Reha bei Multipler Sklerose: Leistungen und Möglichkeiten

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der das körpereigene Immunsystem Teile des Gehirns und des Rückenmarks angreift. Die MS kann zu einer Vielzahl an Symptomen führen, weshalb sie auch als die Krankheit der tausend Gesichter bezeichnet wird. Obwohl MS nicht heilbar ist, können gezielte therapeutische Maßnahmen den Verlauf und die Symptomatik günstig beeinflussen. Eine wichtige Säule in der Behandlung von MS ist die Rehabilitation (Reha), die dazu beitragen kann, die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen und sie im Alltag besser zu unterstützen.

Wann ist eine Reha bei MS sinnvoll?

Viele Menschen mit MS haben lange Zeit kaum Einschränkungen im täglichen Leben. Im späteren Verlauf kann jedoch der Punkt kommen, an dem sie häufiger Unterstützung von Angehörigen oder Freunden benötigen. Spätestens dann stellt sich die Frage, ob eine Reha-Maßnahme sinnvoll ist.

Grundsätzlich soll eine Rehabilitationsmaßnahme Sie in dem Erhalt Ihrer körperlichen, sozialen oder beruflichen Fähigkeiten unterstützen. Eine Reha ist sinnvoll, wenn:

  • Sich Symptome nach einem Schub nicht ausreichend zurückbilden.
  • Sich körperliche Funktionen trotz ambulanter Therapien konstant verschlechtern.
  • Die MS im täglichen Leben zunehmend einschränkt.
  • Bestimmte Tätigkeiten, Bewegungen oder Aktivitäten nicht mehr so leicht von der Hand gehen wie früher.
  • Hilfe bei der emotionalen Verarbeitung der Diagnose MS benötigt wird.

Die Reha ist aus medizinischen Gründen zur Wiederherstellung oder zum Erhalt der Erwerbstätigkeit (Rehabilitationsziele) erforderlich. Laut Deutscher Rentenversicherung gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Das bedeutet, eine Reha soll Ihnen helfen, auch mit MS so lange wie möglich am Berufsleben teilnehmen zu können.

Formen der Reha bei MS

Eine Reha kann stationär oder ambulant durchgeführt werden. Auch die Anschlussheilbehandlung (AHB) ist eine medizinische Reha-Leistung. Sie schließt sich unmittelbar an einen Krankenhausaufenthalt oder einen ambulanten Eingriff an. Eine AHB muss innerhalb von 14 Tagen nach der Entlassung begonnen werden. Die Stufenweise Wiedereingliederung, zum Beispiel nach dem sogenannten „Hamburger Modell“, rundet die medizinischen Reha-Leistungen ab. Nach längerer Krankschreibung soll sie beispielsweise die Belastbarkeit für Deinen Arbeitsalltag Schritt für Schritt wiederherstellen.

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Eine intensive stationäre Rehabilitation scheint besonders wirkungsvoll zu sein. So zeigte eine wissenschaftliche Studie, dass eine dreiwöchige stationäre Rehabilitation deutlich effektiver ist als eine 15-wöchige ambulante Behandlung.

Leistungen im Rahmen der Reha bei MS

Die Rehabilitation soll Ihnen dabei helfen, Ihre Leistungsfähigkeit und Selbstständigkeit zu erhalten oder zurückzugewinnen. Sie unterstützt Sie darin, in Ihr soziales Leben zurückzukehren. Während der auf Multiple Sklerose abgestimmten Reha werden gezielt die Störungen behandelt, unter denen Sie leiden. Eine MS-Komplexbehandlung kann sowohl bei einem akuten MS-Schub als auch bei chronischer Verschlechterung Ihrer Erkrankung erfolgen.

