Operationen bei Demenz: Herausforderungen und Lösungsansätze für eine verbesserte Patientenversorgung

Etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten in Allgemeinkrankenhäusern ist älter als 60 Jahre, wobei etwa 12 Prozent von einer Demenzerkrankung betroffen sind. Dieser Anteil wird voraussichtlich erheblich steigen. Wenn Demenzerkrankte wegen eines Bruchs oder einer Herzerkrankung in ein Krankenhaus aufgenommen werden, ist „Demenz“ oft nur eine „Nebendiagnose“. Die meisten Krankenhäuser sind bisher nicht auf Menschen mit Demenz eingestellt, was zu erschreckenden Berichten über Krankenhausaufenthalte führt. Es gibt jedoch auch positive Beispiele, die zeigen, dass eine demenzsensible Versorgung möglich ist.

Herausforderungen im Krankenhausalltag

Demenzerkrankte reagieren im Krankenhaus oft mit Angst und Unruhe und versuchen, die Klinik zu verlassen. Sie haben keine Krankheitseinsicht, können meist keine Auskunft über sich, ihre Beschwerden und Wünsche geben, können bei Diagnose, Behandlung, Körperpflege nicht mitwirken und haben Probleme beim Essen und Trinken. Diese Umstände stellen das Krankenhauspersonal vor besondere Herausforderungen und erfordern ein hohes Maß an Sensibilität und Fachwissen.

Ein Krankenhausaufenthalt ist für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen immer eine besondere Situation. Für die Erkrankten ist es aufgrund der Demenz kaum möglich, sich in der fremden Umgebung des Krankenhauses zurechtzufinden.

Information und Kooperation: Der Schlüssel zur besseren Versorgung

Um die Situation Demenzerkrankter in den Krankenhäusern wesentlich zu verbessern, müssen die Probleme von allen Beteiligten gemeinsam angegangen werden. Besonders wichtig sind dabei Verbesserungen in drei Bereichen:

  • Information über die erkrankte Person und Kooperation mit den Angehörigen: Weisen Sie das Krankenhauspersonal explizit darauf hin, dass Probleme aufgrund einer Demenzerkrankung auftreten können. Hilfreich ist hierbei der „Informationsbogen für Patienten mit einer Demenz bei Aufnahme ins Krankenhaus“, auf dem besondere Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Erkrankten beschrieben werden können. Wechseln Sie sich dabei mit anderen Familienmitgliedern und weiteren vertrauten Personen ab. Fragen Sie nach der Möglichkeit zum Rooming-in, damit Sie auch über Nacht in der Klinik bleiben können. Manchmal lässt sich das auch als Einzelfalllösung umsetzen. Wenn ein Arzt oder eine Ärztin die medizinische Notwendigkeit der Begleitung im Krankenhaus bescheinigt, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Rooming-in. Wenn Sie eine Vollmacht haben oder vom Gericht als Betreuerin oder Betreuer bestellt worden sind, haben Sie ein Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen.
  • Fachwissen über Demenzerkrankungen: Das Personal benötigt Schulungen und Fortbildungen, um die besonderen Bedürfnisse von Demenzpatienten zu verstehen und angemessen darauf reagieren zu können.
  • Angemessene Strukturen und Abläufe in den Krankenhäusern: Dies beinhaltet die Schaffung einer demenzfreundlichen Umgebung, die Anpassung von Behandlungsabläufen und die Implementierung von spezifischen Betreuungsangeboten.

Modellprojekte und Initiativen zur Verbesserung der Versorgung

Zahlreiche Projekte haben sich dem Problem, dass Krankenhäuser nicht immer optimal auf demenziell erkrankte Patienten vorbereitet sind, bereits angenommen und Lösungsvorschläge erarbeitet.

