Strümpfe bei Polyneuropathie: Eine umfassende Betrachtung

Fußprobleme bei Patienten mit Diabetes mellitus werden oft durch Nervenschäden (Polyneuropathie) und Durchblutungsstörungen (periphere arterielle Verschlusskrankheit, pAVK) verursacht. Diese Komplikationen können zur Bildung von Druckstellen an der Fußsohle führen, die sich schnell zu schweren Infektionen entwickeln können. Die möglichen Folgen reichen von Krankenhausaufenthalten und Antibiotikatherapien bis hin zur Amputation von Zehen oder des gesamten Fußes. Daher ist die richtige Fußpflege und die Wahl geeigneter Strümpfe von entscheidender Bedeutung.

Grundlagen der Polyneuropathie

Der Begriff "Polyneuropathie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Erkrankung mehrerer Nerven". Sie betrifft die peripheren Nerven, also nicht Gehirn oder Rückenmark, und entsteht durch Schädigung des Nervenstrangs selbst oder seiner Umhüllung. Die Erkrankung beginnt meist mit Kribbeln, brennenden Missempfindungen, Schmerzen und Taubheitsgefühlen in den Füßen und Zehen. Viele Betroffene berichten von einem Schwellungsgefühl, Druckempfindlichkeit, dem Gefühl, auf Watte zu gehen, oder von elektrisierenden oder stechenden Schmerzen. Im weiteren Verlauf können sich die Symptome auf die Füße und Unterschenkel ausweiten und eine socken- oder kniestrumpfförmige Verteilung annehmen. In fortgeschrittenen Fällen können auch die Oberschenkel oder Finger betroffen sein, wobei die Taubheitsgefühle eine handschuhförmige Begrenzung aufweisen können. Zusätzlich können Lähmungen, Muskelschwund und Gangstörungen auftreten.

Die Polyneuropathie kann auch das Temperaturempfinden beeinträchtigen, sodass die Wassertemperatur beim Baden nicht mehr richtig eingeschätzt werden kann. Da das Schmerzempfinden herabgesetzt ist, werden Verletzungen am Fuß oft nicht oder zu spät bemerkt, was insbesondere bei Diabetes mellitus zur Entstehung von Druckgeschwüren führen kann. In schweren Fällen können auch innere Organe betroffen sein, was zu Blasenlähmung, Darmträgheit oder Herzrhythmusstörungen führen kann.

Ursachen und Diagnose der Polyneuropathie

Es gibt über 300 bekannte Ursachen für Polyneuropathie. In Deutschland sind Diabetes mellitus (ca. 35 %) und Alkoholkonsum (ca. 20 %) die häufigsten Ursachen. Bei etwa einem Viertel der Fälle bleibt die Ursache jedoch ungeklärt. Zu den weiteren möglichen Ursachen gehören:

  • Erkrankungen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Nierenversagen, Lebererkrankungen, Krebserkrankungen, Bluteiweißerkrankungen, HIV/AIDS, Amyloidose
  • Entzündliche Erkrankungen: Borreliose, Gefäßentzündungen, Autoimmunerkrankungen
  • Vitaminmangel: Mangel an Vitamin B1, B2, B6, B12, E
  • Schwermetallvergiftung: Blei, Arsen, Thallium, Quecksilber, Gold
  • Medikamente: Bestimmte Chemotherapeutika, Interferone, Virustherapeutika
  • Genetische Faktoren: Es gibt mehrere genetisch bedingte Polyneuropathien

Die Diagnose der Polyneuropathie erfolgt durch einen Neurologen. Zunächst werden die Krankengeschichte (Anamnese) erhoben und eine neurologische Untersuchung durchgeführt. Anschließend werden die peripheren Nerven mit elektrophysiologischen Methoden untersucht, um die Nervenleitgeschwindigkeit und die Reizantwortstärke zu messen. Ein EMG (Elektromyographie) kann zusätzlich durchgeführt werden, um die Aktivität der betroffenen Muskeln zu untersuchen.

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Zur Abklärung der Ursache werden Blutuntersuchungen durchgeführt, um die wichtigsten Ursachen auszuschließen. Bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung kann auch das Nervenwasser (Liquor) untersucht werden. In einigen Fällen ist eine Kernspintomographie der Wirbelsäule erforderlich, um andere Erkrankungen auszuschließen. Genetische Untersuchungen können durchgeführt werden, um genetisch bedingte Polyneuropathien zu identifizieren, sind jedoch teuer und werden nicht routinemäßig durchgeführt. Eine Nervenbiopsie ist heutzutage nur in Ausnahmefällen notwendig.

