Ein herabhängender Mundwinkel, ein Auge, das sich nicht schließt: Dies sind typische Symptome einer Fazialisparese. Wenn der Nervus facialis anschwillt - etwa durch eine Infektion mit Bakterien oder Viren - kann es schnell zu einer Schädigung des Nervs und Funktionsstörungen kommen, die sich dann im Gesicht in Form einer Gesichtslähmung widerspiegeln. Der medizinische Begriff für diese Gesichtslähmung ist Fazialisparese.
Was ist der Nervus facialis?
Der Nervus facialis ist eigentlich ein Nervenpaar - je ein Strang für die linke und rechte Hälfte des Gesichts. Wie die Äste eines Baums verzweigen sich die Arme des Nervs dann jeweils auf einer Gesichtshälfte. Der Gesichtsnerv (N. facialis) versorgt die mimische Muskulatur des Gesichts und ist für das Empfinden von Geschmacksqualitäten Süß und Sauer verantwortlich.
Ursachen der Fazialisparese
Am bekanntesten ist die Fazialisparese als Symptom für einen Schlaganfall im Gehirn. Aber: Es gibt auch andere Ursachen. Die Fazialislähmung kann zum Beispiel auch durch Krankheiten, Infektionen oder Verletzungen hervorgerufen werden. Die Namen beziehen sich auf die Lage des auslösenden Problems. Peripher bedeutet "am Rand gelegen" und meint in diesem Zusammenhang den Gesichtsnerv, der vom Gehirn bis ins Gesicht führt. Die periphere Fazialisparese ist mit rund 60 Prozent der Fälle die häufigere Form. Ursache für die Schädigung des Gesichtsnervs oder einen Teil des Nervs kann dabei ein Unfall oder eine Schwellung aufgrund einer Infektion mit Bakterien oder Viren sein. Auch am Gesichtsnerv liegende Tumore oder eine Mittelohrentzündung können periphere Fazialisparesen auslösen. Die Faszialislähmung tritt meist im mittleren Lebensalter auf. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Ein bekannter Risikofaktor für die Entwicklung der Gesichtslähmung ist Diabetes: Schlecht eingestellte Zuckerwerte schädigen generell die Nerven und können auch den Gesichtsnerv betreffen. Ein höheres Risiko für eine Fazialisparese haben auch Schwangere, wobei hier die Ursache unbekannt ist. Letztlich können auch psychische Faktoren wie extremer Stress oder banale Umgebungsfaktoren - wie Zugluft im Gesicht - eine Entzündung des Nervus facialis auslösen: Gesichtslähmungen treten statistisch häufiger nach Wetterumschwüngen auf.
Die Ursachen für eine Lähmung des Gesichtsnerven (Nervus fazialis) sind vielfältig: Durch eine Nervenentzündung, eine Ohrentzündung, bösartige Tumoren des Ohres oder der Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis) kann eine Gesichtsnervenlähmung entstehen. Da in unserer HNO-Klinik viele Patienten mit bösartigen Speicheldrüsentumoren operiert werden, sind wir häufig mit dieser Situation konfrontiert. Weitere Ursachen sind Unfälle und Verletzungen im Verlauf des Nervs sowie Operationen am Gesichtsnerv. So kann es bei einer Akustikusneurinom-Operation (Vestibularis-Schwannom-Operation) zu einer Verletzung des Gesichtsnervs kommen, weil der Gesichtsnerv sich in unmittelbarer Nähe des Hörgleichgewichtsnervs befindet und dem Akustikusneurinoms anliegen kann.
Periphere vs. zentrale Fazialisparese
Die „zentrale Fazialisparese“ tritt häufig nach einem Schlaganfall auf. Eine „periphere Fazialisparese“ entsteht häufig nach Entzündungen, Verletzungen und Tumoren im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels, im Mittelohr oder im Bereich der Ohrspeicheldrüse. Je nachdem an welcher Stelle der Nerv beschädigt ist, zeigt sich eine andere Ausprägung der Gesichtsnervenlähmung.
