Neurologische Untersuchung: Ablauf der Hirnnervenprüfung

Die neurologische Untersuchung ist ein entscheidender Bestandteil der neurologischen Diagnostik. Sie dient dazu, den Zustand und die Funktionen von Gehirn, Nerven und Muskeln zu überprüfen. Im Fokus stehen dabei die Erkennung von Ausfällen und Funktionseinschränkungen des Nervensystems, um Rückschlüsse auf betroffene Bereiche zu ziehen und eine Verdachtsdiagnose zu stellen.

Allgemeiner Eindruck und Anamnese

Am Anfang jeder neurologischen Untersuchung steht die Anamnese, ein ausführliches Gespräch zwischen Arzt und Patient. Hierbei werden die Krankheitsgeschichte, aktuelle Beschwerden und allgemeine Aspekte wie Vorerkrankungen und Operationen erfasst. Bereits der erste Eindruck des Patienten, seine Körperhaltung, sein spontanes Bewegungsverhalten und seine Sprache liefern wichtige Hinweise.

Untersuchung der Hirnnerven

Der Mensch besitzt zwölf Hirnnervenpaare, die direkt dem Gehirn entspringen und vorwiegend die Kopf- und Halsgegend versorgen. Jeder Hirnnerv hat spezifische Aufgaben, die mit Funktionstests überprüft werden können. Die Untersuchung der Hirnnerven ist ein wichtiger Bestandteil der neurologischen Untersuchung. Im Folgenden werden die einzelnen Hirnnerven und ihre jeweilige Testung beschrieben:

N. olfactorius (I) - Riechnerv

Die Funktion des Riechnervs wird durch Riechtests überprüft. Hierbei werden verschiedene Aromastoffe wie Kaffee oder Bittermandel eingesetzt. Dem Patienten werden neutral gestaltete Röhrchen mit Duftproben unter die Nase gehalten, die er von einer Leerprobe unterscheiden soll. Es wird ein Alkoholtupfer verwendet.

N. opticus (II) - Sehnerv

Der Sehnerv wird auf verschiedene Weisen untersucht. Zunächst wird die Sehschärfe (Visus) mit einer Sehtafel (z.B. Snellen-Tafel) geprüft. Anschließend erfolgt die Untersuchung des Gesichtsfelds. Der Patient bedeckt ein Auge und blickt auf die Nase des Untersuchers, während dieser seine Finger im oberen oder unteren Gesichtsfeld bewegt.

Lesen Sie auch: Finden Sie den richtigen Neurologen in Ulm

N. oculomotorius (III), N. trochlearis (IV) und N. abducens (VI) - Augenbewegungsnerven

Diese drei Hirnnerven sind für die Steuerung der Augenbewegungen zuständig. Ihre Funktion wird durch den Blickfolgeversuch überprüft. Der Patient wird gebeten, den Kopf ruhig zu halten und dem Finger des Untersuchers nur mit den Augen zu folgen. Zudem wird die Pupillenreaktion auf Licht und Naheinstellung kontrolliert. Normalerweise sind beide Pupillen gleich weit und reagieren prompt auf Licht.

N. trigeminus (V) - Drillingsnerv

Der N. trigeminus ist für die Sensibilität des Gesichts und die Motorik der Kaumuskulatur zuständig. Die Sensibilität wird durch leichte Berührung der Stirn (V1), der Oberkieferregion (V2) und der Unterkieferregion (V3) getestet. Der Arzt streicht dem Patienten über das Gesicht und fragt, ob er die Berührung spürt. Dann drückt er oberhalb der Augenbrauen, unterhalb der Augen und am Kinn auf die Austrittspunkte der Nerven. Dies sollte keine Schmerzen verursachen. Die Motorik wird überprüft, indem der Patient bestimmte Bewegungen ausführt, z.B. den Mund öffnet und schließt.

N. facialis (VII) - Gesichtsnerv

Der Gesichtsnerv ist für die mimische Muskulatur und den Geschmackssinn zuständig. Die Funktion der mimischen Muskulatur wird überprüft, indem der Patient verschiedene Gesichtsausdrücke macht, z.B. die Stirn runzelt, die Augenbrauen hochzieht, die Augen fest zusammenkneift oder lächelt. Der Proband wird aufgefordert, seine Wangen aufzublasen, um die Stärke der Gesichtsmuskeln zu demonstrieren. Außerdem wird das Geschmacksempfinden des Patienten erfragt.

N. vestibulocochlearis (VIII) - Hörnerv und Gleichgewichtsnerv

Der N. vestibulocochlearis ist für das Hören und das Gleichgewicht zuständig. Das Gehör wird durch verschiedene Hörtests überprüft, z.B. indem der Arzt die Finger in der Nähe der Ohren reibt. Beim Weber-Test wird dem Probanden eine vibrierende Stimmgabel auf die Stirn (Mittellinie) gesetzt. Eine Schallleitungsstörung würde dazu führen, dass der Proband ein lauteres Geräusch auf der betroffenen Seite wahrnimmt. Bei Schallempfindungsstörungen wäre der Ton auf der betroffenen Seite leiser. Das Gleichgewicht wird mit dem Dix-Hallpike-Manöver überprüft, das diagnostisch und therapeutisch beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) eingesetzt wird.

