Polyneuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, bei denen mehrere Nerven gleichzeitig geschädigt werden. Die peripheren Nervenbahnen durchziehen den ganzen Körper und verbinden Rückenmark mit Muskeln, Haut und inneren Organen. Sie steuern Muskeln (motorische Nerven), vermitteln Empfindungen (sensible Nerven) und beeinflussen innere Organe (autonome Nerven). Polyneuropathien können angeboren oder erworben sein, wobei erworbene Formen häufiger vorkommen. Diabetes mellitus, Vitaminmangel, chronischer Alkoholmissbrauch, Vergiftungen und Infektionskrankheiten können Polyneuropathien verursachen. In vielen Fällen bleibt die Ursache jedoch unklar. Die Beschwerden variieren je nach Art der Nervenschädigung und reichen von Taubheitsgefühl und Schmerzen bis hin zu Kraftlosigkeit, Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen und Kreislaufproblemen. Aufgrund der vielfältigen Ursachen und Beschwerden erfordern Polyneuropathien eine sorgfältige Diagnostik und individuell abgestimmte Therapie.
Ursachen von Polyneuropathien
Die Ursachen für Polyneuropathien sind vielfältig. Zu den häufigsten gehören:
- Diabetes mellitus: Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann die Nerven schädigen und eine diabetische Polyneuropathie verursachen. Die Prävalenz der diabetischen Neuropathie beträgt laut der nationalen Versorgungsleitlinie für Diabetes im Erwachsenenalter 8-54 % bei Typ-1- bzw. 13-46 % bei Typ-2-Diabetes.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann Nervenschäden verursachen. Die Prävalenz der alkoholassoziierten Polyneuropathie liegt bei 22-66 % unter chronisch Alkoholkranken.
- Vitaminmangel oder -überdosierungen: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere B-Vitamine, kann zu Polyneuropathien führen. Auch eine Überdosierung von Vitaminen, wie Pyridoxin (Vitamin B6), kann periphere Neuropathien hervorrufen.
- Toxine: Kontakt mit giftigen Substanzen wie Schwermetallen (Quecksilber, Blei) kann Nervenschäden verursachen.
- Immunologische Vorgänge: Autoimmunerkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis können Entzündungen verursachen, die die Nerven schädigen.
- Infektionskrankheiten: Infektionen mit bestimmten Viren oder Bakterien, wie Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose, können zu Polyneuropathien führen.
- Genetische Ursachen: Einige Formen der Polyneuropathie sind angeboren.
- Medikamente: Bestimmte Medikamente können als unerwünschte Nebenwirkung Polyneuropathien verursachen.
Medikamente als Ursache von Polyneuropathien
Arzneimittelbedingte Neuropathien hängen in der Regel von der Dosis und der Dauer der Verabreichung ab. Meistens, aber nicht immer, bessern sie sich nach Therapieabbruch. Der Mechanismus der Schädigung ist fast immer unbekannt.
Im Folgenden werden einige Medikamente und Medikamentengruppen aufgeführt, die mit dem Auftreten von Polyneuropathien in Verbindung gebracht werden:
- Statine: HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statine) können Polyneuropathien verursachen, die sich in der Regel nach Absetzen der Medikation bessern. Eine italienische Studie ergab ein um 19 % erhöhtes Polyneuropathierisiko bei Statinen. Eine andere Studie zeigte jedoch, dass Patienten mit Polyneuropathie seltener Statine eingenommen hatten.
- Amiodaron: Das Antiarrhythmikum Amiodaron kann in seltenen Fällen periphere sensorische Neuropathien verursachen. Die Therapiedauer gilt als Risikofaktor. Dosisreduktionen können Linderungen bringen.
- Chemotherapeutika: Verschiedene Chemotherapeutika, wie Vincaalkaloide (Vincristin, Vinorelbin), Taxane (Docetaxel, Paclitaxel), Platinverbindungen (Oxaliplatin, Carboplatin) und Bortezomib/Thalidomid, können periphere Neuropathien verursachen. Die Inzidenz und der Schweregrad der Neuropathien variieren je nach Medikament und Kombinationstherapie.
- Antibiotika: Isoniazid, Ethambutol, Linezolid, Nitrofurantoin und Metronidazol können periphere Neuropathien auslösen. Isoniazid wird standardmäßig in Kombination mit Pyridoxin gegeben, um peripheren Neuropathien vorzubeugen. Linezolidinduzierte Neuropathien können irreversibel sein. Metronidazol kann bei bis zu 85 % der behandelten Patienten neurologische Symptome verursachen.
- Blutdrucksenker: Obwohl im zur Verfügung stehenden Text keine direkten Hinweise auf Blutdrucksenker als Ursache von Polyneuropathien zu finden sind, ist es wichtig, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen und weitere Recherchen durchzuführen. ACE-Hemmer(z.B. Captopril, Enalapril, Quinapril, Perindopril) werden in Einzelfällen mit Parästhesien in Verbindung gebracht.
Symptome einer Polyneuropathie
Die Symptome einer Polyneuropathie sind vielfältig und hängen von den betroffenen Nerven ab. Es können sensible, motorische und vegetative Nerven betroffen sein. Die Symptome können akut oder chronisch verlaufen.
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- Sensible Polyneuropathie: Empfindungsstörungen wie Ameisenlaufen, Brennen, Jucken, Taubheitsgefühle oder Kribbeln, vermindertes Temperatur- oder Schmerzempfinden, vor allem an Füßen oder Händen.
- Motorische Polyneuropathie: Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Muskelzucken oder Muskelkrämpfe. Im Verlauf können Lähmungen auftreten.
- Vegetative Polyneuropathie: Schwindel, Blasenschwäche, Durchfall oder verstärktes Schwitzen, Fehlsteuerung innerer Organe, Inkontinenz, Impotenz, Trockenheit der Scheide, Verdauungsbeschwerden. In seltenen Fällen kann es zu Atemstillstand kommen.
Diagnose einer Polyneuropathie
Die Diagnose einer Polyneuropathie umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der vorliegenden Beschwerden.
- Körperliche Untersuchung: Prüfung der Muskelkraft, Reflexe und des Reizempfindens.
- Neurologische Untersuchung: Beurteilung der Sensibilität der Nerven, der Muskelkraft und der Reflexe.
- Laboranalysen: Ausschluss anderer Erkrankungen (Differentialdiagnostik).
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie) und der Muskelaktivität (Elektromyographie).
- Weitere Untersuchungen: In einigen Fällen sind Gewebeproben von Muskeln und Nerven, genetische Tests oder bildgebende Verfahren erforderlich.
Behandlung einer Polyneuropathie
Die Behandlung einer Polyneuropathie richtet sich nach der Ursache.
- Kausale Therapie: Behandlung der Grunderkrankung, z.B. gute Blutzuckereinstellung bei Diabetes, Alkoholverzicht bei alkoholbedingter Polyneuropathie, Behandlung von Entzündungen oder Infektionen, Ausgleich von Vitaminmangel.
- Symptomatische Therapie: Linderung der Symptome, z.B. Schmerzmittel, Antidepressiva, Antikonvulsiva, physikalische Therapie, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS).
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