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Bei der peripheren Lähmung ist der Nerv selbst an irgendeiner Stelle seines Verlaufs gestört. Im Gegensatz zur zentralen Lähmung können die Betroffenen meist die komplette Gesichtshälfte inklusive Stirn und Augen nicht mehr bewegen. Sie können beispielsweise ihre Stirn nicht mehr runzeln.
Bei einer zentralen Lähmung ist jener Gehirnbereich gestört, der die Impulse an den Gesichtsnerv sendet. Diese sogenannten "Kerngebiete" liegen in der rechten und linken Gehirnhälfte und sind jeweils für die Funktion der gegenüber liegenden Körperhälfte zuständig. Nur die Funktion der Stirn- und Augenmuskeln wird von den Kernen beider Seiten versorgt. So können Menschen mit einer zentralen fazialen Lähmung ihre Stirn noch runzeln.
Symptome der Fazialisparese
Die Beschwerden treten in der Regel innerhalb von wenigen Stunden auf und erreichen nach ein bis zwei Tagen ihren Höhepunkt. Folgende Symptome sind typisch für eine Fazialisparese:
- Hängender Mundwinkel
- Missempfindungen in der Wange
- Sprechstörungen
- Stirnrunzeln oder Naserümpfen ist kaum möglich
- Schließen des Augenlids ist nicht vollständig möglich
- Störungen des Geschmacksinns
- Druckgefühl am Ohr
- Überempfindlichkeit bei Geräuschen
Diagnose der Fazialisparese
Die Diagnose der Fazialisparese ist vor allem Ursachenforschung. Mithilfe einer Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) untersucht der Arzt oder die Ärztin, ob der Auslöser im Gehirn liegt. Im nächsten Schritt wird Blut abgenommen oder eine Lumbalpunktion zur Gewinnung von Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit durchgeführt. Auch eine Mittelohrentzündung kann den Nervus facialis in Mitleidenschaft ziehen, daher kann für die Diagnose eine Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt und Neurologen sehr hilfreich sein. In vielen Fällen ist aber keine direkte Ursache der Fazialisparese bekannt.
Oft kann der Arzt eine halbseitige Gesichtslähmung schon auf den ersten Blick erkennen: Der Mundwinkel auf der betroffenen Seite hängt herab, das Augenlid lässt sich nicht vollständig oder gar nicht schließen (Lagophtalmus), aufgrund der gelähmten Gesichtsmuskeln ist die Sprache verwaschen und schwer verständlich. Oft fließt auch Speichel aus dem Mundwinkel.
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Am Anfang steht aber das Patientengespräch zur Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Wichtig für den Arzt sind unter anderem folgende Fragen:
- Wann traten die ersten Anzeichen der Lähmung auf?
- Wie äußern sich diese genau?
- Haben Sie noch andere Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen)?
- Leiden Sie unter Bluthochdruck?
Das Herz, die Lunge und die großen Halsgefäße werden in der internistischen oder körperlichen Untersuchung inspiziert. Wichtig ist auch eine Ohrenspiegelung (Otoskopie): Entdeckt der Arzt dabei kleine Bläschen im Gehörgang, könnten dies auf eine Gürtelrose hindeuten (Zoster oticus).
Blutuntersuchungen und ein Abstrich helfen beim Erregernachweis. Der Nachweis von Borrelien, Herpes-Viren oder anderen Erregern können hier erste Hinweise auf die Ursache der Gesichtslähmung geben.
Besonderes Augenmerk liegt auf der Funktionstüchtigkeit der Nerven. In einer neurologischen Untersuchung wird unter anderem der Zustand der Hirnnerven und des zentralen sowie peripheren Nervensystems geprüft. Bei der peripheren Lähmung gilt es, den Ort der Schädigung genauer zu lokalisieren. Aufgrund zusätzlicher Symptome kann der Arzt ungefähr einschätzen, auf welcher Höhe der Gesichtsnerv geschädigt ist.
