Kaffee ist für viele Menschen ein täglicher Begleiter, sei es für den Genuss, den morgendlichen Kick oder einen Moment der Ruhe. Doch aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass in der Kaffeetasse mehr stecken könnte als nur eine Gewohnheit. Insbesondere wird der Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und dem Risiko, an Multipler Sklerose (MS) zu erkranken, intensiv untersucht.
Multiple Sklerose: Eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems
Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der das zentrale Nervensystem angegriffen wird. Dabei wird die schützende Myelinschicht der Nervenzellen durch körpereigene Immunzellen angegriffen und zerstört. Dies führt zu vielfältigen Symptomen wie Kraftlosigkeit, Taubheitsgefühle, Spastik, Sehstörungen oder Fatigue. MS hat vielfältige Ursachen, bei der Umweltfaktoren wie Ernährung, aber auch genetische Prädispositionen eine entscheidende Rolle spielen.
Studien deuten auf ein verringertes MS-Risiko durch Kaffeekonsum hin
Mehrere Studien haben den Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und dem Risiko, an MS zu erkranken, untersucht. Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse aus dem Jahr 2025 von Mehrad Amirnia und Kollegen analysierte zehn Beobachtungsstudien mit insgesamt über 19.000 Teilnehmenden. Die Ergebnisse dieser Meta-Analyse deuten darauf hin, dass regelmäßiger Kaffeekonsum mit einem signifikant reduzierten MS-Risiko einhergehen kann. Konkret betrug die Odds Ratio (OR) für Kaffeetrinker 0,66, was einem Rückgang des Risikos um 34 % entspricht.
Eine weitere Studie aus Schweden und den USA, die in der Fachzeitschrift "Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry" veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass Kaffee einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat, allerdings nur, wenn man mindestens 900 Milliliter am Tag trinkt. Die Wissenschaftler werteten zwei ältere Studien neu aus - eine aus Schweden mit 1620 Menschen mit Multipler Sklerose und 2788 gesunden Menschen, und eine aus den USA mit 1159 MS-Patienten und 1172 Menschen ohne MS. Die Ergebnisse zeigten, dass das Risiko an MS zu erkranken bei den Menschen höher war, die weniger Kaffee tranken, selbst dann noch, wenn andere Einflussfaktoren wie Rauchen oder das Gewicht in der Teenagerzeit einbezogen wurden. In der schwedischen Studie konnte festgestellt werden, dass ein hoher Kaffeekonsum das Risiko an MS zu erkranken um 28 bis 30 Prozent senke, wenn die Probanden am Tag 900 Milliliter oder mehr Kaffee tranken. In der Studie aus den USA waren das Risiko beim Menschen, die mehr als 948 Milliliter Kaffee tranken um 26-31 Prozent niedriger.
Koffein als möglicher Wirkstoff
Als Hauptwirkmechanismus wird vor allem das Koffein angesehen. Die Wissenschaftler sprechen dem in Kaffee enthaltenen Koffein nervenschützende sowie entzündungsreduzierende Eigenschaften zu. Schließlich würde Koffein mit einem positiven Effekt auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht wie Parkinson und Alzheimer.
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Es wird vermutet, dass Koffein bestimmte Eigenschaften hat, die das Nervensystem schützen. Es soll die Produktion von bestimmten Chemikalien im Körper unterdrücken, die Entzündungsreaktionen auslösen können. Im Tierversuch ließ sich bereits 2008 nachweisen, dass Versuchsmäuse, die eine Koffeindosis (entsprechend etwa sechs bis acht Tassen Kaffee) erhalten hatten, nicht an EAE erkrankten (also an der experimentellen „Ersatz-MS“). Der Grund: Koffein scheint zu verhindern, dass sich Adenosin (ein körpereigener Stoff) an die ihm entsprechenden Rezeptoren andocken kann.
Einschränkungen und weitere Forschung
Obwohl die Studienergebnisse vielversprechend sind, betonen die Autoren, dass es sich überwiegend um Beobachtungsstudien handelt. Ein kausaler Zusammenhang kann aktuell nicht sicher bestätigt werden. Es ist von größter Bedeutung zu betonen, dass Kaffee, so vielversprechend die Ergebnisse auch sind, kein Allheilmittel ist und niemals eine gesunde Lebensweise ersetzen kann. Eine Tasse Kaffee wird nicht alle präventiven Herausforderungen lösen.
Prof. Dr. med. Peter Flachenecker gibt vor allem 3 Dinge zu bedenken:
- Diese Studie betrachtet nur das verminderte MS-Risiko. Das sagt nichts aus über einen Einfluss auf den Verlauf bei bereits etablierter Multipler Sklerose.
- Die Studie ist rein assoziativ. Die MS kann noch viele andere Ursachen haben und andere Faktoren als Koffein können die Entstehung beeinflussen (die vielleicht wiederum eher mit Kaffeetrinkern aber nicht unbedingt mit dem Kaffee selbst assoziiert sind).
- Wie und warum Koffein diese Wirkung haben soll, ist völlig unklar.
Weitere Studien sind notwendig, um die genauen Mechanismen und die optimale Dosierung von Kaffee zur Prävention von MS zu untersuchen.
Empfehlungen zum Kaffeekonsum
Es ist wichtig zu beachten, dass ein hoher Kaffeekonsum für einige Menschen eher schädlich als nützlich sein kann. Daher sollte man aus den aktuell veröffentlichten Daten auch keine Ernährungsempfehlung ableiten, die den Kaffeekonsum erhöht. Die MS-Gesellschaft Wien hingegen bewertet einen moderat täglichen Konsum von 2-3 Tassen als unbedenklich.
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