Die Welt scheint von Krisen, Kriegen, Terroranschlägen und Umweltzerstörung geplagt zu sein, was viele Menschen zu der Annahme verleitet, dass die Dinge so schlecht wie nie zuvor stehen und sich in Zukunft noch verschlimmern werden. Diese Wahrnehmung wird maßgeblich durch die Art und Weise beeinflusst, wie wir Informationen verarbeiten, insbesondere durch die Medien, die eine Überrepräsentation negativer Inhalte aufweisen. Dieser Artikel untersucht die Auswirkungen negativer Nachrichten auf das Gehirn, beleuchtet die psychologischen Mechanismen, die dahinter stehen, und bietet Strategien für einen gesünderen Umgang mit Medien.
Der Negativity Bias: Unser Steinzeithirn im modernen Informationszeitalter
Ein zentrales Konzept im Verständnis der Wirkung negativer Nachrichten ist der sogenannte "Negativity Bias". Dieser Begriff beschreibt die menschliche Neigung, negativen Informationen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sie besser zu speichern und intensiver auf sie zu reagieren als auf positive oder neutrale Inhalte. Dieser Fokus auf das Negative hat seine Wurzeln in der Evolutionspsychologie. In der Steinzeit war es überlebenswichtig, Gefahren schnell zu erkennen und auf sie zu reagieren. Unser Gehirn, oft liebevoll als "Steinzeithirn" bezeichnet, hat sich dahingehend entwickelt, BedrohungenPriorität einzuräumen, um unser Überleben zu sichern.
Maren Urner, Neurowissenschaftlerin und Mitbegründerin des Online-Magazins Perspective Daily, erklärt, dass unser Gehirn darauf ausgelegt ist, unseren Körper am Leben zu erhalten. Eine verpasste negative Nachricht konnte potenziell das Ende des Lebens bedeuten. Daher verarbeiten wir negative Informationen besser, schneller und intensiver als positive oder neutrale.
Die Mechanismen des Doomscrollings
In der heutigen Zeit manifestiert sich der Negativity Bias oft im Phänomen des "Doomscrollings". Doomscrolling beschreibt das zwanghafte Konsumieren negativer Nachrichten über soziale Medien, News-Apps oder Online-Portale über einen längeren Zeitraum. Typische Verhaltensweisen sind exzessives Lesen schlechter Nachrichten, das Gefühl, "nicht aufhören zu können", und die Suche nach immer neuen, beunruhigenden Informationen. Dieser Konsum findet häufig abends oder vor dem Schlafengehen statt, wenn die Selbstkontrolle schwächer ist und das Smartphone leicht zur Hand liegt.
Das Problem dabei ist, dass der Körper beim Konsum negativer Nachrichten in einen Zustand der Angst versetzt wird. Der Anstieg von Cortisol und Adrenalin mobilisiert Energie und bereitet den Körper auf Flucht oder Kampf vor. Da diese Reaktion jedoch ausbleibt, während wir vor dem Fernseher sitzen oder auf unser Smartphone schauen, verläuft die ganze Angstkaskade ins Leere. Dies kann zu Dauerstress führen, der langfristig negative Auswirkungen auf das Immunsystem, den Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System hat.
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Die Folgen eines zu negativen Weltbilds
Ein übermäßiger Konsum negativer Nachrichten kann zu einem verzerrten Weltbild führen, in dem die Welt als gefährlicher und bedrohlicher wahrgenommen wird, als sie tatsächlich ist. Dies kann eine Reihe negativer psychologischer Auswirkungen haben, darunter:
- Chronischer Stress: Das Gefühl, ständig im Krisenmodus zu sein, führt zu chronischem Stress, der mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit einhergeht.
- Erlernte Hilflosigkeit: Ein zu negatives Weltbild kann zu dem Gefühl führen, dass man nichts ändern kann und die Welt ein grausamer Ort ist, auf den man wenig Einfluss hat. Dies führt oft zu Resignation und dem Gefühl, dass "die da oben sowieso machen, was sie wollen".
- Vermeidung: Um sich vor der Flut negativer Informationen zu schützen, wenden sich immer mehr Menschen vom Weltgeschehen ab, was zu einer geringeren Beteiligung an gesellschaftlichen Problemen führt.
- Psychische Störungen: Bei Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung oder Vulnerabilität kann der dauerhafte Konsum negativer Nachrichten das Fundament für stärkere psychische Belastungen bilden, die auch in einer psychischen Störung enden können.
Strategien für einen gesünderen Umgang mit Medien
Angesichts der potenziell negativen Auswirkungen negativer Nachrichten ist es wichtig, Strategien für einen gesünderen Umgang mit Medien zu entwickeln. Hier sind einige Empfehlungen:
- Medienkonsum begrenzen: Richten Sie feste Zeiten für den Nachrichtenkonsum ein und verzichten Sie bewusst auf Nachrichten am Abend.
- Vertrauenswürdige Quellen auswählen: Wählen Sie gezielt vertrauenswürdige Quellen aus und schalten Sie Push-Benachrichtigungen aus.
- Bildschirmfreie Zonen schaffen: Legen Sie Ihr Smartphone beim Essen oder abends weit weg vom Bett.
- Achtsamkeit und Selbstreflexion fördern: Beobachten Sie bewusst Ihr Scrollverhalten und halten Sie Gedanken und Gefühle in einem Tagebuch fest. Atemübungen, Meditation oder Yoga können einen wohltuenden Ausgleich schaffen.
- Positive Inhalte auswählen: Beschäftigen Sie sich bewusst mit positiven und inspirierenden Inhalten und entfolgen Sie Quellen, die Angst oder Panik schüren.
- Nachrichtenpausen einlegen: Legen Sie regelmäßige Nachrichtenpausen ein, etwa indem Sie nur einmal täglich Nachrichten konsumieren.
- Kritisches Denken entwickeln: Hinterfragen Sie Informationen von außen, aber auch sich selbst und die eigene Wahrnehmung stets kritisch. Erkennen Sie glaubwürdige Quellen als solche und seien Sie sich der eigenen kognitiven Verzerrungen bewusst.
- Ehrlichkeit und Transparenz fördern: Schaffen Sie einen größeren Austausch zwischen Medienschaffenden und Rezipienten und nutzen Sie die Möglichkeiten des Internets, um das klassische Sender-Empfänger-Modell zu überwinden.
- Konstruktiven Journalismus unterstützen: Informieren Sie sich über konstruktiven Journalismus, der nicht nur Probleme aufzeigt, sondern auch mögliche Lösungen und Perspektiven bietet.
Die Rolle der Medien
Auch die Medien selbst tragen eine Verantwortung für einen gesünderen Umgang mit Nachrichten. Sie können mit konstruktivem Journalismus dazu beitragen, dass es zu weniger Doomscrolling kommt. Dabei geht es um eine Berichterstattung, in der eine Situation nicht nur abgebildet, sondern darüber hinaus aufgezeigt wird, wie es weitergehen könnte oder mögliche Lösungen aussehen würden. Dies erfordert mehr Journalistinnen und Journalisten, die ihre Verantwortung dahingehend wahrnehmen.
Die Bedeutung von Medienkompetenz
Um sich vor den negativen Auswirkungen von Nachrichten zu schützen, ist es wichtig, Medienkompetenz zu entwickeln. Dies bedeutet, dass man in der Lage ist, Informationen kritisch zu hinterfragen, Quellen zu bewerten und die eigenen Mediennutzungsgewohnheiten zu reflektieren. Medienkompetenz sollte bereits in der Schule gefördert werden, indem kritisches Denken in den Lehrplan integriert wird.
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