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  • Im Saarland haben sich fünf katholische Krankenhäuser an dem Modellprojekt Dem-i-K (Demenz im Krankenhaus), beteiligt, das eine bessere Versorgung von Demenzpatienten in Akutkrankenhäusern zum Ziel hat. Es wurden Konsiliar- und Liaisondienste eingerichtet, welche mit Fachärzten für Geriatrie, Psychiatrie und Neurologie sowie mit einer Fachaltenpflegekraft für Psychiatrie ausgestattet sind. Im Zentrum stand der Aufbau eines demenzbezogenen Hintergrundwissens beim ärztlichen und pflegerischen Personal sowie ärztliche Konsile zur Erkennung und besseren Behandlung von Demenzen und Delirien. Dieses Projekt wurde 2013 mit „Dem-i-k plus“ fortgeführt, das sich auf die sektorübergreifende Versorgung demenzkranker Patientinnen und Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt durch aufsuchende und trägerübergreifende Dienste konzentrierte.
  • „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“, dritte Phase des Kooperationsprojekts mit zehn Kliniken (2014 bis 2017).
  • In Nordrhein-Westfalen wird das Programm „Förderung der Umsetzung demenzsensibler Versorgungsprojekte“ / „Blickwechsel Demenz NRW“ vom Paritätischen NRW durchgeführt.
  • Die Alzheimer Gesellschaft Niedersachsen e.V. und die Landesvereinigung für Gesundheit und Sozialmedizin e.V. haben seit 2006 Tagungen zum Thema veranstaltet.
  • „Doppelt hilft besser bei Demenz“ Das Projekt wurde vom Krankenhaus Lübbecke sowie der regionalen Alzheimergesellschaft Leben mit Demenz - Alzheimergesellschaft Kreis Minden-Lübbecke e.V. durchgeführt. Das Krankenhaus Lübbecke ist Teil der Mühlenkreiskliniken, einem Verbund von insgesamt fünf Kliniken mit Standorten in Minden, Lübbecke, Rahden und Bad Oeynhausen. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2010 vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. in Köln.

Postoperative kognitive Dysfunktion (POCD) und Delir

Nach chirurgischen Eingriffen kommt es vor allem bei älteren Menschen häufig zu Verwirrtheitszuständen. Die meisten Patienten erholen sich von dieser postoperativen kognitiven Dysfunktion (POCD). Manchmal markiert sie jedoch den Beginn einer Demenz. Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass nicht die Anästhesie, sondern die Operation selbst der Auslöser sein könnte. Die traumatische Reaktion auf die Operation könnte im Gehirn eine Neuroinflammation auslösen, die dann das Fortschreiten der Alzheimererkrankung gefördert habe.

Zunächst können sich manche Menschen nach einer OP schwer konzentrieren und sind verwirrt, ängstlich und reizbar, haben manchmal sogar Wahnvorstellungen. Vor allem Patienten älter als 65 Jahre leiden an diesem sogenannten Delir. Immerhin erkranken nach einer Operation Schätzungen zufolge etwa zehn bis 20 Prozent der älteren Patienten an einem Delir, nach dem Aufenthalt auf einer Intensivstation sogar zwischen 50 und 80 Prozent.

Ein Delir erhöht das Risiko für kognitive Einschränkungen. Klar ist jedoch, dass zwei Botenstoffe aus dem Gleichgewicht geraten: Es mangelt an Acetylcholin, Dopamin gibt es dagegen im Überfluss. Auch kommt es zu einer Entzündungsreaktion im Gehirn.

Prävention und Management von Delir

Was aber keinesfalls bedeutet, dass ältere Menschen jegliche Klinikaufenthalte meiden sollten. "Die Patienten sollten nur darauf achten, dass es unter den richtigen Bedingungen stattfindet", sagt die Medizinerin. Dafür prüft Gurlit nach Ankunft der Patienten deren kognitive Leistungsfähigkeit, untersucht auch, wie gebrechlich sie sind - ob sie soziale Kontakte haben, ob sie gut genährt sind, ob sie kürzlich einschneidende Erlebnisse durchgemacht haben, wie etwa den Verlust von Partner oder Partnerin.