So deutet eine Lähmung einzelner oder aller Gesichtsmuskeln auf eine Nervenläsion außerhalb des Schädels hin. Ist der Nerv in einem weiter innen liegenden Abschnitt geschädigt, können zu der halbseitigen Gesichtslähmung noch weitere Beschwerden hinzutreten, beispielsweise:
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- Geschmacksstörungen in den vorderen zwei Dritteln der Zunge
- Verminderter Speichelfluss
- Gefühlsstörungen im Bereich der Ohren
- Verstärkte Geräuschempfindlichkeit (Hyperakusis)
- Reduzierter Tränenfluss und trockene Nasenschleimhäute
- Schwerhörigkeit oder Ertaubung
Wichtige neurologische Untersuchungsmethoden sind die Elektromyografie (EMG) und die Elektroneurografie (ENG): Hierbei wird die elektrische Muskelaktivität (EMG) beziehungsweise der Funktionszustand von Nerven (ENG) geprüft. Das hilft, die Diagnose der Gesichtslähmung zu untermauern.
Auch die Unterscheidung von zentraler und peripherer Gesichtslähmung ist wichtig. Kann der Patient seine Stirn nicht mehr runzeln, deutet das auf eine periphere Fazialislähmung hin.die Untersuchungen dagegen eine zentrale Fazialislähmung vermuten, sind oft weitere bildgebende Verfahren nötig. Dazu zählen Röntgen, Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) und Computertomografie (CT) bei Verdacht auf eine Gehirnblutung oder Schädel-Hirn-Verletzung.
Schweregrad der Gesichtslähmung
Anhand einer sechsstufigen Skala wird der Schweregrad der Gesichtslähmung bestimmt. Stufe I bedeutet, dass keine Störung der Gesichtsnerven vorliegt. Bei Grad VI hingegen handelt es sich um eine komplette Lähmung. Tückisch sind die Stufen II und III: Der Nervus facialis ist hier zwar leicht geschädigt. Die Läsion entstellt aber das Gesicht noch nicht sichtbar und wird so manchmal erst spät erkannt.
Behandlung der Fazialisparese
Dann wird meist für einen Zeitraum von 14 Tagen mit Kortison behandelt, das generell Entzündungen im Körper bekämpft. Mittels Infusionen verabreichen Arzt oder Ärztin auch manchmal durchblutungsfördernde Medikamente. Bei Vitamin-B12-Mangel wird mit Präparaten aus dem Vitamin-B-Komplex behandelt. Hierbei werden insbesondere Vitamin B12 aber auch Vitamin B6 und B1 eingesetzt. Da bei den meisten Patienten und Patientinnen mit peripherer Fazialisparese eine Schädigung der Lidschluss-Funktion besteht, muss das Auge besonders gepflegt werden, damit sich die Hornhaut nicht entzündet. Das geschieht mit künstlicher Tränenflüssigkeit und Augensalbe. Nachts tragen Patienten einen sogenannten Uhrglasverband (eine Art durchsichtige Augenklappe im Pflasterformat), um vor Austrocknung zu schützen. Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen verschwinden die Symptome einer Gesichtslähmung nach wenigen Wochen wieder vollständig. In manchen Fällen bleiben Restsymptome durch die Schädigung. Dazu gehören unwillkürliche Zuckungen der mimischen Muskulatur oder unbeabsichtigte Mitbewegungen der Mimik - zum Beispiel wenn der Mund gespitzt wird, schließt sich auch das Augenlid. Solche Synkinesien kann man mit Botulinum-Toxin behandeln, das in die entsprechende Muskulatur gespritzt wird, um die unwillkürlichen Bewegungen zu verhindern. In wenigen Fällen hat eine Fazialisparese Langzeitfolgen. Ist die Gesichtslähmung chronisch (dauerhafte Schädigung der Nerven) und beispielsweise der Lidschluss des Auges eines Patienten gestört, gibt es die Möglichkeit der Therapie mit rekonstruktiver, plastischer Operation. Ein offenstehendes Unterlid kann beispielsweise mit einer besonderen Operationstechnik (Canthoplastik) behandelt werden. Eine entsprechende OP am Oberlid, bei der das Sichtfeld korrigiert wird, heißt Blepharoplastik.