Therapieansätze bei Polyneuropathie

Die Aussage, dass man bei Polyneuropathie nichts machen kann, ist falsch. Es gibt viele therapeutische Ansätze, und Verbesserungen sind fast immer möglich. In einigen Fällen ist sogar eine Ausheilung möglich.

Das Hauptziel der Behandlung ist die Beseitigung der Ursache der Polyneuropathie. Dies kann bedeuten, den Diabetes mellitus optimal einzustellen, Medikamente abzusetzen, die die Polyneuropathie verursachen, oder eine toxische Exposition zu beenden. Bei Alkohol als Ursache ist eine lebenslange Abstinenz erforderlich.

Zur Behandlung von Schmerzen und Missempfindungen stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Bei entzündlichen Ursachen können Cortison-Infusionen, Plasmapherese oder Immunglobuline helfen. Missempfindungen und Schmerzen können auch mit Neural-Akupunktur behandelt werden. Lähmungen, Muskelschwund, Gleichgewichtsstörungen und Gangstörungen können mit spezifischer Physiotherapie behandelt werden, die gegebenenfalls durch elektrische oder magneto-elektrische Stimulation ergänzt werden kann.

Bedeutung von Strümpfen bei Polyneuropathie

Bei Polyneuropathie ist die Auswahl der richtigen Strümpfe von großer Bedeutung, um Fußproblemen vorzubeugen und das Wohlbefinden zu verbessern. Hier sind einige wichtige Aspekte:

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Schutz und Vorbeugung

  • Barfußlaufen vermeiden: Gehen Sie niemals barfuß, um Verletzungen durch kleine Steine oder andere Gegenstände zu vermeiden, die aufgrund der Gefühlsminderung möglicherweise nicht bemerkt werden.
  • Regelmäßige Fußpflege: Waschen Sie Ihre Füße täglich mit milder Seife und warmem Wasser. Testen Sie die Wassertemperatur vorher mit der Hand, um Verbrennungen zu vermeiden. Trocknen Sie die Füße sorgfältig ab, besonders zwischen den Zehen. Verwenden Sie eine Feuchtigkeitscreme, um die Haut weich und geschmeidig zu halten, aber vermeiden Sie es, Lotion zwischen den Zehen aufzutragen.
  • Nagelpflege: Schneiden Sie Ihre Zehennägel gerade und vermeiden Sie es, die Ecken zu schneiden. Verwenden Sie eine Nagelfeile, um scharfe Kanten zu glätten. Bei eingewachsenen Zehennägeln suchen Sie einen Arzt oder Podologen auf.
  • Vorsicht bei Wärmeanwendungen: Verwenden Sie keine Heizkissen oder scharfen Instrumente an Ihren Füßen. Vermeiden Sie es, Ihre Füße in die Nähe von Heizkörpern oder vor den Kamin zu stellen.
  • Fußinspektion: Untersuchen Sie Ihre Füße täglich auf Verletzungen, Druckstellen, Rötungen, Schwellungen, Blasen, Geschwüre, Kratzer, Schnitte und Nagelprobleme. Verwenden Sie einen Spiegel oder bitten Sie jemanden um Hilfe, um auch die Unterseite der Füße und Zehen zu inspizieren. Achten Sie auf einseitige Schwellungen, da dies ein frühes Anzeichen für einen Charcot-Fuß sein kann.

Auswahl geeigneter Strümpfe

  • Bequeme Socken: Tragen Sie bequeme Socken im Bett, um Ihre Füße warm zu halten. Tragen Sie im Winter warme Socken und Schuhe.
  • Materialien: Wählen Sie Strümpfe aus weichen, atmungsaktiven Materialien wie Baumwolle, Bambus oder Merinowolle. Vermeiden Sie synthetische Materialien, die die Feuchtigkeit einschließen und das Risiko von Hautirritationen erhöhen können.
  • Nahtlose Verarbeitung: Achten Sie auf Strümpfe mit flachen oder nahtlosen Zehenbereichen, um Druckstellen und Reibung zu vermeiden.
  • Passform: Die Strümpfe sollten gut sitzen, ohne einzuschnüren oder Falten zu werfen. Vermeiden Sie zu enge Bündchen, die die Durchblutung beeinträchtigen können.
  • Spezielle Neuropathie-Socken: Es gibt spezielle Neuropathie-Socken, die zusätzliche Vorteile bieten können:
    • Förderung der Durchblutung: Diese Socken können die Durchblutung verbessern und so die Nerven in den Füßen mit Nährstoffen versorgen.
    • Sanfte Kompression: Eine sanfte Kompression kann helfen, Schwellungen zu reduzieren und den Füßen mehr Stabilität zu geben.
    • Druckentlastung: Spezielle Polsterungen und Designs können Druckstellen entlasten und Schmerzen reduzieren.

