Post-COVID-Gehirn: Symptome, Ursachenforschung und Behandlungsansätze

Der Post-COVID-19-Zustand ist eine relativ neue Erkrankung, die zahlreiche Symptome umfassen kann. Zu den am häufigsten berichteten Symptomen gehören eine krankhafte Erschöpfung (Fatigue), Kurzatmigkeit sowie Probleme mit dem Gedächtnis und der Konzentration. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Symptome, Ursachenforschung und Behandlungsansätze im Zusammenhang mit dem Post-COVID-Gehirn.

Hauptsymptome des Post-COVID-19-Zustands

Zahlreiche Symptome können im Rahmen eines Post-COVID-19-Zustands auftreten. Zu den am häufigsten berichteten Symptomen eines Post-COVID-19-Zustands zählen eine krankhafte Erschöpfung, Kurzatmigkeit sowie Probleme mit dem Gedächtnis und der Konzentration. Daneben gibt es aber noch zahlreiche andere Symptome, die berichtet wurden.

Neurologische Symptome

COVID-19 wird mit akuten und langfristigen kognitiven Beeinträchtigungen, darunter Gedächtnis- und Konzentrationsdefiziten, sowie neuropsychiatrischen Symptomen wie Angstzuständen und Depressionen in Verbindung gebracht. Viele der neurologischen Symptome klingen wieder ab. Laut einer Metaanalyse kommt es bei circa fünf Prozent der Erkrankten zu anhaltenden Geruchsstörungen. Folgen eines Schlaganfalls können hingegen lebenslang spürbar sein und bleiben. Selbiges gilt für die entzündlichen Komplikationen. Andererseits scheint die COVID-19 Erkrankung nicht häufiger als andere, vergleichbar schwere Erkrankungen, zu neurologischen und psychiatrischen Problemen zu führen.

Zu den häufigen neurologischen Symptomen von Corona-Patienten zählen:

  • Riechstörungen: Riechstörungen traten sogar bei weit über 70 Prozent der Betroffenen auf. Mehr als ein Jahr nach ihrer Infektion hatten 46 Prozent der COVID-19-Erkrankte immer noch Geruchsprobleme.
  • Kopfschmerzen: Kopfschmerzen treten sehr häufig im Rahmen der Akuterkrankung, aber auch im Langzeitverlauf auf.
  • Muskelschmerzen: Studien berichten, dass ein kleinerer Teil der Betroffenen über anhaltende Muskelschmerzen oder Schwächeklagen. Weiterhin werden sehr häufig Muskelschwäche und -schmerzen angegeben. Diese treten oft in Zusammenhang mit einer Fatigue auf.
  • Bewusstseinsstörungen und Delir: Bei schweren Krankheitsverläufen treten Bewusstseinsstörungen und Delire gehäuft auf. Zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme sind sie bereits ein Indikator für eine schlechtere Prognose.
  • Schlaganfälle: Schlaganfälle können in jeder Phase auftreten und waren bei einigen Patienten auch der Grund für die Krankenhausaufnahme.
  • Entzündungen Gehirn und Rückenmark: Im Rahmen der Covid-19-Erkrankung kann es auch zu Entzündungen des Gehirns und selten auch des Rückenmarks kommen.

Kognitive Beeinträchtigungen

Kognitive Beschwerden, das heißt Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen gehören ebenfalls zu den am häufigsten berichteten Symptomen nach einer Corona-Infektion. In einer Studie gab rund ein Drittel der 30- bis 59-Jährigen an, sich dadurch bei der Arbeit stark beeinträchtigt zu fühlen. Kognitive Beschwerden treten wie schon beschrieben häufig zusammen mit einer Fatigue auf. Erste Verlaufsstudien deuten darauf hin, dass kognitive Störungen länger anhalten als andere neurologische Symptome nach einer Corona-Infektion.

