Schwerhörigkeit und Demenz: Ein unterschätzter Zusammenhang

Kann die Behandlung von Hörverlust unser Gedächtnis stärken und damit das Risiko verringern, an Alzheimer und anderen Formen von Demenz zu erkranken? Am Welt-Alzheimertag stellt MED-EL, ein weltweit führender Hersteller von Hörimplantaten, die entscheidende Verbindung zwischen Hörverlust und Gedächtnisleistung in den Fokus. Mit modernen Hörtechnologien möchte MED-EL einen Beitrag zur kognitiven Gesundheit von Menschen mit Hörverlust leisten und dadurch Millionen Betroffenen ein gesünderes Altern ermöglichen.

Die alternde Bevölkerung stellt die Medizin vor neue Herausforderungen. Neben den bekannten Risikofaktoren für Demenzerkrankungen wie ungesunder Lebensstil und Herz-Kreislauf-Erkrankungen rückt ein oft übersehener Faktor in den Fokus: Schwerhörigkeit. Neue Forschungsergebnisse deuten auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen Hörverlust und dem Risiko, an Demenz zu erkranken, hin. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Zusammenhänge und zeigt auf, wie eine frühzeitige Behandlung von Hörverlust einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Demenz leisten kann.

Hörverlust als modifizierbarer Risikofaktor für Demenz

Jeder Mensch möchte gesund und geistig aktiv altern. Ein ungesunder Lebensstil sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind allgemein bekannte Risikofaktoren für Demenzerkrankungen wie Alzheimer. Schwerhörigkeit wird nur selten mit kognitivem Abbau assoziiert. Doch Demenz und Hörverlust teilen sich gemeinsame Risikofaktoren, darunter soziale Isolation, mangelnde Kommunikation und Depressionen.

Der aktuelle Report der Lancet Kommission zu Demenzprävention bestätigt Hörverlust als einen der wesentlichen modifizierbaren Risikofaktoren für Demenz. Immer mehr Studien belegen, dass unbehandelter Hörverlust das Risiko für kognitiven Abbau erhöht. Eine Langzeitstudie ergab, dass Menschen mit leichtem Hörverlust ein doppelt so großes Risiko haben, eine Demenz zu entwickeln als Menschen mit normalem Hörvermögen. Bei schwerem Hörverlust verfünffacht sich das Risiko sogar.

Einem »The Lancet«-Bericht von 2024 zufolge könnten 45 Prozent der Demenzerkrankungen verhindert oder deutlich verzögert werden, wenn 14 modifizierbare Risikofaktoren vollständig ausgeschaltet würden. Dabei identifizierten die Forschenden die Schwerhörigkeit im mittleren Alter neben hohem LDL-Cholesterol als wichtigsten Risikofaktor.

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Wie Schwerhörigkeit das Gehirn beeinflusst

Warum ist Schwerhörigkeit schädlich für unser Gehirn? Ein nachlassendes Hörvermögen kommt meistens schleichend. Oft bemerken es Betroffene selbst zunächst gar nicht. Dem Umfeld fällt aber auf, dass immer häufiger Nach­fragen kommen oder der Fernseher lauter gestellt wird. „Menschen, die schlecht hören, verarbeiten weniger akustische Reize. Viele reagieren auch mit Rückzug, weil sie Gesprächen nicht mehr so gut folgen können oder schnell müde werden. Das Gehirn ist dann weniger gefordert und die geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab. Dadurch erhöht sich das Risiko, an Alzheimer zu erkranken“, führt Thienpont aus.

