Die neurologische Rehabilitation ist ein spezialisierter Bereich der Medizin, der sich auf die Behandlung von Patient*innen mit Erkrankungen oder Verletzungen des Gehirns, des Nervensystems oder des Rückenmarks konzentriert. Ziel ist es, die Lebensqualität und Selbstständigkeit der Betroffenen zu verbessern, indem physische, kognitive und emotionale Fähigkeiten gezielt gefördert werden.
Einführung in die neurologische Rehabilitation
Die neurologische Rehabilitation unterstützt Menschen mit Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems in Form einer Anschlussheilbehandlung oder eines Heilverfahrens. Wenn neurologische Ursachen hinter akuten Funktionsausfällen stecken, ist das zumeist ein Schock für die Betroffenen und deren Angehörige. Konnten Patient:innen in der Akutphase stabilisiert werden, bleiben dieselben oft mit Beschwerden bzw. Folgeschäden zurück.
Ziele der neurologischen Rehabilitation
Das übergeordnete Ziel der neurologischen Rehabilitation besteht darin, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Lebensgestaltung so frei wie möglich werden. Ziel der neurologischen Rehabilitation ist es, gemeinsam mit den Rehabilitandinnen und Rehabilitanden vorliegende Beeinträchtigungen im Bereich der Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL-Funktionen), körperliche Beeinträchtigungen oder auch kognitive Beeinträchtigungen so zu behandeln, dass ein möglichst selbstständiges Leben möglich ist.
Wann ist eine neurologische Reha notwendig?
Eine neurologische Rehabilitation wird in der Regel nach einer akuten Krankenhausbehandlung bei neurologischen Erkrankungen oder nach einer schweren Verletzung des Nervensystems durchgeführt. Ob eine neurologische Rehabilitation notwendig ist, entscheidet sich jedoch im Einzelfall. Wenn Ihre Ärzt:in Ihnen oder einem Ihrer Angehörigen eine neurologische Rehabilitation nahelegt, sollten Sie diese Chance wahrnehmen, um den Erfolg einer Akutbehandlung langfristig zu verbessern. Hier sind einige der häufigsten Situationen, in denen eine neurologische Reha sinnvoll und notwendig ist:
- Patientinnen nach einem Schlaganfall: Nach einem Schlaganfall benötigen viele Patientinnen intensive Rehabilitation, um motorische und kognitive Funktionen wiederherzustellen und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
- Personen mit Schädel-Hirn-Trauma: Nach Unfällen oder Verletzungen, die das Gehirn betreffen, kann eine neurologische Reha helfen, die Funktionen des Gehirns neu zu strukturieren und zu verbessern.
- Menschen mit chronischen neurologischen Erkrankungen: Erkrankungen wie das Parkinsonsyndrom, die Multiple Sklerose oder eine ALS (Amyotrophe Lateralskelrose) können durch spezielle Therapien in der neurologischen Reha positiv beeinflusst werden.
- Patient*innen mit Gehirntumoren: Nach neurochirurgischen Eingriffen oder anderen Behandlungen von Gehirntumoren ist häufig eine neurologische Reha erforderlich.
- Nach einer Operation: Menschen, die am Gehirn oder am Rückenmark operiert worden sind, benötigen häufig eine Anschlussrehabilitation, um die neurologischen Funktionen wiederherzustellen oder zu erhalten und zu verbessern.
Voraussetzungen für eine neurologische Reha
Um eine neurologische Reha in Anspruch nehmen zu können, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
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- Diagnose einer neurologischen Erkrankung oder Verletzung: Die Erkrankung oder Verletzung muss eindeutig diagnostiziert sein und die Notwendigkeit einer Reha sollte durch eine ärztliche Verordnung oder ein ärztliches Attest bestätigt werden.
- Medizinische Notwendigkeit: Sie benötigen eine ärztliche Empfehlung.
- Rehabilitationsfähigkeit: Je nach Diagnose sollten Sie in der Lage sein, aktiv an einem Rehabilitationsprogramm teilzunehmen, was stabile Vitalfunktionen, ausreichende kognitive Fähigkeiten und physische Belastbarkeit voraussetzt.
- Positive Rehabilitationsprognose: Die Erfolgsaussichten der Rehabilitation sollten positiv und die Ziele in einem realistischen Zeitrahmen erreichbar sein.
