Musik hat eine erstaunliche Kraft: Sie kann Erinnerungen wecken, Angst reduzieren und die Lebensqualität von Demenzpatienten erheblich verbessern. Sie aktiviert Bereiche des Gehirns, die für Gedächtnis, Emotionen und Kommunikation zuständig sind. Genau deshalb spielt sie eine entscheidende Rolle in der Therapie von Demenzpatienten.
Die neurologische Wirkung von Musik
Musik ist mehr als nur Klang - sie ist ein kraftvoller neurologischer Stimulus. Sie beeinflusst mehrere wichtige Gehirnbereiche:
- Hippocampus: Verantwortlich für das Langzeitgedächtnis. Musik kann Erinnerungen hervorrufen, die scheinbar verloren waren.
- Präfrontaler Kortex: Zuständig für Emotionen und Entscheidungsfindung.
- Amygdala: Das Zentrum der Emotionen, das auf Musik unabhängig von anderen kognitiven Prozessen reagiert (Koelsch, 2014).
Deshalb können sich Demenzpatienten, selbst wenn sie Schwierigkeiten haben, ihre Angehörigen zu erkennen, an Lieder aus ihrer Jugend erinnern.
Was ist Demenz?
Demenz ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen, die das Gedächtnis, die kognitiven Fähigkeiten und das Verhalten beeinträchtigt. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft leben in Deutschland über 1,8 Millionen Menschen mit Demenz - Tendenz steigend. Insbesondere pflegebedürftig sind Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz, die mit Unruhe, Aggression, Umherwandern und Widerstand gegen die Pflege einhergeht.
Demenz, insbesondere Alzheimer, führt zum schrittweisen Verlust kognitiver Fähigkeiten. Studien zeigen jedoch, dass Musik die Stimmung verbessert, Angst und Unruhe reduziert und sogar die Kommunikation mit Patienten erleichtern kann, die allmählich ihre Sprachfähigkeiten verlieren (Särkämö et al., 2014).
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Musiktherapie: Eine anerkannte Therapieform
Musiktherapie ist eine wissenschaftlich anerkannte Therapieform, die Musik gezielt zur Förderung von emotionalem Wohlbefinden, kognitiven Fähigkeiten und sozialer Interaktion einsetzt. Sie ist eine wirksame, nebenwirkungsfreie Möglichkeit, die Lebensqualität von betroffenen Menschen zu verbessern. Angehörige und Pflegekräfte können Musik gezielt einsetzen, um den Alltag zu bereichern.
Methoden und Anwendung der Musiktherapie
Nicht-medikamentöse Behandlungsformen rücken in der Demenzversorgung immer mehr in den Vordergrund. Eine Möglichkeit stellt dabei die Musiktherapie dar. Die internationale Forschungsstudie HOMESIDE untersucht daher die Wirkung von Musik- und Lesetherapie auf Menschen mit Demenz und ihre pflegenden An- und Zugehörigen im häuslichen Umfeld. Dabei wurden die Teilnehmenden von Therapeut*innen unterstützt, Musik- oder Leseaktivitäten im täglichen Leben und in der häuslichen Pflege miteinzubinden. Insgesamt soll das Projekt dazu beitragen, die häusliche Pflegesituation von Betroffenen zu unterstützen und zu erleichtern.
Warum Demenz und Musiktherapie erfolgreich zusammenhängen
Musik spricht viele Gehirnregionen gleichzeitig an, darunter das limbische System (Emotionen) und den Hippocampus (Gedächtnis). Betroffene Menschen verlieren oft ihr Sprachvermögen, doch die emotionale Reaktion auf Musik bleibt erhalten. Musiktherapie kann soziale Bindungen stärken, indem sie gemeinsames Singen oder Tanzen ermöglicht.
Was wird gefördert?
