Reha Aphasie Schlaganfall Therapie: Ein umfassender Überblick

Aphasie, eine erworbene Sprachstörung, beeinträchtigt die Fähigkeit, Sprache zu verstehen und zu produzieren. Sie tritt in der Regel als Folge einer Schädigung des Sprachzentrums im Gehirn auf, wobei ein Schlaganfall die häufigste Ursache ist. Die Kommunikationsschwierigkeiten, die mit Aphasie einhergehen, können das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Glücklicherweise gibt es eine Vielzahl von Therapieansätzen, die darauf abzielen, die sprachlichen Fähigkeiten wiederherzustellen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Was ist Aphasie?

Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die nach einer Hirnschädigung auftreten kann. Sie ist keine psychische Störung oder geistige Behinderung. Das Denken und die Fähigkeit zur Kommunikation ohne Sprache sind erhalten. Der Begriff Aphasie bedeutet wörtlich übersetzt „Sprachverlust“. Medizinisch versteht man darunter eine durch Krankheit erworbene Sprachstörung. Ursache einer Aphasie ist immer eine Erkrankung des Gehirns.

Die linke Gehirnhälfte ist vor allem für logische, strukturierte Prozesse zuständig. Auch der Bereich der Sprachverarbeitung befindet sich in der linken Gehirnhälfte. Die rechte Gehirnhälfte steuert kreative, intuitive und emotionale Prozesse.

Unter Aphasie versteht man eine nach abgeschlossener Sprachentwicklung erworbene Sprachstörung, die durch eine Hirnschädigung, z.B. einen Schlaganfall, ausgelöst wurde. Aphasien sind Störungen des gesamten Sprachsystems, die alle sprachlichen Modalitäten (Gehörtes verstehen, Gelesenes verstehen, Gedanken aussprechen und Gedanken aufschreiben) in völlig unterschiedlich starker Ausprägung betreffen können.

Ursachen von Aphasie

Aphasie wird meist durch einen Schlaganfall verursacht, kann aber auch durch andere Hirnschädigungen wie Hirnblutungen, Schädel-Hirn-Traumata, Hirntumore oder Entzündungen ausgelöst werden. Der häufigste Auslöser einer Aphasie ist mit etwa 80 Prozent der Schlaganfall. Die plötzliche Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns führt zu einer Schädigung der Gehirnzellen, was die Sprachfunktionen beeinträchtigen kann.

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Eine Aphasie tritt meist sehr plötzlich ein mit der Folge, dass derdie Betroffene sich nicht mehr in gewohnter Weise mit seinerihrer Umgebung austauschen kann. Aphasikerinnen fehlt krankheitsbedingt der Zugriff auf die sprachgebundenen Fertigkeiten. Damit fällt es schwer, mit der eigenen Sprache umzugehen. Aphasikerinnen haben Schwierigkeiten mit dem Sprechen, Verstehen, Lesen Schreiben. Aphasien sind Störungen des gesamten Sprachsystems. D.h. dass alle Facetten der Sprache - Gehörtes verstehen, Gelesenes verstehen, Gedanken aussprechen und Gedanken aufschreiben - in unterschiedlicher Ausprägung betroffen sein können. Bei einer Aphasie ist die Kommunikationsfähigkeit in unterschiedlicher Ausprägung gestört. Sonstige geistige Fähigkeiten, insbesondere die Intelligenz, sind in der Regel nicht beeinträchtigt. In manchen Fällen kommt es neben einer Aphasie auch zu einer Störung der Gedächtnis-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen. Daher umfasst die spezielle Sprachtherapie der Aphasie immer auch eine neuropsychologische Betreuung.

Symptome von Aphasie

Die Symptome einer Aphasie können je nach Art und Schweregrad der Hirnschädigung variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Sprachverständnisstörungen: Schwierigkeiten, gesprochene oder geschriebene Sprache zu verstehen.
  • Wortfindungsstörungen: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, um sich auszudrücken.
  • Artikulationsstörungen: Schwierigkeiten, Wörter klar und deutlich auszusprechen.
  • Grammatikstörungen: Schwierigkeiten, grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden.
  • Leseschwierigkeiten: Schwierigkeiten, geschriebene Texte zu verstehen.
  • Schreibschwierigkeiten: Schwierigkeiten, Wörter und Sätze korrekt zu schreiben.