- Abschluss einer akuten Behandlungsphase: Vor Beginn der Rehabilitation sollte die akute Phase der Erkrankung oder des postoperativen Zustands abgeschlossen sein.
Phasen der neurologischen Rehabilitation
In einem Reha-Zentrum, einer Reha-Klinik und anderen Formen der neurologischen Rehabilitation existiert ein Phasenkonzept, das die neurologische Rehabilitation in verschiedene Behandlungsphasen untergliedert. Der Ablauf einer neurologischen Rehabilitation verläuft nicht starr von Phase A bis Phase G. Nach der Erstversorgung in Phase A (in der Regel in einer Akutklinik) teilen die Spezialisten der Klinik die Patient:innen in eine der Phasen B bis G ein. Die neurologische Reha ist in ein Phasenmodell gegliedert. Jede Phase richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankungsfolgen. Je nachdem, wie mobil und selbstständig Sie nach einer neurologischen Erkrankung sind, erhalten Sie als Rehabilitand*in in jeder Phase einer neurologischen Reha die für Ihren Bedarf angemessenen Therapien. Mit zunehmender Mobilität und Selbstständigkeit, können Sie von einer Phase in die nächste wechseln. Bei besonders großen Behandlungsfortschritten können Phasen auch übersprungen werden. Die Phasen umfassen:
- Phase A: Akutversorgung: Phase A umfasst die Erstbehandlung und Diagnostik unmittelbar nach der Erkrankung oder Verletzung. Abhängig vom gesundheitlichen Zustand der Patient*innen werden sie auf einer Stroke Unit, Intensivstation oder Normalstation im Krankenhaus betreut.
- Phase B: Frührehabilitation: In der Früh-Reha der Phase B werden Patient*innen umfassend medizinisch und therapeutisch versorgt. Meistens müssen die Betroffenen noch intensivpflegerisch unterstützt werden und haben schwere neurologische Funktions- und Bewusstseinseinschränkungen. Sie erhalten sie eine aktivierende und stimulierende Pflege, um verloren gegangene Fähigkeit wiederzuerlangen und die Selbstständigkeit zu fördern. In dieser Phase werden erste Schritte zur Entwöhnung von der künstlichen Beatmung (Weaning) eingeleitet. Für die Aufnahme in die Phase B der neurologischen Rehabilitation müssen Patient:innen außer Lebensgefahr sein, sind in der Regel bettlägerig und benötigen intensivmedizinische Betreuung. Das Hauptziel der neurologischen Frührehabilitation ist es, die betroffenen Patient:innen medizinisch zu stabilisieren, ihre vitalen Funktionen zu verbessern und sie schrittweise auf die weiteren Phasen der Rehabilitation vorzubereiten. Je eher eine Rehabilitation beginnt, desto besser sind die Chancen darauf, dass die Symptome langfristig abklingen. Daher ist die neurologische Frührehabilitation der Phase B so wichtig.
- Phase C: Weiterführende Rehabilitation: In Phase C benötigen betroffene Personen nicht mehr so viel Unterstützung wie in Phase B. Sie sind in der Lage, selbst an der Therapie mitzuwirken und lernen (teilweise mit Hilfsmitteln) wieder mobil zu werden. Gleichzeitig müssen sie weiterhin medizinisch unterstützt und pflegerisch betreut werden.
- Phase D: Anschlussrehabilitation (AHB/AR): In Phase D ist es das Ziel, Betroffene zu einem möglichst selbständigen Leben zu befähigen und bestehende Behinderungen und Fehlhaltungen zu verringern. Patientinnen werden darauf vorbereitet, in ihren Alltag und ggf. den Beruf zurückzukehren. Wenn nötig, werden individuelle Hilfsmittel (z. B. Rollator, Gehstock) angepasst und trainiert. Mit Phase D endet die rein medizinische Rehabilitation. Voraussetzung ist, dass die Patientinnen ausreichend mobil und selbstständig sind und keine bzw. nur wenig pflegerische Hilfe benötigen.
- Phase E: Nachsorge und berufliche Rehabilitation: Die Phase der Nachsorge und beruflichen Reha ermöglicht den Übergang von der medizinischen Rehabilitation zurück zur Erwerbstätigkeit. Dabei bietet sie speziell Unterstützung und Begleitung, um den Erfolg der medizinischen Rehabilitation langfristig zu sichern. In Phase E steht besonders im Fokus, wie Menschen wieder am Arbeitsleben teilnehmen können. Dazu können beispielsweise auch Umschulungen gehören. Die Patient:innen können wieder zu Hause wohnen und ggf.
