Narzisstische Neurose: Symptome, Ursachen und Behandlung

Die narzisstische Neurose, oft auch als narzisstische Persönlichkeitsstörung bezeichnet, ist ein komplexes psychologisches Phänomen, das durch ein übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit, ein tiefes Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung, gestörte Empathiefähigkeit und arrogantes Verhalten gekennzeichnet ist. Obwohl der Begriff "Neurose" in der modernen Psychiatrie weniger gebräuchlich ist, hilft das Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen, die narzisstischen Tendenzen zu verstehen und zu behandeln. Dieser Artikel beleuchtet die Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der narzisstischen Neurose und bietet Einblicke in die Dynamik dieser komplexen Störung.

Was ist eine Neurose?

Der Begriff "Neurose" leitet sich von den griechischen Wörtern "Neuron" (Nerv) und "-ose" (Zustand) ab und bedeutet wörtlich "Nervenkrankheit". Sigmund Freud trug maßgeblich zur Popularisierung des Begriffs bei, wobei sein psychoanalytisches Modell psychischer Störungen lange Zeit auf dem Konzept des ungelösten Ödipuskomplexes basierte, den er als Hauptursache aller sogenannten neurotischen Erkrankungen ansah. Obwohl die exakten Ursachen psychischer Störungen oft nicht beweisbar sind, ist die Unterscheidung zwischen neurotischen und nicht-neurotischen Störungen in der Praxis weiterhin relevant und hilfreich.

Narzissmus und narzisstische Persönlichkeitsstörung

Es ist wichtig, zwischen allgemeinem Narzissmus und einer tatsächlichen narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) zu unterscheiden. Narzissmus an sich ist nicht immer negativ. Er kann sich in Ehrgeiz äußern und zu Erfolg im Leben führen. Wenn Narzissmus jedoch stark ausgeprägt ist und zu Leid für den Betroffenen und seine Umwelt führt, spricht man von einem pathologischen Narzissmus. Der Übergang von einer Persönlichkeitseigenschaft zur Störung ist fließend.

Häufigkeit

Es wird geschätzt, dass etwa 0,4 bis 6,4 Prozent der Bevölkerung an einer NPS leiden. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (75 % Männer, 25 % Frauen). Viele Betroffene suchen aufgrund anderer psychischer Erkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen oder Suchtproblemen, professionelle Hilfe.

Symptome der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Die NPS ist durch ein tiefgreifendes Muster von Grandiosität (in Fantasie oder Verhalten), einem Bedürfnis nach Bewunderung und einem Mangel an Empathie gekennzeichnet. Die Diagnose erfordert, dass mindestens fünf der folgenden Symptome vorliegen:

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  • Übertriebenes Gefühl der eigenen Wichtigkeit: Die Betroffenen überschätzen ihre Leistungen und Talente und erwarten, von anderen als überlegen anerkannt zu werden, auch ohne entsprechende Leistungen. Sie fordern und erwarten, ständig von anderen bewundert und gelobt zu werden.
  • Fantasien von grenzenlosem Erfolg, Macht, Schönheit oder idealer Liebe: Sie sind stark von diesen Fantasien eingenommen.
  • Glaube, besonders und einzigartig zu sein: Sie sind überzeugt, nur von anderen "besonderen" oder hochgestellten Menschen verstanden zu werden oder nur mit diesen Kontakt pflegen zu müssen.
  • Bedürfnis nach exzessiver Bewunderung: Sie verlangen von ihren Mitmenschen übermäßige Bewunderung.
  • Hohes Anspruchsdenken: Sie haben übertriebene Erwartungen, dass automatisch auf ihre Erwartungen eingegangen wird oder dass sie besonders günstig behandelt werden.
  • Ausbeuterisches Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen: Sie nutzen andere aus, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Narzissten versuchen, andere für ihre Zwecke zu vereinnahmen.
  • Mangel an Einfühlungsvermögen: Sie sind nicht bereit, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer zu erkennen, zu akzeptieren oder sich in sie hineinzuversetzen.
  • Häufiger Neid auf andere oder Glaube, andere seien neidisch auf sie.
  • Arrogante, hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome nicht immer eindeutig sind und sich von Person zu Person unterscheiden können. Manche Betroffene zeigen ihre Überheblichkeit nicht offen, während andere sie offen zur Schau stellen.

