Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die oft als Folge von Diabetes, Chemotherapie oder anderen Grunderkrankungen auftritt. Sie äußert sich durch vielfältige Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche und Schmerzen, vor allem in den Füßen und Unterschenkeln. Die Physiotherapie bietet gezielte Übungen und Behandlungen, um Nervenschäden entgegenzuwirken, die Balance zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern.
Was ist Polyneuropathie?
Bei einer Polyneuropathie handelt es sich um eine noch nicht in allen Einzelheiten geklärte Erkrankung des peripheren Nervensystems, wobei Gehirn und Rückenmark nicht betroffen sind. Typischerweise kommt es bei einem Befall der sensiblen Nerven zu symmetrischen Empfindungsstörungen an Füßen und Unterschenkeln.
Außer den sensiblen Störungen können auch Schäden an den motorischen Nerven auftreten, die sich durch Reflexausfälle und Schwäche oder Lähmungen der betroffenen Muskulatur bemerkbar machen. Das autonome Nervensystem kann ebenfalls erkrankt sein und Funktionsstörungen an den inneren Organen verursachen.
In vielen Fällen ist die Polyneuropathie Folge einer Grunderkrankung, am häufigsten von Diabetes mellitus. Die Suche nach einer möglichen Ursache sollte also vor Beginn einer Therapie stehen. Die konventionelle Therapie ist langfristig angelegt und verursacht oft Nebenwirkungen, so dass die Suche nach naturheilkundlichen Alternativen gut nachzuvollziehen ist.
Ein schlecht eingestellter Diabetes ist in Deutschland die häufigste Ursache einer Polyneuropathie und nimmt in der westlichen Welt stark zu. Die Nervenschädigung kann durch eine Beeinträchtigung der Nervenfasern selbst oder indirekt durch eine Schädigung der die Nerven versorgenden kleinen Blutgefäße zustande kommen.
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Weitere Ursachen können sein:
- Stoffwechselstörungen und Vitaminmangel
- Schwere Organ- oder Allgemeinerkrankungen mit „Selbstvergiftung“, z. B. Nieren- oder Leberinsuffizienz
- Malabsorption bei chronischen Magen-Darm-Erkrankungen
- Polyneuropathien bei Krebserkrankungen
- Arterielle Durchblutungsstörungen
- Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, z. B. Borreliose
- Andere seltene neurologische Erkrankungen
- Thalassämie (besonders in den Mittelmeerländern)
- Toxisch bedingte Polyneuropathien
- Chronischer Alkoholismus
- Nebenwirkungen von Medikamenten, insbesondere bei Chemotherapien, häufig auch bei älteren AIDS-Medikamenten, seltener nach Antibiotika
- Chronischer Heroinkonsum
- Früher bei Tankwarten durch häufigen Kontakt mit verbleitem Benzin
- Umwelt- oder Alltagsgifte, wie Blei, Kupfer, Amalgam oder Cadmium
Ist keine Grunderkrankung feststellbar, spricht man von einer „idiopathischen Polyneuropathie“.
Typische Symptome
Am Anfang stehen gerade bei der diabetischen Polyneuropathie oft symmetrische Empfindungsstörungen, besonders an den Füßen. Taubheit, Kribbeln, Brennen, aber auch Schmerzen oder eine nachlassende Empfindlichkeit sollten Anlass zu einer genaueren Untersuchung sein. Häufig ist auch das Gefühl von zu engen Socken. Das geringer werdende Empfinden kann z. B. dazu führen, dass die Betroffenen ein drückendes Steinchen im Schuh nicht bemerken, was dann Ausgangspunkt für ein Geschwür an der Fußsohle sein kann. Frühzeitiges Handeln könnte einen Teil der jährlich bis zu 50 000 Amputationen wegen eines diabetischen Fußsyndroms verhindern.
Grundsätzlich kann sich außer der „sensiblen“ Polyneuropathie auch eine „motorische“ Polyneuropathie entwickeln - mitunter kommt es dann zu symmetrischen Lähmungen. Auch eine sog. „autonome“ Polyneuropathie mit Befall der die inneren Organe versorgenden vegetativen Nerven und nachfolgenden Funktionsstörungen ist möglich. Dazu gehören trophische Hautstörungen mit Begünstigung von Geschwürbildungen, vermindertem Schwitzen, Potenz- und Blasenentleerungsstörungen, Tachykardie in Ruhe oder Störungen der Pupillomotorik.
