Multiple Sklerose ohne Schübe: Fortschreiten der Erkrankung verstehen und behandeln

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die sich bei jedem Patienten anders äußert. Lange Zeit standen die Schübe der MS im Fokus der Betrachtung. Heute wissen wir jedoch, dass die MS vor allem schubunabhängig fortschreitet. Dieser Artikel beleuchtet das Konzept der schubunabhängigen Progression, ihre Bedeutung für Betroffene und die verfügbaren Therapieoptionen.

Was bedeutet Progression bei MS?

Progression bedeutet, dass die Erkrankung fortschreitet und die Schäden an den Nerven sowie die damit verbundenen Beeinträchtigungen zunehmen. Es gibt verschiedene Formen der Progression:

  • Schubabhängige Progression: Hier bilden sich die Symptome nach einem Schub nicht vollständig zurück und verschlechtern sich dauerhaft.
  • Schubunabhängige Progression: Diese Form der Progression tritt schleichend auf, auch wenn keine Schübe auftreten.

Früher wurde die MS in schubförmige und progrediente Verlaufsformen unterteilt. Mittlerweile ist bekannt, dass diese Einteilung nicht mehr ganz zutrifft. Auch bei der schubförmigen MS kann eine schleichende Progression auftreten. Die durch das Fortschreiten der MS verursachten Verschlechterungen unterscheiden sich nicht in ihrer Art: Schubförmige und progrediente Progression verursachen ähnliche Symptome. Zu Beginn der Erkrankung, wenn mehr Schübe auftreten, sind hauptsächlich akute, entzündungsfördernde Prozesse für die Symptomverschlechterung verantwortlich.

Einer aktuellen Studie zufolge gehen sogar 80 bis 90 Prozent der zunehmenden Beeinträchtigung bei MS auf das Konto der schleichenden, schubunabhängigen Progression.

Die Bedeutung der schubunabhängigen Progression für Betroffene

Auch wenn keine Symptome oder Schübe auftreten, kann die MS im Stillen fortschreiten und dauerhafte Schäden an den Nerven verursachen. Es ist daher wichtig, den Verlauf der MS immer im Blick zu behalten. Regelmäßige MRT-Kontrollen und Tests zur Progressionsmessung können helfen, frühzeitig zu erkennen, ob die MS-Therapie nicht die gewünschte Wirkung zeigt.

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Symptome der schubunabhängigen Progression

Die Symptome der schubunabhängigen Progression können vielfältig sein und sich langsam entwickeln. Dazu gehören:

  • Zunehmende Gehschwierigkeiten
  • Probleme mit der Aufmerksamkeit
  • Nachlassende Feinmotorik
  • Sich allmählich verschlechternde Rumpfstabilität

Im Gegensatz zu den Symptomen eines Schubs bilden sich diese Symptome nicht zurück.

Diagnose und Verlauf der Multiplen Sklerose verstehen

Die Diagnose MS ist oft mit vielen Fragen verbunden. Es gibt keinen einheitlichen Krankheitsverlauf, und die Vielfalt der Symptome kann die Diagnose erschweren. Neurologen können verschiedene Untersuchungen durchführen, um eine sichere Diagnose zu stellen.

Verlaufsformen der MS

Mediziner unterscheiden grundsätzlich drei Verlaufsformen der MS:

  1. Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Bei den meisten Patienten beginnt die MS mit dieser Form. Hier treten Schübe auf, bei denen sich die Symptome teilweise oder vollständig zurückbilden können.
  2. Sekundär progrediente MS (SPMS): Nach einigen Jahren kann die RRMS in eine SPMS übergehen. Hierbei kommt es zu einer langsam fortschreitenden Krankheitsverschlechterung, oft unabhängig von Schüben.
  3. Primär progrediente MS (PPMS): Diese Verlaufsform ist seltener und betrifft etwa 10-15 % der MS-Patienten. Hier verschlimmern sich die Symptome von Anfang an kontinuierlich, ohne erkennbare Schübe.

Die Rolle der MRT bei der Diagnose und Verlaufskontrolle

Regelmäßige MRT-Kontrollen sind wichtig, um den Krankheitsverlauf zu beobachten. Sie helfen, Entzündungsherde zu lokalisieren, ihr "Alter" zu beurteilen und Hirnatrophie festzustellen. Um sicherzustellen, dass eine Therapie wirkt, kann nach 6 Monaten eine MRT-Kontrolle erfolgen, ebenso bei relevanten Änderungen der Krankheitsdynamik, die eine Therapieumstellung nach sich ziehen könnte. Ansonsten reicht in der Regel eine MRT-Kontrolle einmal pro Jahr.