- Phase F: Langzeitpflege: Patient*innen, die trotz intensiver Behandlung und Rehabilitation dauerhaft pflegerisch unterstützt und betreut werden müssen (z. B. nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma) befinden sich in Phase F. Hier liegt der Behandlungsschwerpunkt auf der aktivierenden Langzeitpflege. Ggf.
- Phase G: Ggf.
Ambulante oder stationäre neurologische Reha?
Je nach Belastbarkeit, Mobilität und den individuellen Bedürfnissen, kann die neurologische Reha sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. Eine stationäre Reha ist besonders dann sinnvoll, wenn eine intensive und kontinuierliche ärztliche Überwachung notwendig ist. Manchmal spricht für eine stationäre Reha auch, dass Betroffene von den häuslichen Verpflichtungen entlastet werden oder dass ein Ortswechsel positive Folgen für die Heilung hat. Können Sie auch mit neurologischen oder kognitiven Funktionseinschränkungen die tägliche Anfahrt zur Reha-Klinik bewältigen und sind abends, nachts und am Wochenende zu Hause ausreichend versorgt, dann spricht nichts gegen eine ambulante neurologische Reha-Maßnahme.
Wie beantrage ich eine neurologische Reha?
Wenn Sie eine neurologische Reha nach einer Akutbehandlung benötigen, hilft Ihnen der Sozialdienst des Krankenhauses beim Reha-Antrag. Das medizinische Team vor Ort kann auch entscheiden, welche Reha-Phase für Sie geeignet ist. Der Ablauf zur Beantragung einer neurologischen Reha ohne vorherigen Krankenhausaufenthalt ist ähnlich wie bei anderen Reha-Formen. Nach Empfehlung durch den/die behandelnden Ärztin oder das Krankenhauspersonal erfolgt die Antragstellung meist direkt beim Kostenträger wie der Krankenkasse oder der Deutschen Rentenversicherung. Sie haben das Recht, sich Ihre ambulante oder stationäre Rehaklinik selbst auszusuchen.
Behandlungen in der neurologischen Reha
In der neurologischen Rehabilitation behandelt Sie ein multiprofessionelles Team aus Ärztinnen, Therapeutinnen, Pflegekräften und Sozialarbeiter*innen. Folgende Therapien sind üblich:
- Medizinische Betreuung: In der neurologischen Reha werden Sie regelmäßig untersucht und Ihre Medikamente ggf. angepasst, um Ihre neurologische Erkrankung zu behandeln. Zusätzlich werden Sie je nach Bedarf vom neurologischen Pflegepersonal betreut.
- Physiotherapie: In der Sport- und Bewegungstherapie verbessern Sie nicht nur Ihre allgemeinen konditionellen Eigenschaften sowie Ihre Mobilität, Koordination und Muskelkraft, sondern stärken auch Ihre allgemeine Gesundheit.
- Ergotherapie: In der Ergotherapie trainineren Sie Ihre alltäglichen - und berufsrelevanten - Fähigkeiten und die Feinmotorik, um das tägliche Leben zu bewältigen. Sie verbessern Bewegungsabläufe oder erlernen sie mit Hilfe eines qualifizierten therapeutischen Teams neu.
- Logopädie: Wenn Sie nach einem Schlaganfall an Sprach- und Sprechstörungen leiden, hilft Ihnen ein logopädisches Team, durch spezielle Übungen in computergestützten Einzeltherapien oder Gruppentherapien, Ihre Sprachfähigkeiten wiederherzustellen oder zu erhalten. Auch Schluckstörungen werden in der Logopädie behandelt.
- Kognitives Training: Kognitives Training fördert Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Problemlösungsfähigkeiten durch gezielte Übungen.
- Psychologische Betreuung: In der Reha werden Sie durch geschultes Personal bei der Bewältigung emotionaler Herausforderungen, die mit neurologischen Erkrankungen einhergehen können, unterstützt.
- Sozialdienst: Der Sozialdienst berät und unterstützt Sie bei sozialen und finanziellen Fragen sowie der Organisation der häuslichen Pflege.