"Wenn ein Patient bereits geistige Defizite hat und gebrechlich ist, beugen wir gezielt einem Delir vor", sagt sie. So versucht sie, beruhigende Medikamente wegzulassen, auch erhalten ältere Patienten keine Schlafmittel wie etwa Benzodiazepine, die das Risiko für ein Delir erhöhen. Wenn möglich, vermeiden die Chirurgen ihrer Klinik zudem eine Vollnarkose, sie operieren etwa einen Schenkelhalsbruch mithilfe einer Teilnarkose über das Rückenmark.

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Vor allem aber hat Gurlit eigens Altenpflegerinnen eingestellt, die Risikopatienten als feste Bezugsperson bei allen Untersuchungen bis zur möglichen Operation in der Klinik begleiten. Das soll den Betroffenen die Angst nehmen, in der fremden Umgebung Sicherheit geben - und damit das Risiko für ein Delir reduzieren.

Maßnahmen zur Delir-Prävention und -Therapie

Zunehmend nutzen Experten Maßnahmen vor, während und nach dem Eingriff, um die Delir-Rate zu senken. So macht es schon vor der OP Sinn, die Patienten zu "screenen": Wer hat eine Blutarmut und sollte zunächst mit Eisen oder bei Nierenerkrankung auch mit Erythropoetin aufgepäppelt werden? Wer hat bereits neurokognitive Störungen und muss während der Narkose besonders intensiv überwacht werden? Weil vor allem ältere Menschen für ein Delir gefährdet sind, werden sie in der Anästhesieambulanz der Charité besonders streng untersucht. Bei Patienten mit Risikofaktoren für ein Delir kommen bestimmte Medikamente gar nicht zum Einsatz. Andere Medikamente bedürfen einer strengeren Indikation.

Während des Eingriffs überwachen die Anästhesisten gefährdete Patienten besonders sorgfältig. Bei ihnen darf die Narkose weder zu flach noch zu tief sein. In einer Untersuchung der Charité mit 1.155 Patienten, die 60 Jahre und älter waren, konnte die Delir-Rate mit Hilfe einer Elektroenzephalografie (EEG) um knapp 23 Prozent gesenkt werden. "Das Neuromonitoring per EEG erlaubt uns, die Narkosetiefe präziser durchzuführen", sagt Spies.

Eine Präventionsstudie belegt: Drei Viertel der Delirien lassen sich durch einfache pflegerische Interventionen vermeiden. An der Charité haben Fachleute zwei Intensiv-Doppelzimmer eingerichtet, damit deren Bewohner seltener ins Delir rutschen: indem spezielle Lampen Tageslicht imitieren und den Tag-Nacht-Rhythmus der Patienten verbessern, indem zu laute Geräusche unterdrückt werden, das lästige nächtliche Piepsen der Monitore im Zimmer verschwindet und medizinische Geräte optisch in den Hintergrund rücken.

Oft reicht es schon, wenn es einen festen Ansprechpartner für die Patienten gibt - oder zumindest speziell ausgebildetes Personal. In zahlreichen Kliniken bundesweit unterstützen sogenannte Delir-Pfleger und -Pflegerinnen die Arbeit des Stationspersonals. Delir-Pfleger achten auf möglichst seltene Zimmer- und Pflegewechsel. Veranlassen, dass eine Uhr, ein Kalender oder ein vertrautes Foto Orientierung geben. Sorgen dafür, dass Patienten ihre Brillen oder Hörgeräte nutzen und dass sie regelmäßig essen und trinken. Sie helfen auch beim Einüben von Bewegungsabläufen, die im Krankenhausalltag leicht verloren gehen.

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Das Programm wurde zur Prävention, Diagnostik und Therapie von Delirien im Allgemeinkrankenhaus von Sharon K. Inouye an der Yale University School of Medicine entwickelt. Richtig angewendet können Delirien und der Abbau der Alltagsfähigkeit bei älteren Patienten signifikant reduziert werden.

