereiche werden in der Regel kombiniert angewendet.
Krankheitsmodifizierende Therapien
Krankheitsmodifizierende Therapien wie Interferon-beta, Glatirameracetat, Fingolimod, Teriflunomid und Dimethylfumarat zielen darauf ab, die Krankheitsaktivität zu reduzieren und das Fortschreiten der MS zu verlangsamen. Diese Medikamente modulieren das Immunsystem und verringern die Anzahl der Schübe. Am wirksamsten sind speziell entwickelte Antikörper. Sie verhindern das Eindringen von bestimmten Immunzellen ins Gehirn oder reduzieren ihre Konzentration im Blut. Dadurch können diese Zellen keine Entzündungen mehr auslösen. Mittlerweile gibt es gut 20 Immuntherapie-Mittel (Stand: April 2023), einige davon auch für die sekundär oder primär progrediente MS. Das ermöglicht weitgehend individuell zugeschnittene Behandlungspläne. Ob man eine Immuntherapie beginnt und mit welchem Medikament, hängt an einer Vielzahl von Faktoren. Dabei geht es um Aspekte wie Krankheitsverlauf, Familienplanung oder das individuelle Risikoprofil. Grundsätzlich wird empfohlen, bei allen Menschen mit MS eine Immuntherapie zu beginnen. Zu der Frage, wann der beste Zeitpunkt dafür ist, gibt es unterschiedliche Meinungen. Immuntherapien können die MS nicht heilen, aber ihren Verlauf stark verbessern. Manchmal werden daher auch die Begriffe „verlaufsmodifizierend“ oder „verlaufsverändernde“ Therapien verwendet.
Diese Medikamente sind Teil der krankheitsmodifizierenden Therapien, die darauf abzielen, das Fortschreiten der MS zu verlangsamen und die Häufigkeit von Schüben zu reduzieren:
- Natalizumab: Wirkstoff: Monoklonaler Antikörper. Verhindert das Eindringen von Immunzellen in das zentrale Nervensystem, um Entzündungen zu reduzieren.
- Mitoxantron: Wirkstoff: Chemotherapeutikum. Unterdrückt das Immunsystem und verlangsamt das Fortschreiten der MS.
- Fingolimod: Wirkstoff: Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator. Reduziert die Anzahl der Lymphozyten im Blut, um Entzündungen im zentralen Nervensystem zu verringern.
- Ocrelizumab: Wirkstoff: Monoklonaler Antikörper. Reduziert die Anzahl der B-Zellen, um die Krankheitsaktivität zu senken.
- Teriflunomid: Wirkstoff: Immunmodulator. Hemmt die Vermehrung aktivierter Lymphozyten, um die Entzündung zu kontrollieren.
- Dimethylfumarat: Wirkstoff: Immunmodulator. Aktiviert das antioxidative Abwehrsystem, um Entzündungen zu reduzieren.
- Alemtuzumab: Wirkstoff: Monoklonaler Antikörper. Zerstört spezifische Immunzellen, um das Fortschreiten der MS zu verhindern.
- Siponimod: Wirkstoff: Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator. Ähnlich wie Fingolimod, aber mit zusätzlicher Wirkung auf sekundär progrediente MS.
- Cladribin: Wirkstoff: Chemotherapeutikum. Zerstört selektiv bestimmte Immunzellen, um die Krankheitsaktivität zu reduzieren.
- Ofatumumab: Wirkstoff: Monoklonaler Antikörper. Zielt auf CD20-positive B-Zellen ab, um die Krankheitsaktivität zu kontrollieren.
Symptomatische Behandlung
Zur symptomatischen Behandlung gehören Physiotherapie und Ergotherapie, welche die Mobilität unterstützen und den Betroffenen helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen. Zusätzlich werden Medikamente zur Kontrolle von Spastik, Schmerzen, Fatigue und Blasenproblemen eingesetzt. Bei akuten Schüben werden hochdosierte Kortikosteroide verabreicht, um die Entzündungen schnell zu reduzieren und die Symptome zu lindern. Psychosoziale Unterstützung durch psychologische Betreuung und Selbsthilfegruppen spielt eine wichtige Rolle im Umgang mit MS. Die gezielte Behandlung von Beschwerden (symptombezogene Therapie) ist ein unverzichtbarer Bestandteil. Dabei kommen neben Medikamenten vor allem Maßnahmen wie Ergotherapie, Physiotherapie und Psychotherapie zum Einsatz.