Im Rahmen der Reha bei MS stehen Ihnen verschiedene Therapieformen zur Verfügung, die individuell auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt werden:

  • Ärztliche Betreuung: Um einen individuell maßgeschneiderten Therapieplan zu entwickeln.
  • Aktivierende Pflege: Um Ihre Selbstständigkeit bei den Tätigkeiten des täglichen Lebens zu fördern und zu unterstützen.
  • Physiotherapie: Bewährte und moderne Therapieangebote, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten oder zu verbessern. Die Behandlung fördert Kraft und Koordination, Stand- und Gang- und Handfunktionen. Sie mindert Spastik und Schmerzen, verbessert Gleichgewicht und Bewegungsabläufe und erhöht so die Belastbarkeit im Alltag. Grundlage der Behandlungen sind dabei anerkannte Techniken, zum Beispiel nach Bobath, Vojta und Brunkow oder die propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) nach Kabat. Daneben kommen Geräte zum Einsatz, mit denen einzelne Funktionsstörungen gezielt behandelt werden.
  • Ergotherapie: Um Ihre Handlungsfähigkeit in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Ergotherapie trainiert zielgerichtet, individuell und symptomorientiert die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL = Activity of Daily Living): Waschen, Ankleiden, Toilettengänge, Essen und Trinken, Schreiben, Arbeiten im Haushalt. Der Patient lernt, krankhafte Haltungs- und Bewegungsmuster abzubauen und sich wieder normal zu bewegen. Er übt, falls erforderlich, den Umgang mit Hilfsmitteln, die den Alltag erleichtern. Sofern möglich, soll die Ergotherapie auch zur Wiedererlangung beziehungsweise zum Erhalt der beruflichen Leistungsfähigkeit beitragen. Zum Therapie-Spektrum gehört deshalb auch das Arbeitsplatztraining (ergonomisches Arbeiten, Beratung über die Anpassung des Arbeitsplatzes).
  • Logopädie: Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Sprech- und Schluckstörungen (sowie die bei MS seltenen Sprachstörungen) werden im Rahmen der Logopädie mit wissenschaftlich fundierten Methoden behandelt. Dies geschieht in der Regel in Einzeltherapie. Zusammen mit Sprechtherapeuten wird eine bessere Wahrnehmung von Bewegungsvorgängen beim Sprechen, ein langsames Sprechtempo sowie eine bessere Kontrolle und Steuerung des Stimmtons geübt. Reicht dieses Training nicht aus, können technische Hilfen versucht werden: zum Beispiel ein Metronom zur Vorgabe des Sprechtempos oder ein Sprachverzögerer, der zeitversetzt die eigene Sprache wiedergibt und ebenfalls zum kontrollierten Sprechen anhält. Ist Sprechen überhaupt nicht mehr möglich, wird in der Logopädie die Kommunikation mittels Buchstabentafeln oder Computern mit Sprachausgabe intensiv trainiert. In der Schlucktherapie werden Bewegungen der Rachen- und Kehlkopfmuskeln geübt und eine optimale Kopf- und Körperhaltung ebenso trainiert wie langsames bewusstes Essen.
  • Neuropsychologie: Um Ihre kognitiven Leistungskomponenten zu erhalten und zu verbessern. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Entwicklung einer realistischen Lebensperspektive. Oberstes Ziel ist es, die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben vorzubereiten beziehungsweise einen möglichst langfristigen Verbleib im Arbeitsprozess zu gewährleisten. Zudem soll einem sozialen Rückzug wirksam vorgebeugt werden. Voraussetzung dafür ist eine umfassende neuropsychologische Diagnostik und Analyse der kognitiven Probleme und psychischen Ausgangsbedingungen des Patienten. Darauf basierend wird ein ganzheitlicher, ressourcenorientierter Behandlungsansatz auf verhaltenstherapeutischer Grundlage verfolgt. In der Psychotherapie werden gemeinsam mit dem Patienten Schwierigkeiten im kognitiven, emotionalen und sozialen Bereich herausgearbeitet und gleichzeitig persönliche Stärken und Ressourcen intensiv gestützt. Der Patient lernt, sich aktiv mit seinem aktuellen Zustand auseinanderzusetzen anstatt ihn zu verleugnen oder daran zu verzweifeln.
  • Psychologische Betreuung: MS kann eine starke emotionale Belastung darstellen. Die psychologische Behandlung zielt vor allem darauf ab, gemeinsam mit dem Betroffenen schrittweise einen Weg zu finden, der eine Brücke zwischen den durch MS verursachten Schwierigkeiten auf der einen Seite sowie den persönlichen Lebenszielen auf der anderen Seite schlagen kann.
  • Sozialarbeit: Beratung und Unterstützung in sozialrechtlichen Fragen, Hilfe bei der Organisation des Alltags und der beruflichen Wiedereingliederung. Während der Reha wird gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen besprochen, wie der Alltag gesünder und einfacher gestaltet werden kann.