Bei der fatalen sog. „stummen Ischämie“ ist das Herz von den Folgen einer Polyneuropathie betroffen. Dabei können die sonst typischen Brustschmerzen bei einem Herzinfarkt oder einer Angina pectoris durch die Nervenschädigung teilweise oder ganz fehlen, wodurch eine adäquate Reaktion des Betroffenen ausbleibt. Das kann z. B. der Fall sein bei Diabetikern mit Polyneuropathie und gleichzeitig bestehender koronarer Herzkrankheit - einer nicht seltenen Kombination.
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Gezielte Bewegungsübungen für mehr Stabilität und Mobilität
Ein zentrales Ziel der Physiotherapie bei Polyneuropathie ist es, die Muskulatur zu stärken, Gleichgewicht und Koordination zu verbessern und die Durchblutung zu fördern. Regelmäßige Bewegung kann nicht nur bestehende Symptome mildern, sondern auch das Fortschreiten der Erkrankung bremsen. Physiotherapie bei Polyneuropathie bietet individuell angepasste Programme, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt sind.
Wichtige Übungen für zu Hause
- Zehenstand: Stellen Sie sich auf die Zehenspitzen, halten Sie die Position für einige Sekunden und senken Sie dann langsam die Fersen ab. Diese Übung verbessert das Gleichgewicht und stärkt die Fußmuskulatur.
- Fußkreisen: Setzen Sie sich bequem hin, heben Sie ein Bein leicht an und kreisen Sie den Fuß langsam in beide Richtungen. Dies fördert die Beweglichkeit und Durchblutung der Gelenke.
- Ballrollen: Rollen Sie mit den Fußsohlen einen kleinen Ball hin und her. Dies aktiviert die Nerven und massiert die Fußmuskulatur.
- Balanceübungen: Stellen Sie sich auf ein Bein und versuchen Sie, die Balance zu halten. Für zusätzliche Sicherheit können Sie sich dabei an einer Wand abstützen.
- Fingerübungen: Öffnen und schließen Sie Ihre Hände bewusst oder rollen Sie kleine Bälle zwischen den Fingern hin und her. Zudem trägt sie zur allgemeinen Fitness und zum Wohlbefinden bei.
- Barfuß gehen: Trainieren Sie Ihre Füße, indem Sie barfuß auf verschiedenen Oberflächen gehen.
- Zeitung greifen: Greifen Sie mit Ihren Füßen eine am Boden liegende Zeitung und zerreißen Sie diese.
- Zehenspitzen drücken: Drücken Sie im Stehen in aufrechter Haltung Ihre Zehenspitzen 10 Sekunden lang in den Boden, ohne sie einzukrallen.
- Gymnastikball rollen: Rollen Sie einen kleinen Gymnastikball über Hand und Unterarm.
Die Rolle der Physiotherapie
Die Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Polyneuropathie. Sie hilft, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Therapie zielt darauf ab, die Muskelkraft zu erhalten, die Beweglichkeit zu verbessern, das Gleichgewicht zu schulen und Schmerzen zu reduzieren.
Ziele der Physiotherapie bei Polyneuropathie
- Erhalt der Muskelkraft und Stabilität der Knochen
- Verbesserung der Koordination und Bewegungskontrolle
- Verhinderung von Muskelverhärtungen und Erhalt der Beweglichkeit
- Reduzierung von Schmerzen
- Verbesserung der Körperwahrnehmung und Gangsicherheit
Methoden der Physiotherapie
- Krankengymnastik: Gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur, Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination.
- Manuelle Therapie: Behandlung von Funktionsstörungen an der Wirbelsäule und anderen Gelenken.
- Gleichgewichtstraining: Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts und zur Sturzprophylaxe.
- Vibrationstraining: Stimulation der Muskulatur und Nerven durch Vibration.
- Elektrotherapie: Schmerzlinderung und Stimulation der Nerven durch elektrische Reize.
- Massage: Lockerung der Muskulatur und Reduzierung von Schmerzen.
- Dehnübungen: Verbesserung der Beweglichkeit und Reduzierung von Muskelverspannungen.
- Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF): Spezifische Stimulation der Propriozeptoren zur Aktivierung von Muskelketten.
- Funktionelle Therapie: Verbesserung von alltagsrelevanten Fähigkeiten.
- Wahrnehmungsschulung: Schulung der Körperwahrnehmung.
- Hilfsmittelversorgung: Anpassung und Gebrauch von Hilfsmitteln wie z.B. Fußheberorthesen, orthopädischen Schuhen, Gehstöcken oder Rollatoren.
