Osteoporose bei Multipler Sklerose: Ein oft übersehener Zusammenhang

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die eine hohe Prävalenz aufweist. Obwohl die Erkrankung selbst im Fokus der Behandlung steht, sollte ein oft vernachlässigter Aspekt nicht außer Acht gelassen werden: das erhöhte Risiko für Osteoporose und Frakturen bei MS-Patienten. Studien belegen, dass MS-Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung ein fast dreifach erhöhtes Risiko für Hüftfrakturen und bis zu zehnfach erhöhte Raten von Osteopenie und Osteoporose aufweisen.

Warum ist das wichtig?

Frakturrisiken und Osteoporose werden im klinischen Alltag von MS-Patienten nur selten thematisiert, obwohl schon früh eine negative Beeinträchtigung des Knochenstoffwechsels vorliegt. Es ist daher wichtig, diesen Aspekt frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Zusammenhang zwischen MS und Osteoporose

Der Zusammenhang zwischen MS und Osteoporose ist vielschichtig. Mehrere Faktoren können zu einem erhöhten Risiko für Knochenschwund bei MS-Patienten beitragen:

  • Immobilität: Ein wesentlicher Faktor ist die Immobilität, die häufig mit MS einhergeht. Bewegungsmangel führt zu einer reduzierten Knochenbelastung und somit zu einem Abbau der Knochendichte.
  • Entzündliche Krankheitspathologie: Die chronische Entzündung, die bei MS auftritt, kann den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen und den Knochenabbau fördern.
  • Lebensstilfaktoren: Lebensstilfaktoren wie Vitamin-D-Mangel, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum spielen ebenfalls eine Rolle.
  • Hormonelle Dysregulationen: Hormonelle Veränderungen, insbesondere bei Frauen nach der Menopause (Östrogenmangel), können das Osteoporoserisiko erhöhen.
  • Begleiterkrankungen: Das Vorhandensein von Begleiterkrankungen kann das Risiko für Osteoporose zusätzlich steigern.
  • Medikamente: Einige Medikamente, die zur Behandlung von MS eingesetzt werden, wie z. B. Kortikosteroide, können den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen und das Osteoporoserisiko erhöhen. Kortisonbehandlungen bei länger Erkrankten können zu Osteoporose führen.

Frühe Beeinträchtigung des Knochenstoffwechsels

Schwedische Forscher haben herausgefunden, dass die Knochendichte bereits in der Frühphase der MS gering sein kann. In einer Studie wurde festgestellt, dass bereits bei neu diagnostizierten Patienten und selbst bei Patienten mit einem ersten MS-typischen Symptom ("clinicaly isolated symptom", kurz "CIS") eine deutlich verringerte Knochendichte vorliegen kann. Insgesamt litten 50,5 % der MS-Gruppe in diesem frühen Stadium entweder bereits an Osteoporose oder an Osteopenie (einer Vorstufe der Osteoporose), während es in der Kontrollgruppe lediglich 37,1 % waren.

Risikofaktoren für geringe Knochendichte

Ein Review ermittelte die wichtigsten Risikofaktoren für eine geringe Knochendichte. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Besonders die Zeit nach der Menopause stellt ein erhöhtes Risiko für Osteoporose dar, wobei hormonelle Veränderungen wie ein Östrogenmangel eine wichtige Rolle spielen. Ein wichtiger Faktor ist auch das Alter. So wurde weltweit bei jeder fünften Frau über 70 Jahren und bei zwei Dritteln der Frauen über 90 Jahren Osteoporose festgestellt. Ein höheres Alter und körperliche Inaktivität erhöhen das Risiko jedoch auch für Männer. Weitere Faktoren, die das Risiko für geringe Knochendichte steigern, sind eine unzureichende Kalzium-Zufuhr und der Mangel an Vitamin D, aber auch Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum.

