Schlaganfall-ähnliche Erkrankungen: Eine umfassende Differentialdiagnose

Der ischämische Schlaganfall stellt weltweit eine der häufigsten Todesursachen dar und ist gleichzeitig die Hauptursache für bleibende Behinderungen im Erwachsenenalter. In den meisten Fällen sind vaskuläre Risikofaktoren, insbesondere arterielle Hypertonie, dafür verantwortlich. Die unmittelbaren Ursachen für den Verschluss zerebraler Gefäße sind häufig Vorhofflimmern sowie arterielle Embolien oder lokale Verschlüsse infolge atherosklerotischer Gefäßstenosen. Neben diesen häufigen Ursachen gibt es eine Reihe seltenerer Ursachen, die insbesondere jüngere Menschen betreffen können. Hierzu zählen verschiedene entzündliche systemische Erkrankungen sowie solche, die auf das Zentralnervensystem (ZNS) fokussiert sind. Dieser Artikel bietet einen Überblick über diese Differentialdiagnosen.

Die Herausforderung der Differentialdiagnose bei Schlaganfall

Ein plötzlich auftretendes neurologisches Defizit, begleitet von Kopfschmerzen oder Bewusstseinsstörungen, wird als Schlaganfall oder apoplektischer Insult bezeichnet. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass eine rein klinische Differenzierung der Ursachen nicht möglich ist. Apparative Zusatzdiagnostik ist in der Frühphase der Abklärung eines Schlaganfalls entscheidend.

Die Symptomatik eines Schlaganfalls ist abhängig davon, welche Hirnareale betroffen sind. Neben dem akuten neurologischen Defizit können weitere Leitsymptome wie Kopfschmerzen, epileptische Anfälle und Hirnnervenausfälle auftreten. Auch ein plötzlicher Bewusstseinsverlust oder eine progrediente Bewusstseinsstörung können auf zerebrale vaskuläre Erkrankungen hinweisen.

Es ist entscheidend, nicht mehr pauschal von "Schlaganfall" oder "apoplektischem Insult" zu sprechen, sobald die zugrunde liegende Ursache identifiziert wurde. Stattdessen sollte die tatsächliche Diagnose genannt werden, wie beispielsweise Hirninfarkt, intrazerebrale Blutung oder Subarachnoidalblutung.

Primäre Angiitis des zentralen Nervensystems (PACNS)

Die primäre Angiitis des zentralen Nervensystems (PACNS) ist eine Vaskulitis unbekannter Ursache, die isoliert die Arterien (und seltener die Venen) des Gehirns, des Rückenmarks und der Leptomeningen betrifft. Die geschätzte Inzidenz beträgt 2,4 Fälle pro 1.000.000 Personen pro Jahr, wobei Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind.

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Klinische Erscheinungsformen und Diagnosestellung

Da die Vaskulitis jegliche Region des ZNS beeinträchtigen kann, variieren die klinischen Erscheinungsformen. Häufige Symptome sind fokal-neurologische Defizite (63 %), Kopfschmerzen (51 %) und kognitive Beeinträchtigungen (41 %). Die Kopfschmerzen werden unterschiedlich beschrieben, sind aber eher subakut und unterschwellig, im Unterschied zu abrupt auftretenden, intensiven Donnerschlagkopfschmerzen, die typisch für das reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) sind.

Die Diagnosestellung der PACNS ist oft herausfordernd, erfordert aber aufgrund der risikobehafteten Therapieoptionen eine große therapeutische Sicherheit. Die definitive Diagnose kann nur bioptisch oder autoptisch gestellt werden. Sofern die Diagnose nicht bioptisch gesichert werden kann, lässt sich eine wahrscheinliche PACNS diagnostizieren, wenn sowohl angiographische als auch magnetresonanztomographische (MRT-)Untersuchungen typische Merkmale aufweisen und diese durch ein für die PACNS spezifisches Liquorprofil ergänzt wird.