Weitere Therapieangebote können sein:

  • Funktionstraining: Ein Training in der Gruppe mit bewegungstherapeutischen Übungen, das regelmäßig unter fachkundiger Leitung - beispielsweise durch einen Physio- oder Ergotherapeuten - stattfindet. Dabei wird zwischen Trockengymnastik (Bewegung im Raum) und Wassergymnastik unterschieden.
  • Hippotherapie: Eine physiotherapeutische Behandlung auf neurophysiologischer Basis mit und auf dem Pferd. Der Patient sitzt in der Gangart Schritt auf dem Pferd. Die dreidimensionalen Bewegungen des Tieres übertragen sich auf den Patienten und lösen Impulse aus, die die Haltung und das Gleichgewicht trainieren sowie die Muskelspannung regulieren.
  • Trainings- und Bewegungstherapie: Die Verbesserung von Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit ist das Ziel der Trainings- und Bewegungstherapie. Zum Spektrum gehören zum Beispiel Ergometertraining, Wandern, Nordic Walking, Schwimmen und Bogenschießen. Vor allem Fatigue kann durch regelmäßiges körperliches Training verringert werden.
  • Physikalische Therapie: Unter dem Begriff physikalische Therapie werden verschiedene Behandlungen zusammengefasst. Gemeinsames Ziel ist es, Schmerzen zu verringern und die Muskelspannung zu regulieren.

Wie beantrage ich eine Reha bei MS?

Um eine MS-Komplexbehandlung zu erhalten, reicht eine Einweisung Ihres betreuenden Haus- oder Facharztes aus. Im Reha-Antrag können Sie angeben, in welcher auf MS spezialisierten Rehaklinik Sie die Maßnahme gerne durchführen lassen würden. Sinnvoll ist eine Reha-Maßnahme in einer Klinik, die sich besonders gut mit den Anforderungen der MS-Erkrankung auskennt.

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Wenn Sie nicht wissen, wo Sie den Antrag stellen sollen, reiche ihn einfach bei einem Leistungsträger ein. Die Leistungsträger sind gesetzlich verpflichtet, nach Antragseingang untereinander ihre Zuständigkeit abzuklären, sodass Sie sich darüber keine Sorgen zu machen brauchen. An den Kosten der Kur müssen Sie sich durch Zuzahlungen beteiligen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie sich aber davon befreien lassen.

Damit Ihr Antrag auf eine medizinische Reha Erfolg hat, sollten Sie auch tatsächlich rehabilitationsbedürftig sein. Das heißt, dass Sie bereits unter bestimmten Einschränkungen leiden, die Ihre MS-Erkrankung hervorgerufen haben. Dazu zählen beispielsweise Schwierigkeiten beim Gehen oder Gleichgewicht halten sowie kognitive Probleme. Ein weiterer Grund für die Bewilligung Deiner Reha kann sein, dass Du Hilfe bei der emotionalen Verarbeitung der Diagnose MS brauchst. Ob Deine Beschwerden durch einen Krankheitsschub verursacht wurden oder sich im Laufe einer stetig fortschreitenden MS entwickelt haben, spielt bei der Antragstellung keine Rolle.