N. glossopharyngeus (IX) und N. vagus (X) - Zungen-Rachen-Nerv und Vagusnerv

Diese beiden Hirnnerven sind für das Schlucken, den Geschmackssinn und die Steuerung innerer Organe zuständig. Bei der Untersuchung wird der weiche Gaumen und die Uvula beurteilt. Es ist wichtig, die Symmetrie des weichen Gaumens zu beurteilen. Die Uvula sollte in der Mittellinie liegen. Der Arzt inspiziert den Rachen und das Schluckvermögen. Heiserkeit oder ein gestörter Hustenreflex weisen auf eine Schädigung des N. vagus hin. Der Arzt fragt nach Auffälligkeiten beim Herzschlag, beim Atmen oder der Verdauung.

Lesen Sie auch: Tagesklinik für Neurologie

N. accessorius (XI) - Beinnerv

Der N. accessorius innerviert den M. sternocleidomastoideus und den M. trapezius. Die Funktion des M. sternocleidomastoideus wird überprüft, indem der Patient den Kopf gegen Widerstand dreht. Die Funktion des M. trapezius wird überprüft, indem der Patient die Schultern gegen Widerstand hochzieht. Der Arzt drückt die Schultern nach unten, während der Patient diese hochzieht. Außerdem sollte der Kopf gegen Widerstand gedreht werden können. Das Becken kippt zur gesunden Seite hin ab (ggf. Parese von M.

N. hypoglossus (XII) - Unterzungennerv

Der N. hypoglossus ist für die Zungenbewegung zuständig. Die Funktion wird überprüft, indem der Patient die Zunge herausstreckt und sie von einer Seite zur anderen bewegt. Alternativ kann der Patient mit der Zunge von innen gegen die rechte bzw. linke Wange drücken, und der Arzt beurteilt durch Gegendrücken die Kraft. Bei Läsionen des N. XII weicht die Zunge zur erkrankten Seite hin ab. Abnormale Bewegungen (z. B. Zeichen einer Schädigung des 2.

Weitere Bestandteile der neurologischen Untersuchung

Neben der Hirnnervenprüfung umfasst die neurologische Untersuchung weitere wichtige Aspekte:

  • Motorisches System: Beurteilung der Muskelkraft, des Muskeltonus, der Muskelumfangs und der Bewegungsabläufe.
  • Reflexe: Prüfung der Muskeleigenreflexe (z.B. Bizepssehnenreflex, Patellarsehnenreflex) und Fremdreflexe (z.B. Bauchhautreflexe). Überprüfung des Babinski-Reflexes.
  • Koordination: Überprüfung der Koordination durch Zielversuche (z.B. Finger-Nase-Versuch, Knie-Hacke-Versuch) und Beobachtung des Gangbildes. Die Diadochokinese wird getestet, indem der Proband schnelle alternierende Bewegungen durchführt (z. B. „Glühbirnen einschrauben“).
  • Sensibilität: Überprüfung des Berührungs-, Schmerz-, Temperatur- und Vibrationsempfindens. Überprüfung des Berührungsempfindens mithilfe eines Monofilament. Dies ist ein nützliches Instrument zum Screening der diabetischen Polyneuropathie. Hier überprüft der Untersucher das Berührungsempfinden der Fußsohlen. Das Vibrationsempfinden wird oft mithilfe einer 120-Hz-Stimmgabel überprüft. Hier wird das Vibrationsempfinden der distalen unteren Extremität getestet. Die Tiefensensibilität (Propriozeption) wird überprüft, indem der Proband mit geschlossenen Augen Bewegungen der Finger oder Zehen erkennen muss. Hier test der Untersucher die Propriozeption der distalen oberen Extremität.
  • Vegetatives Nervensystem: Beobachtung von Atmung, Puls, Blutdruck, Hauttemperatur und -feuchtigkeit.
  • Psychischer Befund: Beurteilung der Bewusstseinslage, Orientierung, Konzentration, Merkfähigkeit und Grundstimmung. Die Stereognosie (taktile Identifikation eines bekannten Objekts) wird überprüft, indem der Proband ein bekanntest Objekt mittels Ertasten identifizieren muss. Hier verwendet der Untersucher zur Überprüfung der Stereognosie einen Schlüssel. Überprüfung der Graphästhesie (Fähigkeit, auf die Hautgezeichnete Symbole zu erkennen) wird folgendermaßen durchgeführt: Der Proband schließt die Augen, der Untersucher zeichnet eine Figur auf die Haut und der Proband muss diese erraten. In diesem Fall testet der Untersucher die Graphästhesie, indem er einen imaginären Buchstaben auf die Handfläche der Person zeichnet. Die taktile Auslöschung (Unfähigkeit, Reize gleichzeitig wahrzunehmen) wird getestet, indem der Proband bei geschlossenen Augen zunächst einen Reiz getrennt auf beiden Seiten und danach zeitgleich auf beiden Seiten erkennen muss. Hier überprüft der Untersucher die taktile Auslöschung mittels eines Berührungsreizes an den Armen.

Bedeutung der neurologischen Untersuchung

Die neurologische Untersuchung ist ein wichtiges Instrument zur Diagnose von Erkrankungen des Nervensystems. Sie ermöglicht es, Ausfälle und Funktionseinschränkungen zu erkennen, Rückschlüsse auf die betroffenen Bereiche zu ziehen und eine Verdachtsdiagnose zu stellen. Anhand der Ergebnisse kann der Arzt entscheiden, ob weitere Untersuchungen erforderlich sind, um die Ursache der Beschwerden zu klären und eine geeignete Behandlung einzuleiten.

Lesen Sie auch: Erfahren Sie mehr über Neuroteam Elmenhorst

tags: #neurologische #untersuchung #hirnnerven #ablauf