Delir und Demenz: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Fast die Hälfte aller Menschen mit Demenz, die ins Krankenhaus kommen, haben auch ein Delir, bis zu 20 Prozent erleiden selbiges während des Aufenthaltes und etwa ein Viertel bis die Hälfte aller deliranten Patientinnen und Patienten haben eine Demenz in der Vorgeschichte (Quelle: Cole et. al. 1996). Faktoren, die ein Delir begünstigen können, sind unter anderem mehr als drei neu verordnete Medikamente, Schmerzen, Operationen, Fieber, Mehrfacherkrankungen, eine Minderfunktionen der Organe, Fixierungen, Mangelernährung, Seh- und Hörbehinderungen, Reizüberflutung oder Reizarmut.

In Folge eines Delirs kann es zu gefährlichen Stürzen und anderen Komplikationen kommen, die in der Regel die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verlängern. Manchmal verschlechtern sich auch die geistigen Fähigkeiten. Es kann dann Monate dauern, bis der Zustand vor dem Delir wieder erreicht ist, in einigen Fällen wird sogar nie mehr das vorherige Leistungsniveau erreicht.

Die Ursachen für ein Delir bei Menschen mit Demenz können vielfältig sein und sich sogar gegenseitig bedingen oder verstärken. Zur Abklärung sind körperliche, neurologische und auch psychiatrische Untersuchungen notwendig. Ebenfalls wichtig ist es, die aktuell verordneten Medikamente und die Laborwerte zu prüfen. Auch Angehörige können wichtige Hinweise auf mögliche Ursachen liefern. Ob weiterführende Untersuchungen notwendig sind (zum Beispiel bildgebende Verfahren wie eine Computertomographie), entscheidet dann eine Ärztin oder ein Arzt.

Grundsätzlich unterscheidet man das sogenannte hypoaktive und das hyperaktive Delir. Diese beiden Typen können sich im Verlauf mischen oder abwechseln. Beim hyperaktiven Delir sind die Betroffenen sehr unruhig, reagieren empfindliche auf Reize aus ihrer Umgebung, können verbal und körperlich aggressiv werden, fallen auf durch zupfen, nesteln an Kleidung und Gegenständen oder auch Mobiliar oder zeigen gar eine sogenannte Hinlauftendenz, also den Versuch zum Beispiel das Krankenhaus zu verlassen, um einen Ort ihrer Vorstellung zu erreichen.

Das hypoaktive Delir hingegen ist das „stille Delir“. Betroffene sind ausgesprochen passiv, sitzen oder liegen überwiegend. Die starke Verwirrtheit und Desorientierung fällt nur bei intensiverem Kontakt auf. Dies trägt dazu bei, dass das Delir häufig gar nicht als solches erkannt wird.

Der Symptomverlauf über den Tag ist bei einer Demenz stabil, bei einem Delir dagegen wechseln die Symptome im Laufe des Tages ständig. Sehr häufig drückt sich das Delir in einer Art „Gefühlssturm“ aus, den die Betroffenen nicht mehr selbst regulieren können und der sehr beunruhigend ist und Ängste auslöst. Daher ist das Vermitteln von Ruhe und Sicherheit sehr wichtig.

Erscheinungsbild Demenz Delir

Entwicklung Schleichend über Monate und Jahre akut, häufig nachts, in Stunden bis Tagen

Orientierungsfähigkeit Häufig eingeschränkt, zunächst vor allem zeitlich, dann auf Orientierungsqualitäten übergehend vor allem zeitliche Desorientierung

Sprache Verarmung, zunehmende Wortfindungsstörungen, im späteren Stadium Einwortsätze bis hin zum Verstummen Häufig gesteigerter Redefluss (hyperaktives Delir) oder stark reduzierter Redefluss (stilles Delir), unzusammenhängend

Wahn / Halluzination / Illusion eher selten Visuelle und auditive Formen häufig

Psychomotorik Meist unauffällig oder für die Person im üblichen Rahmen / anlassbezogen Ruhelos bis gehetzt wirkend oder antriebsarm / hypoaktiv

