In der Diskussion um die Vorbeugung von Demenzerkrankungen, insbesondere Alzheimer, rücken Ernährung und Lebensstil immer stärker in den Fokus. Dabei wird auch der Konsum von Rotwein kontrovers diskutiert. Während einige Studien positive Effekte nahelegen, warnen andere vor den Risiken selbst geringer Alkoholmengen. Dieser Artikel fasst die aktuelle Studienlage zusammen und gibt Empfehlungen für den Umgang mit Rotwein im Kontext der Demenzprävention.
Die vielversprechende Rolle von Flavonoiden
Eine aktuelle Studie der Queen’s University Belfast untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Konsum von flavonoidreichen Lebensmitteln und dem Demenzrisiko. Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommen, darunter Beeren, Äpfel, Auberginen, Zwiebeln, Orangen und Grapefruits. Sie sind aber auch in Tee, Rotwein und dunkler Schokolade enthalten. Flavonoide wirken antientzündlich, krebshemmend und antioxidativ und stärken zudem das Immunsystem.
Die Forscher analysierten die Ernährungsdaten von über 120.000 Probanden im Alter von 40 bis 70 Jahren über einen Zeitraum von neun Jahren. Dabei zeigte sich, dass der Verzehr von mindestens sechs zusätzlichen Portionen flavonoidreicher Lebensmittel pro Tag, insbesondere Beeren, schwarzer oder grüner Tee und Rotwein, mit einem um 28 Prozent geringeren Demenzrisiko verbunden war. Dieser Effekt war besonders deutlich bei Personen mit einem hohen genetischen Risiko für Demenz oder mit Depressionssymptomen.
Die Forscher beobachteten die größte Risikoreduktion bei Teilnehmern, die täglich mindestens zwei der folgenden Lebensmittel zu sich nahmen: fünf Tassen schwarzer oder grüner Tee, ein Glas Rotwein oder eine halbe Portion Beeren. Allerdings wiesen die Forscher darauf hin, dass Alkohol im Allgemeinen als Risikofaktor für Demenz gilt.
Das "French Paradox" und die Ordnungstherapie
Der positive Effekt von Rotwein auf die Gesundheit wird oft im Zusammenhang mit dem sogenannten "French Paradox" diskutiert. Dieses Phänomen beschreibt die Beobachtung, dass in Frankreich trotz eines hohen Konsums tierischer Fette eine relativ niedrige koronare Sterblichkeit auftritt. Eine mögliche Erklärung dafür ist der regelmäßige Konsum von Rotwein, der in Frankreich traditionell zum Essen gehört.
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Es gibt Studien, die belegen, dass Weintrinker eher mediterrane Kost essen und sich daher gesünder ernähren als Biertrinker. Andere Studien beschreiben für Weintrinker einen höheren Bildungsgrad im Vergleich mit Biertrinkern.
Der Autor Knut Kröger hält den Grundsatz der „Ordnungstherapie“ in epidemiologischen Studien für unterbewertet. Um etwas über Jahre hinweg in kleinen Mengen regelmäßig zu tun, muss man in geordneten Bahnen leben. Etwas in kleinen Mengen regelmäßig tun geht mit Stressreduktion einher. Die Ordnungstherapie ist eine Therapieform der Naturheilkunde, wie sie schon von dem Schweizer Arzt Maximilian Bircher-Benner und auch Sebastian Kneipp beschrieben wurde. Der Mensch muss auf seine eigene innere Uhr Rücksicht nehmen und die Phasen von Arbeit und Freizeit, Schlafen und Wachen in einem naturgemäßen Rhythmus halten.
Neue Oxford-Studie widerlegt den Alkohol-Mythos
Eine neue Studie aus Oxford räumt mit dem Mythos auf, dass moderate Mengen Alkohol gesund sein könnten. Die Forscher analysierten Daten von über 500.000 Menschen und fanden heraus, dass bereits geringe Alkoholmengen das Demenz-Risiko erhöhen, und zwar um ganze 15 Prozent bei auch nur einem Glas.
Die Forscher verwendeten eine innovative Methode, die sogenannte Mendelsche Randomisierung. Dabei analysierten sie nicht nur die Trinkgewohnheiten, sondern auch genetische Varianten, die mit Alkoholkonsum verbunden sind. Das Ergebnis war eindeutig: Die Daten zeigten einen linearen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Demenz-Risiko. Jeder Anstieg des wöchentlichen Konsums, auch bei nur ein bis drei alkoholischen Getränken pro Woche, war mit einem um 15 Prozent höheren Demenz-Risiko verbunden.
Resveratrol: Ein Hoffnungsträger?
Rotwein enthält Polyphenole, insbesondere Resveratrol, das antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften besitzt. Diese Verbindungen können helfen, die Bildung von Amyloid-Plaques im Gehirn zu verhindern, die mit der Entstehung von Alzheimer in Verbindung gebracht werden.
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Eine Studie des Georgetown University Medical Center untersuchte die Wirkung von hochdosiertem Resveratrol auf Patienten mit Morbus Alzheimer. Die Forscher fanden heraus, dass Resveratrol die Liquor-Spiegel von Beta-Amyloid 40 stabilisieren kann. Allerdings war die Studie zu schwach, um eine Aussage über den tatsächlichen klinischen Nutzen zu treffen.
Empfehlungen für den Umgang mit Rotwein im Kontext der Demenzprävention
Die Studienlage zum Thema Rotwein und Demenz ist komplex und widersprüchlich. Während einige Studien positive Effekte nahelegen, warnen andere vor den Risiken selbst geringer Alkoholmengen. Daher ist es wichtig, die folgenden Empfehlungen zu beachten:
- Maßvoller Konsum: Wenn Sie Rotwein trinken, sollten Sie dies in Maßen tun. Die meisten Studien, die positive Effekte gefunden haben, beziehen sich auf einen moderaten Konsum von einem Glas pro Tag.
- Alternative Quellen für Flavonoide: Flavonoide sind nicht nur in Rotwein enthalten, sondern auch in vielen anderen Lebensmitteln wie Beeren, Tee und Gemüse. Es ist ratsam, diese Lebensmittel in Ihre Ernährung zu integrieren, um von den gesundheitlichen Vorteilen der Flavonoide zu profitieren, ohne die Risiken des Alkoholkonsums einzugehen.
- Individuelle Risikofaktoren berücksichtigen: Das Demenzrisiko wird von vielen Faktoren beeinflusst, darunter Alter, Genetik, Lebensstil und Vorerkrankungen. Es ist wichtig, Ihre individuellen Risikofaktoren zu berücksichtigen und gegebenenfalls ärztlichen Rat einzuholen.
- Gesunder Lebensstil: Eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und soziale Kontakte sind wichtige Faktoren für die Demenzprävention. Konzentrieren Sie sich auf einen ganzheitlichen Lebensstil, der Ihre geistige und körperliche Gesundheit fördert.
- Nichttrinker sollten nicht mit dem Weinkonsum beginnen: Es ist wichtig zu betonen, dass Nichttrinker nicht dazu ermutigt werden sollten, mit dem Konsum von Wein zu beginnen. Die potenziellen Risiken des Alkoholkonsums überwiegen die möglichen Vorteile.
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