Diagnostische Verfahren

  • Biopsie: Die Entnahme einer leptomeningealen und parenchymatösen Biopsie sollte möglichst aus einem MR-tomographisch oder angiographisch betroffenen Bereich erfolgen, um die Sensitivität der Biopsie auf bis zu 80 % zu erhöhen. Bevorzugte Biopsielokalisation sind nichteloquente Areale der nichtdominanten Hemisphäre. Bei positivem Befund finden sich drei unterschiedliche histologische Muster: granulomatös mit multinukleären Zellen (58 %), lymphozytär (28 %) oder nekrotisierend (14 %).
  • Angiographie: Die konventionelle zerebrale digitale Subtraktionsangiographie (DSA) zeigt bei der PACNS mit Befall mittelgroßer bis großer Gefäße (Medium-to-large-vessel-Variante [MV/LV-PACNS]) typischerweise multilokuläre segmentale Stenosierungen. Diese sind zwar charakteristisch, aber auch ausgeprägte arteriosklerotische Veränderungen sowie das reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom können ein ähnliches Muster zeigen. Bei der Small-vessel-Variante (SV-PACNS) bleibt die DSA unauffällig.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Magnetresonanztomographisch zeigen sich typischerweise multifokale Läsionen in der weißen Substanz, Gadolinium-aufnehmende Läsionen und ein leptomeningeales Enhancement. Gradientenechosequenzen können petechiale Hämorrhagien darstellen. Das sog. „black-blood imaging“ kann bei der MV/LV-PACNS den klassischen Befund einer konzentrischen, segmentalen Kontrastmittelaufnahme ergeben, birgt jedoch das Risiko falsch-positiver Befunde. Wichtig in der Verlaufsdiagnostik ist, dass eine Kontrastmittelaufnahme der Gefäßwand trotz Immuntherapie persistieren kann und nur partiell auf Rückfälle hinweist.
  • Liquordiagnostik: Die Liquordiagnostik ist obligat zum Ausschluss einer infektiösen Genese und zeigt bei 65-75 % der Patienten mit PACNS eine moderate lymphomonozytäre Pleozytose und/oder eine Eiweißerhöhung. Bei einer Pleozytose > 250/µl sollte hingegen an andere, v. a. infektiöse Erkrankungen gedacht werden. Insbesondere sollte auch mittels PCR („polymerase chain reaction“) und Antikörperindizies aus Liquor und Blut eine Varizella-Zoster-Virus(VZV)-bedingte Vasopathie ausgeschlossen werden.
  • Serologische Labordiagnostik: Die serologische Labordiagnostik dient dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen, da serologische Parameter bei der auf das ZNS-begrenzten PACNS in der Regel normwertig sind.

Therapie

In der Therapie der PACNS wird zwischen Induktions- und Erhaltungstherapie unterschieden. Das Ziel der Induktionstherapie ist die Remission, das Ziel der Erhaltungstherapie der Remissionserhalt und das Verhindern von Rezidiven. Die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfehlen eine initiale intravenöse Kortikoidstoßtherapie über 3 bis 5 Tage mit anschließender Oralisierung auf 1 mg/kgKG und nachfolgender schrittweiser Dosisreduktion nach EULAR(European League Against Rheumatism)-Empfehlungen für ANCA-assoziierte Vaskulitiden. Zusätzlich wird eine Induktionstherapie mit Cyclophosphamid für 6 Monate empfohlen. Im Anschluss empfehlen viele ExpertInnen aufgrund des Nebenwirkungsprofils von Cyclophoshamid eine Umstellung auf Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil oder Methotrexat.

Riesenzellarteriitis (RZA)

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist in Europa die häufigste idiopathische Vaskulitis und tritt ab einem Alter von 50 Jahren mit zunehmender Häufigkeit auf (Peak in der 7. Lebensdekade). Das Lebenszeitrisiko beträgt für Frauen ca. 1 % und für Männer ca. 0,5 %.

Klinische Manifestation und Diagnosestellung

Als Großgefäßvaskulitis befällt die Riesenzellarteriitis insbesondere die Aorta und ihre direkten Abgänge. Klinisch typisch ist die Manifestation mit neuartigen, akut-subakut einsetzenden, häufig temporal lokalisierten Kopfschmerzen, die meist nicht analgetikaresponsiv sind. Ein pathognomonisches, aber nicht obligates Symptom ist die Kiefer‑/Kau-Claudicatio infolge einer Beteiligung der die Massetermuskulatur versorgenden Äste der Arteria carotis externa. Schlaganfälle stellen eine klinisch bedeutsame und in ihrer Häufigkeit oft unterschätzte RZA-Manifestation (1,5-7 %) dar. Hierbei ist der Befall des vertebrobasilären Stromgebiets charakteristisch.