Für betroffene Menschen, die oft nur bruchstückhaft wissen wo und wer sie sind, was als nächstes passiert, benötigen Hilfestellungsangebote, dazu zählt auch die Musiktherapie. Eine ausführliche Biographiearbeit ist das A und O. Dies kommt dem an betroffenen Menschen zu Gute. Es bringt nichts und hierfür Bedarf es einem guten Beobachtungssinn der Pflegenden und auch der Angehörigen, einem Menschen dessen Kurzzeitgedächtnis stark abgebaut hat oder nicht mehr vorhanden ist, aktuelle Radiomusik vorzuspielen, die er nicht erkennt und oft nicht darauf reagiert. Es kommt darauf an zu verstehen, in welchem zeitlichen Lebensabschnitt sich der Erkrankte befindet. Das Gedächtnis entwickelt sich bei dieser Erkrankung zurück ins Kindesalter und durchläuft das Leben hierbei rückwärts. Steckt ein Mensch, bedingt durch den Krankheitsverlauf gerade im Jugendalter, wird er nicht auf klassische Musik ansprechen, welche er erst mit seiner Ehefrau im späteren Leben zu schätzen gelernt hat. Interessant ist zu beobachten, dass auch bei sehr zurückgezogen lebenden Menschen, Mimikveränderungen und andeutungsweise rhythmische Bewegungen mit Händen und Füssen stattfinden, ein Zeichen von Vertrautheit und Wohlbefinden. Häufig werden plötzlich auch noch ganze Textteile oder nur der Refrain abrufbar und der Patient beginnt das Stück mit zu singen. Man kann eine Dynamik in der Gruppe erleben, da andere Patienten mit einsteigen und gemeinsam alte Lieder gesungen werden, auch wenn die Texte nicht mehr ganz abrufbar sind, wird dies durch mitsummen ergänzt.
Positive Effekte der Therapie
Die Forschung zeigt: Ist die Therapie individuell abgestimmt, kann sie bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu einer sofortigen, kurzfristigen Verringerung von Unruhe und Angst sowie zu einer Verbesserung von Aufmerksamkeit, Engagement, Wachheit und Stimmung führen. Musikalische Betätigungen geben ein Gefühl von Sicherheit und Orientierung, was beruhigt und ein wohligeres Gefühl schafft. Diese Wirkung tritt ein, weil Musik - ob gespielt, gesungen oder gehört - Stimulationen liefert, die Gehirnregionen aktiviert, die dabei helfen, sich zu erinnern. Der so geschaffene Zugang zum Gedächtnis hilft dabei, sich zu beruhigen und Gefühle zu kontrollieren. Vertraute Klänge befördern die Erinnerungen, die schnell abgerufen werden und positiver konnotiert sind als solche, die nicht im Zusammenhang mit Musik stehen.
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Methoden der Therapie
Musik kann zur Strukturierung des Tagesablaufs beitragen. Die Forschenden um Naomi Thompson vom Institut für Musiktherapieforschung an der Anglia Ruskin University in Cambridge empfehlen, dass alle an der Pflege beteiligten Menschen in die Musiktherapie mit einbezogen werden und etwa individuelle Wiedergabelisten erstellen.
Praktische Anwendung der Musiktherapie bei Demenz
Hier sind einige einfache Möglichkeiten, Musik in die Pflege von Demenzpatienten einzubeziehen:
- Erstelle personalisierte Playlists: Wähle Lieder, die der Patient aus seiner Jugend kennt.
- Setze Musik bei alltäglichen Aktivitäten ein: Z. B. Musik in der Demenztherapie muss nicht auf traditionelle Methoden beschränkt sein. Dank moderner Lösungen wie hörbert können Senioren ihre Lieblingslieder selbstständig abspielen. Die vorbespielten Speicherkarten „Pflege“ und „Pflege Plus“ wurden speziell für Menschen mit Demenz entwickelt. Sie enthalten sorgfältig ausgewählte Musik, vertraute Lieder und beruhigende Klänge, die Erinnerungen aktivieren und für emotionale Entspannung sorgen. Ideal für die tägliche Pflege und einfache Anwendung mit hörbert.