Häufig tritt Aphasie zusammen mit anderen Störungen auf. Dazu gehören: Sprechapraxie (Sprechstörung, die sich auf die Sprechmotorik und deren geplante Bewegung auswirkt), Dysarthrie (Sprechstörung, die durch Schädigung des zentralen Nervensystems oder der Hirnnerven ausgelöst wird), Dysphagie (Schluckstörungen), Apraxie: Störungen bei der Ausführung von Bewegungen und Bewegungsabfolgen, Einschränkung in der Zahlenverarbeitung, Gesichtsfeldeinschränkungen, Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeits-/ Konzentrations-/ Orientierungsstörungen, Halbseitige Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Reizbarkeit, Gefühlsschwankungen, Ängste und Aggressionen (Psychosoziale Schwierigkeiten), Krampfanfälle.

Formen der Aphasie

Um die Vielzahl möglicher sprachlicher Symptome im klinischen Alltag besser einordnen und behandeln zu können, werden bestimmte sprachliche Symptome zu Bündeln (Syndromen) zusammengefasst. Am häufigsten finden sich die folgenden vier Standardsyndrome der Aphasie:

  • Globale Aphasie: Die schwerste Form der Aphasie, bei der alle Sprachfunktionen stark beeinträchtigt sind. Die Betroffenen können kaum oder gar nicht sprechen, verstehen Sprache nur sehr eingeschränkt und haben Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben.
  • Broca-Aphasie: Auch als motorische Aphasie bekannt. Sie ist gekennzeichnet durch nicht-flüssiges Sprechen, Schwierigkeiten bei der Bildung vollständiger Sätze und eine eingeschränkte Artikulation. Das Sprachverständnis ist jedoch in der Regel weitgehend intakt.
  • Wernicke-Aphasie: Auch als sensorische Aphasie bekannt. Sie ist gekennzeichnet durch flüssiges, aber inhaltsleeres Sprechen, ein stark beeinträchtigtes Sprachverständnis und oft fehlendes Störungsbewusstsein. Die Betroffenen verstehen selbst einfache Wörter nicht.
  • Amnestische Aphasie: Die leichteste Form der Aphasie, bei der hauptsächlich Wortfindungsstörungen auftreten. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, verwenden aber ansonsten grammatikalisch korrekte Sätze und haben ein gutes Sprachverständnis.

Grundsätzlich ist jedoch jede Aphasie individuell, d.h. anders ausgeprägt. Im klinischen und therapeutischen Alltag ist daher nicht allein das Syndrom entscheidend, sondern vielmehr die Art und Weise, wie und wieweit die Symptome der Sprachstörung die Betroffenen bzw. die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigen.

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Beurteilt wird dabei etwa: Handelt es sich um eine ´flüssige´ (Sprache ist zwar korrekt, aber häufig inhaltsleer) oder eine ´nichtflüssige´ (Sprache ist eher stockend) Aphasie? Wie inhaltsreich oder -leer ist das Gesagte oder Geschriebene? Wie stark ist eine Störung des Sprachverständnisses ausgeprägt? Gibt es Wortfindungsstörungen? Sind Grammatik, Sprachlaute und der Satzbau beeinträchtigt? Wie stark ist die alltägliche Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt? Ist gegebenenfalls eine Kommunikation mit Hilfe von Gesten, Mimik oder Hilfsmitteln wie Büchern, Tablet und Smartphone möglich?

Diagnostik der Aphasie

Die Diagnose einer Aphasie umfasst eine umfassende Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten des Patienten. Dies beinhaltet in der Regel eine neurologische Untersuchung, eine sprachtherapeutische Untersuchung und gegebenenfalls bildgebende Verfahren des Gehirns, um die Ursache und das Ausmaß der Hirnschädigung zu bestimmen.

Im Rahmen der neurolinguistischen/logopädischen und neuropsychologischen Diagnostik werden die folgenden Bereiche der Sprachfunktion untersucht:

  • Lautstruktur (Phonologie)
  • Wortgestalt (Morphologie)
  • Satzbau (Syntax)
  • Wort- und Satzbedeutung (Semantik)
  • Sprachverständnis
  • Störungen des Lesens (Dyslexie)
  • Störungen des Schreibens (Dysgraphie)
  • Störungen von Sprechbewegungen (Sprechapraxien)
  • Störungen der Artikulation, der Stimmgebung und der Sprechatmung (Dysarthrophonie)

Zudem werden mögliche zusätzliche Einschränkungen folgender Bereiche erfasst: Konzentration und Aufmerksamkeit, Orientierung, Gedächtnis, Auditive und visuelle Wahrnehmung, Räumlich-konstruktive Störungen, Handlungsplanung, Rechenfähigkeit, Antrieb und psychomotorisches Tempo, Stimmung und Affektivität.