Naturheilkundliche Therapieansätze
Eine unter Umständen zugrunde liegende Erkrankung sollte so gut wie möglich behandelt werden. Ursächliche Noxen müssen ausgeschaltet werden. Gleichzeitig - oder wenn keine Grundkrankheit diagnostiziert wird - sollte man versuchen, die Beschwerden durch naturheilkundliche und ggf. medikamentöse Maßnahmen so gut es geht zu lindern.
Hydro- und Thermotherapie
Die mildeste Form, um die Durchblutung anzuregen und einen Reiz auf die Nervenrezeptoren auszuüben, ist das Trockenbürsten. Ein Igelball, Sandbäder oder Klopfungen wirken ähnlich.
Intensiver sind tägliches Wassertreten nach Kneipp oder kalte Unterschenkelgüsse, die ebenfalls die Durchblutung verbessern. Ansteigende Teilbäder mit allmählich steigenden Temperaturen dienen genauso der Gefäßerweiterung. Entweder können sie lokal an den am häufigsten betroffenen Unterschenkeln angewandt werden oder auch als Armbäder, um die konsensuelle Fernwirkung auszunutzen. Je nach Befund können auch Vollbäder mit Zusatz von Fichtennadeln oder Heublumen zum Einsatz kommen. Lehmpackungen (Heilerde) wird auch bei Neuralgien ein schmerzlindernder und antiphlogistischer Effekt zugesprochen. Man sollte sie täglich anwenden.
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Allgemein ist bei einer Polyneuropathie die Hydro- und Thermotherapie dann indiziert, wenn noch eine ausreichende Durchblutung gewährleistet ist. Zu intensive Warm- bzw. Heißanwendungen sollten wegen möglicher Gewebeschäden aufgrund des nicht verspürten Hitzereizes bei einer sensiblen Polyneuropathie und bei höhergradigen Durchblutungsstörungen vermieden werden. Analog können zu intensive, nicht wahrgenommene Kaltreize zu Erfrierungen führen.
Die Sauna stellt einen intensiven thermischen Wechselreiz für die Haut dar. Sie wirkt auch schmerzlindernd und umstimmend am vegetativen Nervensystem, setzt aber eine Belastbarkeit von mindestens 75 Watt und eine ausreichende Durchblutung voraus.
Ein besonders starker Reiz ist ein für nur wenige Sekunden durchgeführtes Eisbad der Füße. Eine ausreichende Durchblutung und Sensibilität sind Voraussetzung. Diese Anwendung sollte nur unter Aufsicht durchgeführt werden. Zur Kontrolle ist es üblich, dass der Behandler immer die eigene Hand mit in das Wasser eintaucht, um Kälteschäden zu vermeiden.
Eine andere Variante eines intensiven Kaltreizes ist die lokale Kaltlufttherapie, die aber an bestimmte Physiotherapie-Einrichtungen gebunden ist. Sie kann - wiederum eine gute Durchblutung vorausgesetzt - zur Behandlung brennender Schmerzen an den Unterschenkeln versucht werden.
Ernährung und Vitamine
Ein Ziel der Ernährungsberatung ist es, extreme Diäten mit einem resultierenden Vitamin- und Mineralmangel zu vermeiden. Sinnvoll ist eine ovolaktovegetabile vollwertige Kost. Dabei werden chronische Entzündungsprozesse auch durch eine Reduktion von tierischen Produkten eingedämmt. Der Blutzucker sollte durch Ernährung und Bewegung so gut wie möglich eingestellt werden, toxische Einflüsse (Alkohol) sind zu meiden. Eine Umstellung des Stoffwechsels in Richtung einer basischen Ernährung kann sich ebenfalls positiv auswirken, z. B. sind Kartoffeln, Gemüse und Obst gute Basenlieferanten.
Die Motivation zur Ernährungsumstellung kann oft durch ein ärztlich oder zumindest durch einen Fastenleiter überwachtes einleitendes Heilfasten gesteigert werden. Heilfasten kann auch der Einstieg in eine Stoffwechselnormalisierung bei bestehendem Diabetes sein. Auch das erfordert eine ärztliche Begleitung, da ggf. die Insulin- und übrige Medikamentendosierung angepasst werden muss. Eine gute Eisenversorgung kann durch den gemeinsamen Verzehr von Eisen- und Vitamin-C-reichen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse erreicht werden. Schwarzer Tee hemmt die Eisenresorption und sollte daher nicht zu den Mahlzeiten genossen werden.