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Diagnostische Verfahren

  • Klinische Untersuchung: In der klinischen Untersuchung sollte auf eine Druckdolenz, Verhärtung, Schwellung oder eine abgeschwächte Pulsatilität der Arteria temporalis unter Palpation geachtet werden.
  • Laborchemische Untersuchung: Laborchemisch sollten das C‑reaktive Protein (CRP) und die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG oft erhöht mit Werten bis 100 mm in der ersten Stunde, aber auch Werte < 50 mm möglich) bestimmt werden. Normwerte sind gerade bei vorwiegend intrakraniellem Befall möglich und schließen eine RZA nicht aus.
  • Bildgebung: Die primär einzusetzende Bildgebungsmethode zur Darstellung entzündlicher Veränderungen der Gefäßwand (oft mit diskontinuierlichem Befall, „skip lesions“) ist die farbkodierte Duplexsonographie der temporalen und axillären Arterien mittels Linearschallköpfen und einer Frequenz von ≥ 15, besser ≥ 18 MHz für die Temporalarterien. Das „Halo-Zeichen“ der Temporalarterie in Form eines zirkulären echoarmen Wandödems gilt als Leitbefund mit einer hohen Spezifität (96 %). Die 18-Fluoro-2-Desoxy-D-Glukose-Positronenemissionstomographie-Computertomographie (18F-FDG-PET-CT) ist geeignet zum Nachweis extrakranieller Gefäßbeteiligungen der RZA und ist in Sensitivität und Spezifität der magnetresonanztomographischen Diagnostik deutlich überlegen.
  • Biopsie: Eine Biopsie der Temporalarterie sollte Fällen, in denen die Diagnose trotz hohen klinischen Verdachts nicht allein durch die Bildgebung gesichert werden kann, vorbehalten bleiben. Zu beachten ist, dass die Sensitivität beider Untersuchungen unter Initiierung einer Glukokortikoid(GC)-Therapie innerhalb der ersten Tage stark abnimmt.

Therapie

Entscheidend bei der Therapie der Riesenzellarteriitis ist die Vermeidung jeglicher Zeitverzögerung. Gemäß der ACR-Leitlinie von 2021 besteht die Initialtherapie in der hochdosierten oralen (40-60 mg Prednisolon/Tag) oder im Falle drohender neurologischer (Visus‑)Komplikationen intravenösen (500-1000 mg Methylprednisolon/Tag) GC-Therapie. Da die meisten RZA-PatientInnen ein hohes Risiko für steroidassoziierte Nebenwirkungen aufweisen, sowie aufgrund der meist erforderlichen hohen GC-Dosierungen, sollte eine steroidsparende Therapie in der Regel primär eingesetzt werden. Zugelassen ist hier der Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab (TCZ) in der wöchentlichen subkutanen Gabe von 162 mg. Ebenfalls wird Methotrexat als steroidsparende Therapie eingesetzt („off-label“). Nach Stabilisierung der Erkrankung sollte das GC gemäß GiACTA-Schema über 52 Wochen (ohne steroidsparende Therapie) oder über 26 Wochen (mit TCZ) ausgeschlichen werden. Unter GC-Dosierungen > 5 mg/Tag sollten eine Osteoporoseprophylaxe mit täglicher Aufnahme von Vitamin D3 (1000 IE/Tag) und Kalzium (1000-1500 mg/Tag) über die Nahrung oder Supplemente erfolgen.

Systemische Vaskulitiden

Neben der Riesenzellarteriitis können auch die anderen systemischen Vaskulitiden mit einer ZNS-Beteiligung einhergehen. Im Vergleich zur Riesenzellarteriitis haben diese eine wesentlich geringere Inzidenz.

Infektionen und Sepsis

Infektionen, insbesondere die Sepsis, steigern das Schlaganfallrisiko in einem vergleichsweise kurzen Zeitfenster signifikant. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass ca. 5 % aller PatientInnen mit Sepsis einen ischämischen Schlaganfall erleiden. Weiterhin wurde für diese PatientInnen mit sepsisbedingtem, neu aufgetretenem Vorhofflimmern ein fast 4‑fach erhöhtes Schlaganfallrisiko ermittelt. Auch wenn symptomatisches Vorhofflimmern bei kritisch kranken PatientInnen oft vorübergehend ist, kann hierdurch bereits ein erhöhtes Embolierisiko bedingt sein, da sich Vorhofthromben schon innerhalb von 2 Tagen nach Beginn des Vorhofflimmerns bilden können.

Die Inzidenz einer sepsisassoziierten klinischen oder subklinischen Koagulopathie wurde in vorausgehenden Arbeiten auf über 80 % geschätzt. Besonders häufig ist die disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC).

Disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC)

Hierbei werden prokoagulante Substanzen wie der Gewebefaktor (TF) freigesetzt, die zur Aktivierung der Blutgerinnung führen und dadurch die Bildung von Thromben im Mikrogefäßsystem oder in größeren Gefäßen verursachen. Die umfangreiche Bildung von Thromben führt wiederum zum Verbrauch von endogenen Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten mit der Folge einer Verbrauchskoagulopathie. Endorganschäden resultieren aus reduzierter Perfusion, Thrombosen und/oder Blutungen.

