Pflegeplanung bei Demenz: Orientierungshilfen und Beispiele für eine würdevolle Betreuung

Die Diagnose Demenz bei einem Familienmitglied ist oft ein Schock. Viele Fragen tauchen auf: Welche Unterstützung ist notwendig? Kann ich als Angehöriger die Pflege bewältigen? Gibt es finanzielle Hilfen für die häusliche Pflege? Dieser Artikel soll Ihnen helfen, sich in der komplexen Situation zurechtzufinden und eine würdevolle Pflege für Ihren Angehörigen zu gestalten.

Demenz verstehen: Symptome und Formen

Demenz ist ein Oberbegriff für Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten einhergehen. Orientierung, Denken und Erinnern werden zunehmend schwieriger. Zu Beginn ist meist das Kurzzeitgedächtnis betroffen, später auch das Langzeitgedächtnis. In 90% der Fälle ist Demenz nicht heilbar. Man spricht dann von einer primären Demenz, bei der Nervenzellen im Gehirn irreversibel zerstört werden. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz.

Typische Symptome im Anfangsstadium:

  • Wachsende Vergesslichkeit und Schusseligkeit
  • Schwierigkeiten mit der zeitlichen Orientierung

Spätere Symptome:

  • Desorientierung (zeitlich, räumlich, situativ, persönlich)
  • Erkennungsstörungen
  • Handfertigkeitsstörungen
  • Sprachstörungen
  • Persönlichkeitsveränderungen (Niedergeschlagenheit, Rückzug, Scham, Wut, Schuldzuweisungen)

Es ist wichtig zu beachten, dass jede Person einzigartig ist und Demenz sich unterschiedlich äußern kann.

Die Diagnose: Was nun?

Wenn erste Symptome auftreten, ist es wichtig, einen Arzt aufzusuchen. Dieser kann durch verschiedene Tests und Untersuchungen (z.B. Uhrentest, neurologische Untersuchungen, bildgebende Verfahren) feststellen, ob eine Demenz vorliegt und welche Form es ist. Es gibt auch Gedächtnisambulanzen, an die Sie sich wenden können.

Es ist wichtig, andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen (z.B. Depressionen) auszuschließen, um eine korrekte Diagnose und Behandlung zu gewährleisten.

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Pflegeplanung: Aktivierende Pflege und Alltagsgestaltung

Da Demenz meist schleichend verläuft, bleibt Zeit, sich auf die Pflege vorzubereiten. Im Mittelpunkt sollte die aktivierende Pflege stehen, die den Pflegebedürftigen möglichst lange in seiner Selbstständigkeit unterstützt und fördert.

Wichtige Prinzipien:

  • Geduld: Bestimmte Anforderungen müssen mehrfach wiederholt werden. Einfache Handlungen können länger dauern.
  • Ruhe: Demenz kann mit Persönlichkeitsveränderungen einhergehen. Bleiben Sie ruhig, auch wenn es einmal laut wird.
  • Vorausschau: Erkennen Sie mögliche Gefahrenquellen und beseitigen Sie sie.
  • Regelmäßiger Tagesablauf: Demenzkranke tun sich schwer mit neuen Dingen. Ein geregelter Tagesablauf gibt Sicherheit.
  • Lob und Zuwendung: Kritisieren Sie nicht, was der Angehörige nicht mehr kann, sondern geben Sie ihm Bestätigung. Beziehen Sie ihn in einfache Aufgaben im Haushalt mit ein.
  • Empathie: Versetzen Sie sich in den Menschen. Lachen Sie mit ihm, gehen Sie mit ihm auf Entdeckungsreise in die Vergangenheit.
  • Berührungen: Oft wirken Berührungen Wunder.

Hilfsmittel und Unterstützung

Es gibt vielfältige Hilfsmittel, die den Alltag für Demenzkranke und ihre Angehörigen erleichtern können. Diese reichen von einfachen Gedächtnisstützen bis hin zu technischen Hilfsmitteln für mehr Sicherheit.