Die Behandlung von Gesichtsnervenlähmung ist ein Schwerpunkt der HNO-Klinik der Uniklinik Köln. Durch die langjährige Erfahrung können wir eine große Auswahl erprobter Operationsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Gesichtsnervs und der mimischen Gesichtsmuskulatur anbieten. Die Wahl des optimalen Verfahrens erfolgt individuell nach den Voraussetzungen und Wünschen des einzelnen Patienten. Die Behandlung von bleibender Gesichtsnervenlähmung erfordert große Erfahrung, da die konservative und operative Behandlung oft sehr komplex ist und viele verschiedene Aspekte bei der Therapieplanung berücksichtigt werden müssen.
Für das Ausmaß der Gesichtsnervenlähmung ist jedoch nicht die Ursache entscheidend, sondern die Schwere der Schädigung: Ein Nerv ist - vereinfacht dargestellt - aufgebaut wie ein Kabel; der Nerv besteht aus den leitenden Fasern (Axone) und einer Isolierung (Myelinscheide). Wird ausschließlich die Isolierung geschädigt, so erholt sich der Nerv in der Regel binnen 2 bis 4 Monaten von der Lähmung. Werden jedoch die leitenden Fasern geschädigt, oder im schlimmsten Fall sogar die Fasern und die Isolierung, wie dies bei einer kompletten Durchtrennung des Nervs der Falls ist, so kommt es immer zu einer bleibenden Schädigung des Gesichtsnervs. Die Ursache der Lähmung, die Untersuchung des Patienten und insbesondere eine elektrische Untersuchung des Nervs, eine Elektromyographie, helfen bei der Beurteilung der Schwere der Schädigung.
Konservative Therapie
Wenn zum Beispiel eine Infektion, ein Schlaganfall oder eine andere Erkrankung eine Fazialisparese auslöst, wird in erster Linie die entsprechende Grunderkrankung behandelt. In den häufigeren Fällen einer Fazialisparese ohne bekannte Ursache konzentriert sich die Therapie darauf, die Symptome zu lindern.
Entsteht die Gesichtslähmung als Folge einer Infektion mit einem Virus oder einem Bakterium, helfen bestimmte Medikamente - Virustatika bei Viren und Antibiotika bei Bakterien - dabei, die Erreger zu eliminieren. Außerdem kommen bei manchen Betroffenen Glukokortikoide, umgangssprachlich Kortison, zum Einsatz. Augensalben und -tropfen lindern Beschwerden, die dadurch entstehen, dass die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, das Auge richtig zu schließen.
In schweren Fällen, in denen die Gesichtslähmung nicht wieder abklingt, ist eine sogenannte transkutane Nervenstimulation eine Therapieoption. Hierbei regen leichte Stromwellen die betroffenen Nerven und Muskeln an. Der Strom wird über eine Elektrode auf der Haut in den Körper geleitet.
Fazialisparese-Übungen: Das Gesicht trainieren
Spezielle Fazialisparese-Übungen ermöglichen es den Betroffenen, unter professioneller Anleitung das Sprechen zu verbessern, leichter essen und trinken zu können sowie Gesichtsausdrücke zu trainieren. Auch müssen Erkrankte lernen, wie sie das Auge - wenn es sich nicht mehr richtig schließen lässt - vor Umwelteinflüssen im Alltag schützen können. Das erleichtert ihnen den Umgang mit der Gesichtslähmung.