Niedriges Selbstwertgefühl

Entgegen der landläufigen Meinung geht die NPS oft mit einem niedrigen Selbstwertgefühl einher. Die Betroffenen verschleiern ihre Selbstwertzweifel durch ihre selbstherrliche Selbstdarstellung. Sie leiden unter innerer Leere und sind sehr auf die Anerkennung durch andere Menschen angewiesen. Die Aufwertung der eigenen Person oder Abwertung anderer ist ein Versuch, negative Gefühle zu bewältigen.

Typen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Die NPS kann in verschiedene Typen eingeteilt werden, die sich in ihren Erscheinungsformen und zugrunde liegenden Mechanismen unterscheiden:

  • Grandios-maligner Narzissmus: Dieser Typus ist durch eine Kombination aus Narzissmus, Aggression, Paranoia und antisozialem Verhalten gekennzeichnet. Maligne Narzissten sind von ihrer Großartigkeit überzeugt und rächen sich ohne Reue, wenn sie sich nicht angemessen wertgeschätzt fühlen.
  • Vulnerabel-fragiler Narzissmus: Dieser Typus, auch als "verdeckter Narzissmus" bekannt, ist durch depressive Stimmung, Ängstlichkeit und Scham geprägt. Menschen mit diesem Typus reagieren sehr sensibel auf Kritik und Misserfolge.
  • Exhibitionistischer Narzissmus: Dieser Typus, auch "offener Narzissmus" genannt, stellt seine Großartigkeit öffentlich heraus und zieht die Aufmerksamkeit auf sich, die er braucht. Sein Auftreten wirkt sehr selbstbewusst, aber er verhält sich anderen gegenüber arrogant und kühl.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen der NPS sind komplex und umfassen eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren.

Genetische Faktoren

Zwillingsstudien deuten darauf hin, dass genetische Faktoren bei der Entstehung der NPS eine größere Rolle spielen als bei anderen Persönlichkeitsstörungen.

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Umweltfaktoren

Viele Experten sehen die Wurzeln des Narzissmus in der Kindheit. Theorien über die Entstehung variieren jedoch stark, und derzeit gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die narzisstische Störung auf ungünstige Interaktionen mit Bezugspersonen zurückzuführen ist. Otto Kernberg geht davon aus, dass emotional kalte oder latent aggressive Eltern eine übersteigerte Selbstdarstellung fördern. Andere Forscher vermuten, dass Kinder, die von den Eltern keine Grenzen erhalten, ein unrealistisches und perfektionistisches Selbstbild entwickeln können. Beide Erziehungsstile stellen letztendlich eine Vernachlässigung der kindlichen Bedürfnisse dar.

Neurosen entstehen durch die Eigenaktivität der Psyche

Um den Grundmechanismus der Pathogenese, also der Krankheitsentstehung, zu verstehen, gilt es, Struktur und Psychodynamik des bewussten Individuums zu betrachten. Zur Struktur gehört der Unterschied zwischen Selbst und Selbstbild. Der Gesunde schaut auf sich selbst. Er versucht zu erkennen, wie er tatsächlich ist. Er neigt dazu, das Erkannte zu akzeptieren. Widersprüche nimmt er als kreative Spannung an. Der neurotische Mensch schaut auf den Erfolg. Er fragt nicht, wie er wirklich ist, sondern wie er sein sollte, damit er vom Leben, und vor allem von anderen, bestätigt wird. Widersprüche deutet er als Schwäche und Missstand. Der Kranke identifiziert sich mit seinem Selbstbild. Durch den Lauf der Dinge wird jedes Selbstbild infrage gestellt. Bei der Entscheidung, ob man eine Erkenntnis akzeptiert oder nicht, spielt die Qualität der Gefühle, die durch die Erkenntnis ausgelöst werden, eine wesentliche Rolle. Die Entscheidung, die man an dieser Stelle trifft, ist die Entscheidung über gesund oder krank.

