Quallen, oft als farbenfrohe Schirme im Meer schwebend beschrieben, sind faszinierende Lebewesen, die jedoch bei näherem Kontakt als Plage empfunden werden können. Sie gehören zu den Nesseltieren, einem der seltsamsten Tierstämme, zu dem auch Korallen zählen. Trotz ihres einfachen Aufbaus und des Fehlens von Gehirn, Knochen und Blut spielen Quallen eine wichtige Rolle im marinen Ökosystem.
Quallen: Vielfalt und Lebensräume
Die Welt der Quallen ist unglaublich vielfältig. Es gibt über 2000 bekannte Arten, die in unterschiedlichsten Meeresregionen vorkommen. Ihre Größe variiert von wenigen Millimetern bis zu zwei Metern Durchmesser. Zu den bekannten Arten gehören die Ohrenqualle (Aurelia aurita), die Leuchtqualle (Pelagia noctiluca), die Kompassqualle (Chrysaora hysoscella) und die Lungenqualle (Rhizostoma pulmo). Tiefseequallen faszinieren besonders durch ihre Leuchtkörper.
Im Mittelmeer sind Leuchtquallen, Ohrenquallen und Lungenquallen häufig anzutreffen, wobei die Leuchtqualle für ihre Biolumineszenz bekannt ist. In der Nordsee haben sich Kompassquallen und Ohrenquallen an die kälteren Temperaturen und stärkeren Strömungen angepasst.
Anatomie und Aufbau einer Qualle
Quallen bestehen zu etwa 95 % aus Wasser und haben keinen festen Skelettaufbau. Ihr Körper besteht aus einer gallertartigen Substanz, der Mesogloea, die ihnen Form verleiht. Wesentliche anatomische Merkmale sind der Schirm oder die Glocke zur Fortbewegung, Gonaden zur Fortpflanzung, Radialkanäle zur Nährstoffverteilung, Magensäckchen zur Verdauung, eine Mundöffnung und Tentakel zum Beutefang und zur Verteidigung.
Das Nervensystem der Qualle: Ein dezentrales Netz
Im Gegensatz zu komplexeren Lebewesen besitzen Quallen kein zentrales Nervensystem wie ein Gehirn. Stattdessen verfügen sie über ein einfaches, netzartiges Nervensystem, das sich über die gesamte Körperoberfläche erstreckt. Dieses Neuralnetz besteht aus miteinander verbundenen Nervenzellen, Interneuronen und sensorischen Neuronen, die Informationen weiterleiten.
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Das Nervennetz reagiert auf Reize wie Licht, Berührungen und Chemikalien und ermöglicht einfache Verhaltensweisen wie das Ausstoßen von Nesselzellen oder die Anpassung von Farbe und Helligkeit.
Tentakel: Funktion und Verteidigungsmechanismen
Die Tentakel sind die primären Werkzeuge der Qualle zum Fangen von Beute und zur Verteidigung. Sie enthalten Nesselzellen, die bei Berührung ein Gift injizieren. Sensorische Zellen ermöglichen es der Qualle, ihre Umgebung wahrzunehmen. Adhäsionszellen helfen beim Festhalten der Beute, und kontraktile Muskeln ermöglichen es dem Tentakel, sich zu strecken und zusammenzuziehen.
Bei Kontakt mit Beute oder einem Angreifer lösen die sensorischen Zellen die Ausstülpung der Nesselfäden aus, die Gift injizieren. Einige Quallenarten sind immun gegen ihr eigenes Gift.
Die Rolle der Qualle im Ökosystem
Quallen spielen eine wichtige Rolle im marinen Ökosystem. Einige Arten betreiben Photosynthese und liefern Nährstoffe, während die meisten als Räuber Plankton, kleinere Quallen, Fischeier und Fischlarven fressen und so die Populationsdichte anderer Tiere regulieren. Quallen dienen auch als Nahrung für Meeresschildkröten, Seevögel und bestimmte Fischarten und tragen zum Nährstoffkreislauf bei.
Steckbrief: Größe, Lebensdauer und Ernährung
Die Größe der Quallen variiert stark, wobei die Riesenqualle einen Schirmdurchmesser von über zwei Metern erreichen kann. Die Lebensdauer reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren. Quallen sind meist räuberisch und ernähren sich von Plankton und anderen kleinen Meerestieren. Einige Arten können auch durch Photosynthese Energie gewinnen.
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Gefahren für Mensch und Umwelt
Viele Quallen sind mit Giften ausgestattet, die für den Menschen unterschiedliche Risiken bergen. Einige Arten verursachen nur leichte Irritationen, während andere schmerzhafte Stiche verursachen können. Die Würfelqualle ist eine der giftigsten Quallen und kann in seltenen Fällen tödlich sein. Giftige Quallen können auch Auswirkungen auf das Ökosystem haben, indem sie Fischpopulationen beeinflussen.
Gefährlichste Quallenarten
Zu den gefährlichsten Quallenarten gehören die Boxqualle (Chironex fleckeri) mit ihrem extrem starken Gift, die Portugiesische Galeere (Physalia physalis) mit ihren schmerzhaften Stichen und die Feuerqualle, deren Berührung Hautverbrennungen verursachen kann.
Schutzmaßnahmen
Um das Risiko von Quallenstichen zu minimieren, ist es wichtig, auf Warnschilder zu achten, Schutzkleidung zu tragen und Abstand zu Quallenansammlungen zu halten.
Mythen und Fakten über die Lebensdauer
Die Lebensdauer von Quallen variiert stark. Einige Arten leben nur wenige Tage oder Wochen, während andere mehrere Monate bis zu einem Jahr leben können. Die "unsterbliche Qualle" (Turritopsis dohrnii) ist in der Lage, sich in ein früheres Stadium zurückzuverwandeln und so theoretisch unsterblich zu werden.
Evolution des Nervensystems: Ein Umdenken ist erforderlich
Die Forschung hat gezeigt, dass sich die Nervenzellen der Nesseltiere und der höheren Tiere unterschiedlich entwickelt haben. Dies deutet darauf hin, dass sich die höheren und niederen Tiere parallel entwickelt haben und das Nervensystem sich möglicherweise mehrfach unabhängig voneinander entwickelt hat. Die Placozoa, die zu den einfachsten vielzelligen Tieren gehören, besitzen kein Nervensystem, obwohl sie die genetischen Anlagen dafür haben.
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Die Suche nach den Ursprüngen des Nervensystems
Die Entwicklungsgeschichte von Nervengewebe und Gehirn könnte wichtige Informationen über die Evolution und die Entstehung des Bewusstseins liefern. Fossilienfunde aus dem Kambrium zeigen, dass es bereits vor 520 Millionen Jahren Lebewesen mit komplexen Gehirnen gab. Die ersten Nervensysteme entstanden vermutlich vor 600 bis 700 Millionen Jahren, als urzeitliche Mehrzeller ihr Lebensmodell umstellten.
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