Das Ohr nimmt Geräusche auf, aber das eigentliche Verstehen passiert im Gehirn. Sprache, Musik und Alltagsgeräusche regen die Nervenzellen an und halten das Gedächtnis aktiv. Wenn diese Reize fehlen, weil das Gehör nachlässt, sinkt die Aktivität im Hörbereich des Gehirns. Die Folgen:

  • Das Gehirn wird anfälliger für Schädigungen
  • Unser Gehirn kann ein Leben lang dazulernen. Je aktiver wir es nutzen, desto größer wird die sogenannte kognitive Reserve. Sie hilft uns, Neues zu verstehen, Dinge zu behalten und sogar kleine Schäden im Gehirn auszugleichen.
  • Soziale Kontakte gehen verloren
  • Hörverlust kann einsam machen. Wer Gesprächen kaum folgen kann, geht seltener unter Leute - und wenn doch, redet man oft weniger mit. Soziale Isolation, Einsamkeit und sogar Depressionen können die Folge sein. All dies sind Faktoren, die das Risiko für eine Demenz erhöhen.

Studienergebnisse zum Zusammenhang von Schwerhörigkeit und Demenz

Beeinflusst Schwerhörigkeit Demenz? Zahlreiche Studien wurden durchgeführt, um die Beziehung zwischen Hörverlust und Demenz bei älteren Patienten zu bewerten. Diese Studien zeigen, dass ältere Menschen mit Hörverlust verglichen mit Menschen mit normalem Hörvermögen eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Laufe ihres Lebens eine Demenz zu entwickeln.

In einer der ersten Studien, die 1989 veröffentlicht wurden, verglichen Richard Uhlmann und seine Kollegen 100 demenzkranke Probanden mit 100 Probanden ohne Demenz (Kontrollgruppe), die das gleiche Alter, Geschlecht und Bildungsniveau hatten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Hörverlust bei älteren Erwachsenen zu kognitiven Störungen beitrug: je stärker der Hörverlust, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung. Die ausführliche Analyse der Daten zeigte, dass der Anteil an Patienten mit Demenz, die vermutlich auf den Hörverlust zurückzuführen war, bei 32% liegen könnte. Die Studie zeigte außerdem, dass der Hörverlust mit einer reduzierten kognitiven Leistung verbunden war, sogar bei Patienten, die nicht an Demenz litten. Dr. Uhlmanns Arbeit betont, dass Ärzte bei der Diagnose der Demenz insbesondere auf das eventuelle Vorhandensein einer Hörbehinderung achten sollten. Parallel hierzu kann die Hörbehinderung ein wichtiger Risikofaktor für die Demenz und kognitive Störung sein. Wenn dies der Fall ist, würde eine Korrektur der Hörbehinderung, zum Beispiel durch Hörgeräte, das Fortschreiten der Demenz nicht verhindern, könnte aber die Symptome der Krankheit deutlich verbessern. So wäre die Korrektur der Hörbehinderung eine vielversprechende Behandlungsmethode für die kognitive Störung bei älteren Menschen, insbesondere da es zurzeit keine alternativen Mittel gibt, um den Verlauf häufig vorkommender Demenzerkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer, zu verändern.

Frank Lin, Facharzt für HNO und Epidemiologie an der Johns Hopkins School of Medicine, und sein Team führten eine umfassendere Studie durch, in der sie 639 Patienten 18 Jahre lang beobachteten. Keiner der Probanden litt zu Beginn der Studie an einer kognitiven Beeinträchtigung, auch wenn einige von ihnen eine mehr oder weniger schwere Hörminderung aufwiesen. Während der 18-jährigen Beobachtung wurde bei 58 der 639 Patienten eine Demenz diagnostiziert. Verglichen mit Probanden mit normalem Hörvermögen hatten die Patienten mit leichtem, mittelschwerem und schwerem Hörverlust jeweils ein 2-, 3- bzw. Selbst nach Berücksichtigung anderer Faktoren, die mit dem Demenzrisiko in Verbindung gebracht werden, unter anderem Diabetes, Bluthochdruck, Alter, Geschlecht und Herkunft, standen Hörverlust und Demenz weiterhin in einem deutlichen Zusammenhang.

