Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), von der weltweit rund 2,8 Millionen Menschen betroffen sind. In Deutschland leben etwa 280.000 MS-Patienten. Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und kann zu vielfältigen neurologischen Symptomen und Behinderungen führen. Die Diagnose von MS ist komplex, da es keinen spezifischen Test gibt und die Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise die Myelinscheiden angreift, die die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark umgeben. Diese Schädigung der Myelinscheiden führt zu einer gestörten Signalübertragung zwischen den Nervenzellen, was zu den vielfältigen Symptomen der MS führt.
Formen der Multiplen Sklerose
Man unterscheidet hauptsächlich drei Formen der Multiplen Sklerose:
- Schubförmig remittierende MS (RRMS): Bei dieser Form treten die Symptome in Schüben auf, gefolgt von Phasen der teilweisen oder vollständigen Remission, in denen sich die Symptome verbessern oder verschwinden.
- Sekundär progrediente MS (SPMS): Diese Form entwickelt sich oft aus der RRMS, wobei die Erkrankung allmählich fortschreitet, unabhängig von Schüben.
- Primär progrediente MS (PPMS): Bei dieser Form schreitet die Erkrankung von Anfang an langsam, aber stetig fort, ohne Schübe oder Remissionen.
Symptome der Multiplen Sklerose
Die Symptome der MS können sehr unterschiedlich sein und hängen davon ab, welche Bereiche des ZNS betroffen sind. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Motorische Störungen: Kraftlosigkeit, Spastik, Koordinationsprobleme, Gangstörungen, Lähmungen
- Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schmerzen, gestörtes Temperaturempfinden
- Sehstörungen: Verschwommenes Sehen, Doppelbilder, Sehnerventzündung
- Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, verlangsamte Informationsverarbeitung
- Fatigue: Chronische Müdigkeit und Erschöpfung
- Blasen- und Darmfunktionsstörungen: Inkontinenz, Verstopfung, Durchfall
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Depressionen
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der MS sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Zu den möglichen Risikofaktoren gehören:
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- Genetische Faktoren: Es gibt keine einzelnen MS-Gene, aber bestimmte Genvarianten erhöhen das Risiko, an MS zu erkranken.
- Virusinfektionen: Insbesondere das Epstein-Barr-Virus (EBV) wird mit einem erhöhten MS-Risiko in Verbindung gebracht.
- Rauchen
- Übergewicht in der Kindheit
- Vitamin-D-Mangel
- Veränderungen in der Darmflora
Diagnose der Multiplen Sklerose
Die Diagnose der MS basiert auf einer Kombination aus klinischer Beurteilung, neurologischer Untersuchung und verschiedenen diagnostischen Tests. Da es keinen einzelnen Test gibt, der die MS eindeutig beweist, müssen andere mögliche Ursachen für die Symptome ausgeschlossen werden.
Anamnese und neurologische Untersuchung
Am Anfang jeder Diagnostik steht die ausführliche Anamnese, in der der Arzt die Krankengeschichte des Patienten erfragt und sich über die aktuellen Symptome und Beschwerden informiert. Anschließend erfolgt eine gründliche neurologische Untersuchung, bei der verschiedene Funktionen des Nervensystems überprüft werden, wie z. B. Kraft, Sensibilität, Koordination, Reflexe und Sinneswahrnehmungen.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, das detaillierte Bilder des Gehirns und des Rückenmarks liefert. Bei MS-Patienten können im MRT typische Entzündungsherde (Läsionen) nachgewiesen werden, die für die Diagnose von großer Bedeutung sind. Die MRT kann auch Veränderungen im Gehirnvolumen und im Gewebe zeigen, die auf eine MS hindeuten.
Untersuchung des Nervenwassers (Liquorpunktion)
Bei der Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) wird eine kleine Menge Flüssigkeit aus dem Wirbelkanal entnommen und im Labor analysiert. Bei MS-Patienten finden sich im Liquor häufig Hinweise auf eine Entzündung, wie z. B. Entzündungszellen oder oligoklonale Banden (OKB). OKB sind Antikörper, die bei autoimmunen Entzündungsprozessen entstehen und typischerweise bei MS auftreten.
Blutuntersuchungen
Es gibt keinen Bluttest, der eine MS beweisen kann. Blutuntersuchungen dienen jedoch dazu, andere Erkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome wie MS verursachen können. Standardbluttests können auch Hinweise auf andere Erkrankungen geben, wie z. B. Leber-, Nieren- oder Schilddrüsenerkrankungen.
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Evozierte Potentiale
Evozierte Potentiale sind Messungen der elektrischen Aktivität des Gehirns in Reaktion auf sensorische Stimulationen (z. B. Sehen, Hören, Berühren). Bei MS-Patienten kann die Nervenleitgeschwindigkeit verlangsamt sein, was sich in den evozierten Potentialen zeigt.
Blutbilddiagnose: Neue Biomarker für die Früherkennung
Obwohl es keinen spezifischen Bluttest für MS gibt, werden in der Forschung immer wieder neue Biomarker identifiziert, die möglicherweise zur Früherkennung und Verlaufsbeurteilung der Erkrankung beitragen können.
Autoantikörper gegen alpha-Fodrin
Forscher haben herausgefunden, dass Patienten mit einem akuten MS-Schub vermehrt Autoantikörper gegen ein Protein namens alpha-Fodrin im Blut aufweisen. Diese Autoantikörper sind gegen bestimmte Bereiche des alpha-Fodrin-Proteins gerichtet und verschwinden nach dem Schub wieder aus dem Blut. Ein Labortest zum Nachweis dieser Autoantikörper könnte in Zukunft zur Diagnose von MS-Schüben eingesetzt werden.
Neurofilament-Leichtketten (NfL)
Neurofilament-Leichtketten (NfL) sind Proteine, die Bestandteile des Zellskeletts von Nervenzellen sind. Bei Schädigung von Nervenzellen im ZNS werden NfL in erhöhter Menge in den Liquor und ins Blut freigesetzt. NfL sind somit ein Echtzeit-Biomarker für das Ausmaß der neuronalen Schädigung. Studien haben gezeigt, dass die NfL-Spiegel im Blut mit der Krankheitsaktivität und dem Fortschreiten der MS korrelieren. NfL könnten daher als Biomarker zur Überwachung des Krankheitsverlaufs und des Therapieansprechens eingesetzt werden.
Epstein-Barr-Virus (EBV)-Antikörper
Eine aktuelle Forschungsarbeit hat gezeigt, dass spezifische Antikörper gegen ein Protein des Epstein-Barr-Virus (EBV) bereits in einer sehr frühen Phase der MS-Krankheitsentwicklung nachweisbar sind, lange bevor erste Symptome auftreten. Konkret werden durch den Test Autoantikörper erkannt, die auf einen bestimmten Abschnitt des EBV-Proteins EBNA-1 gerichtet sind. Diese Antikörper treten bereits innerhalb von drei Jahren nach einer EBV-Infektion auf und können durch wiederholte Messung der Antikörperspiegel ein erhöhtes Risiko für eine spätere MS-Diagnose erkennen lassen.
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Bedeutung der Früherkennung
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der MS ist von entscheidender Bedeutung, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und das Fortschreiten der Behinderung zu verlangsamen oder zu verhindern. Moderne Therapien können die Häufigkeit der Schübe reduzieren und die Zunahme der körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen verlangsamen oder ganz verhindern.