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Präventive Maßnahmen

Um das Risiko für Osteoporose bei MS-Patienten zu senken, sollten frühzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden:

  • Ausgleich von Vitamin-D-Defiziten: Ein Vitamin-D-Mangel sollte unbedingt ausgeglichen werden, da Vitamin D eine wichtige Rolle bei der Knochenmineralisierung spielt. Die Osloer Forscher verfolgten den Ansatz, dass, wenn Vitamin-D-Mangel (als ein Faktor) zu Multipler Sklerose führt und Vitamin D für die Mineralisierung der Knochen zuständig ist, eventuelle Effekte dieses Vitaminmangels bereits kurz nach Beginn der MS zu sehen sein müssten.
  • Erhalt der Mobilität: Regelmäßige körperliche Aktivität ist entscheidend, um die Knochen zu stärken und den Knochenabbau zu reduzieren. Ein der Krankheit angepasstes Bewegungsprogramm ist empfehlenswert.
  • Kalziumreiche Ernährung: Eine ausreichende Kalziumzufuhr über die Ernährung ist wichtig für den Knochenaufbau.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum sollten vermieden werden.
  • Knochendichtemessung: Bei Vorliegen von Risikofaktoren kann eine Knochendichtemessung sinnvoll sein, um eine Osteoporose frühzeitig zu erkennen. Ein generelles Osteoporose-Screening für alle Multiple Sklerose Patienten sei jedoch nicht notwendig.

Sportarten für MS-Patienten zur Förderung der Knochengesundheit

Es gibt verschiedene Sportarten, die für MS-Patienten geeignet sind, um die Knochengesundheit zu fördern und die Mobilität zu erhalten:

  • Aqua-Gymnastik: Kräftigt und mobilisiert den Körper, verbessert das Gangmuster und die Ausdauer.
  • Bewegungslehren (Eutonie, Feldenkrais, Qigong, Tai Chi, Yoga): Stärken das innere Gleichgewicht, erhöhen die Körperwahrnehmung und können MS-Symptome lindern.
  • Fitness/Aerobic: Dynamisches Ganzkörpertraining, das Ausdauer, Koordination und das Herz-Kreislauf-System stärkt.
  • Gerätetraining: Steigert die Leistungsfähigkeit in verschiedenen Bereichen wie Ausdauer, Koordination, Kraft und Gleichgewicht.
  • Golf: Vereint Sport und Ausgleich an der frischen Luft, schult Konzentration und Ausdauer sowie die Hand-Auge-Koordination.
  • Gymnastik: Erhält und verbessert die körperliche Leistungsfähigkeit, mobilisiert die Wirbelsäule, stärkt die Muskulatur und schult den Gleichgewichtssinn.
  • Kampfsport: Fördert Körperbeherrschung, Konzentration, Reaktion, Gleichgewicht und Beweglichkeit (eher für Menschen mit geringer MS-Symptomatik geeignet).
  • Kanufahren/Paddeln: Schult Gleichgewichtssinn und Koordination, trainiert die Rumpf- und Armmuskulatur und ermöglicht es, sich in der freien Natur zu bewegen.
  • Klettern: Effektives Ganzkörpertraining, das Kraft, Ausdauer und Selbstvertrauen stärkt.
  • Laufen/Joggen: Trainiert das Herz-Kreislauf-System, die Ausdauer und die physische Leistung des Körpers.
  • Nordic Walking: Aktiviert viele Muskelgruppen, fördert die Beweglichkeit, trainiert die Gehfähigkeit, das Gleichgewicht sowie das Herz-Kreislauf-System und kräftigt die Arm- und Rumpfmuskulatur.
  • Radfahren: Stärkt Ausdauer und Kraft, wirkt der motorischen Fatigue entgegen, trainiert den Gleichgewichtssinn und die Muskeln, die für das Gehen bedeutend sind.
  • Pedelec: Ermöglicht es, Ausdauerproblemen oder motorischer Fatigue entgegenzuwirken, insbesondere in hügeligem Gelände.
  • Dreirad/Trike: Ideal bei Gleichgewichtsproblemen, ermöglicht ein hohes Maß an Mobilität.
  • Reiten: Fördert Ausdauer, Muskelaufbau sowie Gleichgewichts- und Körpergefühl, Koordination, Balance und Konzentration.

Besonderheiten bei sportlichen Aktivitäten mit Osteoporose

Ist eine Osteoporose bereits diagnostiziert, muss speziell bei sportlichen Aktivitäten und im Alltag das Knochenbruch-Risiko berücksichtigt werden.

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