Weitere Therapieansätze
Die Forschung entwickelt ständig neue Behandlungsansätze, darunter Stammzelltherapien und neue Immunmodulatoren, um die Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern.
Leben mit Multipler Sklerose
Auch wenn MS weiterhin nicht heilbar ist, können viele Menschen mit MS ein weitgehend normales Leben führen und eine gute Lebensqualität erreichen. Die Lebenserwartung von Menschen mit Multiple Sklerose (MS) hat sich dank moderner Therapien fast der der allgemeinen Bevölkerung angenähert, mit einer durchschnittlichen Reduktion um etwa 5 bis 10 Jahre. MS-Patienten müssen Schritt für Schritt lernen, mit ihrer Krankheit umzugehen.
Im täglichen Leben gibt es einiges, dass die Multiple Sklerose günstig beeinflussen kann. Ein wesentliches Element ist regelmäßige körperliche Aktivität. Ein Spaziergang oder eine Wanderung, eine Fahrradtour oder ähnliche Aktivitäten im Freien haben außerdem gleich mehrere positive Effekte: Man bewegt sich und kann schon durch kurzen, aber regelmäßigen Aufenthalt in der Sonne etwas gegen einen Vitamin-D-Mangel tun. Aber auch gezieltes Training ist wichtig. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) bietet weitergehende Informationen zu MS und Sport sowie ein spezielles MS-Funktionstraining an.
Ein weiterer wichtiger Baustein, den jeder selbst in der Hand hat, ist die Umstellung auf eine gesunde Ernährung. Selbst zubereitete Mischkost mit viel Obst und Gemüse, Fisch und Vollkornprodukten, aber wenig Zucker und Salz, tierischen Fetten und Zusatzstoffen (wie in verarbeiteten Lebensmitteln) hat positive Effekte. Zudem sollten Menschen mit Multipler Sklerose nicht rauchen. Rauchen ist ein Risikofaktor und die Betroffenen sollten alles daran setzen, die Nikotinsucht zu überwinden. Wer es allein nicht schafft, findet Unterstützung: Viele Krankenkassen haben Angebote zur Raucherentwöhnung, z.B. „Nichtrauchertrainings“.
Multiple Sklerose steht grundsätzlich weder einer Ausbildung noch der Berufsausübung, Freundschaften, Sport, sozialen Kontakten oder der Gründung einer Familie im Wege. Während der Schwangerschaft nimmt die Wahrscheinlichkeit für einen Schub ab. In den ersten drei Monaten nach der Geburt nimmt sie zu. Stillen scheint vor Schüben zu schützen. MS-Medikamente können sich auf das ungeborene Kind auswirken, weswegen besondere Vorsicht geboten ist. Nicht jedes Medikament darf in der Schwangerschaft gegeben werden. Eine Schwangerschaft sollte daher möglichst in einer stabilen Phase der Erkrankung geplant und Medikamente eher abgesetzt werden - zumal sie, wie oben beschrieben, einen gewissen Schutz vor Schüben bietet. Die Therapie eines schweren Schubes mit Kortison ist in der Schwangerschaft ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel möglich. Wenn Kortison im ersten Schwangerschaftsdrittel gegeben wird, besteht ein erhöhtes Risiko, dass das Kind mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geboren wird. Die meisten Immuntherapien werden allerdings über die Muttermilch an den Säugling weitergegeben, was die Entscheidung über einen Therapiebeginn verkompliziert.
Patientenverfügung
So massiv eine MS-Diagnose auch ist, nicht jede Erkrankung endet damit, dass der Betroffene fast bewegungsunfähig im Rollstuhl sitzen muss. Gerade zu Beginn der Erkrankung heilen die meisten Entzündungen wieder ab, sodass sich auch die Symptome zurückbilden. Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung. Sie greift in Situationen, in denen Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.