Der Grundirrtum der Neurose

Der Grundirrtum der Neurose liegt darin, dass der Einzelne seiner Person mehr Bedeutung zumisst, als ihr in Wirklichkeit zukommt. Ihre Person hat kaum Bedeutung. Bedeu­tung haben nur Sie selbst. Unterscheiden Sie zwischen sich und Ihrer Person. Sie selbst sind das, was Sie sind. Das Ego, aus dessen Zugriff sich der spirituelle Mensch zu befreien versucht, ist keine eigenständige Instanz. Das Ego ist begrifflicher Repräsentant eines Selbstbilds, das das Ich mit der Person gleichsetzt und deren Belangen eine so überragende Bedeutung zuspricht, dass die Person es partout nicht unterlassen kann, darüber nachzudenken.Traumatisierend sind Missstände vor allem dann, wenn sie den Eigenwert des Individuums leugnen und/oder sein Selbstbestimmungsrecht infrage stellen. Der Verzicht des Einzelnen auf sein Selbstbestimmungsrecht wird in der Regel durch die Drohung erzwungen, ihn bei mangelndem Gehorsam aus der Gemeinschaft zu verstoßen oder ihm gezielt zu schaden.

Diagnose

Zur Diagnose der NPS sollte ein Psychiater oder Psychotherapeut aufgesucht werden. Er kann anhand von spezifischen Fragen, die sich an den diagnostischen Kriterien orientieren, eine Diagnose stellen. Dazu zählen etwa Fragen wie:

  • Haben Sie das Gefühl, Großartiges in Ihrem Leben zu leisten?
  • Haben Sie oft den Eindruck, dass andere Ihre Großartigkeit nicht erkennen?
  • Empfinden Sie es als anstrengend, sich mit den Gefühlen und Interessen anderer Menschen auseinanderzusetzen?

Wenn möglich, wird der Therapeut auch nahe Angehörige fragen, wie sie den Betroffenen erleben. Wichtig ist die Abgrenzung zu anderen Persönlichkeitsstörungen wie der histrionischen Persönlichkeitsstörung und der Borderlinestörung. Die Diagnose soll den Betroffenen nicht verurteilen, sondern ihm helfen, sich und seine Umwelt besser zu verstehen.

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Behandlung

Narzisstische Menschen haben oft keine Einsicht darin, dass ihr eigenes Verhalten Probleme erzeugt. Sie sind von der Großartigkeit ihres Selbst überzeugt und suchen den Fehler bei anderen Menschen. Wenn sie sich in Behandlung begeben, dann meistens aufgrund einer zusätzlichen psychischen Störung, beispielsweise Depressionen, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.

Psychotherapeutische Behandlung

Zur Behandlung der NPS werden psychotherapeutische Verfahren eingesetzt. Der Therapeut hilft dem Betroffenen, seine Verhaltensweisen und Gefühle besser zu verstehen. Narzisstische Verhaltensweisen sind oft der Versuch, negative Gefühle zu kompensieren. Um die Beziehung zu anderen Menschen zu verbessern, muss der Betroffene an seiner Empathiefähigkeit arbeiten und gemeinsam mit dem Therapeuten neue Verhaltensstrategien entwickeln, welche die Interaktion mit anderen Menschen verbessert. Das Therapieziel ist, extreme Verhaltens- und Denkweisen zu verändern und so das eigene Leben zu verbessern.

Therapieansätze

  • Psychoanalytische und tiefenpsychologisch-fundierte Therapie: Einige Ansätze konfrontieren die Patienten mit ihrer Selbstüberschätzung als Abwehrmechanismus gegen Wut, Aggression und Neidgefühle. Andere Psychoanalytiker bevorzugen ein unterstützendes, einfühlsames und fürsorgliches Vorgehen, um dem Patienten die Erfahrung zu ermöglichen, dass er als Person akzeptiert und wertgeschätzt wird.
  • Kognitive Verhaltenstherapie: Hier wird eine tragfähige, wertschätzende therapeutische Beziehung aufgebaut. Es wird auf konkrete Erfahrungen und Probleme eingegangen, um charakteristische Schwierigkeiten des Patienten in Beziehungen herauszuarbeiten und allmählich zu verändern. Außerdem wird versucht, ungünstige Denkmuster zu verändern und das Schwarz-Weiß-Denken der Patienten durch eine stärker abgestufte Sichtweise zu ersetzen. Rollenspiele mit Videofeedback können eingesetzt werden, um die Empathiefähigkeit zu verbessern.