Therapie der Aphasie

Die Therapie der Aphasie zielt darauf ab, die Kommunikationsfähigkeit des Patienten zu verbessern und ihm zu helfen, seine sprachlichen Fähigkeiten so weit wie möglich wiederzuerlangen. Die Behandlung wird individuell auf die Bedürfnisse und Ziele des Patienten zugeschnitten und kann verschiedene Therapieansätze umfassen.

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Nach wissenschaftlichen Studien gilt auch für die Aphasietherapie: Je intensiver die Behandlung, desto effektiver ist das Ergebnis. Gerade in der akuten und subakuten Phase einer Aphasie hat sich gezeigt, dass vor allem eine intensive Sprachtherapie (IST) die Kommunikationsfähigkeit verbessern kann. Aber auch im Krankheitsverlauf, d.h. zu einem späteren Zeitpunkt, sind durch ein ausreichend intensives Training Besserungen der Symptome einer Aphasie möglich. Sprach- und Sprechtherapie sind jedoch nur dann wirksam, wenn wesentliche Faktoren der Wirksamkeit in einem mehrdimensionalen Behandlungskonzept zusammenfließen.

Die Rehabilitationsbehandlung der Aphasien kann folgende Therapiemodule umfassen:

  • Sprachtherapie (Logopädie und/oder Linguistik) inkl. computerunterstützte Sprachtherapie
  • Neuropsychologische Therapie (zur Verbesserung u. a. von Aufmerksamkeit und Gedächtnis)
  • Physiotherapie (bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen)
  • Ergotherapie (Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten)
  • Physikalische Therapien (Elektrotherapie, Massage, Bäder)

Sprachtherapie

Die Sprachtherapie ist ein zentraler Bestandteil der Aphasie-Behandlung. Sie wird von speziell ausgebildeten Logopäden oder klinischen Linguisten durchgeführt und umfasst eine Vielzahl von Übungen und Techniken, die darauf abzielen, die verschiedenen Aspekte der Sprache zu verbessern.

Die Sprachtherapie kann folgende Bereiche umfassen:

  • Verbesserung des Sprachverständnisses: Übungen, um das Verstehen von gesprochener und geschriebener Sprache zu verbessern.
  • Förderung der Wortfindung: Techniken, um das Abrufen von Wörtern zu erleichtern und den Wortschatz zu erweitern.
  • Verbesserung der Artikulation: Übungen, um die Aussprache von Wörtern zu verbessern.
  • Förderung der Grammatik: Übungen, um die Bildung grammatikalisch korrekter Sätze zu verbessern.
  • Verbesserung des Lesens und Schreibens: Übungen, um das Lesen und Schreiben von Wörtern und Sätzen zu verbessern.

Die Aphasie-Therapien finden in der Regel in Einzel- und Gruppentherapien statt. Ein wesentliches Ziel ist dabei, Aphasiker*innen wieder in die Lage zu versetzen, trotz eventueller Einschränkungen wieder möglichst selbstständig im Alltag zurechtzukommen. Im hierzu beispielsweise durchgeführten Real Life-Training können die Betroffenen lernen, während der Behandlung eingeübte Kommunikationsmuster in einer realen Alltagssituation anzuwenden (z.B. beim Einkaufen). Wichtig ist immer, ein verständnisvolles Umfeld der Betroffenen zu fördern, um die ansonsten wirksamen natürlichen Sprach- und Sprechängste abbauen zu können. Dabei ist es hilfreich, wenn auch die Angehörigen frühzeitig in die Therapien eingebunden werden und durch Beratungen und Seminare das Verständnis für die Störung gefördert wird.

Computergestützte Sprachtherapie

Computergestützte Sprachtherapie kann eine wertvolle Ergänzung zur traditionellen Sprachtherapie sein. Es gibt eine Vielzahl von Computerprogrammen und Apps, die speziell für die Behandlung von Aphasie entwickelt wurden. Diese Programme können den Patienten helfen, ihre sprachlichen Fähigkeiten auf spielerische und interaktive Weise zu verbessern.