Körperliche Symptome Meist unauffällig Vegetative Symptome (Schweißneigung, Herzklopfen, Zittern und anderes)

Bewusstsein Unauffällig Eingeschränkt / getrübt

Schlafstörungen Möglich Sehr häufig

Ist ein Delir offenbar, sind verschiedene Maßnahmen angezeigt, um es optimal zu behandeln. Es gilt:

  • die Ursachen des deliranten Zustandes zu beseitigen. Die Überprüfung der aktuell verordneten Medikamente gehört dazu, insbesondere, wenn diese cerebral (das Gehirn betreffend) wirksam sind.
  • Elektrolytstörungen auszugleichen und eine ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr sicherzustellen.
  • die Betroffenen engmaschig zu begleiten, damit sie nicht stürzen oder sich und Dritte anderweitig in Gefahr bringen.
  • Fixierungen und andere Zwangsmaßnahmen zu unterlassen. Die oder der ohnehin aufgewühlte und aufgebrachte Betroffene wird dadurch im Regelfall nicht ruhiger.
  • möglichst auf Katheter und Infusionen zu verzichten, da diese meist nicht ohne Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden können. Sollten sie dennoch unbedingt notwendig sein, ist wiederum eine engmaschige Betreuung notwendig.
  • Bewegung zuzulassen und zu fördern.
  • Ärztliches und pflegerisches Handeln durch orientierende Maßnahmen zu begleiten -mit Hilfe von Angehörigen oder anderen Bezugspersonen der oder des Betroffenen sowie dem Einsatz von Brillen und Hörgeräten.
  • Lärm und andere Reize auf ein Minimum zu reduzieren - zum Beispiel sollten sich nicht zwei delirante Menschen mit Demenz ein Zimmer teilen müssen.
  • Im Kontakt mit den Betroffenen auf eine langsame, ruhige und klare Sprache zu achten, geduldig Dinge immer wieder zu erklären und ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln.

Demenzformen und delirante Zustände stehen in Beziehung. Aber nicht nur eine Demenz als solche, auch ein fortgeschrittenes Lebensalter, Multimorbidität, Immobilität und akute Ereignisse sind Faktoren, die das Risiko für ein Delir erhöhen. Bislang gibt es keine Strategien, um das Auftreten deliranter Zustände sicher zu verhindern. Aber der Verlauf lässt sich positiv beeinflussen, wenn Angehörige, Ärztinnen und Ärzte und Betreuerinnen und Betreuer bereits im Vorfeld dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten mit Demenz beweglich bleiben, sich ausgewogen und ausreichend ernähren und genug trinken.

Als Angehörige können Sie darauf achten, dass Brillen und Hörgeräte auch im Krankenhaus zur Verfügung stehen und benutzt werden. Eine (re-)orientierende, Sicherheit vermittelnde Sprache sowie eine angemessene Beleuchtung und Geräuschkulisse sind ebenfalls wichtig. Auch Maßnahmen, die einen normalen Schlaf- Wachrhythmus erhalten helfen, können vorbeugend wirken.

Freiheitsentzug und Fixierung

Für die meisten Menschen ist es eine furchtbare Vorstellung, wenn Manschetten die Bewegungsfreiheit von Händen und Füßen einschränken, wenn ein Bauchgurt, ein Schlafsack oder ein „Bettgitter“ das Verlassen des Bettes unmöglich machen, wenn Medikamente den Antrieb, den Willen oder die Kraft rauben.

Vereinzelte Skandale in Kliniken und Heimen haben das Bewusstsein und die Rechtsprechung geschärft und Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte für das Thema Fixierung sensibel gemacht. In vielen Regionen beauftragen Betreuungsrichterinnen und Betreuungsrichter zudem nach dem „Werdenfelser Weg“ einen Verfahrenspfleger beziehungsweise eine Verfahrenspflegerin, um Pflegekräfte zu beraten, wie eine Fixierung vermieden werden kann. Viele Ideen dazu wurden in dem Forschungsprogramm „REDUFIX“ zusammengetragen, das auch im Krankenhaus bekannt sein sollte.