Häufig besteht bei einer diabetischen Polyneuropathie ein Mangel an Vitamin B1 (Thiamin), weshalb Patienten mit gesicherter Diagnose oft mit Benfotiamin behandelt werden. Nicht nur ein Vitamin-B1-, auch ein Vitamin-B12- oder Folsäuremangel sollten ausgeglichen werden. Ebenso ist die Gabe von Alpha-Liponsäure (ein Koenzym, u. a. mit antioxidativen Effekten) üblich.
Die Ursache eines Vitaminmangels ist nicht immer in der Ernährung zu suchen. In der modernen Medizin führt nicht selten eine längerfristige Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer zumindest zu einem Vitamin-B12-Mangel und dadurch zu einer Neuropathie. Im Einzelfall kann auch ein Vitamin-B6-Mangel zu einer Neuropathie beitragen. Das betrifft z. B. Patienten mit Absorptionsstörungen oder extremen Diäten zur Gewichtsabnahme. Raucher haben ebenfalls eine schlechtere Vitamin-B6-Versorgung. Bei künstlicher Zufuhr von Vitamin B6 sollte eine Überdosierung mit evtl. nachfolgender sensibler Polyneuropathie als Nebenwirkung vermieden werden. Diese tritt aber nach gegenwärtigem Wissensstand nur auf, wenn über Monate oder Jahre extrem hohe Dosen von 500 mg oder mehr eingenommen wurden, wie das z. B. bei Bodybuildern beobachtet wurde. Dosen bis 100 mg/Tag gelten als unbedenklich.
Mitunter wird auch Glutathion als „Radikalfänger“ eingesetzt. Experimentell kamen im Frühstadium einer diabetischen Polyneuropathie Wachstumsfaktoren zur Anwendung. Spezielle Schmerzmittel gegen „neuropathische“ Schmerzen sind trotz der vielfältigen beschriebenen Therapieansätze oft nicht zu vermeiden.
Ordnungstherapie
Hierzu gehört allgemein eine individuelle Diskussion über Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum etc. Da chronischer Stress auch die Schmerzverarbeitung beeinflusst, können im Einzelfall Entspannungsverfahren, Yoga oder vergleichbare Maßnahmen indiziert sein. Akupunktur ist in ähnlicher Weise wirksam.
Phytotherapeutische Präparate
Vorrangig geht es bei der symptomatischen Therapie um eine Beeinflussung der oft quälenden Schmerzen. Die Chronizität erfordert eine Dauerbehandlung, die das Risiko von pharmakologischen Nebenwirkungen erhöht. Jedoch sind auch Phytotherapeutika nicht ohne Nebenwirkungen, was man bei der Therapie beachten sollte.
Hinzu kommt, dass viele pflanzliche Präparate ihre volle Wirkung erst nach ca. 6 Wochen entfalten, was Geduld beim Patienten erfordert. Häufig kommen Teufelskrallen-Präparate zum Einsatz, wobei deren Wirkstärke nicht immer ausreicht. Ein Ziel kann jedoch sein, die Dosis konventioneller Schmerzmittel zu reduzieren. Über mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen sollte der Patient informiert werden, wobei Apotheker oft gute Ratgeber sind.
Zur äußeren Anwendung kommen z. B. Aconit-Nervenöl, Nelken-, Rosmarin- oder Minzöl infrage. Johanniskraut-Rotöl und Einreibungen mit capsaicinhaltiger Salbe (Chili- oder Paprikaschoten; botanisch korrekter eigentlich „Beeren“) oder Cayennepfeffer werden ebenfalls empfohlen. Senfmehl-Fußbäder, die wegen des gestörten Empfindens nicht heiß zubereitet werden sollten, wirken ähnlich, sollten aber vorsichtig und nur nach Anleitung angewendet werden.
Bewegungstherapie und Krankengymnastik
Ein Ziel einer Bewegungstherapie ist die Besserung der Ausdauer und einer möglichen Muskelschwäche. Das kann durch Trainingstherapie, selbstständiges Walking, Geräte- oder Ergometertraining und Bewegungsbäder erreicht werden. Bewegungstherapie verbessert auch eine diabetische Stoffwechsellage sowie die Durchblutung. Ein physiotherapeutisch angeleitetes gezieltes Training geschwächter Muskelgruppen ist je nach Befund angezeigt. Die sog. „Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitationstherapie“ (PNF) dient ebenfalls zur Stärkung einer geschwächten Muskulatur. Es handelt sich dabei um eine spezifische Stimulation der Propriozeptoren zur komplexen Aktivierung von Muskelketten.
Ziele einer Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage (z. B. nach dem Bobath-Konzept) sind eine günstige Beeinflussung der Oberflächen- und Tiefensensibilität und eine „Bahnung“ im Zentralnervensystem. Derartig spezielle krankengymnastische Techniken setzen einen entsprechend ausgebildeten Therapeuten voraus.