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Fatigue

Fatigue ist das am häufigsten berichtete Symptom nach einer Corona-Infektion. Hier lohnt sich ein genauer Blick auf die Begrifflichkeiten, um die Beschwerden richtig einordnen zu können. Diese ist unverhältnismäßig zur vorrausgegangenen Anstrengung und durch Schlaf nicht zu beseitigen. Als chronische Fatigue wird Fatigue im Rahmen einer chronischen Erkrankung, welche auch die ICD-10-Codierung bestimmt, beschrieben, z. B. Davon abzugrenzen ist die postvirale Fatigue. Sie ist gekennzeichnet durch eine übermäßige Erschöpfung nach einer Viruserkrankung. Bei einer PEM besteht eine Unverträglichkeit gegenüber körperlicher aber auch geistiger Belastung. Diese kann unmittelbar nach der Belastung auftreten, oder auch erst zeitverzögert mit einer Latenz von zwölf bis ca. 48 Stunden. Dieser Zustand wird von BetroffPrenen als „Crash“ bezeichnet und kann Tage bis Wochen anhalten. Oft fühlen die Erkrankten sich dann wie aus dem Leben gerissen, das Leistungs- und Aktivitätsniveau sinkt enorm. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden von Betroffenen häufig als Gehirnnebel (brain fog) bezeichnet.

Ursachenforschung

Die Ursachen für den Post-COVID-19-Zustand sind noch nicht vollständig geklärt. Das erschwert die Entwicklung von effektiven Therapien. Der Verlauf ist individuell sehr variabel, aber mit insgesamt guter Prognose bei den meisten Patienten. In einer Beobachtungsstudie mit über 2000 Patienten wurden zwei Jahre nach einer Infektion drei Verlaufstypen des Post-COVID-19-Zustands identifiziert. Die meisten Betroffenen zeigten demnach eine langsame Besserung ihrer Symptome und nur 4 Prozent wiesen fortwährend starke Beschwerden auf. Diese Patienten waren oft älter, litten häufiger unter systemischen Vorerkrankungen und berichteten vermehrt über Herzrhythmusstörungen.

Mögliche Mechanismen

  • Persistenz des Spike-Proteins: Forschende von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) haben einen Mechanismus identifiziert, der möglicherweise die neurologischen Symptome von Long COVID erklärt. Die Studie zeigt, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten, und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleibt. Diese dauerhafte Präsenz des Spike-Proteins könnte bei den Betroffenen chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen.
  • Entzündungsreaktionen im Gehirn: Die Wissenschaftler vermuten, dass Entzündungsreaktionen im Gehirn, welche häufig im Zusammenhang mit Covid-19 auftreten, die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus beeinträchtigen.
  • Durchblutungsstörung kleinster Gefäße: Eine Durchblutungsstörung kleinster Gefäße auf Grund einer chronischen Entzündungsreaktion, Autoimmunität und/oder Gerinnungsstörung spielen möglicherwiese eine Rolle.
  • Immunvermittelte Erkrankungen: Ähnlich immunvermittelte Erkrankungen treten auch an den peripheren Nerven in Form des sogenannten Guillain-Barré-Syndroms (GBS) auf.
  • Veränderungen in der Gehirnstruktur: Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe fand heraus, dass bei Post-Covid-Patient*innen die Mikrostruktur im Gehirn im Vergleich zu Gesunden verändert ist.

Risikofaktoren

Das Auftreten ist vor allem abhängig davon, wie schwer der Verlauf während der akuten Infektion war. Schwere akute Symptome und eine geringe Resilienz begünstigen zudem das Auftreten von Langzeitsymptomen. Insbesondere das Vorliegen einer zuvor diagnostizierten psychiatrischen Störung ist ein wichtiger Risikofaktor, für psychischen Folgeerscheinungen nach einer Corona-Infektion. Ebenso kann es im Rahmen einer intensivstationären Behandlung zu bleibenden sensiblen und motorischen Nervenschäden (Critical-Illness-Polyneuropathie/Myopathie, CIP/CIM) kommen. Besonders hoch war das Risiko für Erkrankte, die während der Infektion auf einer Intensivstation behandelt werden mussten. Als Risikofaktor für Spätfolgen einer Corona-Infektion scheint laut Forschenden der Charité die Höhe der Viruslast eine Rolle zu spielen.

