Oxycodon bei neuropathischen Schmerzen: Anwendung, Wirkung und Risiken

Oxycodon ist ein starkes Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide, das bei starken bis stärksten Schmerzen eingesetzt wird. Es wird häufig bei neuropathischen Schmerzen, also Schmerzen aufgrund einer Schädigung oder Erkrankung des Nervensystems, sowie bei Schmerzen infolge einer Krebserkrankung angewendet. Obwohl Opioide allgemein als wirksame Schmerzmittel gelten, ist ihre Anwendung, insbesondere bei neuropathischen Schmerzen, nicht unumstritten. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung, Wirkung, Nebenwirkungen und Risiken von Oxycodon bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen.

Was ist Oxycodon und wann wird es eingesetzt?

Oxycodon ist ein synthetisch hergestelltes Opioid, das 1917 von E. Merck im Gefolge der Diamorphinsynthese (1898) als semisynthetisches Thebainderivat synthetisiert wurde. Thebain ist neben Morphin ein weiteres Opioid aus der Milch des Schlafmohns. Aus Thebain wird auch Buprenorphin synthetisiert. Es ist stärker wirksam als Morphin und wird zur Behandlung starker und stärkster Schmerzen eingesetzt. Dazu gehören:

  • Schmerzen aufgrund einer Schädigung oder Erkrankung des Nervensystems (neuropathische Schmerzen)
  • Schmerzen infolge einer Krebserkrankung

Oxycodon wird üblicherweise oral in Form von Tabletten oder Kapseln verabreicht, kann aber auch direkt in eine Vene gegeben werden (als intravenöse Injektion/Infusion). Die Dosierung wird vom Arzt festgelegt und schrittweise bis zur gewünschten Wirkung erhöht.

Wie wirkt Oxycodon?

Opioide wie Oxycodon wirken, indem sie an Opioidrezeptoren im Gehirn und Rückenmark binden und die Schmerzwahrnehmung reduzieren. Bei neuropathischen Schmerzen, die durch Nervenschädigungen verursacht werden, können Opioide die überaktiven Nervensignale dämpfen und so die Schmerzen lindern.

Dr. Uwe Junker, Sana-Klinikum Remscheid, erklärte auf dem 13th World Congress on Pain in Montreal, Kanada, dass Oxycodon eine hohe Affinität zu den Kappa-Opioidrezeptoren hat, die bei neuropathischen Schmerzen hochreguliert werden. Dies kann dazu beitragen, die Schmerzintensität zu reduzieren und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

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Oxycodon bei spezifischen neuropathischen Schmerzformen

Postherpetische Neuralgie (PHN)

Die postherpetische Neuralgie (PHN) ist eine häufige Komplikation nach einer Gürtelrose (Herpes zoster). Sie ist durch anhaltende Schmerzen im Bereich des ehemaligen Hautausschlags gekennzeichnet, die auch nach Abheilen der Hautläsionen bestehen bleiben. Studien haben gezeigt, dass retardiertes Oxycodon bei der Behandlung von PHN-Schmerzen wirksam sein kann.

Watson und Babul (1998) verglichen die Wirksamkeit von retardiertem Oxycodon mit einem Placebo bei 50 Patienten mit PHN. Die Ergebnisse zeigten, dass Oxycodon die Schmerzen signifikant reduzierte und die Alltagsaktivität verbesserte. Raja und Mitarbeiter (2002) evaluierten bei 76 PHN-Patienten den analgetischen und kognitiven Effekt von retardierten Opioiden (Morphin oder Methadon), trizyklischen Antidepressiva (TZA) und Placebo. Auch diese Studie zeigte, dass Opioide im Vergleich zum Placebo eine bessere Schmerzlinderung bewirkten.

Diabetische Neuropathie (SDN)

Die diabetische Neuropathie (SDN) ist eine häufige Komplikation bei Menschen mit Diabetes mellitus. Sie betrifft vor allem die Nerven in den Füßen und Beinen und kann zu Schmerzen, Taubheit und Kribbeln führen. Studien haben gezeigt, dass Oxycodon auch bei der Behandlung von SDN-Schmerzen wirksam sein kann.

Gimbel et al. (2003) behandelten 159 Patienten mit moderaten bis starken SDN-Schmerzen sechs Wochen lang mit Oxycodon oder Placebo. Die Ergebnisse zeigten, dass Oxycodon die Schmerzintensität signifikant reduzierte und das Alltagsbefinden verbesserte. Watson und Mitarbeiter (2003) evaluierten die analgetische Wirksamkeit, Sicherheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität von 45 SPN-Patienten unter der Therapie mit retardiertem Oxycodon und einem aktiven Placebo (Benzatropin). Auch diese Studie zeigte eine signifikante Schmerzreduktion unter Oxycodon.

Mögliche Nebenwirkungen und Risiken von Oxycodon

Wie alle Opioide kann auch Oxycodon Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören:

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  • Verstopfung
  • Appetitverlust
  • Übelkeit
  • Schwindel
  • Schläfrigkeit
  • Mundtrockenheit

Ernsthafte Komplikationen oder eine Toleranzentwicklung wurden in den Studien nicht registriert.