Ein wesentlicher Baustein für eine erfolgreiche Narzissmus-Therapie ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen dem Betroffenen und dem Therapeuten. Es kann einige Zeit dauern, bis der Betroffene bereit ist, dem Therapeuten zu vertrauen und mit ihm zu arbeiten. Eine wichtige Maßnahme in der Therapie ist es, die Ansprüche zu hinterfragen und Ziele zu setzen, die tatsächlich erreichbar sind.

Therapie mit Psychopharmaka

In der Regel werden Psychopharmaka bei einer NPS nicht als hilfreich angesehen. Sie werden vor allem dann eingesetzt, wenn gleichzeitig andere psychische Störungen vorliegen, zum Beispiel eine Depression.

Partnerschaft mit einem Narzissten

Eine Partnerschaft mit jemandem zu führen, der eine NPS hat, ist eine große Herausforderung. Für Narzissten dreht sich die Welt praktisch nur um sie selbst. Sich in den Partner (oder andere Menschen) hineinzuversetzen, gehört nicht zu ihren Stärken. Für eine funktionierende Partnerschaft ist es wichtig, dass sich der Narzisst von einem Therapeuten behandeln lässt und der Partner professionelle Hilfe in Anspruch nimmt, um mehr über den richtigen Umgang mit einem Narzissten zu lernen.

Verlauf und Prognose

Eine Persönlichkeitsstörung ist in der Persönlichkeit selbst angelegt. Im eigentlichen Sinne kann man daher nicht erwarten, dass Narzissmus heilbar ist. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen reduzieren sich die Symptome aber - dank einer Therapie - innerhalb von zwei Jahren. Eine günstige Prognose haben dabei Betroffene, die Erfolgserlebnisse haben und gute Beziehungserfahrungen machen. Je besser die Selbstwahrnehmung wird, desto leichter wird es auch, die narzisstischen Züge selbst zu erkennen und zu bearbeiten. Für Betroffene, die sich aufgrund ihrer Überheblichkeit nicht auf den Therapeuten einlassen können, viele Misserfolge im Leben haben und Drogen oder Alkohol missbrauchen, ist die Prognose dagegen schlechter. Die NPS bringt ein erhöhtes Suizidrisiko mit sich.

Leben mit Narzissmus in der modernen Gesellschaft

Narzissmus ist ein vielschichtiges Phänomen, das sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Aspekte berührt. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Leistungsdruck, Selbstinszenierung und äußeren Erfolgen geprägt ist, können narzisstische Züge leichter entstehen. Es ist wichtig, die Grenze zwischen produktiver Eigenliebe und schädlicher Selbstüberhöhung zu erkennen - im Alltag wie in der psychologischen Praxis.

Narzissmus im Alltag

Menschen mit einer NPS verhalten sich ihren Mitmenschen gegenüber meist fordernd, arrogant-abschätzig und auch desinteressiert-abweisend. Diese Merkmale und Verhaltensweisen sind mitunter so stark ausgeprägt, dass Betroffene selbst und das Umfeld massiv darunter leiden können. Doch auch der Alltag von und mit Menschen, die nur leichte narzisstische Züge aufweisen, kann sehr belastend und mit Problemen verbunden sein.

Gesellschaftliche Faktoren

  • Leistungsdruck und Erfolgsorientierung: Kinder werden bereits häufig in der Schule darauf trainiert, gute Noten mit nach Hause zu bringen. Narzisstische Verhaltensweisen sind bei diesem Leistungsdruck mitunter hilfreich.
  • Selbstoptimierung, -inszenierung und -vermarktung: Castingshows im Fernsehen und die sozialen Netzwerke im Internet befeuern eine Kultur der Selbstdarstellung, in der vor allem zählt, wie man sich verkauft. Sich intensiv mit der eigenen Person zu beschäftigen und sich selbstbewusst und anderen überlegen zu präsentieren, gehört im Grunde zu den narzisstischen Charaktereigenschaften.

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