Neuropsychologische Therapie

Eine neuropsychologische Therapie kann bei Aphasie-Patienten sinnvoll sein, um Begleiterscheinungen wie Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen zu behandeln. Durch gezielte Übungen und Strategien können die kognitiven Funktionen verbessert und die Auswirkungen der Aphasie auf das tägliche Leben reduziert werden.

Physiotherapie und Ergotherapie

Physiotherapie und Ergotherapie können bei Aphasie-Patienten indiziert sein, wenn sie aufgrund der Hirnschädigung auch motorische Einschränkungen haben. Die Physiotherapie zielt darauf ab, die Beweglichkeit und Koordination zu verbessern, während die Ergotherapie den Patienten hilft, Alltagsfähigkeiten wiederzuerlangen.

Medikamentöse Behandlung

Je nach Ursache Ihrer Sprachstörung können wir bestimmte Schädigungen medikamentös behandeln. Bei Sprachstörungen als Folge eines Schlaganfalls oder anderer Schädigungen des Gehirns wie durch einen Hirntumor oder ein Schädel-Hirn-Trauma richtet sich unser Augenmerk zunächst auf die Grunderkrankung, die wir operativ behandeln können. Die Wahl des geeigneten Verfahrens hängt dabei von der Erkrankung, ihrer Schwere und Ausprägung sowie weiteren Faktoren wie Ihrem allgemeinen Gesundheitszustand und Ihr Alter ab.

Tipps zum Umgang mit Aphasikern

Der Umgang mit Menschen mit Aphasie erfordert Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen. Hier sind einige Tipps, die Ihnen helfen können, die Kommunikation mit Aphasikern zu erleichtern:

  • Behandeln Sie den oder die Aphasiker*in als Gesprächspartner auf Augenhöhe.
  • Nehmen Sie der aphasischen Person „nicht das Wort aus dem Mund“
  • Sprechen Sie nicht über sieihn, sondern mit ihrihm.
  • Sprechen Sie in normaler Sprache und in einfachen Sätzen.
  • Sprechen Sie langsam, klar und deutlich.
  • Insbesondere bei den ausgeprägten Formen einer Aphasie versuchen Sie Fragen vorzugsweise so zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.
  • Korrigieren Sie nicht.
  • Halten Sie Blickkontakt.
  • Setzen Sie alle Mittel der Kommunikation ein: Gesten und Mimik, zeichnen oder schreiben Sie, wenn nötig, zeigen auf Gegenstände oder Abbildungen und motivieren gegebenenfalls auch dendie Betroffenen ebenfalls dazu.
  • Warten Sie geduldig auf eine Antwort.
  • Sorgen Sie im Gespräch für eine ruhige Umgebung und schalten Sie störende Geräuschquellen wie Radio oder TV möglichst aus.
  • Wenn der*die Betroffene in einem Satz nicht weiterkommt, drängen Sie nicht. Gegebenenfalls ist es auch hilfreich, zunächst das Thema zu wechseln. Ein erneuter späterer Versuch ist oft erfolgreich.
  • Manche Betroffene sind leichter gereizt oder haben Gefühlsschwankungen. Hierbei handelt es sich um häufige Begleitsymptome der Grunderkrankung. Versuchen Sie dennoch verständnisvoll und geduldig zu sein.

Verstärkende Kommunikationshilfen können hilfreich sein, wenn Sie in Ihren Verständigungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Mithilfe einer sogenannten Kommunikationstafel können Sie über Bilder oder Symbole mit Ihren Gesprächspartnern kommunizieren. Auch einfache oder komplexere computergestützte Geräte können geeignet sein, Sie in Ihren Kommunikationsmöglichkeiten zu unterstützen.

Selbsthilfe und Angehörigenberatung

Viele Aphasiker*innen und ihren Angehörigen hilft der Austausch mit anderen Betroffenen, wir er beispielsweise in Selbsthilfegruppen möglich ist. Der Austausch mit anderen Betroffenen und ihren Familien kann eine wertvolle Unterstützung sein. In Selbsthilfegruppen können sich Aphasie-Patienten und ihre Angehörigen austauschen, Erfahrungen teilen und sich gegenseitig Mut machen. Auch professionelle Beratungsstellen bieten Unterstützung und Informationen für Betroffene und ihre Familien.

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