Ein Betreuungsverfahren setzt folgende Schritte voraus: Ein Gutachten von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie, einen Besuch durch eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter der Betreuungsbehörde oder Betreuungsstelle, einen Besuch durch eine Richterin beziehungsweise einen Richter und gegebenenfalls durch eine Verfahrenspflegerin oder einen Verfahrenspfleger.

Zur Gefahrenabwehr oder wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, gilt der „rechtfertigende Notstand“. Eine solche Fixierung muss spätestens am nächsten Werktag durch die betreuende Person oder das Betreuungsgericht überprüft werden. Dabei wird auch geklärt, ob sich diese Maßnahme wiederholen könnte und damit ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden muss. In dem Informationsbogen können Sie festlegen, ob Sie in schwierigen Situationen informiert werden wollen.

Auch als betreuende Angehörige beziehungsweise betreuender Angehöriger oder gesetzliche Betreuerin beziehungsweise gesetzlichen Betreuer mit einer entsprechenden Vollmacht dürfen Sie nicht einfach eine Fixierung veranlassen oder vornehmen. Hier gilt - gemäß einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2012 - ebenfalls der „Genehmigungsvorbehalt“ des Betreuungsgerichts. Dieses prüft, ob die Vollmacht rechtmäßig erteilt wurde und ob eine Fixierung fachlich erforderlich ist. Allein die Gefahr eines Sturzes reicht heute den meisten Gerichten nicht mehr, denn für die Vorbeugung eines Sturzes sind andere Maßnahmen sinnvoller als eine Fixierung.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Selbstbestimmung: Ein Bettgitter kann vor einem Sturz aus dem Bett schützen und manche Menschen wünschen dies ausdrücklich. Zu einer Fixierung wird das Bettgitter, wenn zum Beispiel infolge eines Delirs der Drang besteht, das Bett zu verlassen. Das Bettgitter schränkt dann die Bewegungsfreiheit ungewollt ein.

Ein Sonderfall sind Sicherungsmaßnahmen bei unwillkürlichen Bewegungen: Ein epileptischer Anfall (in Folge der Demenz) unterliegt nicht der Willensbildung. Wenn dies ärztlich begutachtet und behandelt wird, verzichten die Betreuungsgerichte auf ein Betreuungsverfahren.

Psychopharmaka-Einsatz

Ärztinnen und Ärzte setzen Psychopharmaka ein, um „psychomotorische Unruhe“ zu behandeln. Diese kann sich in Umherlaufen, Räumen, Rufen und vielen anderen herausfordernden Verhaltensweisen zeigen. Vor der Behandlung gilt es, die Ursachen für die Unruhe abzuklären - darunter körperliche Krankheiten, (unerkannte) Schmerzen, Depressionen, Ängste oder Panikattacken, Wahnvorstellungen oder psychotisches Erleben.

Bei der Therapie sollte dann das Psychopharmaka die letzte Möglichkeit darstellen. Im Mittelpunkt steht die Heilbehandlung und nicht die Freiheitseinschränkung. Hier können Angehörige mit ihrem Wissen und ihrer Beobachtung der Ärztin oder dem Arzt helfen. Denn die Wahl des richtigen Medikamentes setzt eine genaue Beobachtung der oder des Betroffenen und das Erkennen von Gefühlen voraus.

Für Ärztinnen und Ärzte ist es eine Gratwanderung zwischen der Behandlung von Krankheit und Symptomen und dem, was im Volksmund als „sedieren“, „chemische Keule“, „ruhigstellen“ oder „medikamentös abschießen“ bezeichnet wird. Informieren Sie die Pflegenden, die Ärztin oder den Arzt, wenn Ihnen Ihr Angehöriger nach der Einnahme solcher Medikamente apathisch oder verwirrter vorkommt.