Unterstützung beim Antragstellen können Sie beispielsweise bei den Service-Hotlines der Leistungsträger erhalten. Oder Sie bitten Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, Ihnen beim Ausfüllen zu helfen. Direkt nach einem Krankenhausaufenthalt unterstützt Sie auch der Sozialdienst des Krankenhauses dabei. Anrecht auf eine medizinische Rehabilitation haben alle, die aufgrund ihrer MS-Diagnose nicht mehr arbeiten können oder davon bedroht sind.

Spezialisierte Rehakliniken für MS

Im Reha-Antrag können Sie angeben, in welcher auf MS spezialisierten Rehaklinik Sie die Maßnahme gerne durchführen lassen würden. Folgende neurologische MEDIAN Rehakliniken können beim MS besucht werden: MEDIAN Klinik Wilhelmshaven, MEDIAN Klinik Bad Tennstedt, MEDIAN AGZ Leipzig, MEDIAN Heinrich-Mann-Klinik Bad Liebenstein, MEDIAN Klinik Flechtingen, MEDIAN Klinik NRZ Magdeburg, MEDIAN Klinik Berlin-Kladow, MEDIAN Klinik Grünheide, MEDIAN Klinik Flachsheide Bad Salzuflen, MEDIAN Klinik Gyhum, MEDIAN Klinik NRZ Wiesbaden, MEDIAN Reha-Zentrum Bernkastel-Kues Klinik Burg Landshut. Unter dem Dach der RehaZentren Baden-Württemberg sind neun Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation mit individuellen Profilen zusammengeführt. Die Kliniken erbringen ein breites Spektrum an rehabilitativen und präventiven Dienstleistungen. Sie ergänzen sich gegenseitig, sodass wertvolle Synergieeffekte entstehen. Ziel der Rehabilitation ist eine Verbesserung von Funktionsstörungen des Nervensystems. Die Grundlage ist eine neurologische Eingangsuntersuchung.

Ziele der Reha bei MS

Die Rehabilitation bietet MS-Patienten eine gute Chance, mit der Erkrankung besser als zuvor zurechtzukommen. Dies setzt allerdings die Motivation, die Mitarbeit und das Verständnis des Patienten für die Behandlungen voraus.

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Ziele der Rehabilitation:

  • Erhalt oder Verbesserung der funktionellen Leistungsfähigkeit.
  • Förderung der Selbstständigkeit und persönlichen Bewegungsfreiheit.
  • Erhalt oder Verbesserung der Einbindung in Familie, soziales Umfeld und Beruf.
  • Vorbeugung oder Behandlung möglicher Folgeschäden von bestehenden Symptomen (zum Beispiel Gelenk- und Bandscheibenschäden, chronische Blaseninfekte).
  • Verringerung von Pflegebedürftigkeit und Umfang der erforderlichen Betreuung.

Selbsthilfetraining und Sozialarbeit

Ein wichtiger Aspekt der Rehabilitation ist das Selbsthilfetraining. Der Erhalt bzw. das Wiedererlangen einer größtmöglichen Selbstständigkeit und die langfristige Unabhängigkeit von Hilfspersonen ist ein wichtiges Ziel in der neurologischen Rehabilitation von Patienten mit einer Multiplen Sklerose. In der Ergotherapie werden dem Patienten verschiedene Strategien zur Steigerung der Selbstständigkeit und mögliche Hilfsmittel vorgestellt. Die MS-Pflegekräfte verfügen über umfangreiche Kenntnisse zum Krankheitsbild. Sie sind geschult im patientengerechten Vermitteln von Informationen und dem Erkennen von persönlichen Ressourcen. Die Pflegekräfte motivieren die Rehabilitanden während der neurologischen Reha, eine bessere Selbstständigkeit im Umgang mit ihrer Erkrankung zu erreichen.

Die Sozialarbeit unterstützt Patienten und Angehörige bei der Gestaltung des Alltags und der Bewältigung sozialrechtlicher Fragen. Während der Reha wird gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen besprochen, wie der Alltag gesünder und einfacher gestaltet werden kann. Auch nach Abschluss der Rehabilitation bleibt die Klinik ein Ansprechpartner für MS-Patienten.

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