Wissenschaftliche Studien zur Musiktherapie bei Demenz
Musiktherapie ist keine bloße Theorie - zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen ihre Wirksamkeit:
- Särkämö et al. (2016) - regelmäßige Musiksitzungen verbessern kognitive Funktionen und reduzieren Depressionen bei älteren Menschen.
- Van der Steen et al.
In einem multizentrischen europäischen Projekt soll untersucht werden, inwieweit die Wirkung von Singen in einer Gruppe (Recreational Choral Singing, RCS) gegenüber der Wirkung von gruppenbasierter Musiktherapie (Group Music Therapy; GMT) hinsichtlich der Besserung von Depressionen gleichwertig ist, oder ob diese Therapien sich möglicherweise gegenseitig verstärken. Nach einem gemeinsamen Protokoll wird hierzu in den Ländern Norwegen (federführend), Niederlande, Großbritannien, Türkei und Deutschland eine vierarmige cluster-randomisiert kontrollierte Therapiestudie geplant (2x2 Faktorielles Design: RCS, MT, MT+RCS, nur Standardpflege). Teilnehmer sind jeweils Bewohner von regionalen Pflegeheimen mit leichter bis mittelgradiger Demenz, die an einer Depression leiden. Pflegeeinheiten werden einem der vier Arme zufällig zugeteilt und die Bewohner jeweils über sechs Monate behandelt. Die Ergebnisse werden mittels standardisierter Befragungs- und Beobachtungsskalen erhoben. Hauptzielkriterium ist die depressive Stimmung nach sechs Monaten, erhoben mit der Montgomery-Asberg Depression Rating Scale (MARDS). Weitere Untersuchungen 3, 6 und 12 Monate nach Therapiebeginn evaluieren u.a. Lebensqualität, demenzielle Symptomatik sowie verschiedene Biomarker. Für den deutschen Studienteil ist die Untersuchung von etwa 320 Patienten (32 Cluster) geplant.
Evidenzbasierte Forschung
Nichtmedikamentöse Therapieformen bei Demenz haben im Vergleich zu medikamentösen Therapien den großen Vorteil fehlender medikamentöser Interaktionen und Nebenwirkungen. Allerdings sind sie organisatorisch wie auch hinsichtlich der Finanzierung aufwendiger in der Umsetzung. Trotzdem bieten mittlerweile viele spezialisierte Betreuungsinstitutionen für Patienten mit Demenz solche Interventionen an, was auch das wissenschaftliche Interesse an deren Wirkungsmechanismen hat wachsen lassen. Die publizierte wissenschaftliche Evidenz zur therapeutischen Bedeutung von Musik bei demenziellen Erkrankungen ist im Vergleich zu medikamentösen Therapieansätzen bei Demenz gering. Trotzdem: Gab es zum Thema Musik und Demenz im Jahr 2000 noch insgesamt 16 wissenschaftliche Beiträge pro Jahr (PubMed: Suchworte „music“ und „dementia“), ist deren Anzahl im Jahr 2021 auf 123 angestiegen. Leider sind davon nur 9 Publikationen als „klinische Studien“ klassiert, was die Hauptherausforderung in dieser „jenseits des Mainstreams“ gelegenen Thematik unterstreicht: Planung und Durchführung guter randomisierter, kontrollierter Interventionsstudien sind extrem anspruchsvoll.
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In einer kürzlich veröffentlichten randomisierten, kontrollierten spanischen Interventionsstudie [1] unter Einschluss von 90 Pflegeheimbewohnern mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Erkrankung wurde eine aktive musikalische Gruppenintervention mit passivem Musikhören (ebenfalls im Gruppensetting) verglichen - als Kontrolle diente eine Gruppe ohne Musikintervention. Die aktive Musikgruppenintervention bestand in einem Willkommenslied, Rhythmik, Tanzen, einem Musikquiz und einem Abschiedslied. Die Musikhörgruppe bekam in sitzender Position Musikaufzeichnungen aus dem Computer zu hören, wobei jeweils Sänger wie Titel der gespielten Musik vom Gruppenanimator bekannt gegeben wurden und auch die Möglichkeit für die Pflegeheimbewohner bestand, ihre Erinnerungen und Gefühle zur gehörten Musik auszudrücken und zu diskutieren. Die Wahl der gespielten Musikstücke wurde mit den vorher mittels Fragebogen ermittelten Musikpräferenzen der Studienteilnehmer abgestimmt. Der Kontrollgruppe wurden dokumentarische Naturvideos gezeigt, die vor allem von der afrikanischen Tierwelt handelten und akustisch lediglich Naturgeräusche und keine Musik beinhalteten. Jede Intervention dauerte rund 45 min und fand 2‑mal wöchentlich über 3 Monate statt.
