Neurologische Rehabilitation: Phasen C und D – Definition und Behandlungsansätze

Die neurologische Rehabilitation ist ein spezialisierter medizinischer Bereich, der sich auf die Behandlung von Patienten nach Erkrankungen oder Verletzungen des Gehirns, des Nervensystems oder des Rückenmarks konzentriert. Viele Patienten kommen nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma, einem Schlaganfall oder einer chronischen Erkrankung, wie z. B. der Multiplen Sklerose, in die neurologische Reha. Dabei ist der Grad der Einschränkung und der benötigten Pflege bei jedem Patienten und jeder Patientin individuell. Menschen, die an einer neurologischen Erkrankung leiden, sind manchmal kognitiv eingeschränkt und können zum Teil ihren Alltag nicht selbstständig bewältigen. In der neurologischen Reha behandelt Sie ein medizinisches Team aus Ärztinnen, Pflegerinnen und Therapeut*innen, damit Sie Fähigkeiten wie Sprechen und Gehen wiedererlernen oder verbessern. Ziel der neurologischen Reha ist es, die Lebensqualität und Selbständigkeit der Betroffenen zu verbessern, indem physische, kognitive und emotionale Fähigkeiten gezielt gefördert werden.

Das Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation

Um den Rehabilitationsverlauf gedanklich zu strukturieren, wurde in den 1960er Jahren das Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation entwickelt, das aus den sechs Phasen A bis F besteht. Die Phasen unterscheiden sich bezüglich des Hauptzieles des Behandlungsplanes und des Zustandes der Betroffenen. Die Therapieeinheiten sind in allen Phasen ähnlich und umfassen in der Regel: Physio- und Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, Sporttherapie sowie die Unterstützung durch Sozialarbeiter, Pflegekräfte und Ärzte. Sie unterscheiden sich aber im Hinblick auf ihre Schwerpunkte, sodass nicht alle Spezialisten in jeder Phase mit der gleichen Intensität zum Einsatz kommen. In jeder Phase werden darüber hinaus andere Anforderungen an das Gebäude der Einrichtung, seine Ausstattung und den Personalschlüssel gestellt.

Nicht alle Betroffenen durchlaufen jede Phase der neurologischen Phasenrehabilitation. Stattdessen sind manchmal einzelne Phasen nicht notwendig und können übersprungen werden. Am Ende jeder Phase wird der Barthel-Index erhoben, der Aufschluss darüber gibt, in welche Phase die Betroffenen als nächstes verlegt werden.

Phase A: Akutbehandlung

Die Phase A umfasst die intensivmedizinische und neurologische Akutbehandlung der Erkrankung oder Verletzung im Krankenhaus unmittelbar nach dem Ereignis. In der Regel wird schon während der Akutversorgung mit der Frührehabilitation begonnen. Wenn der Patient nach der Akutbehandlung selbstständig kommunizieren und handeln kann und sich auf Stationsebene frei bewegen kann, ist direkt im Anschluss an die Akutklinik eine Anschlussrehabilitation möglich.

Phase B: Frührehabilitation

Die Phase B schließt sich an die Akutbehandlungsphase an und betrifft vor allem die Personen, die noch intensivpflegerische Unterstützung benötigen. In der Regel treten zu diesem Zeitpunkt noch schwere neurologische Funktionseinschränkungen sowie Bewusstseinseinschränkungen auf. Patienten in Phase B sind in der Regel bewusstlos oder haben schwere Bewusstseinsstörungen. Sie sind vollständig auf pflegerische Hilfe angewiesen, werden meist künstlich ernährt und können ihre Ausscheidungsfunktionen nicht kontrollieren.

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Phase C: Weiterführende Rehabilitation

In Phase C sind die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden bereits in der Lage, selbst an der Therapie mitzuwirken. Sie können zum Beispiel aus eigener Kraft sitzen, sind bewusstseinsklar und können mehrmals am Tag mindestens 30 Minuten lang aktiv einer Therapie folgen. Gleichzeitig benötigen sie aber noch weiterhin medizinische Unterstützung und einen hohen pflegerischen Aufwand. Patienten können bereits in der Therapie mitarbeiten, medizinischer und pflegerischer Aufwand hoch.