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Die Diagnose der DIC wird klinisch und laborchemisch gestellt. Die klinische Verdachtsdiagnose ergibt sich bei Patienten, die generalisiertes Sickerbluten aus mehreren intravenösen Katheterstellen oder andere Blutungszeichen aufweisen oder bei Patienten mit unerklärten Thrombosen und einer zugrunde liegenden Erkrankung, die für eine DIC prädestiniert. Die Diagnose einer akuten DIC gilt als gesichert, wenn laborchemische Anzeichen für eine Thrombozytopenie, ein Verbrauch von Gerinnungsfaktoren (z. B. Verlängerung der Prothrombinzeit [PT] oder der partiellen Thromboplastinzeit [aPTT], ein niedriges Fibrinogen) und eine Fibrinolyse (z. B.

Auch wenn das Schlaganfallrisiko während der akuten Infektion am größten ist, besteht auch noch Monate nach Abklingen der Infektion ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Das Vorliegen einer infektionsbedingten Koagulopathie ging in einer Analyse mit einem 3‑fach erhöhten Risiko für das Auftreten eines ischämischen Schlaganfalls innerhalb eines Jahres einher.

Die Behandlung der DIC fokussiert auf die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache. Die prophylaktische Gabe prohämostatischer oder antikoagulanter Mittel wird nicht empfohlen. Es sollte eine sorgfältige Überwachung auf Blutungs- und thrombotische Komplikationen erfolgen, um diese gegebenenfalls umgehend zu behandeln. Antifibrinolytika und Prothrombinkomplexkonzentrate sind generell kontraindiziert, da sie das Risiko thrombotischer Komplikationen erhöhen können.

Meningitis

Etwa 20 % der PatientInnen mit bakterieller Meningitis erleiden innerhalb der ersten Wochen nach der Diagnosestellung einen ischämischen Schlaganfall. Neben der bakteriellen Meningitis gehören zu den erregerbedingten Meningitiden auch solche, die durch Viren, Mykobakterien, Pilze oder Protozoen verursacht werden. Infolge der Entzündungsreaktion können bei nahezu allen Formen der Meningitiden sekundär Schlaganfälle auftreten.

Weitere Differentialdiagnosen

Neben den bereits genannten Erkrankungen gibt es eine Vielzahl weiterer Differentialdiagnosen, die bei der Abklärung eines Schlaganfalls in Betracht gezogen werden müssen:

  • Hypoglykämie/Hyperglykämie: Stoffwechselentgleisungen können neurologische Symptome verursachen, die einem Schlaganfall ähneln.
  • Hypotonie/Hypertone Krise: Extreme Blutdruckschwankungen können zu neurologischen Ausfällen führen.
  • Fieber (insbesondere mit Dehydratation): Fieber und Dehydratation können neurologische Symptome verstärken oder auslösen.
  • Epilepsie: Insbesondere die Todd’sche Parese nach einem fokalen Anfall kann einen Schlaganfall imitieren.
  • Hirntumor oder -Metastasen: Raumfordernde Prozesse im Gehirn können zu fokalen neurologischen Defiziten führen.
  • Subarachnoidalblutung: Diese geht mit plötzlichem, heftigem Kopfschmerz und Nackensteife einher.
  • Entzündliche Hirnerkrankungen (Enzephalitis, Meningitis): Diese können ähnliche Symptome wie ein Schlaganfall verursachen.
  • Sinus- oder Hirnvenenthrombosen: Diese können zu einer Vielzahl neurologischer Symptome führen, einschließlich Schlaganfall-ähnlicher Ausfälle.
  • Migräne: Insbesondere die Migräne mit Aura kann halbseitige Defizite verursachen, bevor die Kopfschmerzen auftreten.
  • Spinale Erkrankung oder Läsion peripherer Nerven: Diese können Schwäche oder Sensibilitätsverlust verursachen, die fälschlicherweise als Schlaganfall interpretiert werden können.
  • Commotio/Contusio cerebri nach Trauma: Gehirnerschütterungen oder -prellungen können neurologische Symptome verursachen.
  • Intoxikationen: Verschiedene Substanzen können neurologische Symptome hervorrufen.
  • Elektrolyt-Entgleisungen: Störungen des Elektrolythaushaltes können neurologische Symptome verursachen.
  • Mitochondriale Erkrankungen: Primäre mitochondriale Erkrankungen (MitE) bilden eine Gruppe äußerst heterogener Krankheitsbilder, die auf einer genetisch bedingten Dysfunktion der Mitochondrien beruhen. Entsprechend der zentralen Bedeutung des mitochondrialen Energiestoffwechsels kann bei Defekten jedes Gewebe und jedes Organ betroffen sein. Gewebe mit hohem Energiebedarf wie Gehirn, Sinneszellen, Augen-, Herz- und Skelettmuskulatur sind besonders vulnerabel. Das MELAS-Syndrom (mitochondriale Enzephalomyopathie, Laktatazidose und schlaganfallähnliche Episoden) ist eine mitochondriale Multisystemerkrankung, die meist in der ersten bis zweiten Lebensdekade beginnt. Im cMRT imponieren die schlaganfallähnlichen Episoden als meist okzipital gelegene, nicht an Gefäßterritorien gebundene, kortikale Hyperintensitäten.