Kompressionsstrümpfe

  • Indikation: Kompressionsstrümpfe können bei venösen Problemen und zur Unterstützung der Durchblutung eingesetzt werden. Sie sind jedoch nicht für jeden geeignet.
  • Kontraindikationen: Bei fortgeschrittener peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) ist die Kompressionstherapie kontraindiziert. Bei leichter oder mittelschwerer pAVK sollte der Nutzen der Kompressionstherapie gegen das Risiko abgewogen werden.
  • Vorsichtsmaßnahmen: Bei Polyneuropathie und Sensibilitätsverlust sind besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich. Dazu gehören das Abpolstern knöcherner Strukturen, die Überprüfung der Passform, die Wahl einer niedrigen Kompressionsklasse und engmaschige Kontrollen.
  • Anwendung: Es ist wichtig, dass der Patient den Strumpf selbst anziehen kann und seine Beine regelmäßig auf Einschnürungen und Druckstellen untersucht.
  • Spezielle Kompressionsstrümpfe: Es gibt spezielle Kompressionsstrümpfe, die für Patienten mit arteriellen Problemen und Diabetes mellitus geeignet sind. Diese Strümpfe üben einen geringeren Druck aus und sind besonders hautfreundlich. Ein Beispiel hierfür ist der mediven angio*.

Weitere Tipps

  • Schuhe: Wählen Sie Ihre Schuhe sorgfältig aus. Kaufen Sie neue Schuhe am Nachmittag, wenn Ihre Füße angeschwollen sind. Achten Sie auf bequeme Schuhe ohne Einlaufzeit. Lassen Sie Ihre Füße jedes Mal messen, wenn Sie neue Schuhe kaufen. Vermeiden Sie spitze Schuhe und High Heels. Kaufen Sie Schuhe aus weichem Obermaterial und mit hohem Zehenraum. Tragen Sie neue Schuhe jeweils nicht länger als 2 Stunden. Inspizieren Sie die Innenseite jedes Schuhs, um Fremdkörper auszuschließen, bevor Sie ihn anziehen. Schnüren Sie Ihre Schuhe nicht zu fest oder zu locker.
  • Nicht rauchen: Rauchen schädigt die Blutgefäße und beeinträchtigt die Sauerstoffversorgung des Gewebes.
  • Regelmäßige Kontrollen: Lassen Sie sich regelmäßig von einem Arzt oder Podologen beraten und untersuchen. Vereinbaren Sie Termine, um Ihre Füße professionell beurteilen zu lassen.

Innovative Therapieansätze

Neben den genannten Maßnahmen gibt es auch innovative Therapieansätze, die bei Polyneuropathie eingesetzt werden können:

  • Neuroprothesen: Forscher haben eine nichtinvasive Neuroprothese namens "NeuroStep" entwickelt, die wie ein Socken getragen werden kann. Das System stimuliert die Nervenbahnen durch die Haut mit gezielten elektrischen Impulsen und stellt so die gestörte Nervenleitung wieder her. Studien haben gezeigt, dass die Neuroprothese das Empfindungsvermögen und die Bewegungskoordination verbessern und Schmerzen reduzieren kann.
  • Stimulationssocken: Leitfähige Socken-Elektroden können zur Elektrostimulation der Füße verwendet werden. Die Socken werden mit einem TENS- oder EMS-Gerät verbunden und stimulieren die Muskeln und Nerven in den Füßen und Fußgelenken. Dies kann bei verschiedenen Beschwerden helfen, wie z.B. Schmerzen, Durchblutungsstörungen und Muskelabbau.
  • Celliant-Garn: Strümpfe aus Celliant-Garn (veredeltes Polyester) können die Durchblutung verbessern und wärmende Effekte haben. Das Material ist atmungsaktiv und leitet Feuchtigkeit ab, was besonders für Menschen mit kalten Füßen und Diabetes von Vorteil sein kann.
  • Adaptive KI-Algorithmen: Es werden adaptive KI-Algorithmen entwickelt, um die Kalibrierungszeit von Neuroprothesen zu reduzieren und das System an Schwellungen oder Hardware-Probleme anzupassen.

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