Ziele in Phase C

In der Phase C der neurologischen Rehabilitation steht vor allem das Wiedererlangen der Mobilität und der Selbstständigkeit im Alltag im Vordergrund. Wesentlich ist hierfür die unterstützte Wiedererlangung von grundlegenden Funktionen des Gehirns wie Antrieb, Orientierung, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen. Eine verbesserte Kommunikationsfähigkeit wird angestrebt. Das übergeordnete Ziel ist die volle Handlungsfähigkeit des Patienten, sodass in Phase C eine Langzeitperspektive erarbeitet und die weitere Versorgung geplant und eingeleitet wird.

Voraussetzungen für eine Frührehabilitation Phase C:

  • weitgehend abgeschlossene Akutbehandlung
  • ausreichende Belastbarkeit und Kooperationsfähigkeit des Patienten für körperliche und geistige Aktivitäten im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung nach den gängigen Kriterien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) und Einzelfallentscheidung
  • Ausschluss von ausgeprägten Bewusstseinstrübungen oder fehlender Ansprechbarkeit, Beatmungspflichtigkeit, erheblichen Unruhe- und Erregungszuständen sowie schwerer akuter Infektionen (bei MRSA-Besiedelung nur nach besonderer Absprache)

Behandlungsschwerpunkte in Phase C

Die neurologische Frührehabilitation Phase C eignet sich z. B. bei Schlaganfällen, Schädel-Hirn-Verletzungen, entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Enzephalitis, Meningitis, Multiple Sklerose, Nachbehandlung nach Operationen an Gehirn und Rückenmark oder entzündliche Erkrankungen am peripheren Nervensystem. Nach schweren Erkrankungen am zentralen und peripheren Nervensystem können Symptome auftreten wie Halbseitenlähmungen, Querschnittslähmungen, Beeinträchtigungen von Merkfähigkeit, Gedächtnis und Orientierung, Sprachstörungen, Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen und allgemeine Muskelschwäche. Häufig gehen diese Symptome mit einer Hilfsbedürftigkeit des Patienten einher - z.B. bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden oder Essen und Trinken. Eine intensive Betreuung ist auch erforderlich bei Verwirrtheitszuständen, Kreislaufstörungen oder Infektionen.

Therapieangebote in Phase C

  • Krankengymnastik/Trainingstherapie: Die krankengymnastische Behandlung berücksichtigt moderne Therapiekonzepte, welche individuell je nach Patientenerfordernis eingesetzt werden. Die Behandlung wird unterstützt mit modernen apparativen Therapiekonzepten. Spezielle Therapieansätze sind repetitives Üben PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation), FBL (funktionelle Bewegungslehre) und traditionelle Konzepte wie Bobath.
  • Ergotherapie: In der Ergotherapie nutzen wir u.a. diese Techniken: ADL-Training (Alltagstraining), robotergestützte Therapien, Affolter-Konzept (Therapie-Konzept bei Wahrnehmungsstörungen), berufsrelevantes Üben, Schreibtraining und funktionelle Elektrostimulation. Außerdem setzen wir spezielle Therapiekomponenten gemäß "forced use therapie" ein: funktionelles Armtraining und Spiegeltherapie.
  • Logopädie: Logopäden analysieren Sprache, Artikulation und das Schlucken. Bei Beeinträchtigungen setzen wir eine intensive funktionelle Therapie in Einzel- und Gruppensitzungen ein. Wir unterstützen Sie beim Essen und nutzen u.a. eine intensive Dysphagie-Therapie. Es gibt ein Intensivprogramm für Aphasiker.
  • Neuropsychologie: Die Neuropsychologie stützt sich auf das Testen kognitiver Funktionen. Anhand der Ergebnisse werden individuelle Trainingsprogramme ausgearbeitet und in Form von manuellen und PC-gestützten Trainingseinheiten umgesetzt. Zusätzlich kommt Visuelles Wahrnehmungstraining mit dem Elex-Gerät und Augenmotilitätstraining zum Einsatz.