Chirurgische Maßnahmen
Ist sofort oder binnen weniger Tage eine Wiederherstellung des Gesichtsnervs möglich, so ist eine direkte Naht des Nervs die Behandlung der Wahl. Generell erfolgen alle Nervenrekonstruktion unter dem Operationsmikroskop, da der Nerv nur einen Durchmesser von 0,5 - 1 mm hat. Besteht durch die Schädigung eine Lücke im Verlauf des Nervs, so verwendet man ein Nerventransplantat, das man in die Lücke einnäht. Als Spendernerv verwendet man entweder einen Gefühlsnerv vom Hals oder vom Bein. Die Entnahme dieser Spendernerven ist mit keinem wichtigen Funktionsverlust für den Patienten verbunden. Der Patient erleidet einen geringen Gefühlsverlust in der Entnahmeregion. Mit einer frühen Rekonstruktion durch eine direkte Naht oder ein Nerventransplantat erreicht man die besten Ergebnisse. Die Regeneration verläuft langsam. Die Nervenregeneration dauert 6 bis 12 Monate, selten auch bis 18 Monate. Das bedeutet, dass der Patient solange mit Änderungen der Gesichtsfunktion rechnen darf. Mit einer direkten Nervenrekonstruktion oder einer Nerventransplantation erreicht man in der Regel wieder eine gute Ruhespannung der Gesichtsmuskulatur. Somit ist nach Abschluss der Regeneration in Ruhe bei den Patienten kein wesentlicher Unterschied mehr zur gesunden Gegenseite zu erkennen. In Bewegung wird ein ausreichender Augenschluss und Mundschluss erreicht.
Häufig ist keine unmittelbare Wiederherstellung möglich. Nach einigen Monaten bis 18 Monate (in Einzelfällen bis 24 Monate oder länger nach Auftreten der Lähmung) wird nur selten eine Wiederherstellung durch eine direkte Naht oder eine Nerventransplantation möglich sein. Je länger die mimische Muskulatur nicht durch einen Nerv versorgt wird, um so mehr schrumpft die Muskulatur (Muskelatrophie). Entscheidend ist nun, ob die mimische Muskulatur auf der betroffenen Seite noch soweit vorhanden ist, dass ein Ansprechen des Muskels durch einen Nerv noch möglich ist. Bei jedem Patienten schauen wir uns deshalb genau den Zustand der Muskulatur an. Dazu untersuchen wir die Gesichtsmuskulatur mir einer Elektromyographie (EMG) und zusätzlich durch eine Ultraschall-Untersuchung. Mit einem hochauflösenden Ultraschall sind wir in der Lage, selbst die kleinen Gesichtsmuskeln darzustellen. Zeigen Elektromyographie und Ultraschall ausreichend Muskulatur, dann können wir noch eine Operation mit Nervenanschluss vornehmen. Das Verfahren der Wahl ist in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums in Jena eine Rekonstruktion durch den gleichseitigen Zungennerv (Nervus hypoglossus). Bei dieser so genannten Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose wird der gleichseitige Zungennerv durchtrennt und der Nerv an den Gesichtsnerv jenseits der Schädigungsstelle angenäht. Dieses Verfahren wird auch zu einer sofortigen Rekonstruktion angewandt, wenn der Gesichtsnerv über eine so lange Strecke zerstört ist, dass eine Nerventransplantation nicht mehr möglich ist. Die Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose ist ein sehr sicheres Verfahren. Binnen 12 Monaten kommt es zu einer Erholung der Ruhespannung des Gesichtes und zu einer deutlichen Besserung der Beweglichkeit. Die kräftige Wiederherstellung der Gesichtsbeweglichkeit hat aber auch Nachteile. Die Patienten klagen möglicherweise über starke Synkinesien. Zwangsläufig tritt zudem eine leichte bis im schlimmsten Fall deutliche Lähmung der gleichseitigen Zungenhälfte auf. Daher wir heutzutage die klassische Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose dahingehend verändert, dass der Zungennerv nicht ganz durchtrennt wird, sondern nur gespalten wird, und so nur ein Teil des Nervs für die Wiederherstellung der Gesichtsbeweglichkeit genutzt wird (sogenannte Hypoglossus-Fazialis-Jump-Nervenanastomose). In diesem Fall ist nur selten eine wesentliche Zungenlähmung zu beobachten. Da weniger Nervenfasern zur Rekonstruktion zur Verfügung stehen, läuft die Erholung der Gesichtsbewegung langsamer ab - Veränderungen stellen sich bis 18 bis 24 Monate nach Operation ein. Insgesamt ist die Gesichtsbeweglichkeit geringer als nach einer klassischen Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose mit dem Vorteil, dass aber möglicherweise die Synkinesien geringer ausgeprägt sind. Nach einer Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose muss der Patient durch eine intensive Übungsbehandlung lernen, durch (gedachte) Bewegungen der Zunge das Gesicht zu bewegen. Zunächst müssen sehr bewusst Zungenbewegungen vollführt werden, um eine Gesichtsbewegung zu erzeugen. Mit zunehmender Übung werden im besten Fall die Gesichtsbewegungen ohne bewussten Einsatz der Zunge vollbracht.