Beispiele für Hilfsmittel:

  • Erinnerungshilfen: Sprechende Zeitplaner, Kalender mit großen Schriftzeichen, Uhren mit Tagesanzeige
  • Sicherheitshilfen: Herdsicherungen, Rauchmelder, Schlüsselfinder, GPS-Tracker
  • Ess- und Trinkhilfen: Demenz-Geschirr mit erhöhten Rändern, rutschfeste Unterlagen
  • Orientierungshilfen: Große Schilder mit Symbolen an den Türen, gut sichtbare Uhren und Kalender

Ein Sanitätshaus kann Sie bei der Auswahl der passenden Hilfsmittel beraten und Ihnen Informationen zur Kostenübernahme durch die Krankenkasse geben.

Weitere Unterstützungsmöglichkeiten:

  • Pflegestufe beantragen: Die Pflegestufe 0 wurde speziell für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (Demenz) eingeführt. Kontaktieren Sie die Pflegekasse.
  • Ambulante Pflegedienste: Sie unterstützen bei der Körperpflege, der Medikamenteneinnahme und anderen Aufgaben.
  • Tagespflege: Demenzkranke verbringen einen oder mehrere Tage pro Woche in einer Tagespflegeeinrichtung.
  • Betreuungsgruppen: Regelmäßige Treffen mit anderen Demenzkranken und ehrenamtlichen Helfern.
  • Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege: Entlastung für pflegende Angehörige bei Krankheit oder Urlaub.
  • Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Angehörigen und praktische Tipps.

Validation: Wertschätzung und Akzeptanz

Die Validation ist eine spezielle Kommunikationsmethode, die auf Wertschätzung, Akzeptanz und Empathie basiert. Sie hilft, die Gefühle und Bedürfnisse von Demenzkranken zu verstehen und ihnen Sicherheit zu vermitteln.

Grundprinzipien der Validation:

  • Akzeptanz: Lassen Sie die Äußerungen, Handlungen und Sichtweisen des Menschen mit Demenz gelten. Korrigieren Sie ihn nicht.
  • Empathie: Versetzen Sie sich in seine Erlebniswelt.
  • Wertschätzung: Nehmen Sie ihn ernst und zeigen Sie ihm Respekt.
  • Einfühlsames Zuhören: Hören Sie aufmerksam zu und versuchen Sie, die Gefühle hinter den Worten zu erkennen.
  • Spiegeln der Gefühle: Bestätigen Sie die Gefühle des Patienten durch verbale und nonverbale Signale.
  • Vermeiden von Konfrontationen: Gehen Sie nicht in Diskussionen.

Praktische Anwendung der Validation:

  1. Gefühle erkennen: Was sind die Gefühle des Demenzkranken? (z.B. Aufregung, Hilflosigkeit, Einsamkeit, Trauer)
  2. Gefühle ausformulieren: Nehmen Sie die Gefühle an und formulieren Sie sie in einfachen Sätzen. (z.B. "Sie sind gerade ganz aufgeregt.")
  3. Gefühle bestätigen: Zeigen Sie dem Demenzkranken, dass seine Gefühle normal und akzeptiert sind. Nutzen Sie Sprichwörter, Redewendungen oder biografische Bezüge.

Es gibt verschiedene Ansätze der Validation, z.B. nach Naomi Feil und Nicole Richard. Beide betonen die Bedeutung von Empathie und Wertschätzung. Während Feil den Fokus auf die Aufarbeitung ungelöster Lebenskonflikte legt, sieht Richard eher die hirnorganischen Veränderungen im Vordergrund.

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Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen

Demenz kann zu verschiedenen herausfordernden Verhaltensweisen führen, wie z.B. Aggressivität, ständiges Wiederholen von Fragen, Lügen, nächtliche Unruhe oder Widerstand gegen die Pflege. Es ist wichtig, die Ursachen für diese Verhaltensweisen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.