Phase D: Anschlussrehabilitation (AHB/AR)

Die Phase D beginnt nach Abschluss der Frühmobilisation (Phasen A-C) und hat das Ziel, die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden an ein möglichst selbstständiges Leben heranzuführen. Die Betroffenen kommen mit den Aktivitäten des täglichen Lebens gut zurecht und benötigen nur noch wenig Unterstützung. Sie sind darüber hinaus bereit und motiviert, aktiv an der Rehabilitation mitzuarbeiten. Rehabilitation nach Abschluss der Frühmobilisation.

Ziele in Phase D

Ziel der Phase D der neurologischen Rehabilitation ist die Restitution und ggf. notwendige Kompensation gestörter Funktionen (kognitive und sensomotorische Funktionen). Sie soll verhindern, dass es z.B. zu einer Pflegebedürftigkeit oder bleibenden Behinderungen kommt bzw. diese verringern oder einer Verschlechterung vorbeugen. Mit Phase D kann die Rehabilitation abgeschlossen sein, z.B. wenn anschließend wieder ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung möglich ist.

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Behandlungsschwerpunkte in Phase D

Hier richten sich die Rehabilitationsziele nach den Maßgaben der Deutschen Rentenversicherung. Ziele sind die Minderung bestehender Behinderungen und Fehlhaltungen. Sie schafft einen möglichen Übergang von der medizinischen Rehabilitation zurück in die Erwerbsfähigkeit. Sie enthält insbesondere Leistungen sowie begleitende Hilfen zur nachhaltigen Sicherung des Erfolges der medizinischen Rehabilitation.

Therapieangebote in Phase D

Die Therapieangebote in Phase D ähneln denen in Phase C, jedoch liegt der Fokus stärker auf der Vorbereitung auf die Rückkehr in den Alltag und das Berufsleben.

  • Berufsorientierte Maßnahmen: Unterstützung bei der Arbeitsplatzgestaltung, Belastungserprobung, Bewerbungstraining.
  • Freizeitgestaltung: Beratung und Unterstützung bei der Integration in Vereine und andere Freizeitaktivitäten.
  • Hilfsmittelversorgung: Anpassung und Training mit Hilfsmitteln, um die Selbstständigkeit im Alltag zu verbessern.

Phase E: Nachsorge und berufliche Rehabilitation

Nach dem Abschluss dieser intensiven, medizinisch geprägten Rehabilitation erreichen die Betroffenen die Phase E, in deren Mittelpunkt nachgelagerte Leistungen wie etwa Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft stehen. In dieser Phase finden möglichst alle Aktivitäten im Sozialraum statt. In dieser Phase sollen die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden vollends in die Lage versetzt werden, ein eigenständiges Leben zu führen. Dazu können beispielsweise auch Umschulungen gehören.

Phase F: Langzeitpflege

In der Phase F finden sich die Betroffenen wieder, die dauerhafte pflegerische Unterstützung und Betreuung benötigen. In diese Phase werden Menschen verlegt, die in den Phasen B und C keine Rehabilitationsfortschritte mehr erzielen konnten. Hier überwiegen Langzeitpflege und Langzeitbetreuung sowie zustandserhaltende Therapien. Hauptziel in dieser Phase ist die Optimierung der Teilhabemöglichkeiten am sozialen Leben.

Finanzierung der neurologischen Rehabilitation

Die Phasen A und B sind noch Krankenhausleistungen und werden deswegen von den Krankenkassen finanziert. Ab der Phase C beginnen die Rehabilitationsleistungen im engeren Sinne, sodass in Phase B bei einer positiven Erwerbsprognose die Rentenversicherung der Kostenträger sein kann.

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