Dauer der neurologischen Reha
Die Dauer einer stationären neurologischen Rehabilitation kann je nach Krankheitsbild, Therapiefortschritt und individuellen Bedürfnissen variieren. Während der Aufenthalt in der Akutversorgung abhängig vom Schweregrad der Verletzung ist und daher zeitlich nicht begrenzt werden kann, gelten für die einzelnen Rehabilitationsphasen andere Aufenthaltsvorgaben. In der Phase B werden Betroffene mit schweren neurologischen Schäden behandelt und benötigen häufig intensivere Pflege und medizinische Behandlungen. In der Regel sind Betroffene 25 Tage in der Früh-Reha. Für die Phase C ist die Verweildauer variabel und kann von drei Wochen bis zu mehreren Monaten gehen. In der Regel werden zunächst drei Wochen genehmigt, die auf ärztlichen Antrag jeweils verlängert werden können. In den Phasen D und E ist eine maximale Verweildauer von etwa acht Wochen pro Reha-Phase vorgesehen. Eine neurologische Reha dauert in der Regel drei bis vier Wochen. Eine Verlängerung ist möglich, wenn sie medizinisch notwendig ist. Der Antrag auf Verlängerung wird normalerweise von der Reha-Einrichtung gestellt und zeitnah vom Kostenträger geprüft, sodass die Reha nahtlos in der nächsten Phase fortgesetzt werden kann. Die Dauer des Aufenthalts variiert generell stark und hängt von der Schwere der Erkrankung ab.
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Das neurologische Phasenmodell in der Praxis
Da speziell bei neurologischen Patient:innen aufgrund ihrer multiplen Schädigungen diese klare Trennung häufig nicht zu ziehen ist, wurde das sog. neurologische Phasenmodell etabliert. Es sieht vor, dass neben der reinen Akutbehandlung (Phase A) und der (auch teilstationär möglichen) Rehabilitation schon in hohem Maße selbstständiger Patient:innen (Phase D) mit der Phase B und Phase C zwei „Zwischenstufen“ bestehen, für die („hybrid“) sowohl akutmedizinische als auch rehabilitationsspezifische Behandlungsaufträge definiert sind. In der Phase B sind Patient:innen noch schwer betroffen, teilweise intensivmedizinisch überwachungspflichtig, mit einer Trachealkanüle versorgt oder beatmet. Patient:innen der Phase C sind bewusstseinsklar und in der Lage, aktiv an den Therapien mitzuwirken, aber noch in hohem Maße auf pflegerische Unterstützung angewiesen.
Evidenzbasierte Therapieansätze in der neurologischen Rehabilitation
Für viele therapeutische Inhalte existieren evidenzbasierte Leitlinien auf der Basis von Multicenterstudien bis hin zur Cochrane-Reviews. Dies ist besonders ausgeprägt für Symptome nach einem Schlaganfall, der typischerweise etwas mehr als die Hälfte der Behandlungsfälle in der Neurorehabilitation stellt. Wichtig ist, dass die spezifischen Therapieansätze den unterschiedlichen Krankheitsbildern mit unterschiedlichen Pathomechanismen folgen. So steht bei der Therapie zentraler Paresen, z. B. nach einem Schlaganfall, das hochrepetitive Training an der jeweiligen Leistungsgrenze im Vordergrund. Das Training am individuellen Leistungsniveau erfolgt durch die Anpassung des Anforderungsniveaus, das sog. Shaping.
Neuroplastizität und Rehabilitation
In der neurologischen Rehabilitation macht man sich die Neuroplastizität zunutze, also die Fähigkeit des Gehirns, ausgefallene Nervenzellenbereiche zu umgehen und deren Aufgaben anderen Bereichen zu übertragen. Das geht allerdings nur sehr langsam und mithilfe vieler Wiederholungen. Im Grunde erlernen Patientinnen und Patienten unter kundiger Anleitung von spezialisierten Therapeutinnen und Therapeuten verloren gegangene Fähigkeiten neu. Je nach Beeinträchtigung können das sprachliche Fähigkeiten, motorische Fähigkeiten, die Fähigkeit zu schlucken oder kognitive Fähigkeiten sein. Die Patientinnen und Patienten werden auch psychologisch betreut, denn oft haben sie große Mühe, den plötzlichen Verlust von als normal angesehenen Fähigkeiten zu verkraften. Sie werden angeleitet, die möglicherweise schädlichen Lebensgewohnheiten zu erkennen und zu verändern, damit die Ursachen für die Erkrankung bekämpft werden. All das ist ein mühsamer Prozess, der eine Rehabilitation über alle Reha-Phasen und viele Wochen erfordert.
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