Vaskulopathien

Neben den bereits genannten Ursachen gibt es eine Reihe weiterer Vaskulopathien, die zu Schlaganfall-ähnlichen Symptomen führen können:

  • Nicht-arteriosklerotische Vaskulopathien: Diese spielen v. a. beim Schlaganfallpatienten bis zum 45. Lebensjahr eine wichtige Rolle.
  • Moyamoya-Krankheit: Diagnostische Kriterien sind Stenosen oder Verschlüsse der terminalen A. carotis interna (ICA) und der proximalen A. communicans anterior (ACA) und A. cerebri media (MCA) mit dem namengebenden Kollateralen-Netzwerk im Bereich der Basalganglien.
  • Fokale zerebrale Arteriopathie des Kindesalters: Diese tritt im Alter von 5-9 Jahren auf.
  • Dissektion (Aufspaltung der Wandschichten) der A. carotis interna oder vertebralis: Diese kann zu ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfällen führen.

Zerebrale Mikroangiopathie

Die Erkrankung der kleinen und kleinsten intrazerebralen Gefäße wird als zerebrale Mikroangiopathie bezeichnet. Sie ist v. a. mit dem Risikofaktor arterielle Hypertonie assoziiert. Eine Enzephalopathie entwickelt sich typischerweise stotternd mit Minor Strokes sowie einer Marklagerdystrophie und winzigen Ischämiezonen, den sog. Lakunen, in CT oder MRT. Das resultierende Krankheitsbild wird auch als subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE) oder Binswanger-Enzephalopathie bezeichnet. Leitsymptom sind kognitive Einschränkungen und Wesensänderung bis hin zur Demenz (vaskulär assoziierte Demenz), eine Blasenfunktionsstörung und eine Gangapraxie. Wichtige Differenzialdiagnose dieser Symptom-Trias ist der kommunizierende (Normaldruck-)Hydrozephalus.

Die zerebrale Mikroangiopathie begünstigt jedoch nicht nur das Auftreten lakunärer Ischämien, sondern auch die Manifestation von zerebralen Blutungen. Zeigt sich das MR-tomografische Bild multipler Microbleeds und Eisenablagerungen, so ist differenzialdiagnostisch an die Amyloidangiopathie zu denken, die für das Auftreten intrazerebraler Blutungen oder die Entwicklung einer Demenz bei älteren Patienten auch ohne Vorliegen klassischer Gefäßrisikofaktoren verantwortlich sein kann. Bei der hypertensiven zerebralen Mikroangiopathie finden sich Microbleeds bevorzugt im Bereich von Stammganglien und Hirnstamm, bei der Amyloidangiopathie sind sie lobär und kortikal lokalisiert.

Bei der ABRA (Amyloid-β-related Angiitis) zeigt sich in der MRT oft ein leptomeningeales Enhancement. Beim jungen Patienten kann CADASIL, eine autosomal-dominant vererbte Angiopathie entsprechende Bilder hervorrufen. CADASIL steht für „zerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie“, die auf Mutationen im NOTCH3-Gen beruht. In der cMRT zeigen sich ischämische Marklagerläsionen im temporopolaren Marklager. Die Diagnosesicherung erfolgt molekulargenetisch oder mittels einer Hautbiopsie.

Kardiogene Embolie

Neben der zerebralen Makro- und Mikroangiopathie ist die kardiogene Hirnembolie die dritte wichtige Ursache zerebraler Ischämien. Zum Workup eines Patienten mit zerebraler Ischämie gehören neben der klinischen kardiologischen Untersuchung ein Langzeit-EKG und eine transösophageale Echokardiografie. Dies gilt insbesondere für Hirninfarktpatienten bis zum 45. Lebensjahr und bei entsprechender Vorgeschichte.

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