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Therapieoptionen bei schubunabhängiger Progression

Mit einer hochwirksamen Therapie von Anfang an kann die Progression gebremst und die MS länger aufgehalten werden. Es gibt verschiedene verlaufsmodifizierende Medikamente, die das Entzündungsgeschehen im zentralen Nervensystem verringern können. Welche Therapie für Sie infrage kommt, wird Ihr Neurologe entscheiden.

Medikamentöse Therapie

Für die Schubtherapie stehen vor allem Kortisonpräparate zur Verfügung, die die Entzündungen eindämmen sollen. Im akuten Schub werden sie über drei bis fünf Tage als Infusion verabreicht (Hochdosis-Schubtherapie). In vielen Fällen wird auf eine sogenannte Blutwäsche ausgewichen (Plasmapherese), bei der Blut entnommen, gereinigt und wieder in den Körper zurückgeleitet wird. Nebenwirkungsärmer ist eine spezielle Form der Blutwäsche: die sogenannte Immunadsorption. Hierbei wird das Blut in Plasma (Blutflüssigkeit) und Blutzellen getrennt. Die Kosten für eine Plasmapherese oder die Immunadsorption werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.

Nicht-medikamentöse Therapieansätze

Neben der medikamentösen Therapie gibt es verschiedene nicht-medikamentöse Therapieansätze, die helfen können, die Symptome der MS zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern:

  • Physiotherapie: Für pflegebedürftige Menschen mit Multipler Sklerose bietet das sogenannte Bobath-Konzept eine Möglichkeit, ihre motorischen Fähigkeiten zu fördern.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten und zu verbessern.
  • Logopädie: Logopädie kann bei Sprach- und Schluckstörungen helfen.
  • Psychotherapie: Auf Dauer kann eine MS die Psyche belasten. Dabei entwickeln viele Patienten depressive Symptome und Ängste. Eine Psychotherapie kann Betroffenen helfen, ihr Leben mit allen Einschränkungen aktiv zu gestalten und selbstbewusst mit möglichen Konfrontationen des sozialen Umfelds umzugehen.
  • Ernährung: Es gibt zwar keine spezielle MS-Diät, aber eine ausgewogene Ernährung kann die Immunabwehr stärken und dazu beitragen, das Entzündungsgeschehen zu minimieren. Einige Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass sich eine bestimmte Ernährung positiv auf den Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose auswirken kann. So fanden Forscher z. B. heraus, dass kurzkettige Fettsäuren Entzündungsreaktionen unterdrücken können. Die Bildung solcher kurzkettigen Fettsäuren wird durch eine ballaststoffreiche Ernährung gefördert.
  • Sport und Bewegung: Regelmäßiges Training hilft, die Muskelfunktion und das Gleichgewicht zu fördern. Bewegung und Dehnübungen können Schmerzen und Verkrampfungen lindern. Sport wirkt zudem Stress, Müdigkeit und Abgeschlagenheit entgegen, verbessert die geistige Leistungsfähigkeit, erhöht das Selbstwertgefühl und fördert so ganz nebenbei das allgemeine Wohlbefinden.

Leben mit MS: Tipps und Unterstützung

Das Leben mit MS kann eine Herausforderung sein. Es ist wichtig, sich aktiv mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und sich Unterstützung zu suchen.

  • Selbsthilfegruppen: Die MS-Selbsthilfe gibt Betroffenen Halt und ermöglicht den Austausch untereinander. Das erhöht die Lebensqualität immens.
  • Patientenverfügung: Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung.
  • Berufstätigkeit: Versuchen Sie zusammen mit Ihrem Arbeitgeber, Ihr Tätigkeitsfeld Ihrem persönlichen Leistungsvermögen anzupassen, um möglichst lange berufstätig bleiben zu können. Der soziale Kontakt und die Anerkennung für Ihre beruflichen Leistungen geben oft Selbstvertrauen und die Kraft, sich der MS zu stellen.
  • Kinderwunsch: Auch mit MS kann sich eine Familie gründen lassen. Besprechen Sie Ihren Kinderwunsch auf jeden Fall mit Ihrer Neurologin oder Ihrem Neurologen.

Irrtümer und Fakten über MS

Es gibt viele Irrtümer über MS. Hier sind einige Fakten, die helfen können, Missverständnisse auszuräumen:

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  • MS führt nicht zwangsläufig zu einem Leben im Rollstuhl. Eine konsequent durchgeführte Behandlung kann das Risiko von Beeinträchtigungen und Behinderungen senken.
  • MS ist nicht durch eine bestimmte Ernährung heilbar. Allerdings kann eine ausgewogene Ernährung die Immunabwehr stärken und das Entzündungsgeschehen minimieren.
  • Sport und Bewegung sind nicht schädlich, sondern können sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken.

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