Eine ebenfalls kürzlich veröffentlichte systematische Übersicht und Metaanalyse [2] untersuchte die Effekte von aktivem Musikmachen bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und Demenz. Dabei wurden 21 randomisierte, kontrollierte Studien mit insgesamt 1472 Teilnehmern in die Analyse eingeschlossen. Alle Studien nutzten entweder die Reproduktion von Musik mit Singen bzw. Spielen eines Musikinstruments oder Musikimprovisation aus dem Moment heraus. Über alle Studien zeigte die Musikintervention einen kleinen, aber signifikanten positiven Effekt auf die Kognition der Studienteilnehmer.
Jacobsen et al. [3] zeigten im Jahr 2015 eindrücklich auf, dass das Hirnareal des musikalischen Langzeitgedächtnisses (Abb. 1) im Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung - verglichen mit dem restlichen Hirn - lediglich eine minimale kortikale Atrophie und Disruption des Glukosemetabolismus aufweist. Dies erklärt die immer wieder gemachte klinische Beobachtung, dass Patienten in fortgeschrittenen Demenzstadien mit Sprachverlust beim Hören von bekannten Liedmelodien fehlerfrei ganze Liedstrophen mitsingen können.
Dass Musik das verbale Gedächtnis von Patienten mit Alzheimer-Erkrankung stärken kann, wurde in einer anderen, im selben Jahr publizierten Interventionsstudie [4] gezeigt. Kognitiv Gesunde wie auch Menschen mit leichter Alzheimer-Demenz konnten sich an gesungene Texte im Vergleich zu den gleichen, aber gesprochenen Texten signifikant besser erinnern. Dreimonatige musikalische Gruppeninterventionen bei Patienten mit früher Alzheimer-Erkrankung führten unmittelbar und auch 6 Monate nach Intervention zu signifikanten kognitiven, emotionalen und sozialen Verbesserungen [5].
Die größte Anzahl nichtpharmakologischer Studien zur Behandlung von demenzassoziierten Verhaltensauffälligkeiten wurde mit körperlichen Aktivitätsinterventionen durchgeführt [7]. Obwohl diese Studien sehr heterogen bezüglich Typ und Stadium der Demenz, aber auch hinsichtlich Art und Dauer der körperlichen Aktivität waren, zeigten praktisch alle einen positiven Effekt auf demenzassoziierte Verhaltensauffälligkeiten. Die vermuteten Wirkungsmechanismen sind spannend und vielfältig, bedürfen aber sicherlich noch zusätzlicher Forschung. Ein regelmäßiges und intensives körperliches Training bei zu Hause lebenden Patienten mit Alzheimer-Erkrankung kann aber auch wesentliche funktionelle Verbesserungen bewirken. Aus klinischer Erfahrung hängt die Compliancerate für körperliche Aktivitäten bei Patienten mit Demenz, ähnlich wie bei kognitiv gesunden Senioren, von mehreren Zusatzfaktoren ab.