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Die Ergebnisse der Lin-Gruppe wurden in einer neueren Studie von Gallacher et al., die 2012 veröffentlicht wurde, bestätigt. In dieser Studie wurden 1057 Männer über einen Zeitraum von 17 Jahren beobachtet. Der Hörverlust wurde zu Beginn der Studie und nach 9 Jahren bewertet. Sowohl Kognition und Demenz wurden beurteilt. Die Autoren fanden einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Hörverlust und der Demenz sowie dem Abbau kognitiver Fähigkeiten. Für jede 10 dB (A) des zunehmenden Hörverlusts verglichen mit dem normalen Hörvermögen in diesem Alter erhöhte sich das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, um das 2,7-fache. Ein interessantes Ergebnis war auch, dass der Zusammenhang zum kognitiven Abbau stärker war, wenn die Tests während einer persönlichen Befragung anstelle per Computer durchgeführt wurden.

Auch wenn der Grund für den Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen unbekannt ist, vermuten die Wissenschaftler, dass eine allgemeine Pathologie beide verursachen kann oder dass die Anstrengung, Geräusche über die Jahre hinweg zu dekodieren, das Gehirn von hörgeschädigten Menschen überfordert und sie daher anfälliger für eine Demenz macht. Sie mutmaßen zudem, dass der Hörverlust zur Demenz führen könnte, weil die Betroffenen oft gesellschaftlich isoliert werden - ein bekannter Risikofaktor für Demenz und andere kognitive Störungen.

Eine dänische Studie, die Anfang 2024 im Fachjournal »JAMA Otolaryngology - Head & Neck Surgery« publiziert wurde, unterstreicht diese vorsichtigere Einschätzung. Menschen mit audiometrisch diagnostiziertem Hörverlust erkrankten laut der Studie häufiger an einer Demenz als Hörgesunde und das Risiko war geringer, wenn sie ein Hörgerät verwendeten. Allerdings unterstreicht die Gruppe um Manuella Lech Cantuaria von der Universität von Süddänemark, dass das Risiko deutlich geringer war als in früheren Studien, und fordert mehr qualitativ hochwertige Longitudinalstudien.

Um andere altersbedingte Faktoren auszuschließen, untersuchten die Forscher, ob sowohl ein Hörverlust als auch eine gleichzeitige Sehbehinderung die Entwicklung einer Demenz fördern können. Dabei erwies sich der Hörverlust als einziger stabiler sensorischer Risikofaktor für Demenz, während das Sehvermögen keinen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung einer Demenz hatte.

Die Rolle von Hörgeräten und Cochlea-Implantaten

Obwohl die Wissenschaft noch nicht endgültig sagen kann, dass ein behandelter Hörverlust Alzheimer vermeiden kann, beobachtet man in Studien immer häufiger die positiven Auswirkungen von Hörhilfen auf die Gedächtnisleistung. Für Menschen mit schwerem bis hochgradigem Hörverlust sind Cochlea-Implantate oft die einzige Möglichkeit, um wieder hören zu können - und könnten so den geistigen Abbau verlangsamen.

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Eine aktuelle Studie aus Belgien kommt zu dem Schluss, dass Cochlea-Implantate einen positiven Effekt auf die Kognition haben. Das könnte daran liegen, dass ein besseres Hörvermögen Kommunikation, soziale Kontakte und kognitive Stimulation fördert. Diese Faktoren könnten einer potenziellen Gehirnatrophie entgegenwirken, die bei Hörverlust häufig beobachtet wird.

Dr. Torsten Mewes: „Vermutlich führt der Hörverlust zu Veränderungen im Gehirn. Durch die Dauerbelastung aufgrund der starken Konzentration auf das Hören werden andere Hirnfunktionen vernachlässigt. Besonders die Hirnrinde und der Hippocampus, die Schaltstelle zwischen Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis, scheinen dabei betroffen zu sein. Offenbar stören die immer schwächer werdenden Signale von den Haarzellen die normale Funktion der Nervenzellen im Hippocampus. Wer auch im Alter gut hört, senkt also sein Risiko, eine Demenz zu entwickeln. Dafür ist es jedoch sehr wichtig, dass eine Hörverminderung möglichst frühzeitig erkannt und behandelt wird. Eine beginnende Hörminderung lässt sich mit einem Hörgerät gut ausgleichen. Je länger man wartet, desto schwieriger wird dagegen die Behandlung, weil sich das Gehirn erst an das bessere Hören anpassen muss. „Hörgeräte können nicht nur dazu beitragen, eine Demenzerkrankung zu beeinflussen, sie wirken sich auch sehr positiv auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen aus. Auch das trägt sicher dazu bei, dass Menschen länger geistig fit bleiben, weil sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können,“ ist Dr.