Eine solche Übungsbehandlung, dies gilt auch für die anderen Maßnahmen zur Rekonstruktion des Nervs, ergeben erst dann Sinn, wenn nach frühestens 6 Monaten wieder Nervenfasern in die Gesichtsmuskulatur ausgewachsen sind. Alle oben dargestellten Wiederherstellungsmaßnahmen am Nerv haben den Nachteil, dass der Patient in etwa weitere 12 bis 18 Monate warten muss, bis sich wieder eine Bewegung im Gesicht einstellt. Eine sofortige Wiederherstellung ist durch eine Muskelplastik möglich. Diese Operationsverfahren sind zudem anzuwenden, wenn die Lähmung über 2 bis 3 Jahre her ist, so dass eine Nerven-Wiederherstellung nicht mehr sinnvoll ist. Nach einem so langen Zeitraum ist der Gesichtnerv narbig umgewandelt und auch die Gesichtsmuskulatur unwiederbringlich verkümmert, dass eine Nervenrekonstruktion nicht mehr sinnvoll ist.
Dynamische Muskelplastik mit einem Kaumuskel
Hierbei wird einer der gleichseitigen Kaumuskeln von seiner normalen Position verlagert und im Mundwinkel aufgehängt. Dies sorgt sofort wieder für eine gute Spannung im Mundbereich. Am Auge sind die Ergebnisse nicht so gut, sodass zumeist auf eine Aufhängung am Auge verzichtet wird. Hier bietet sich zusätzlich ein anderes, besseres Verfahren an. Nach einer solchen Muskelplastik muss der Patient lernen durch Kaubewegungen das Gesicht zu bewegen. Da bei dieser Operation nur Muskeln versetzt werden, kann unmittelbar nach Abschluss der Wundheilung mit der Übungsbehandlung begonnen werden. Die Ergebnisse sind nicht so gut wie nach einer Nervenrekonstruktion. Die Bewegung des Mundes bleibt im Vergleich zur normalen Funktion wesentlich gröber.
Statische Maßnahmen
Anstatt einer Muskelverlagerung kann auch kräftige Muskelhaut von Oberschenkel-Beinmuskeln oder eine Sehne eines Unterarmmuskels wie ein Zügel zwischen Mundwinkel und Wangenknochen aufgespannt werden. Hiermit erzielt man sofort eine gute Ruhespannung des unteren Gesichts.
Die Sonderstellung des Auges: Statische Maßnahmen am Auge
Die einfachste Möglichkeit das Auge zu schützen, besteht im Tragen eines Uhrglasverbands. Dies wird von vielen Patienten auf Dauer als sehr störend empfunden. Zudem kann hiermit eine Augenentzündung nicht sicher verhindert werden. Das operative Verfahren der Wahl zur Wiederherstellung des Augenschlusses ist in Deutschland das Einsetzen eines Goldgewichts (neuerdings auch mit Platingewichten möglich). Dieses Goldgewicht wird in einer lokalen Betäubung in das Oberlid eingenäht. Durch das Gewicht wird das Auge passiv geschlossen. Das Öffnen des Auges bleibt weiter möglich, da es einen Augenöffnungs-Muskel gibt, der nicht vom Gesichtsnerv gesteuert wird und der regelrecht funktioniert. Die Operation ist kurz und risikoarm.
Die genannten chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten sind die am häufigsten eingesetzten Verfahren.