Anders als andere Lebewesen muss der Mensch das aufrechte Gehen in den ersten Lebensjahren erlernen. Erst mit Erreichen des jungen Erwachsenenalters hat sich das Gangbild und vor allem die Gangregelmäßigkeit (Abb. 2) in einem langen Lernprozess derart perfektioniert, dass die Schrittlängen von einem Schritt zum nächsten nahezu identisch sind. Mithilfe von für das klinische Setting erhältlichen Ganganalysesystemen kann die Gangvariabilität rasch und einfach ermittelt werden (Abb. 3). Ältere Menschen, die diese hohe Gangregelmäßigkeit verlieren, haben ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko. Schritt-zu-Schritt-Längendifferenzen von weniger als 2 cm können dabei das Sturzrisiko bereits verdoppeln [10]. Feinste Gangunregelmäßigkeiten können aber auch Vorboten einer späteren Demenzerkrankung sein. In der Einstein-Aging-Kohortenstudie zeigten Kohortenteilnehmer mit frisch diagnostizierter Demenzerkrankung - im Vergleich zu kognitiv gesund gebliebenen Teilnehmern - bereits fünf Jahre früher eine signifikant erhöhte Variabilität der Schwingphase im Gangbild [11]. Mit fortschreitendem Demenzstadium erhöht sich die Gangunregelmäßigkeit und damit das Sturzrisiko kontinuierlich [12].
Bei motorisch-kognitiver „frailty“ mit entsprechend verminderten physiologischen Reserven kann ein imminentes Sturz- und Demenzrisiko mittels Gangtestung und Dual-task-Aufgabe demaskiert werden. Dabei muss der Patient während des Gehens mit Gangmessung gleichzeitig eine Arbeitsgedächtnisaufgabe lösen, beispielsweise eine Subtraktionsrechenaufgabe. Komplexe Hirnleistungen, wie Planen, Koordinieren, das Orchestrieren von Aktivitäten und die Entscheidung über Prioritäten (Aufmerksamkeit) bei Multitasking-Aktivitäten, sind Teil der zerebralen Exekutivfunktion, die im Frontalhirn lokalisiert ist [15]. Beim aktiven Musikhören spielt der präfrontale Kortex eine wichtige Rolle. Mittels funktioneller Bildgebung kann eine eindrückliche musikinduzierte Aktivierung im mediofrontalen Frontalkortex nachgewiesen werden [16].
Spannend und auch immer wieder Gegenstand der Forschung ist die Hirnwirkung von mit Musik kombinierten Bewegungsaktivitäten wie Tanz und Rhythmik. In der Einstein-Aging-Kohortenstudie war regelmäßiges Tanzen als Freizeitbeschäftigung mit einem bis zu 80 % erniedrigten späteren Demenzrisiko assoziiert [17]. In einer Interventionsstudie mit Rhythmik nach Jaques-Dalcroze konnte das motorisch-kognitive Dual-task-Vermögen von zu Hause lebenden Senioren verbessert und das Sturzrisiko um über 50 % reduziert werden [18]. In fortgeschrittenen Demenzstadien scheint die Jaques-Dalcroze-Rhythmik neben der positiven Beeinflussung von „behavioral and psychological symptoms of dementia“ (BPSD) vor allem die sprachlichen Fähigkeiten zu fördern ([19]; Abb. 4). Im Gegensatz zu Rhythmik mit Kindern oder gesunden Erwachsenen gilt es bei der Durchführung von Rhythmikateliers mit Demenzkranken eine ganze Reihe von spezifischen Empfehlungen zu beachten (Infobox 1).
