Parkinson-Patienten leiden häufig unter Geh- und Haltungsstörungen, die sich in kleinen Trippelschritten, Schlurfen oder Schwierigkeiten beim Anheben der Füße äußern können. Diese Symptome erhöhen das Sturzrisiko im Alltag erheblich. Glücklicherweise gibt es innovative Lösungen, die speziell auf die Bedürfnisse von Parkinson-Patienten zugeschnitten sind, um ihre Mobilität und Lebensqualität zu verbessern. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte von Schuhen und Hilfsmitteln für Parkinson-Patienten, von intelligenten Einlegesohlen bis hin zu adaptiver Kleidung und rutschfesten Schuhen.
Intelligente Einlegesohlen: Novapace als Beispiel für Echtzeit-Unterstützung
Die Idee zur Entwicklung eines technischen Geräts, das Parkinson-Patienten beim Laufen unterstützt, entstand aus persönlicher Erfahrung. Patrick Scholl, dessen Großvater an Morbus Parkinson erkrankt ist und unter Geh- und Haltungsstörungen leidet, entwickelte gemeinsam mit Simon Staffa und Lukas Braisz die smarte Einlegesohle Novapace.
Funktionsweise und Vorteile von Novapace
Die Novapace-Sohle ist mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, die das Abrollverhalten, die Druckverteilung im Fuß und die Bewegung des Fußes messen. „Die Sohle weiß also, wie die Person gerade geht“, erklärt Staffa. Eine integrierte Vibrationseinheit gibt dem Nutzer in Echtzeit eine Rückmeldung, wenn ein Fehlverhalten auftritt, beispielsweise wenn der Fuß nicht richtig angehoben wird, die Schritte zu klein sind oder ein Sturz droht.
Ein großer Vorteil von Novapace ist die Alltagstauglichkeit. Das Gehäuse für den Sensor, das an den Schuh geklemmt wird, ist klein und unauffällig. Dies ist besonders für jüngere Parkinson-Patienten wichtig, die oft zögern, Hilfsmittel wie Rollatoren zu verwenden, wenn sie diese nur in bestimmten Situationen benötigen.
Entwicklung und Auszeichnungen
Patrick Scholl beschäftigt sich seit 2016 mit dieser Problematik und belegte beim Ideenwettbewerb der TU Darmstadt mit seiner „Adaptiven Schuhorthese“ den dritten Platz. Dieser Erfolg ermutigte ihn, seine Idee weiterzuentwickeln. Das Team Novapace hat seitdem mehrere vordere Plätze bei verschiedenen Wettbewerben gewonnen, darunter den Hessischen Gründerpreis 2019 in der Kategorie „Gründung aus der Hochschule“. Die Teilnahme an Wettbewerben bietet nicht nur finanzielle Unterstützung durch Preisgelder, sondern auch die Möglichkeit zur Vernetzung mit anderen Start-ups im Medizintechnikbereich und potenziellen Investoren.
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Zukünftige Entwicklung und Zertifizierung
In den kommenden Wochen werden die Wissenschaftler mit dem neuesten Prototyp Messdaten erfassen und auswerten, um den Gang von Parkinson-Patienten besser zu verstehen. Dabei helfen Studien wie die der Hochschule Bremen im Studiengang „Angewandte Therapiewissenschaften“. Bis zur Markteinführung muss die Sohle zudem aufwendige und teure Tests durchlaufen, um die Zertifizierung als Medizinprodukt zu erhalten.
Unterstützung durch HIGHEST
Die Gründung aus der Hochschule heraus wurde durch HIGHEST, dem Innovations- und Gründungszentrum der Technischen Universität Darmstadt, unterstützt. HIGHEST hilft jungen Gründern bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen, der Suche nach Kapitalgebern und passenden Förderprogrammen. Zudem bietet HIGHEST eine Vernetzungsplattform und digitale Technologien für Studierende, Wissenschaftler und Unternehmen.
Adaptive Kleidung und Schuhe: Erleichterung im Alltag
Neben intelligenten Einlegesohlen spielen auch adaptive Kleidung und Schuhe eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Parkinson-Patienten.