Diagnose

Bislang existieren noch keine Diagnoseverfahren oder Biomarker, mit denen ein Post-COVID-19-Zustand diagnostiziert werden kann. Biomarker sind messbare biologische Werte, mit denen man eine Krankheit feststellen kann. Daneben kann es sinnvoll sein, die berichteten Beschwerden anhand von Fragebögen systematisch zu erfassen und wenn möglich zu objektivieren, beispielsweise mit einer neuropsychologischen Testung bei den häufig berichteten Gedächtnisbeschwerden. Gegebenenfalls sollten dann weitere diagnostische Verfahren wie eine Bildgebung vom Kopf, eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit oder eine Nervenwasseruntersuchung eingeleitet werden. Wichtig ist bei der Diagnose vor allem, andere behandelbare Ursachen auszuschließen, die aufgrund der Vielzahl der Symptome in Betracht kommen. Dazu zählen z.B. Zudem wurde berichtet, dass bestimmte Erkrankungen nach einer COVID-19 Infektion gehäuft auftreten.

Behandlung

Eine kausale Behandlung der Ursachen des Post-COVID-19-Zustands steht aktuell nicht zur Verfügung. Die Behandlungsmöglichkeiten sind aktuell noch begrenzt. Die Behandlung ist symptomorientiert und richtet sich je nach Beschwerden nach Empfehlungen der bestehenden Behandlungsleitlinien. Es kommen vor allem unterstützende Maßnahmen zum Einsatz. Relevante Begleitstörungen (z.B. Eine unmittelbare Therapie des Long- oder Post-COVID-Syndroms existiert bislang noch nicht.

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Therapieansätze

  • Symptomatische Behandlung: Schmerzen werden symptomatisch mit herkömmlichen Schmerzmitteln behandelt. Bei Sprach- oder Schluckstörungen kann Logopädie zum Einsatz kommen, bei Kribbeln oder Gefühlsstörungen in Armen und Beinen hilft Ergotherapie. Lungenfachärzte verordnen bei Lungenbeschwerden zum Teil Kortisonspray, um die überschießende Immunreaktion herunterzufahren.
  • Psychotherapie: Eine begleitende Psychotherapie kann bei langandauernden und wechselhaften Symptomen ebenfalls sinnvoll sein.
  • Rehabilitation: Die Deutsche Rentenversicherung und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung raten deshalb zu einer interdisziplinär ausgerichteten Rehabilitation. So würden die Chancen, die Beschwerden zu lindern, erhöht. Bei der Long-Covid-Reha werden alle Patientinnen und Patienten zunächst komplett untersucht. Dazu gehören Herz, Lunge, Gehirn und auch die Psyche. Das bedeutet, Betroffene erhalten eine ganzheitliche, aber auch sehr individuelle Behandlung. Erfolgreich können Therapieansätze wie das Pacing sein. Dabei lernen Betroffene Überanstrengung zu vermeiden. Auch Atemtherapie und Neuro-Training gehören zum Angebot.
  • Pacing: Auch hierbei sollte mittels Pacing darauf geachtet werden, die eigenen Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten. Expertinnen und Experten raten Betroffenen, ein Tagebuch über ihre Aktivitäten zu führen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, was sie gemacht haben und was zu viel war.

Prävention

Die beste Prävention gegen einen Post-COVID-19-Zustand ist es, eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu vermeiden. Daher kann auch eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus das Risiko für Long Covid verringern. Das Team um Ertürk entdeckte, dass der mRNA-COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn signifikant reduzieren. Mit dem mRNA-Impfstoff geimpfte Mäuse zeigten niedrigere Spike-Protein-Werte sowohl im Gehirngewebe als auch im Knochenmark des Schädels im Vergleich zu ungeimpften Mäusen.

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