Forschungsprojekte und ihre Ergebnisse
In unseren Forschungsprojekten wird die persönliche Lieblingsmusik über Fragebögen und Interviews mit den Angehörigen und, wenn möglich, auch den Menschen mit Demenz erfragt und von uns als Musikliste zusammengestellt. Nach der erfolgreichen Umsetzung einer Pilotstudie mit 20 teilnehmenden Menschen mit Demenz in einem Pflegeheim im Jahr 2016 wurde von Januar 2018 bis April 2021 in der Abteilung Klinisch-psychologische Intervention der Universität Jena unter Leitung von Prof. Dr. In diesem vom GKV-Spitzenverband der Pflege- und Krankenkassen geförderten Projekt (Fördervolumen: 342.514,33 Euro) wurde untersucht, wie Menschen mit Demenz aller Schweregrade, die in einem Pflegeheim leben, das regelmäßige Hören von individualisierter Musik annehmen. Beobachtet wurde, wie sich die Musikintervention auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden sowie das soziale Miteinander und herausfordernde Verhalten von Menschen mit Demenz auswirkt. Es handelte sich um eine randomisiert-kontrollierte Studie mit einer Interventions- und Kontrollgruppe und einem Prä-Post-Follow-up-Design. Dies bedeutet, dass die teilnehmenden Menschen mit Demenz zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt wurden. In der Vergleichsgruppe erhielten die Menschen mit Demenz keine Musikintervention und bestritten ihren Alltag im Pflegeheim wie gehabt. In der Interventionsgruppe hörten die Menschen mit Demenz über 6 Wochen hinweg alle zwei Tage über ein tragbares Abspielgerät (MP3-Player) und Kopfhörer ihre Lieblingsmusik. Alle Schritte der Umsetzung wurden detailliert dokumentiert. 6 Wochen vor Beginn der Interventionsphase, direkt davor sowie direkt danach und weitere 6 Wochen später wurde das Pflegepersonal zu verschiedenen Aspekten des Befindens der Menschen mit Demenz per Fragebogen befragt. Im Verlauf der Interventionsphase fanden bei Teilnehmenden beider Gruppen drei 60-minütige Verhaltensbeobachtungen statt, die bei Einverständnis auch auf Video aufgezeichnet wurden. Im Falle der Interventionsgruppe beinhaltetet die Verhaltensbeobachtung die Musikhörintervention. Zudem wurden bei vorliegendem Einverständnis auch Speichelproben entnommen, um biologische Stressmarker zu untersuchen. Wir konnten 118 Menschen mit Demenz für die Teilnahme gewinnen. Im Durchschnitt waren sie 84 Jahre alt (zwischen 65 und 105 Jahre) und zum Großteil (76%) weiblich. Sie lebten im Schnitt seit 2,6 Jahren im jeweiligen Seniorenheim.
Die Musikintervention konnte erfolgreich in den verschiedenen Pflegeheimen umgesetzt werden. Nach ersten Auswertungen zu kurzfristigen Effekten der Musikintervention aus den 60-minütigen Verhaltensbeobachtungen finden sich bei den teilnehmenden Menschen mit Demenz stets individuelle, jedoch vorwiegend positive Reaktionen auf das Musikhören. Unser Forschungsprojekt zeigt: Das Hören individualisierter Musik für Menschen mit Demenz, ist eine einfach umzusetzende, kostengünstige, nicht-medikamentöse und innovative Intervention für Menschen mit Demenz aller Schweregrade.
Musik und Erinnerung
Musik ist wichtiger Bestandteil unserer Biografie und wird im Gehirn an Orten des Langzeitgedächtnisses gespeichert, die von einer Demenz weniger stark betroffen sind. Hören Sie eine bestimmte Melodie und können sich plötzlich an lange zurückliegende Ereignisse, Liedtexte, Gesichter und Geschichten erinnern? Genau diese Erinnerungsfähigkeit beim Hören von Musik ist auch bei Menschen mit Demenz noch lange erhalten.
Herausforderungen und zukünftige Forschung
Die publizierte wissenschaftliche Evidenz zur therapeutischen Bedeutung von Musik bei demenziellen Erkrankungen ist im Vergleich zu medikamentösen Therapieansätzen bei Demenz gering. Planung und Durchführung guter randomisierter, kontrollierter Interventionsstudien sind extrem anspruchsvoll.
Fazit: Musik als Schlüssel zur Lebensqualität
Musik ist mehr als nur Unterhaltung - sie ist ein kraftvolles therapeutisches Werkzeug, das die Lebensqualität von Demenzpatienten verbessern kann. Mit der richtigen Musikauswahl können wir Senioren dabei helfen, Freude, Ruhe und Geborgenheit zurückzugewinnen. Musiktherapie kann soziale Bindungen stärken, indem sie gemeinsames Singen oder Tanzen ermöglicht.
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