Sollte dies irgendwann von der Leistung nicht mehr ausreichen, kann ein Cochlea-Implantat eine Alternative werden. Minimal-invasiv, über einen kleinen Schnitt hinter der Ohrmuschel, wird ein elektrisches Gerät eingesetzt, das die Funktion des Innenohrs (der Cochlea) übernimmt. Das ist ein schonender Eingriff, der Dank sehr gut verträglicher Narkose-Methoden sogar für die meisten Risikopatient*innen infrage kommt und im Ergebnis dafür sorgt, dass die Betroffenen bei erfolgreicher Rehabilitation wieder am sozialen Leben teilnehmen können und nicht aufgrund von starker Schwerhörigkeit in vollkommener Isolierung enden.

Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Hörverlust

Was kann man tun? „Ab Mitte 50 kann das Hörvermögen durch altersbedingten Verschleiß schlechter werden. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern das Gehör regelmäßig von einer Fachärztin oder einem Facharzt untersuchen lassen. In den meisten Fällen können Defizite durch ein Hörgerät ausgeglichen werden“, so Thienpont. Wird eine Hörhilfe ärztlich verordnet, übernimmt die Krankenkasse die Kosten bis zu einer Obergrenze. Ist die Hörschwäche krankheitsbedingt, sollten die Ursachen behandelt werden. Das können zum Beispiel Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen oder Schäden an der Halswirbelsäule sein.

MED-EL unterstreicht die Bedeutung von Hörgesundheit als Teil eines gesunden Alterns:

  • Machen Sie Hörtests zu einem Fixpunkt Ihrer jährlichen Gesundheitsvorsorge. Nehmen Sie sie gleich ernst wie andere regelmäßige Untersuchungen.
  • Unternehmen Sie früh etwas gegen Schwerhörigkeit und verwenden Sie bei Bedarf eine Hörhilfe.
  • Bewahren Sie Ihre sozialen Kontakte und Ihre Kommunikationsfähigkeit, um auch im Alter geistig fit zu bleiben. MED-EL bietet außerdem kostenlose Online-Hörtests an, um niederschwellig einen eventuellen Hörverlust zu entdecken.

Wie können Betroffene selbst frühzeitig merken, dass sie etwas gegen ihre Höreinschränkungen tun sollten? Gibt es so etwas wie einen Selbst-Check?Die beiden eben genannten Beispiele kann man natürlich auch für sich selbst hinterfragen. Umgangssprachlich, also in einer typischen Small-Talk-Situation, spricht man normalerweise in einem Abstand von einem Meter zum anderen, in einer Lautstärke von etwa 65 Dezibel. Wenn man merkt, dass man seinem Gegenüber immer näherkommt, um etwas zu verstehen, ist das ein deutliches Anzeichen für einen Hörverlust. Genauso, wenn Sie bei Störgeräuschen wie im Straßenverkehr oder im Restaurant einer Unterhaltung nicht mehr folgen können.

Tipps für Angehörige

Meistens bemerkt das Umfeld zuerst die zunehmenden Hörprobleme, traut sich aber vielleicht nichts zu sagen: Was raten Sie Freunden und Angehörigen, wie sie das am besten thematisieren?Man sollte die frontale Ansprache vermeiden im Sinne von "Du hast da ein Defizit. Du hörst nicht mehr richtig." Auf diesem Weg erreicht man in der Regel nichts weiter als eine Blockadehaltung seines Gegenübers. Die bessere Variante wäre beispielsweise danach zu fragen: "Wie ist das eigentlich, wenn Du jemandem lange zuhörst - bemerkst Du da einen Unterschied zu früher? Oder wie ist es mit Gesprächen an der Bushaltestelle: Kannst Du den Gesprächen der Passanten dort folgen?"

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