Menschen mit Demenz vergessen demenzbedingt den Grund, warum sie im Bett bleiben müssen. Auch die Warnfunktion von Schmerzen kann durch die Demenz gestört sein. Zugänge in die Venen, Sonden, Drainagen oder Verbände werden daher oft als unangenehme Fremdkörper wahrgenommen, wie auch die Verbände, die vor dem unabsichtlichen Herausziehen schützen sollen.

In solchen Situationen kann es dann zu Panikattacken oder Ohnmachtsgefühlen kommen, die wiederum schlimme Erinnerungen oder existenzielle Ängste hervorrufen. Kriegserlebnisse oder andere traumatische Erfahrungen werden in der demenzbezogenen oder akuten Verwirrtheit ganz real wahrgenommen. Ein solcher Stress sollte mit allen Mitteln vermieden werden.

Ethische Aspekte: Sicherheit versus Lebensrisiko

Ärztinnen, Ärzte, Angehörige sowie Betreuerinnen und Betreuer stehen immer wieder vor dem ethischen Dilemma zwischen den Freiheitsrechten und Schutzinteressen von Menschen mit Demenz. In den Krankenhäusern besteht die Sorge vor Stürzen oder anderen Komplikationen und den sich daraus ergebenden Regressforderungen. Die aktuelle Rechtsprechung geht in die Richtung, dass ein Sturzrisiko als Grund für eine Fixierung nicht ausreichend ist und stärkt so das Recht auf ein allgemeines Lebensrisiko. Bei der ethischen Bewertung einer Fixierung spielen auch die Einstellungen, Gedanken und Gefühle der Angehörigen eine wichtige Rolle. Sprechen Sie alles an, auch um spätere Schuldgefühle zu vermeiden, wenn es zum Beispiel zu einem Sturz gekommen ist.

Noch strenger werden juristisch die Fragen nach Zwangsmedikation und verdeckte Medikamentengabe durch „Untermischen“ betrachtet. Ergänzend stellt sich hier besonders die Frage: Werden Medikamente abgelehnt, weil sie zu groß sind, schlecht schmecken oder das Schlucken beeinträchtigt ist?

Künstliche Ernährung

Eine fortgeschrittene Demenz kann Schluckstörungen auslösen, die Essen und Trinken erschweren. Bei der Ursachensuche und Festlegung der geeigneten Therapie empfiehlt der Medizinische Dienst (MD), auch Logopädinnen und Logopäden oder andere geschulte Therapeutinnen und Therapeuten, zum Beispiel Dysphagietherapeuten, Ergo- und Physiotherapeuten, hinzuzuziehen.

Ob eine PEG-Magensonde (Perkutane endoskopische Gastrostomie-Magensonde) medizinisch sinnvoll ist oder andere Behandlungsmethoden besser greifen, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Zumal mittlerweile erwiesen ist, dass Menschen mit Demenz mit einer PEG-Magensonde nicht länger leben als ohne.

Dafür gibt es mehrere Erklärungen:

  • Der Krankenhausaufenthalt und eine Operation sind eine große Belastung.
  • Sondenkost wird nicht immer gut vertragen.
  • Wenn Nahrung oder Flüssigkeit via Nasensonde zu schnell oder im Liegen verabreicht werden, können diese in die Lunge gelangen und eine Lungenentzündung auslösen.
  • Die Hilfe beim Essen und Trinken ist eine besondere Form der Zuwendung. Wenn diese ausbleibt, hat dies psychische Folgen.

Bei einer PEG-Magensonde ist außerdem die Zustimmung der Patientin beziehungsweise des Patienten wichtig. Bei Menschen mit Demenz ist die Einholung dieser oft nicht mehr möglich. Maßgeblich für die ärztliche Entscheidung für oder gegen eine künstliche Ernährung ist deshalb der mutmaßliche Patientenwille - also ob noch ein starker Lebenswille erkennbar ist. Dafür ist eine sorgfältige Beobachtung der Patientin beziehungsweise des Patienten notwendig. Einzubeziehen sind aber auch Angehörige, die Auskunft geben können zum Willen der oder des Betroffenen.

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