Herausforderungen und Tipps:

  • Erschwerte Kommunikation: Beschäftigen Sie sich mit alternativen Kommunikationsmöglichkeiten.
  • Aggressives Verhalten: Finden Sie die Ursachen für die Aggression heraus und versuchen Sie, die Situation zu deeskalieren.
  • Ständiges Wiederholen von Fragen: Bleiben Sie geduldig und wiederholen Sie die Antwort.
  • Lügen und Beschuldigungen: Nehmen Sie die Beschuldigungen nicht persönlich und versuchen Sie, die Angst oder Unsicherheit dahinter zu erkennen.
  • Nächtliche Unruhe: Sorgen Sie für einen geregelten Tagesablauf, ausreichend Bewegung und Entspannung am Abend.
  • Widerstand gegen die Pflege: Finden Sie heraus, warum der Angehörige sich wehrt und versuchen Sie, die Pflege so angenehm wie möglich zu gestalten.
  • Verlust der Orientierung: Schaffen Sie eine sichere und übersichtliche Umgebung.
  • Weglaufen: Sorgen Sie für eine sichere Umgebung und nutzen Sie Ortungssysteme.

Die Rolle der Angehörigen: Sich selbst nicht verlieren

Die Pflege eines Demenzkranken ist eine große Herausforderung, die viel Kraft und Zeit kostet. Es ist wichtig, dass Sie als Angehöriger auch auf Ihre eigenen Bedürfnisse achten und sich nicht überfordern.

Tipps für pflegende Angehörige:

  • Nehmen Sie Hilfe an: Scheuen Sie sich nicht, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen (z.B. ambulante Pflegedienste, Tagespflege).
  • Sorgen Sie für Auszeiten: Planen Sie regelmäßige Pausen ein, in denen Sie sich entspannen und neue Kraft tanken können.
  • Tauschen Sie sich aus: Sprechen Sie mit anderen Angehörigen in Selbsthilfegruppen oder mit Freunden und Verwandten.
  • Achten Sie auf Ihre Gesundheit: Essen Sie gesund, treiben Sie Sport und schlafen Sie ausreichend.
  • Vergessen Sie Ihre Hobbys nicht: Nehmen Sie sich Zeit für Dinge, die Ihnen Freude bereiten.
  • Suchen Sie professionelle Hilfe: Wenn Sie sich überfordert fühlen, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen (z.B. psychologische Beratung).

Wohnraumanpassung: Eine sichere und vertraute Umgebung schaffen

Viele Menschen mit Demenz möchten so lange wie möglich in ihrem vertrauten Zuhause leben. Eine Anpassung des Wohnraums kann ihnen dabei helfen, sich besser zu orientieren und das Risiko von Unfällen zu minimieren.

Maßnahmen zur Wohnraumanpassung:

  • Übersichtlichkeit: Schaffen Sie eine übersichtliche und aufgeräumte Umgebung. Vermeiden Sie überladene Dekorationen.
  • Beleuchtung: Sorgen Sie für eine gute Beleuchtung, insbesondere in Fluren und Treppenhäusern.
  • Kontraste: Verwenden Sie kontrastreiche Farben, um z.B. Türrahmen oder Lichtschalter hervorzuheben.
  • Sicherheit: Beseitigen Sie Stolperfallen (z.B. Teppiche, lose Kabel). Sichern Sie gefährliche Gegenstände (z.B. Putzmittel, Messer). Installieren Sie Rauchmelder und Herdsicherungen.
  • Orientierungshilfen: Bringen Sie große Schilder mit Symbolen an den Türen an. Installieren Sie eine gut sichtbare Uhr und einen Kalender.
  • Möblierung: Stellen Sie vertraute Möbelstücke auf und schaffen Sie eine gemütliche Atmosphäre.

Feste und Rituale: Orientierungspunkte im Alltag

Feste und Rituale, die an bestimmte Jahreszeiten gebunden sind, können für Menschen mit Demenz wichtige Orientierungspunkte bieten. Versuchen Sie, Traditionen und Feste beizubehalten, die für Ihren Angehörigen wichtig sind.

Beispiele:

  • Ostern: Gemeinsam zum Osterfeuer gehen, Ostereier suchen.
  • Weihnachten: Weihnachtsbaum schmücken, Weihnachtslieder singen, Plätzchen backen.
  • Geburtstage: Geburtstagstorte backen, Geschenke überreichen, mit Freunden und Familie feiern.

Sorgen Sie für den passenden musikalischen Hintergrund und bieten Sie typische Leckereien an. Achten Sie jedoch darauf, niemanden zu überfordern.

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