Adaptive Kleidung
Zu den häufigsten Problemen von Parkinson-Patienten zählen Gleichgewichtsstörungen, Zittern und Schwierigkeiten mit der Fingerfertigkeit. Adaptive Kleidung mit funktionellen Eigenschaften wie Magnetverschlüssen oder Klettbefestigungen kann das An- und Ausziehen erleichtern. Offene Oberteile mit Fronteinstieg, die am Rücken überlappen und auf den Schultern geschlossen werden, sind ideal für schwächere Patienten, die Unterstützung beim Ankleiden benötigen. Seitlich zu öffnende Hosen ermöglichen das Anziehen im Sitzen.
Adaptive Schuhe
Parkinson-Schuhe mit rutschfesten Eigenschaften sorgen für Stabilität. Adaptive Schuhe bieten eine große Weite zur Anpassung und Klettverschlüsse erleichtern das Tragen. Tamonda bietet eine Auswahl an Markenschuhen für Parkinson-Patienten, die Sicherheit, Komfort und Haltbarkeit für alltägliche Aktivitäten bieten. Rutschfeste Schuhe und Hausschuhe sind besonders wichtig, um Stürze im Haus zu vermeiden.
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Tipps für Pflegekräfte
Das Anziehen kann für Parkinson-Patienten eine frustrierende Erfahrung sein. Es ist wichtig, dass die Medikamente vor dem Anziehen wirken können. Locker sitzende Kleidung erleichtert den Alltag und vermeidet Frustration. Hilfsmittel wie Badematten mit starkem Griff können Stürze im Badezimmer verhindern.
Nushu X: Ein KI-Schuh gegen Gangblockaden
Ein weiteres innovatives Produkt ist der „Nushu X-Schuh“ der Schweizer Firma „Magnes“. Dieser Therapie-Schuh, der von Künstlicher Intelligenz unterstützt wird, wurde speziell zur Überwindung von Gangblockaden bei Parkinson-Patienten entwickelt. Die Bosse-Klinik in Wittenberg setzt auf diesen Schuh, um Patienten neue Sicherheit beim Gehen zu geben.
Weitere Hilfsmittel und Strategien für den Alltag
Neben Schuhen und Kleidung gibt es eine Vielzahl weiterer Hilfsmittel und Strategien, die den Alltag von Parkinson-Patienten erleichtern können.
Anti-Freezing-Stock
Ein Anti-Freezing-Stock kann helfen, plötzliche Bewegungsstopps zu überwinden.
Anpassung des Wohnraums
Bodenwellen und Türschwellen sollten beseitigt werden, um Stürze zu vermeiden. Im Treppenhaus können farbige Markierungen an den Vorderkanten der Stufen die Orientierung erleichtern.
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Badmöbel
Höhenverstellbare Waschbecken und Spiegel ermöglichen das Waschen und Zähneputzen im Sitzen. Wasserfeste Sitzmöbel oder Duschhocker erleichtern das Duschen oder Baden.
Strategien für den Alltag
Betroffene sollten sich bewusst umdrehen, bis die Kniekehlen die Sitzkante berühren, und den Oberkörper beim Aufstehen bewusst nach vorne beugen, um den Schwung zum Aufstehen zu nutzen. Da Parkinson-Patienten leicht schwitzen, sollten sie auf das Wetter achten und immer eine Jacke und einen Schal tragen. Ein langer Schuhlöffel erleichtert das Anziehen von Slippern.
Mobile GaitLab: Tragbares Sensorsystem zur Ganganalyse
Das tragbare Sensorsystem „Mobile GaitLab“, entwickelt von Prof. Dr. Jochen Klucken vom Universitätsklinikum Erlangen und dem Erlanger Start-up-Unternehmen Portabiles HealthCare Technologies, ermöglicht die kontinuierliche Erhebung von Gangparametern im Patientenalltag. Durch die Zertifizierung als Medizinprodukt kann das System künftig für die Versorgung von Parkinson-Patienten eingesetzt werden.
Vorteile von Mobile GaitLab
- Objektive Daten: „Mobile GaitLab“ liefert objektive Daten, die es ermöglichen, Patienten zielgerichteter zu behandeln.
- Individuelle Therapie: Der Patient erhält durch die Informationen, die das Sensorsystem liefert, eine verbesserte Selbsteinschätzung und eine individuell ausgerichtete Therapie.
- Früherkennung von Veränderungen: Das System ermöglicht die Früherkennung von Veränderungen im Gangbild und die Anpassung der Therapie.