Bestehen fortgeschrittene Gangstörungen oder gravierendere (insbesondere motorische) Ausfälle, kann eine physio- oder ergotherapeutische Gangschulung indiziert sein. Ebenfalls kann eine Hilfsmittelversorgung wie Fußheberorthesen, orthopädischen Schuhen, einem Gehstock oder Rollator erforderlich sein.
Funktionelle Störungen an der Wirbelsäule können durch Krankengymnastik, manualtherapeutische Techniken oder mit einer befundorientierten Physiotherapie behandelt werden. Übungen auf dem Kreisel oder eine Gangschulung auf weicher Unterlage zur Gleichgewichtsschulung sind bei Unsicherheit oder Schwindel angezeigt.
Seit einigen Jahren kommen auch Geräte zum Vibrationstraining zum Einsatz. Bekannt sind sie vor allem unter dem Namen „Galileo“ (USA: „Vibraflex“). Ganz neu ist die Idee nicht, denn schon Ende des 19. Jahrhunderts hat man mit einem vibrierenden Stuhl zur Behandlung des M. Parkinson experimentiert. In den 1960er Jahren versuchte man in Deutschland „zyklische Oszillationen“, in den 1970er Jahren propagierte Wladimir Nasarow in der damaligen Sowjetunion die „biomechanische Stimulation“ (BMS) als Teil der Trainingstherapie.
Beim Vibrationstraining vibriert eine Platte sowohl vertikal als auch horizontal, die Frequenz und die Intensität lassen sich variieren und sollen unterschiedliche Wirkungen haben. Es wird beschrieben, dass sich die Leistungsfähigkeit der Muskulatur und die Koordination verbessern. Hinzu kommen eine Verbesserung des Blutzuckers bei Diabetes mellitus und eine Prophylaxe einer Osteoporose nach Immobilisation. Bei einer Polyneuropathie wird man als Therapieziel eine erhöhte Sicherheit und Sturzprophylaxe im Blick haben. Die Verträglichkeit des Geräts kann man nur durch eine Probebehandlung erkennen.
Ein Posturomed-Training ist ebenso wie Übungen auf dem Kreisel oder eine Gangschulung auf weicher Unterlage insbesondere bei Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen zur Gleichgewichtsschulung angezeigt. Dadurch wird auch das Sturzrisiko gesenkt. Diese Therapie wurde Mitte der 1990er Jahre entwickelt. Vorläufer war ein ähnliches Gerät, das aus einer schwingungsfähige…
Tipps für den Alltag
- Sturzprophylaxe: Entfernen Sie Stolperfallen in der Wohnung, wie lose Teppiche oder unnötige Schuhabstreifer.
- Gutes Schuhwerk: Tragen Sie rutschfeste Schuhe oder Pantoffeln.
- Gute Sicht: Achten Sie auf gute Beleuchtung in der Wohnung und tragen Sie bei Bedarf eine Brille.
- Hilfsmittel: Nutzen Sie Hilfsmittel wie Walking-Stöcke, um die Sicherheit und Stabilität beim Gehen zu erhöhen.
- Achtsamkeit: Seien Sie achtsam im Alltag und konzentrieren Sie sich auf Ihre Bewegungen, besonders bei der Verwendung von scharfen Gegenständen.
Rehabilitation bei Polyneuropathie
Im Rahmen einer Rehabilitation erhalten Patienten eine umfassende Betreuung durch ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und anderem Fachpersonal. Ziel ist es, die Selbstständigkeit und Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Inhalte der Rehabilitation
- Einzel- und Gruppentherapien: Ergotherapie und Physiotherapie zur Verbesserung der Sensibilität, Feinmotorik, Koordination und des Ganges.
- Vibrationstherapie: Anwendung von Geräten wie dem Galileo-Gerät zur Stimulation der Muskulatur und Nerven.
- Elektrotherapie: Verschiedene Formen der Elektrotherapie zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Nervenfunktion.
- Medizinische Trainingstherapie: Körperliche Kräftigung durch Ausdauer- und Krafttraining.
- Informationen zur gesunden Lebensführung: Schulung zu Themen wie Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung.
Ambulante und stationäre Rehabilitation
- Ambulante Reha: Patienten leben zu Hause und fahren zwei- bis dreimal pro Woche zu den Behandlungen.
- Stationäre Reha: Patienten werden in einem Reha-Zentrum aufgenommen und erhalten dort eine umfassende Betreuung.
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