Abhängigkeit und Missbrauch: Oxycodon hat ein hohes Abhängigkeitspotenzial und kann bei unsachgemäßer Anwendung zu Missbrauch führen. Die Familie Sackler hatte seit den 1970er- und 1980er-Jahren mit ihrer Firma Purdue-Pharma Oxycodon unter dem Markennamen OXYCONTIN® zum Mittelpunkt einer bis dahin nicht vorstellbar eingreifenden Marketingkampagne gemacht. Gezielt wurde das Abhängigkeitspotenzial nicht nur verharmlost oder ganz in Abrede gestellt („Pseudoabhängigkeit“) und diese Verharmlosung dann zur Umsatzsteigerung verwendet. Diese in ihrer Intensität neue Vermarktung führte zu einem beispiellosen iatrogenen Opioidmissbrauch, der immer weiter zunahm.

Es ist daher wichtig, Oxycodon nur unter ärztlicher Aufsicht einzunehmen und die verordnete Dosis nicht zu überschreiten. Patienten mit einer Suchtgeschichte sollten Oxycodon nur mit Vorsicht anwenden.

Wechselwirkungen: Oxycodon kann die Wirkung anderer zentral dämpfender Stoffe wie Beruhigungsmittel, Muskelrelaxanzien, Antidepressiva, Antiemetika, Antihistaminika und Alkohol verstärken. Die gleichzeitige Einnahme von Medikamenten, die über dieselben Leberenzyme (CYP3A4, CYP2D6) wie Oxycodon abgebaut werden, kann den Abbau und damit die Wirkung des Schmerzmittels vermindern oder verstärken.

Langzeittherapie: Eine Langzeittherapie mit Opioiden bei neuropathischen Schmerzen ist nicht unkritisch, da es auch bei dem Einsatz retardierter Substanzen zu einer Gewöhnung, einer Dosissteigerung und einer Opioid-Abhängigkeit kommen kann. Eine retrospektive Registerstudie aus den Vereinigten Staaten hat gezeigt, dass eine Opioid-Langzeittherapie von neuropathischen Schmerzen bei Polyneuropathie nicht zu einer Funktionsverbesserung im Alltag führt und ein nicht unerhebliches Risiko für eine Depression, eine Dosissteigerung der Opioide und eine Opioid-Abhängigkeit birgt.

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Gegenanzeigen

Oxycodon ist nicht geeignet als Schmerzmittel bei:

  • schwerer Atemstörung (Ateminsuffizienz)
  • schwerem COPD (chronisch obstruktive pulmonale Erkrankung)
  • schwerem Asthma bronchiale
  • Verschluss des Darms (Ileus)
  • Überempfindlichkeit gegenüber den Wirkstoff oder einen anderen Medikamentenbestandteil

Oxycodon ist bei Kindern unter zwölf Jahren kontraindiziert. Kombinationspräparate von Oxycodon mit Naloxon sind erst ab einem Alter von 18 Jahren zugelassen.

Oxycodon in der Schwangerschaft und Stillzeit

Bisherige Studien erbrachten keine Hinweise auf eine fruchtschädigende Wirkung von Oxycodon. Seine Anwendung in der Schwangerschaft ist also akzeptabel, wenn sie gut begründet ist (strenge Indikationsstellung). Allerdings sollte das Schmerzmittel möglichst kurz angewendet werden. Oder man weicht auf besser geeignete Alternativen aus (Morphin, Tramadol, Buprenorphin).

Es liegen Daten zu circa 250 Mutter-Kind-Paaren vor, bei denen die Mutter mit Oxycodon behandelt wurde. Die gestillten Säuglinge hatten ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit und Trinkschwäche. Aus diesem Grund wird in der Stillzeit anderen Opioiden wie Fentanyl, Morphin oder Buprenorphin der Vorzug gegeben.

Oxycodon und Naloxon: Eine sinnvolle Kombination?

Oxycodon wird von Mundipharma intensiv in der Kombination mit Naloxon beworben. Der behauptete Vorteil der Verhinderung bzw. Linderung der Opioidobstipation wird von verschiedenen Autoren in Zweifel gezogen. Kritisiert wird, dass Naloxon pauschal in einer fixen Kombination gegeben wird; egal ob eine klinische Indikation besteht oder nicht. Durch die Fixkombination kann der laxierende Effekt nicht an die klinische Situation angepasst werden. Es wird geraten, Laxanzien nach klinischer Indikation getrennt vom Opioid zu verordnen, da so auch die Wirkung besser der Patientensituation angepasst werden kann.

Es bleibt unklar, warum Naloxon mit oralem Oxycodon kombiniert wird. Da Naloxon als allenfalls leicht abführendes Pharmakon nur wenigen bekannt ist, dürfte diese Kombination auch die Vorstellung gefördert haben, dass Oxycodon mit Naloxon nicht so leicht missbraucht werden könnte. Denn Naloxon ist als Opioidantidot gut bekannt. Naloxon verhindert Missbrauch jedoch nur bei intravenöser Anwendung von zermahlenen Tabletten.

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